Progerie Typ 2 (Werner-Syndrom)
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 9. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Krankheit Progerie Typ 2, auch Werner-Syndrom genannt, gehört den Gendefekten an. Das Wort Progerie entstammt dem lateinischen und bedeutet "vorzeitiges Altern". Das Werner-Syndrom wurde erstmals vom Kieler Arzt C.W. Otto Werner 1904 beschrieben.
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Was ist Progerie Typ 2?
Der genetische Fehler im Erbgut tritt sehr selten auf. Ist ein Mensch vom Werner-Syndrom betroffen, kommt es zu frühzeitiger Alterung, wobei die Patienten eine Lebenserwartung von ca. fünfzig Jahren haben.
Im Gegensatz zum bekannteren Progerie Typ 1, tritt Typ 2 nicht im Kindesalter, sondern erst im Erwachsenenalter in Erscheinung. Dabei kommt es bei Progerie Typ 2 nicht nur zu frühzeitigen äußeren Faktoren des Alterungsprozesses, sondern auch zu altersbedingten Krankheiten und Begleiterscheinungen.
Ursachen
Um ihre normalen Funktionen ausführen zu können, muss die DNA entwunden werden, wofür die DNA-Helikase zuständig ist. Durch die auftretende Störung wird die DNA bei der Replikation falsch umgesetzt wodurch es zu Entwicklungsstörungen und Begleiterkrankungen kommt. Die DNA-Helikase ist auch zuständig für das Entfernen von Fehler in der DNA, was bei einem vorliegenden Defekt zu einem erhöhten Krebsrisiko führt.
Auch schützt dieses spezielle Eiweiß die Telomore der Chromosomen, also die Enden der DNA, vor einem frühzeitigen Abbau. Bei Progerie Typ 2 werden diese durch den vorliegenden Defekt abgebaut was zur Folge hat, dass die Zelle sich nicht mehr teilen kann. Dadurch wird die Häufigkeit der Zellteilung heruntergesetzt und die Zellalterung wegen der geringen Zellteilung erhöht.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Symptome dieser Erkrankung zeigen sich erst im Erwachsenenalter. Der in der Pubertät übliche Wachstumsschub findet nicht statt. Stattdessen werden ab diesem Zeitpunkt die Zeichen der frühzeitigen Alterung allmählich sichtbar. In einem Alter von 20 Jahren sind die Haare bereits ergraut; oft sehen sie schütter und dünn aus. Die Betroffenen sind viel kleiner gewachsen als ihre Altersgenossen.
Oft haben sie Plattfüße. Das Gesicht ist schmal, während die Augen verhältnismäßig groß aussehen. Da sich das Fettgewebe unter der Haut wie bei älteren Menschen abbaut, wirkt die Haut dünner und durchscheinender. Sie kann faltig sein oder über den Knochen spannen. Im weiteren Verlauf bilden sich Altersflecken und eine verstärkte Verhornung der Haut setzt ein.
Bei vielen Betroffenen verändert sich die Stimme. Sie klingt hoch, dünn und eher schwach. Die Patienten sind meist unfruchtbar, da auch die Funktion der Keimdrüsen eingeschränkt ist. Als Begleiterscheinung der frühzeitigen Alterung kommt es in der Regel zu weiteren Erkrankungen.
Es kann Osteoporose auftreten, welche mit vermehrten Knochenbrüchen einhergeht. Auch grauer Star (Katarakt), Diabetes mellitus oder Arteriosklerose sind möglich. Letzteres kann zu einem Schlaganfall oder Herzinfarkt führen. Das Risiko für Tumorerkrankungen ist erhöht. Am häufigsten kommt es zu Melanomen. Die Lebenserwartung der vom Werner-Syndrom Betroffenen ist verkürzt.
Diagnose & Verlauf
Erste Symptome treten meist in der Pubertät auf, da dort der gewöhnliche Wachstumsschub ausbeleibt. Die Kindheit hingegen verläuft ohne weitere Anzeichen. Der Körper der Betroffenen verändert sich schnell, sodass sie schon mit 30 bis 40 Jahren ausgewöhnlich alt aussehen. Gewöhnlich fällt der Progerie Typ 2 auf, da die Patienten ein meist vogelartiges Gesicht und eine schwache, piepsige Stimme entwickeln.
Die Haut verändert sich besonders stark aufgrund der stark eingeschränkten Zellteilung. Sie wird dünn und faltig und weist häufig eine starke Pigmentierung auf. Das Unterfettgewebe der Haut geht teilweise zurück, sodass die Haut an Straffheit und der Körper die wichtigen Fettpolster verlieren. Auch das Haar wird schüttern. Es ergraut schnell und verlieren an seine natürliche Dichte und Dicke.
