Nebenwirkungen

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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"Bei Risken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker". Diesen Satz finden wir auf jedem Beipackzettel eines Medikaments und hören ihn auch oft in Werbesendungen für frei verkäufliche Medikamente. Aber was hat es eigentlich mit den Nebenwirkungen der Medikamente auf sich und wie müssen diese deklariert werden?

Inhaltsverzeichnis

Was sind Nebenwirkungen?

Bei einer Nebenwirkung handelt es sich um die Wirkung eines Arzneistoffs, die zusätzlich zur beabsichtigten Hauptwirkung auftreten kann. Lehrbücher verwenden hierfür oft auch den Begriff "unerwünschte Arzneimittelwirkung".

Entsprechend der gesetzlichen Definition sind Nebenwirkungen "unbeabsichtigte und schädliche Reaktionen auf ein Arzneimittel". In einer weiter gefassten Definition des Humanarzneimittelrechts sind dabei auch unerwünschte Wirkungen aufgrund von Medikationsfehlern wie falscher Anwendung und Überdosierung einzuordnen.

Auch unerwünschte Wirkungen durch den Missbrauch von Arzneimitteln müssen der Arzneimittelbehörde aufgrund der Arzneimittelsicherheit gemeldet werden. Die im Beipackzettel aufgeführten Nebenwirkungen sind dabei nur bei bestimmungsgemäßem Gebrauch beobachtet worden.

Einteilung & Klassifizierung

Nebenwirkungen können zunächst in arzneistofftypische und dosisabhängige sowie in dosisunabhängige Nebenwirkungen unterteilt werden. Der Arzt muss immer abwägen, ob der Nutzen des Medikaments und das Risiko der Nebenwirkungen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen und ein Medikament somit zum Einsatz kommen kann.

Unter Umständen kann es bei Nebenwirkungen auch zu erwünschten Effekten kommen. So sind bei einigen Patienten bestimmte Wirkungen auf eine Krankheit durchaus erwünscht, während sie bei anderen Patienten das Gegenteil bewirken.

Eine Klassifizierung erfolgt außerdem in unvorhersehbare Nebenwirkungen (wurden bis dato nicht beobachtet und konnten deshalb auch nicht beschrieben werden) und schwerwiegende Nebenwirkungen (lebensbedrohlich oder tödlich, machen in der Regel eine stationäre Behandlung erforderlich, können zu bleibender Behinderung führen).

Für diese Nebenwirkungen gelten spezielle Pflichten in Bezug auf Dokumentation und Meldung. Eine weitere Einteilung der Nebenwirkungen erfolgt entsprechend ihrer Häufigkeit in sehr häufig (mehr als ein behandelter Patient von zehn), häufig (ein bis zehn behandelte Patienten von 100), gelegentlich ( ein bis zehn behandelte Patienten von 1.000), selten (ein bis zehn behandelte Patienten von 10.000) und sehr selten (weniger als ein behandelter Patient von 10.000).

Zudem gibt es noch die Einstufung "nicht bekannt", bei der die Häufigkeit aufgrund der vorliegenden Daten nicht abgeschätzt werden kann.

Wie müssen Medikamente in Bezug auf Nebenwirkungen deklariert sein?

Im Zusammenhang mit der Arzneimittelsicherheit sind Pharmaunternehmen nicht nur zur Sammlung und Auswertung aller bekannt gewordenen Nebenwirkungen verpflichtet, sondern müssen diese auch in der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels (Fachinformation) sowie im Beipackzettel angeben. Die Kausalität ist dabei irrelevant. Der Hersteller eines Medikaments haftet gemäß § 84 des Arzneimittelgesetzes (AMG) für alle nicht in den Produktinformationen aufgeführten Nebenwirkungen.

Allerdings gibt es hier auch ein kleines "Problem": Es wird sich immer wieder die Frage gestellt, wie ein Medikament mit offensichtlich massiven Nebenwirkungen und wenig Nutzen überhaupt für den Markt zugelassen wird. Die Antwort: Pharmaunternehmen haben neben der Kontrolle über die wissenschaftliche Forschung auch die Kontrolle über die Testreihen für neue Medikamente. Somit werden klinische Tests so entworfen, dass mögliche Gefahren sehr wahrscheinlich gar nicht erst zum Vorschein kommen.

Weiterhin bestimmen Pharmaunternehmen in der Regel selbst, welche der Forschungsergebnisse auch tatsächlich veröffentlicht und an die Zulassungsbehörden weitergeleitet werden.

Grundsätzlich gilt: Sobald ein Patient während oder nach der Anwendung eines Arzneimittels eine unerwünschte Veränderung feststellt, sollte er seinen Arzt oder Apotheker darüber in Kenntnis setzen. Durch diesen werden die Nebenwirkungen (auch bei bloßem Verdacht) an die Arzneimittelkommission oder die dafür zuständige Bundesbehörde gemeldet. Eine eigenmächtige Absetzung des Medikaments oder eine Veränderung der festgelegten Dosis sollte aber nicht durch den Patienten vorgenommen werden.

