Geräuschüberempfindlichkeit

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 1. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Geräuschüberempfindlichkeit (medizinischer Fachausdruck: Hyperakusis) ist eine sehr unangenehme akustische Störung, bei der Betroffene Geräusche normaler Lautstärke als sehr laut und schwer ertragbar empfinden. Im Folgenden soll die Störung genauer beschrieben sowie mögliche Ursachen und Therapieansätze genannt werden.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Geräuschüberempfindlichkeit?

Frau leidet an Geräuschüberempfindlichkeit
Lärm und Stress sind meist die Auslöser für eine Geräuschüberempfindlichkeit.

Hyperakusis ist ein lateinisches Wort und setzt sich aus den Wortteilen "hyper" (Über-) und "akuo" (ich höre) zusammen. Menschen, die an Hyperakusis leiden, nehmen Geräusche mit normalem oder im Extremfall sogar leisem Geräuschpegel als sehr laut wahr.

Dies bezieht sich vor allem auf Lautstärken zwischen 50-80 db. Sie empfinden die Lautstärke als sehr unangenehm und reagieren in sehr vielen Fällen auch körperlich, beispielsweise mit einem Verziehen des Gesichts oder einem Zusammenzucken - und zwar je stärker, umso höher die Lautstärke über Ihrer Toleranzgrenze liegt. Dann kommen auch Symptome wie Herzasen oder Schweißausbrüche häufig vor.

Dabei beschränkt sich die Überempfindlichkeit nicht auf einzelne Geräusche, sondern flächendeckend wird Lärm wie Verkehrsgeräusche oder Musik aus der Nachbarwohnung als unangenehm wahrgenommen. Die erkrankten Ohren sind nicht länger in der Lage, Nebengeräusche wie eben Verkehrslärm oder den Staubsauger des Nachbarn auszublenden; die Belastung der Betroffenen ist enorm.

Ursachen

Die Hyperakusis ist leider noch zu wenig erforscht, um wirklich gesicherte Aussagen über die Ursachen treffen zu können. Es wird jedoch beobachtet, dass Hyperakusis häufig in Verbindung mit oder zeitversetzt zu einem Tinnitus auftritt.

Oft tritt Hyperakusis mit weiteren physischen und psychischen Krankheiten auf - beispielsweise in Verbindung mit einem Schädel-Hirn-Trauma, einer Migräne, Epilepsie, einer Borreliose-Infektion oder mit Multiple Sklerose, oder eben in Verbindung mit einer Depression, PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) oder einer Manie.

Manchmal wird auch das sogenannte "Recruitment", das bei schwerhörigen Menschen, deren Haarzellen im Innenohr beschädigt sind, auftritt und die Überempfindlichkeit gegenüber lauten Geräuschen bezeichnet, als Hyperakusis bezeichnet. Wenn Geräusche einmal die Hörschwelle erreicht haben, wird der Anstieg des Lautstärkepegels ab diesem Punkt viel rasanter wahrgenommen als bei Nicht-Hörgeschädigten; von Hyperakusis spricht man jedoch im medizinisch korrekten Sinne eigentlich nur, wenn die Hörschwelle normal ausgeprägt ist.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Personen, die an einer Geräuschüberempfindlichkeit leiden, nehmen Alltagsgeräusche als besonders laut war. Normale Geräusche wie Schritte oder Klopfen werden als sehr unangenehm empfunden und führen mitunter auch zu körperlichen Reaktionen. Begleitend zu der Überempfindlichkeit auf Geräusche können dann weitere Symptome auftreten, wie zum Beispiel Herzrasen, Bluthochdruck oder Schweißausbrüche.

Viele Patienten sind leicht reizbar, verspannt und leiden unter einer inneren Unruhe. Insbesondere in stressigen Lebensphasen und Situationen kommt es vermehrt zu Panikattacken und einem starken Unwohlsein. Die Betroffenen ziehen sich in der folge oft aus dem sozialen Leben zurück, wodurch sich depressive Verstimmungen und andere psychische Beschwerden einstellen können. Die Beschwerden treten meist schleichend auf und werden von den Betroffenen nicht immer sofort bemerkt oder auf eine Geräuschempfindlichkeit zurückgeführt.