Das Werner-Syndrom verursacht auch viele altersbedingte Krankheiten und Begleiterkrankungen. So haben die Betroffenen ein stark erhöhtes Krebsrisiko, da die DNA-Helikase die Fehler aus dem Erbgut nicht mehr behebt. So kommt es häufig zu Mutationen und dadurch zu Tumorerkrankungen. Auch leiden sie häufig an Diabetes mellitus, der typisch altersbedingten Zuckerkrankheit, und Augenerkrankungen, wie dem grauen Star.
Sichtbar wird auch schnell der voranschreitende Muskelschwund. Bedingt durch die Progerie Typ 2 leiden Betroffene auch unter Osteoporose, wobei sie häufig Knochenbrüche erleiden. Schon kleinste Belastungen können durch den zunehmenden Schwund an Knochendichte und die steigende Porosität zu Brüchen führen. Sehr häufig tritt bei dem Werner-Syndrom Arteriosklerose auf, woraus ein erhöhtes Schlaganfall- und Herzinfarktrisiko resultiert. Auch die Kreimdrüsenschwäche, die zu Unfruchtbarkeit führen kann, gehört den Begleiterkrankungen an.
Das Gehirn sowie das Zentralnervensystem sind von der Krankheit nicht betroffen, sodass keine Nervenzellen zugrunde gehen und die normale Hirnfunktion nicht beeinträchtigt wird.
Die Diagnose von Progerie Typ 2 wird meist anhand der spezifischen körperlichen Symptome gestellt. Um die Diagnose zu sichern, wird eine genetische Untersuchung vorgenommen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass das Werner-Syndrom dem sogenannten rezessiven Erbgang zugrunde liegt. Dabei müssen beide Elternteile das defekte Gen weitervererben. Diese Vermutung ist aber noch nicht ausreichend geklärt. Zu beobachten ist, dass Progerie Typ 2 häufig bei Verwandtschaftsehen auftritt.
Komplikationen
Durch den beschleunigten Alterungsprozess leiden diese Patienten schon in jüngeren Jahren unter Krankheiten, die normalerweise erst im höheren Alter auftreten wie Arteriosklerose. Diese begünstigt Herzinfarkte oder Schlaganfälle. Darüber hinaus verläuft bei Ihnen der Knochenabbau schneller und sie leiden verstärkt unter Osteoporose. Schon bei kleineren Belastungen besteht bei Ihnen die Gefahr, dass die Knochen brechen.
Hinzu kommt ein erhöhtes Risiko, an Krebs zu erkranken. Weitere Komplikationen sind Diabetes mellitus und Grauer Star. Menschen mit Progerie Typ 2 leiden zudem unter einer angeborenen Schwäche der Keimdrüsen, die zu Unfruchtbarkeit führt. Durch den typischen Verlauf der Krankheit haben diese Menschen eine herabgesetzte Lebenserwartung, die etwa bei Mitte Fünfzig liegt.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Bemerken Eltern oder Angehörige, dass der Nachwuchs in der Pubertät keinen Wachstumsschub hat, sollte ein Arzt konsultiert werden. Dieser Umstand ist als Alarmsignal des Organismus zu verstehen und sollte weiter verfolgt werden. Kommt es unmittelbar im Anschluss zu einer vorschnellen Alterung des Betroffenen, besteht ebenfalls Anlass zur Besorgnis. Ein Arzt ist zu konsultieren, sobald sich das Hautbild eines erwachsenen oder alten Menschen bei dem Jugendlichen entwickelt. Altersflecken, eine ungewöhnliche Faltenbildung sowie ein vergreistes Aussehen sind einem Arzt vorzustellen. Graue Haare, schütteres Haar oder starker Haarausfall als junger Mensch gelten als ungewöhnlich.
Ein Arztbesuch ist anzuraten, damit eine Ursachenforschung in die Wege geleitet werden kann. Zeigt sich eine Unfruchtbarkeit oder stellen sich Veränderungen der Stimmgebung ein, wird ein Arzt benötigt. Häufig ist die Stimme dünn, leise und wenig kraftvoll. Das gesamte Auftreten des Betroffenen wirkt auf die Menschen des nahen Umfeldes schwach und gezeichnet vom Leben. Treten vermehrt Knochenbrüche auf, nimmt die körperliche Leistungsfähigkeit rapide ab oder beklagt der Betroffene eine innere Schwäche, besteht Handlungsbedarf. Ein Arzt ist aufzusuchen, damit ein Behandlungsplan erstellt werden kann. Bei einem allgemeinen Unwohlsein, einem Krankheitsgefühl sowie einer ungewöhnlichen Beeinträchtigung des gewohnten Sehvermögens ist ein Arzt zu konsultieren.
Behandlung & Therapie
Betroffene des Progerie Typ 2 erhalten eine symptomatische Therapie, da es keine Möglichkeit der Heilung für den Gendefekt gibt. Die behandelnden Ärzte versuchen die aufkommenden Beschwerden zu lindern und mögliche Komplikationen zu verhindern. Es geht in erster Linie darum, den Patienten die bestmögliche Lebensqualität zu sichern und sie so weit wie möglich zu verbessern.
