Schmerzen bei Geburt und Entbindung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Wenn man einer jungen Frau erzählt, dass der Schmerz bei der Geburt unnatürlich ist und dass man ihn ohne Spritzen und Narkose ausschalten kann, schüttelt sie zuerst einmal ungläubig den Kopf. Ist dieser Schmerz nicht eine Selbstverständlichkeit? Muss nicht das offensichtliche Missverständnis zwischen dem Umfang des kindlichen Körpers und der Enge der weiblichen Geschlechtsorgane unumgänglich zu heftigsten Schmerzen führen?

Entstehung der Angst vor Schmerzen bei Geburt & Entbindung

Die bei einzelnen Frauen so sehr stark gesteigerte Schmerzempfindung ist durch Veränderungen des Nervensystems entstanden. Solche schädlichen Einflüsse auf das Nervensystem kommen durch Angst und falsche Vorstellungen.

Am selben Tag, an dem das heranwachsende Mädchen zum ersten Mal von der Entstehung des menschlichen Lebens aus dem Schoß der Mutter erfährt, senkt sich mit der beglückenden Vorahnung der Mutterschaft auch der Keim der Angst in die junge Seele. Die künftige Mutter ahnt nichts von der sinnvollen Wirkung der Hormone, die in ungeheurer Menge im Mutterkuchen entstehen und neun Monate lang die Geburtswege der Schwangeren für den Durchtritt des Kindes vorbereitet, auflockert, erweichen.

Niemand sagt ihr wahrscheinlich, dass der den Weg bahnende Kopf des Kindes im allmählichen Vorrücken das Blut aus dem extrem gedehnten Weichteilen presst und dass die entstehende Blutleere Scheide, Damm und Schamlippen so unempfindlich macht, dass man unmittelbar nach der Geburt Einrisse ohne Betäubung nähen kann.

In ihrem Vorstellungsvermögen überwiegt die Gewissheit, dass das Kind beim Verlassen des Mutterleibes durch eine so enge Öffnung Schmerzen bereiten muss. Unzählige Eindrücke der Erlebniswelt festigen von Jugend an diese Gewissheit, angefangen bei der Beobachtung, dass die meisten Geburten im Krankenhaus stattfinden und dass Ärzte, ähnlich wie bei Krankheiten und Operationen, eine wichtige Rolle dabei spielen. Es kommt dazu, dass man Romanen und Erzählungen, in Filmen und Hörbüchern sehr viel häufiger furchterregende als ermutigende Darstellungen der Geburt findet.

Es kommt dazu, dass Geburten mit schwierigen oder gar unglücklichem Verlauf ein beliebtes und ausbaufähiges Gesprächsthema sind und dass auch die leichteste Geburt im Erfahrungsaustausch der Frauen eher ausmalt als bagatellisiert wird. So entsteht und wächst ein elementarer, mehr im Unterbewusstsein verankerter Angstkomplex, der im Verlauf der Schwangerschaft durch zahlreiche Einflüsse begünstigt wird.

Seine Auswirkungen bleiben keineswegs auf das Gemütsleben beschränkt. Sobald die rhythmischen Zusammenziehungen der Gebärmuttermuskulatur (Geburtswehen) den Beginn der Geburt ankündigen, setzen Angst und Unwissenheit, Schmerzerwartung und Panikstimmung einen komplizierten Mechanismus in Gang.

Geburt & Entbindung ohne Angst & Schmerzen

Sein Endprodukt ist der Geburtsschmerz, den mehr als 90 Prozent der Gebärenden bei den westlichen Völkern empfinden und mehr oder weniger deutlich äußern. Moderne Forschung gehen jedoch davon aus, dass die normale, unkomplizierte Geburt von Natur schmerzlos oder zumindest ohne nennenswerte Schmerzen verläuft. Selbstverständlich geht der Geburtsakt mit Reizungen sensibler Nervenendungen einher, die unangenehme Empfindungen auslösen können. Stoffwechselvorgänge bei der Gebärmutterkontraktion, Gewebsdehnung, Kompression benachbarter Organe usw.