Nebenwirkungen können zudem über eine Online-Zugang seit dem Jahr 2013 an das "Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)" gemeldet werden. Hier können sich Patienten außerdem über die Risiken von Arzneimitteln informieren.

Patienten sollten aber nicht nur mögliche Nebenwirkungen bedenken. Auch Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten oder gar Lebensmitteln sollten immer bedacht werden.

Oft ist es für Patienten schwierig: Sie haben die Qual der Wahl. Entweder sie leiden unter ihrer Erkrankung, bis diese ohne Medikamente ausgeheilt ist oder sie nehmen die Nebenwirkungen in Kauf. Patienten dürfen durchaus kritisch sein, wenn es um Arzneimittel gibt. Auch dann, wenn sie das Argument "Nebenwirkungen würden wirklich nur in ganz wenigen Fällen auftreten" zu hören bekommen. Jeder Patient sollte sich vor Augen halten, dass in der Schulmedizin folgendes Motto gilt: "Keine Wirksamkeit ohne Nebenwirkung".


Risiken und Nebenwirkungen für Patienten

In Bezug auf Nebenwirkungen sollten vor allem ältere Menschen vorsichtig sein. Aufgrund des Alters leiden sie häufiger an chronischen Erkrankungen und benötigen dafür Medikamente. Allerdings erhöht sich mit steigendem Alter Wissenschaftlern zufolge auch die Empfänglichkeit für Nebenwirkungen.

Grundsätzlich können Nebenwirkungen sehr vielfältig sein: von harmlosen Begleiterscheinungen wie Müdigkeit bis hin zu schädigenden Wirkungen, welche den Nutzen teils deutlich übersteigen, ist alles möglich. So können bestimmte Medikamente, die beispielsweise während einer Schwangerschaft eingenommen werden, beim Embryo für schwere Fehlbildungen sorgen (Contergan-Katastrophe aus den 1960er Jahren).

Im schlimmsten Fall kann es zu lebensbedrohlichen oder gar tödlichen Nebenwirkungen kommen. Mittlerweile kann davon ausgegangen werden, dass sich jeder zweite Todesfall durch unerwünschte Arzneimittelwirkungen vermeiden ließe. In der EU sterben jährlich schätzungsweise etwa 200.000 Menschen an den Nebenwirkungen eines Arzneimittels. Daher wurde bereits im Jahr 2010 durch das europäische Parlament der Beschluss einer Verbesserung der Patienteninformation erlassen.

Doch die Nebenwirkungen haben noch andere Folgen: Derzeit ist davon auszugehen, dass es bei etwa fünf Prozent der medikamentös behandelten Patienten zu Nebenwirkungen kommt. Auch soll bei etwa drei bis sechs Patienten, welche auf einer internistischen Station aufgenommen werden, eine Nebenwirkung Grund für die Aufnahme sein. Doch nicht nur die Patienten leiden unter den Nebenwirkungen. Das Versorgungssystem wird ökonomisch belastet: Die Kosten für nebenwirkungsindizierte Behandlungen liegen etwa zwischen fünf und neun Prozent der Gesamtkrankenhauskosten.

Es kann außerdem immer mehr beobachtet werden, dass nebenwirkungsreiche Medikamente für Dauerpatienten sorgen. So werden oft trotz aller Risiken Medikamente verordnet, die dann wiederum bestimmte Begleitmedikamente und dadurch oft auch Kontrolluntersuchungen erfordern. Der Patient muss also immer wieder in bestimmten Abständen den Arzt aufsuchen, um weitere Probleme zu verhindern.

Im Hinblick auf die vor allem bei älteren Menschen auftretenden Nebenwirkungen wurde unter Leitung von Prof. Dr. Petra A. Thürmann vom Lehrstuhl für Klinische Pharmakologie an der Universität Witten /Herdecke das Projekt "PRISCUS-Liste" ins Leben gerufen. Die Liste soll Ärzten helfen, vor allem bei älteren Patienten ein passendes Alternativmedikament zur "potenziell inadäquaten Medikation" zu finden.

Die Liste beinhaltet 83 Arzneistoffe, welche vor allem älteren Menschen verordnet werden, aber nicht sollten. Ärzte finden in der „PRISCUS-Liste“ ein entsprechendes Alternativpräparat. Zudem enthält die Liste Angaben zu Gegenanzeigen. Sie soll dazu beitragen, dass gesundheitsgefährdende Medikamente weniger verordnet werden. Es gilt allerdings zu bedenken, dass die Liste lediglich die gebräuchlichsten Arzneistoffe aufführt und auch die Alternativstoffe nicht gänzlich frei von Nebenwirkungen sind.

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