Impulskontrollstörung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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In der Psychologie bezeichnet eine Impulskontrollstörung ein zwanghaftes und nicht kontrollierbares Verhalten, das Betroffene unter Anspannung an den Tag legen. Die jeweilige, impulsiv ausgeführte Handlung führt zu einem kurzzeitigen Nachlassen der Anspannung.

Inhaltsverzeichnis

Was kennzeichnet eine Impulskontrollstörung?

Mögliche Verhaltensweisen, die erste Anhaltspunkte bieten, sind zum Beispiel Lügen, Stehlen, aggressives und autoaggressives Verhalten und die Tendenz zu risikoreichen oder obsessiven sexuellen Verhaltensmustern. Auch Wunden, kahle Stellen und abgekaute Fingernägel können Anzeichen eventueller zwanghafter Handlungen sein.
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Kennzeichnend für Impulskontrollstörungen ist, dass die betroffenen Menschen nicht dazu fähig sind, ihrem Impuls zu widerstehen. Die Entscheidung, eine bestimmte Handlung auszuführen, wird nicht bewusst getroffen und ausgeführt. Zudem verfolgen die verschiedenartigen Impulse keinerlei Ziel. Eine typische Störung der Impulskontrolle ist zum Beispiel das pathologische Stehlen, das veraltet auch als Kleptomanie bezeichnet wird.

Menschen die zwanghaft stehlen, verfolgen keine Motive wie Bereicherung, Neid oder die Schädigung eines anderen Menschen. Sie stehlen unwillkürlich und haben keinerlei Interesse an den gestohlenen Gegenständen und verstecken oder vernichten diese sogar häufig. Weitere Störungen der Impulskontrolle sind Kaufsucht, Esssucht, Spielsucht, die Sucht zu masturbieren und der Zwang, den eigenen Körper durch Kratzen oder das Ausreißen von Haaren und Nägeln zu verletzen.

Grundsätzlich kann eine impulsive Handlung in fünf verschiedene Handlungsabschnitte unterteilt werden. Nach dem ersten Impuls wächst der Wunsch diesen auszuführen, was mit hoher Anspannung verbunden ist. Diese wird durch den Vollzug der Zwangshandlung abgebaut und führt zu kurzzeitiger Entspannung. Die letzte Phase, die nicht immer stattfindet, zeichnet sich durch Schuldgefühle aus.

Ursachen

Die Ursachen von Störungen der Impulskontrolle sind noch nicht abschließend erforscht. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden die Störungen jedoch durch ein komplexes Zusammenspiel genetischer und körperlicher Grundlagen, Erziehung, Umfeld und Erfahrungshorizont ausgelöst. Zudem vermuten Forscher, dass der Hormonspiegel der Betroffenen für die Problematik relevant ist und die Art der Störung maßgeblich beeinflusst.

Männer haben einen höheren Testosteronspiegel als Frauen und neigen häufiger zu aggressiven Störungen, wie zum Beispiel zu zwanghaftem Brandstiften. Frauen hingegen üben weniger aggressive Zwangshandlungen aus, die allerdings oftmals selbstzerstörerischer Natur sind. Die Trichotillomanie, also der Zwang Haare auszureißen, ist eine Zwangshandlung, die häufig von Frauen ausgeübt wird. Zudem wird der Frage nachgegangen, inwiefern Impulskontrollstörungen mit anderen psychischen Störungen verbunden sind. Besonders wichtig ist die Verknüpfung mit Substanzabhängigkeiten und schweren psychische Erkrankungen wie der Borderline-Persönlichkeitsstörung zum Beispiel.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome für eine Störung der Impulskontrolle sind nicht immer spezifisch, da viele verschiedene Ausprägungen der Erkrankung existieren. Zudem ist den Betroffenen das eigene Verhalten meist nicht bewusst. Bei Kindern können außerdem typisch kindliche Verhaltensmuster wie Spontanität oder scheinbar zwecklose Handlungen leicht mit psychischen Störungen verwechselt werden.

Insbesondere in den USA gibt es eine Tendenz zur schnellen Verabreichung von Psychopharmaka, wenn der Verdacht auf eine psychische Erkrankung im Kindesalter besteht. Eine mögliche psychische Störung sollte auf jeden Fall immer im Zusammenhang mit dem Alter und dem Umfeld der betroffenen Person betrachtet werden. Mögliche Verhaltensweisen, die erste Anhaltspunkte bieten, sind zum Beispiel Lügen, Stehlen, aggressives und autoaggressives Verhalten und die Tendenz zu risikoreichen oder obsessiven sexuellen Verhaltensmustern.