Im Kindesalter kommt es nur selten zu einer Geräuschempfindlichkeit. Manchmal verschwinden die Symptome nach einigen Zeit von alleine wieder. Sie können allerdings auch über Monate, Jahre oder sogar über das gesamte Leben des Betroffenen bestehen bleiben. Eine chronische Geräuschüberempfindlichkeit tritt zumeist im Zusammenhang mit anderen psychischen Beschwerden auf und nimmt im Verlauf an Intensität zu. Liegt der Geräuschüberempfindlichkeit ein Tinnitus zugrunde, kommen oft auch Ohrgeräusche und andere Symptome hinzu.

Diagnose & Verlauf

Da Geräusche mit einer in der durchschnittlichen Bevölkerung als normal oder leise empfundenen Laustärke bei Betroffenen starke Probleme verursachen, besteht die Hauptgefahr bei dieser Erkrankung darin, nicht mehr aktiv am Alltagsleben teilnehmen zu können.

Laute Partys werden als unerträgliche Qual empfunden; festliche Anlässe, bei denen der Geräuschpegel ja auch meist mit steigendem Alkoholgenuss ansteigt, werden bewusst vermieden. Es besteht die Gefahr einer Abkapselung, die sich natürlich noch verstärkt, wenn Betroffene sich wegen des alltäglichen Lärms, beispielsweise des Verkehrs, nicht mehr auf die Straße oder auf die Arbeit trauen.

Dieses Verhalten kann sich noch verstärken, indem die wohltuende Stille zu Hause als Grundzustand und die Alltagsgeräusche der Außenwelt als unangenehmer Zustand gelernt werden. Ein Rückzug in die eigenen vier Wände führt zur sozialen Vereinsamung der Betroffenen. Die Diagnose der Hyperakusis wird vom Arzt nach umfangreichen Hörtests und Untersuchung von des Hals-Nasen-Ohren-Raumes gestellt.

Komplikationen

Durch die Geräuschüberempfindlichkeit kommt es zu erheblichen Einschränkungen im Alltag und die Lebensqualität des Patienten wird extrem verringert. Es ist dabei nicht nur die psychische Wahrnehmung, sondern auch die körperliche Funktion von der Krankheit betroffen. In den meisten Fällen kommt es zu Bluthochdruck und zu Herzrasen.

Dabei kann es im schlimmsten Falle auch zum Tode kommen, wenn die Herzbeschwerden nicht richtig behandelt werden. Der Betroffene wirkt oft angespannt, aggressiv und gereizt. Eine gewöhnliche Teilnahme am aktiven Leben ist dadurch nicht mehr möglich. Ebenso kommt es zu Schlafstörungen, die sich negativ auf die Konzentrationsfähigkeit des Patienten auswirken können.

In stressigen Situationen können Panikattacken oder Schweißausbrüche entstehen. Nicht selten werden aufgrund der Geräuschüberempfindlichkeit die sozialen Kontakte des Patienten eingeschränkt und die Betroffenen ziehen sich zurück. Dies kann zu Depressionen und anderen psychischen Beschwerden führen.

Eine kausale Behandlung der Geräuschüberempfindlichkeit ist nicht möglich. Es können allerdings Hörgeräte eingesetzt werden, die die Geräusche minimieren und damit die Beschwerden lindern. In einigen Fällen verschwindet die Krankheit mit der Zeit von alleine. Oft muss der Patient allerdings sein gesamtes Leben mit der Geräuschüberempfindlichkeit verbringen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Ein Arztbesuch ist notwendig, sobald alltägliche Umgebungsgeräusche als störend empfunden werden. Unabhängig von der Intensität der Beeinträchtigung oder der Empfindlichkeit sollte ein Arztbesuch zur Abklärung der Ursache erfolgen. Auch bei geringen Beschwerden ist einem Arzt von den Wahrnehmungen zu berichten, da sich schwerwiegende Erkrankungen dahinter verbergen können. Kommt es zu einer Zunahme der Geräuschüberempfindlichkeit ist schnellstmöglich ein Arztbesuch erforderlich.