Symptomatisch können die Ärzte Diabetes mellitus behandeln, indem die Patienten eine Ernährungsumstellung erlernen und mit Insulin behandelt werden. Aufgrund der Osteoporose und der dadurch erhöhten Knochenbruchgefahr sollte die Wohneinrichtung auf die Patienten ausgerichtet sein.
Stolperfallen wie freiliegende Kabel sollten mit Bedacht angebracht werden, am sinnvollsten an den Fußleisten anliegend. Auch Teppiche sollten faltenfrei ausgelegt und fixiert werden. Außerdem sollte die Wohnung gut beleuchtet sein, aufgrund der Augenerkrankungen, die die Patienten des Werner-Syndroms erleiden.
Vorbeugung
Da es sich bei Progerie Typ 2 um einen Gendefekt handelt, kann er nur schwer vorbeuget werden. Wissenschaftler weisen darauf hin, dass dieser Gendefekt über einen rezessiven Erbgang weitergegeben wird. Dies bedeutet, dass beide Eltern das defekte Gen in sich tragen müssen, um die Krankheit an ihr Kind weiterzugeben. Zu beobachten ist, dass das Werner-Syndrom häufig bei Verwandtschaftsehen auftritt. Besteht ein Verdacht, dass ein Elternteil das defekte Gen besitzt, so kann eine spezifische Untersuchung Klarheit schaffen.
Nachsorge
Da eine Progerie Typ 2 nicht therapierbar ist, gibt es auch keine Möglichkeiten einer Nachsorge im klassischen Sinne. Allerdings sollten betroffene Patienten in regelmäßigen Abständen zum Arzt gehen, um sich untersuchen zu lassen. Im Zuge der Progerie Typ 2 treten Folgeerkrankungen wie Diabetes Mellitus, eine Trübung der Augen oder ein ungesunder Anstieg der Cholesterinwerte auf.
Wenn diese Symptome rechtzeitig erkannt werden, kann eine entsprechende Behandlung angesetzt werden. Gerade bei einer durch die Progerie Typ 2 ausgelösten Diabetes ist es wichtig, dass die Patienten medikamentös richtig eingestellt werden. Andernfalls besteht das Risiko, dass der Blutzucker der Patienten zu hoch steigt oder so tief abfällt, dass sie in einen Zuckerschock verfallen, was tödlich enden kann.
Ein wichtiges Ziel besteht allerdings darin, die Patienten so lange wie möglich schmerzfrei zu halten und ihnen anstrengende oder riskante Therapien zu ersparen. Darum sehen die Ärzte zum Beispiel davon ab, bei einem Krebsbefund eine Chemotherapie anzusetzen. Das Risiko, dass die Progerie-Patienten die Therapie nicht überleben, wäre einfach zu hoch.
Die Behandlung von Schmerzen und das Vorbeugen von möglichen Komplikationen werden durch eine Kombination aus Medikamenten und der Umstellung von Lebensgewohnheiten erzielt. Zusätzlich erhalten die Patienten auch psychologische Betreuung, um das Auftreten seelischer Leiden wie Depressionen zu verhindern.
Das können Sie selbst tun
An Progerie Typ 2 zu leiden, ist sehr belastend. Eine psychotherapeutische Begleitung ist daher empfehlenswert. Zudem sollte die Progerie symptomatisch behandelt werden. Dazu gehört auch, die dünnere Haut der Patienten regelmäßig zu pflegen und vor Sonnenlicht zu schützen. Dazu eigenen sich Cremes mit hohem Lichtschutzfaktor. Wegen der erhöhten Knochenbruchgefahr sollte die Wohnung so eingerichtet sein, dass die Patienten nicht unnötig stolpern und/oder fallen können.
Patienten mit Progerie vom Typ 2 wird empfohlen einen gesunden Lebensstil zu pflegen, um beispielsweise auch der erhöhten Krebsgefahr zu trotzen. Zu einem gesunden Lebensstil gehört einerseits, Gifte aller Art zu vermeiden, wie beispielsweise Nikotin, Alkohol oder auch Schadstoffe aus der Umwelt. Andererseits sollten die Patienten aktiv werden, sich sportlich betätigen und gesund ernähren. Diese Ernährung kann aus leichter Kost, wenig Fett und wenig Zucker bestehen. So kann auch ein Diabetes mellitus vermieden werden.
Da achtzig Prozent aller Immunzellen im Darm sitzen, können die Patienten auch zu Probiotika greifen. Das sind Zubereitungen wie Jogurt oder Nahrungsergänzungsmittel, die lebende Mikroorganismen enthalten. Diese Mikroorganismen vermehren sich im Darm und tragen dort zur Pflege des Immunsystems bei. Ist das Immunsystem in Takt, können Erkrankungen abgewehrt oder ihr Verlauf gelindert werden.
Quellen
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
- Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003