Auch Wunden, kahle Stellen und abgekaute Fingernägel können Anzeichen eventueller zwanghafter Handlungen sein. Die Betroffenen leiden zudem häufig unter Zwangsgedanken, verfolgen irrational erscheinende Ideen und haben Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Da Störungen der Impulskontrolle immer dann auftreten, wenn die Betroffenen von der Situation, in der sie sich befinden, überfordert sind, ist die psychologische Verfassung ein wichtiger Faktor.

Menschen, die an einer fehlenden Impulskontrolle leiden, sind oftmals depressiv, misstrauisch, fühlen sich allein gelassen und leiden unter einem geringen Selbstwertgefühl.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose, ob eine Störung der Impulskontrolle vorliegt, muss in jedem Fall von einem Spezialisten gestellt werden. Diese ist nicht immer einfach zu diagnostizieren, da einige Störungen, wie zum Beispiel zwanghaftes Essen oder Einkaufen einerseits bis zu einem gewissen Grad gesellschaftlich akzeptiert sind und sich zum anderen auch mit Süchten überschneiden. Zwanghaftes Feuerlegen ist nicht unbedingt mit Spielsucht vergleichbar und auch Essstörungen können als bewusster Versuch Körperkontrolle zu erlangen oder als unbewusste Kompensationshandlung verstanden werden.

Komplikationen

Komplikationen fallen bei diesem Krankheitsbild sehr unterschiedlich aus, da die Impulskontrollstörung ein Symptom mehrer Erkrankungen sein kann. Der Kaufzwang zum Beispiel bedeutet häufig eine große finanzielle Belastung. Einige Betroffene tätigen auch dann größere Ausgaben, wenn sie sich diese eigentlich nicht leisten können, oder sie geben Geld aus, das für andere Zwecke bestimmt war. Dies kann zu erheblichen zwischenmenschlichen Spannungen mit dem Umfeld führen.

Ähnliches gilt zum Teil auch für die Spielsucht. Spielsüchtige vernachlässigen zudem oft ihre Familie und ihren Freundeskreis. Berufliche Komplikationen können ebenfalls auftreten – zum Beispiel bei Abwesenheit, mangelhaften Leistungen oder Spielen (zum Beispiel am Computer oder Handy) während der Arbeitszeit.

Personen mit Trichotillomanie zupfen sich an eigene Haare aus. Dadurch können sich kahle Stellen entwickeln, die nicht sehr ästhetisch sind. Wenn die Augenbrauen vollständig entfernt werden, kann Schweiß von der Stirn in die Augen rinnen. Auch die Wimpern dienen dem Schutz der Augen; reißt der Trichotillomaniker sie aus, fehlt ihre schützende Wirkung ebenfalls. Darüber hinaus ist der menschliche Körper nicht in der Lage, Haare zu verdauen. Dadurch kann ein Haarknäuel im Darm entstehen. Ein solcher sogenannten Bezoar kann zum Darmverschluss führen.

Kleptomanen müssen sich gegebenenfalls den juristischen Konsequenzen ihres pathologischen Stehlens stellen. Das gilt auch für Pyromanen, wenn sie fremdes Eigentum anzünden oder gegen Bestimmungen verstoßen. Pyromanen erleiden in einigen Fällen Verletzungen, wenn sie ein Objekt in Brand stecken. Alle Impulskontrollstörungen können mit anderen psychischen Erkrankungen einhergehen, zum Beispiel mit einer Depression.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Menschen mit einem auffälligen Verhalten oder plötzlichen Verhaltensänderungen sollten grundsätzlich ärztlich untersucht und behandelt werden. Kommt es zu spontanen unkontrollierten Ausbrüchen von Wut, Gewalt oder verbalen Attacken, wird ein Arzt oder Therapeut benötigt. Kippt wiederholt die Stimmung eines Betroffenen innerhalb von Sekunden oder Minuten von einem harmlosen in ein angriffslustiges oder aufgebrachtes Auftreten, sollte ein Arzt aufgesucht werden.