Stellen sich zusätzlich Ohrgeräusche ein oder bemerkt der Betroffene ein vorübergehendes Taubheitsgefühl im Ohr, sollte ein Arzt um Rat gefragt werden. Bei einem Pfeifen oder einem Piepgeräusch im Ohr ist unverzüglich ein Arzt aufzusuchen. Beklagt der Betroffene durch die Geräuschüberempfindlichkeit eine Stimmungsschwankung, innere Unruhe oder Gereiztheit, wird ein Arzt benötigt. Treten Verhaltensänderungen ein, erhöht sich das Stresserleben oder findet ein sozialer Rückzug statt, ist ein Arzt zu konsultieren. Können alltägliche Verpflichtungen im Beruf oder Privatleben nicht mehr erfüllt werden, ist ein Arzt aufzusuchen.

Bei Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsdefiziten ist die Konsultation eines Arztes notwendig. Eine erhöhte Körpertemperatur, Schweißausbrüche, Gangunsicherheiten und Schwindel sollten von einem Arzt untersucht und behandelt werden. Treten Schwindel, Übelkeit oder Erbrechen auf, ist ein Arztbesuch erforderlich. Bei dem Verlust des Gleichgewichts, Schmerzen oder einem Druckgefühl im Bereich der Ohren ist die Konsultation eines Arztes notwendig.

Behandlung & Therapie

Bei der Behandlung der Hyperakusis kann leider auch nicht auf gesichertem medizinischem Fundament gearbeitet werden. Es gibt jedoch eine Vielzahl an Therapien, die Betroffenen geholfen haben. Die Therapieansätze sind demnach sehr unterschiedlich und individuell.

In leichten Fällen reicht teilweise schon eine "Entlastung" von Geräuschen, so dass das das Ohr sich wieder an eine normale Beurteilung von Lautstärken gewöhnen kann.

In anderen Fällen erfolgt die Behandlung durch den Einsatz sogenannter "Noiser", zu deutsch Geräuscherzeuger, die an Hörgeräte erinnern und die für eine nach und nach steigerbare ständige Geräuschkulisse sorgen. So soll das Ohr lernen, Umweltgeräusche wieder erfolgreich auszublenden.

In den Fällen, in denen die Hyperakusis in Verbindung mit einer anderen Krankheit auftritt, bringt eine erfolgreiche Therapie dieser Krankheit oftmals auch das Ende der Hyperakusis mit sich.

Aussicht & Prognose

Wird die Geräuschüberempfindlichkeit durch eine emotionale Problematik ausgelöst, besteht eine gute Aussicht auf eine Heilung. Durch kognitive Trainings kann die Wahrnehmung geschult und die stärke der Einflussfaktoren reguliert werden. In vielen Fällen ist der Betroffene auf bestimmte Bereiche aufgrund einer Lernerfahrung konditioniert worden. Dies lässt sich in einer Therapie durch gezielte Übungen verändern oder löschen.

Bei einer psychischen Störung wird die Geräuschüberempfindlichkeit meist nicht gezielt therapiert. Bei einer Depression, einem Trauma oder Angst wird vielmehr die auslösende Ursache erforscht und in Zusammenarbeit mit dem Patienten an dieser gearbeitet. Die Heilungschance erhöht sich, sobald der Betroffene aktiv mitarbeitet und an einer Veränderung seiner Lebensbedingungen interessiert ist.

Entscheidet sich der Patient dazu, keine therapeutische oder medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist eine Linderung der Beschwerden meist nur schwer zu erreichen. Können organische Störungen ausgeschlossen werden, besteht die Möglichkeit eine eigenständigen Heilung. Verfügt der Patient über genügend Erfahrung, kann er durchaus eine Minimierung der Beschwerden erreichen.

Ist die Geräuschüberempfindlichkeit das Resultat einer Infektion oder anderen Erkrankung, kann durch den Einsatz eines Hörgerätes oder durch die Gabe von dämpfenden Medikamenten eine Verbesserung der Beschwerden erreicht werden. Eine dauerhafte Genesung tritt ein, sobald die vorliegende Grunderkrankung diagnostiziert und behandelt ist.


Vorbeugung

Zur Vorbeugung ist ebenfalls noch nicht viel herausgefunden worden. Es sind möglicherweise ähnliche Maßnahmen wie bei der Vorbeugung des Tinnitus zu treffen. Generell wird eine verbesserte Aufklärung über das Phänomen Hyperakusis auch eine schnellere Diagnose und Behandlung der Krankheit mit sich bringen. Somit können Betroffene besser verstanden werden, statt nur als überempfindlich abgestempelt zu werden, und sie wissen dann selbst, dass sie sich erfolgreich gegen die Hyperakusis behandeln lassen können.