Zum Krankheitsbild einer Impulskontrollstörung gehört die nicht vorhandene Einsicht einer Unstimmigkeit. Aus diesem Grund ist besondere Sensibilität im Umgang mit dem Betroffenen notwendig. Ein besonderes Vertrauensverhältnis ist wichtig, damit Menschen mit einer erhöhten Impulsivität oder mit Problemen der Emotionskontrolle einen Arzt aufsuchen.

Wird das Verhalten des Betroffenen als ab der Norm erlebt, sollte ein Arzt um Rat gebeten werden. Menschen, die umgangssprachlich als cholerisch, tobsüchtig oder wutentbrannt wahrgenommen werden, können durch eine therapeutische Betreuung lernen, ihr Verhalten zu verändern. Unkontrolliertes Verhalten wird von Menschen der Umgebung als angsteinflößend wahrgenommen und sollte mit dem Betroffenen und einem Arzt besprochen werden.

Angehörige sind gut beraten, wenn sie sich fachärztlich informieren lassen, um selbst ein richtigen Verhalten im Umgang mit dem Betroffenen zeigen zu können. Nimmt die Impulskontrollstörung an Intensität zu oder stellt sie eine Gefährdung für andere dar, kann ein Amtsarzt bestellt werden.

Behandlung & Therapie

Grundsätzliche können Betroffene unter Aufsicht eines Psychiaters medikamentös behandelt werden oder einen nichtmedikamentösen Therapieansatz wie zum Beispiel Gesprächstherapie, Verhaltenstherapie oder Psychoanalyse wählen. Wichtig ist es dabei, die Therapieziele klar zu definieren. So gibt es einerseits die Möglichkeit, unerwünschtes Verhalten vollständig zu unterdrücken und andererseits das Ziel, die Zwangshandlung zu modifizieren und auf ein unschädliches Maß zu reduzieren.

Eine Vorüberlegung, um das Therapieziel zu bestimmen, ist zum Beispiel die Frage, inwiefern sich die betroffene Person körperlich schädigt. Zudem muss der soziale und der juristische Kontext der Handlung betrachtet werden. Zwanghaftes Stehlen wird beispielsweise anders bewertet als zwanghaftes Kaufen. Der Therapeut muss zudem bewerten, ob der Patient dazu in der Lage ist, das schädliche Verhalten auf ein unschädliches Maß zu reduzieren. Und natürlich darf nicht außer Acht gelassen werden, ob der Betroffene dazu bereit ist, zu kooperieren. Insbesondere im Falle von Kindern sind sich die Patienten oft nicht über den Ernst der Lage im Klaren.

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Aussicht & Prognose

Die Prognose ist gebunden an die vorliegende Ursache oder Grunderkrankung des Betroffenen. In vielen Fällen kann durch eine Verhaltenstherapie oder andere psychologische Betreuung eine Verbesserung der Beschwerden erreicht werden. Bei einer Krankheitseinsicht und der Mitarbeit des Patienten erhält der Betroffene eine gute Prognose. Mit einem optimalen Behandlungsplan werden schrittweise Veränderungen erzielt, bis eine Beschwerdefreiheit erreicht wird.

Bei einer geringen Intensität der Impulskontrollstörung kann bereits nach einigen Monaten eine deutliche Linderung der Beschwerden erzielt werden. Es findet eine Verhaltensregulation statt, die auf der Basis eines intensiven Trainings aufgebaut ist. Je stärker die Störung ausgeprägt ist, desto länger dauert im Normalfall die Behandlung. Die Schwierigkeit besteht darin, die Motivation des Patienten bis zum Ende in der Behandlung aufrecht zu erhalten. Es kann zu Abbrüchen eingeleiteter Therapien kommen, die eine gute Prognoseaussicht erschweren.

Basiert die Impulskontrollstörung auf einer geistigen Störung, verschlechtert sich die Prognose. Bei einer verminderten Intelligenz oder einer schweren psychischen Erkrankung ist der Betroffene auf eine tägliche Betreuung angewiesen. In schweren Fällen wird eine medizinische Versorgung benötigt. Eine Heilung wird bei diesen Patienten in vielen Fällen nicht erreicht. Es wird eine Langzeittherapie benötigt, damit schrittweise Optimierungen umgesetzt werden können. Sobald verschriebene Arzneien abgesetzt werden, ist mit einem Rückfall zu rechnen.