Nachsorge

Bei einer zeitweise auftretenden Geräuschüberempfindlichkeit ist eine Nachsorge nicht immer erforderlich. Sie kann nervlich bedingt sein und als Stressfolge auftreten. Gegebenenfalls kann ein Umzug ratsam werden, wenn der Betroffene in einer verkehrsreichen und lauten Gegend lebt. Der Lärmpegel in manchen Stadtvierteln kann beträchtlich sein.

Ist die Geräuschüberempfindlichkeit aber aufgrund eines Hörproblems entstanden oder Folge einer Hochsensibilität, ist gegebenenfalls anders vorzugehen. Hochsensible Menschen haben nur geringe Möglichkeiten, ihre Geräuschüberempfindlichkeit abzustellen. Sie sollten ihr Leben daher so stressfrei wie möglich gestalten.

Für Hörprobleme, die durch die Überempfindlichkeiten ausgelöst werden, sind Akustiker oder HNO-Ärzte die Ansprechpartner. Hyperakusis als Folge eines Tinnitus kann auch im Rahmen einer klinischen Behandlung gebessert werden. Tritt die Hyperakusis infolge eines Tinnitus oder eines traumatischen Erlebens wie einer Bomben-Explosion auf, können Entspannungstherapien oder Hörtraining dabei helfen, wieder ein normales Verhältnis zur allgemeinen Lautstärke zu bekommen.

Eine Hyperakusis kann als Folge eines Erschöpfungssyndroms oder Burn-outs, sowie infolge eines [[Posttraumatische_Belastungsstörung(PTBS)|posttraumatischen Stress-Syndroms oder eines Knalltraumas entstehen. Bei den beiden letztgenannten stehen die Stressentlastung und die Traumabehandlung im Vordergrund jeder Nachsorgemaßnahme.

Bei den beiden zuerst genannten Erkrankungen ist die Nachsorge umfassender. Sie kann langwierig sein und Lebensumstellungen erfordern. Die Nachsorge erfolgt nach der klinischen Akutbehandlung meist durch den Hausarzt. Eine psychotherapeutische Unterstützung aller Betroffenen kann ratsam sein.

Das können Sie selbst tun

Aufgrund des relativ hohen Leidensdrucks und der Beeinträchtigung in sozialen Situationen sollte so früh wie möglich der Hausarzt aufgesucht werden, um eine weitere Behandlung abzuklären. Zudem kann der Hausarzt den Betroffenen bei Bedarf zu Fachärzten überweisen.

So ist der HNO-Arzt durch sein Otoskop in der Lage, die Störung im Ohr zu erkennen oder Schädigungen im Ohrbereich als Störungsursache auszuschließen. Der Neurologe wiederum kann die Erkrankung über eine Untersuchung des Blutbildes oder über MRT diagnostizieren.

Sollte die Störung psychische Ursachen haben, so sollte im Rahmen von Psychotherapien und/oder Medikamenten das Störungsbild psychisch angegangen werden, damit der Geräuschüberempfindlichkeit die Grundlage entzogen wird. Ist z. B. eine Angst die Ursache für das Störungsbild, so kann der Psychologe dabei helfen, die Ursache für die Angst zu bekämpfen und dem Betroffenen wieder zu mehr Lebensmut und Selbstvertrauen zu verhelfen.

Durch Meditation kann der Betroffene sich auch selbst helfen, damit er durch die Entspannung lernt, wieder mehr zur Ruhe zu kommen und seine Nervösität abzubauen. Begleitende Musik kann dem Betroffenen bei seinen Meditationsübungen dabei nützlich sein, in die richtige Stimmung zu kommen. Dabei sollte die Musik entspannend sein und einem ruhigen und gleichmäßigen Rhythmus folgen, sodass er ganz in der Musik aufgehen kann.

Quellen

  • Arnold, W.: Checkliste Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Thieme, Stuttgart 2011
  • Boenninghaus, H. G., Lenarz, T.: Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Springer, Heidelberg 2012
  • Reia, M.: Facharztwissen HNO-Heilkunde. Springer, Heidelberg 2009

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