Vorbeugung

Psychische Erkrankungen, wie eine Impulskontrollstörungen sind nicht vermeidbar und betreffen Menschen jeden Alters, Geschlechts oder sozialen Umfelds. Wie bei allen psychischen Erkrankungen minimiert ein stabiles Umfeld, das die Persönlichkeitsentwicklung fördert und bestärkt jedoch die Chance, zu erkranken. Soziale Kontakte, der Verzicht auf Drogen und andere Suchtmittel und ein erfüllter Alltag bieten eine gute Grundlage für ein Leben ohne Erkrankung.

Nachsorge

Bei einer erfolgreich therapierten Impulskontrollstörung ist es erforderlich, ein Leben lang Nachsorge zu betreiben. Andernfalls ist das Risiko für erneute Ausbrüche dieser psychischen Störung erhöht. In der psychologischen Therapie haben die Betroffenen üblicherweise Strategien erlernt, wie sie mit Stresssituationen umgehen können, ohne impulsives Verhalten an den Tag zu legen.

Im Rahmen der Nachsorge ist es relevant, diese erlernten Mechanismen weiter zu verinnerlichen und stets anzuwenden. Sobald die Patienten bemerken, dass sie erneut zu Impulshandlungen neigen, kontaktieren sie umgehend ihren ehemaligen Psychiater. Denn die Nachsorge beinhaltet auch, dass Maßnahmen zur Prävention neuer Krankheitsphasen getroffen werden.

Auch mit Stress verbundene Lebenslagen erhöhen das Risiko, dass Betroffene erneut eine Impulskontrollstörung entwickeln. Dann ist es notwendig, dass das eigene Handeln kritisch hinterfragt wird und so schnell wie möglich eine psychologische Beratungsstelle oder der frühere Psychologe aufgesucht wird. Hilfreich sind zudem alle Aktivitäten, die die seelische Stabilität fördern, von Yoga über Sport bis hin zu Meditation.

Auch Selbsthilfegruppen bieten vielen Betroffenen nach erfolgter professioneller Behandlung einen wichtigen Rückhalt. Hier erfahren Patienten Unterstützung von Gleichgesinnten und werden womöglich auf rückfälliges Verhalten aufmerksam gemacht, noch bevor sie selbst es sich eingestehen. In jedem Fall ist die Nachsorge bei der Impulskontrollstörung ein lebenslanger Prozess.

Das können Sie selbst tun

Die Maßnahmen, die Betroffene einer Impulskontrollstörung ergreifen können, variieren stark und sind abhängig von der Art der Störung. Es ist dabei zu beachten, dass eine ganzheitliche Therapie der Störung beispielsweise zwischen selbstschädigendem (zwanghaftes Haarezupfen) und kriminellem oder fremdschädigendem (zwanghaftes Feuerlegen) Verhalten unterscheidet.

Es ist anzumerken, dass Impulskontrollschädigungen sich in den allermeisten Fällen nicht allein bewältigen lassen werden. Ausschlaggebend ist eine Bereitschaft zur Therapie bei den Betroffenen mit einer konsequenten Befolgung der Schritte. Erst anschließend und begleitend, kann von Selbsthilfemaßnahmen gesprochen werden. Diese bestehen im Wesentlichen im Finden von Ersatzhandlungen, die die aufgebaute Spannung lösen. Diese Ersatzhandlung sollte problemlos und überall durchführbar sein, um maximal vor Rückfällen zu schützen. Bei Impulskontrollstörungen, die beispielsweise die Hände involvieren, können Betroffene sich auf sie setzen, um das impulsgesteuerte Handeln zu verhindern. Solche Maßnahmen sind gegebenenfalls mit einem Therapeuten zu erarbeiten.

Es ist bei einer Impulskontrollstörung in der Regel nicht das Ziel, die Störung zu beseitigen, da dies gegenwärtig kaum möglich ist. Stattdessen müssen Ventile geschaffen werden, die der Betroffene nutzen kann und die im Idealfall auch einen weiteren Nutzen haben. Einhergehend damit, dass es um die Befreiung vom Drang seiner Störung nachzugehen geht, obliegt es im Rahmen einer explorativen Therapie den Betroffenen, in ihrem alltäglichen Leben geeignete Möglichkeiten dafür zu finden, die in den weiteren Therapieverlauf mit eingebracht werden.

Quellen

  • Köhler, T.: Medizin für Psychologen und Psychotherapeuten. Schattauer, Stuttgart 2014
  • Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015
  • Möller, H.-J., Laux, G., Deister, A.: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2015

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