Dass diese mechanisch bedingten Reize keineswegs schmerzhaft sein müssen, beweisen uns jene fünf bis acht Prozent aller Geburten, die ohne unser Zutun schmerzfrei verlaufen. (Nach neueren Untersuchungen soll dieser Prozentsatz bei den immer noch existierenden Urvölkern Afrikas und Asiens 90 Prozent betragen.) Erst die Verarbeitung dieser Empfindungen in den höheren Abschnitten des Nervensystem (Zwischenhirn und Großhirn) macht daraus nicht selten schwerste Schmerzen.

Die Großhirnrinde, das Organ unserer Bewusstseinsbildung und der gedankenmäßigen Verarbeitung aller Sinneswahrnehmungen, erhält ständig aus den Körperorganen eine endlose Zahl von Impulsen. Ihre Erregbarkeitsschwelle ist normalerweise so eingestellt, dass unser Bewusstsein aus diesen ständig zuströmenden Impulsen nur die lebensaktuellen wahrnimmt, während alle übrigen gehemmt werden. Die Hirnrinde kann durch Erhöhung der Erregbarkeitsschwelle Impulse von geringer vitaler Bedeutung in unterschwellige Impulse verwandeln, um dem Organismus unnötige Reaktionen zu ersparen.

Sie kann auf diese Weise unter der Geburt die mechanisch bedingten, natürlichen Empfindungsimpulse aus den Organen des kleinen Beckens hemmen und dadurch unter der Welle der Schmerzempfindung halten. Bei den Gebärenden, die unwissend und unvorbereitet das Einsetzen der Geburtstätigkeit erleben, ist die Erregbarkeitsschwelle meist erniedrigt. Es ist nicht nur die eingangs geschilderte elementare Angst vor Schmerz und Gefahr, welche die Hirnrinde ihre Spannung beraubt und die Hemmung der rhythmisch einlaufenden Reizimpulse aus der Gebärmutter erschwert.

Mannigfaltige Beschwerden und entstellende Schwangerschaftsstreifen haben Unlustgefühle geweckt. Nicht selten lasten soziale Not, beruflicher Ärger oder auch eheliche Konflikte schwer auf dem Gemüt. Zahlreiche ungünstige seelische Einflüsse sind daran schuld, dass bei den meisten werdenden Müttern die Funktionsfähigkeit der Hirnrinde mit fortschreitender Schwangerschaft mehr und mehr gestört ist. Die Situation verschlechtert sich weiter während der Entbindung. Die Frau kommt in den Kreißsaal, in dem nicht selten schon einige „Leidengefährtinnen“ jammern.

Und wie Generationen vor ihr geht sie ihren Weg durch das dunkle Tor der Angst und Furcht: unwissend, mutlos, schicksalsergeben und passiv. Sie nimmt den Schmerz auf sich wie einen unabänderlichen Tribut. Das Aufschreien unter der Wehe bringt die Erleichterung. In instinktivem Betätigungsdrang wälzt sie sich hin und her. Die Verkrampfung der willkürlichen Muskulatur greift auf die Muskelfasern des Gebärmutterverschlusses über und erschwert den Öffnungsprozess.

Geburt ohne Schmerzen durch psychoprophylaktische Geburtsvorbereitung

Körperliche und seelische Kraft wird hierbei vergeudet, Erschöpfung macht sich bemerkbar. Die Geburt dauert länger, belastet das Kind stärker, bedarf häufiger ärztlicher Kunsthilfe. Gewiss ist dieses Verhalten nicht die Regel. Wir haben es in dieser Deutlichkeit in unserem Artikel: Geburt ohne Schmerzen durch psychoprophylaktische Geburtsvorbereitung geschildert, um die Ansatzpunkte der Psychoprophylaxe verständlich zu machen.

Es handelt sich um ein Programm pädagogischer, psychotherapeutischer und gymnastischer Maßnahmen, die den oben angedeuteten Störungen in der Verarbeitung der natürlichen Geburtsempfindungen vorbeugen. An erster Stelle steht die Ausschaltung störender seelischer und psychischer Belastungen, die den Aktivitätsgrad und das Hemmvermögen der Hirnrinde beeinträchtigen. Eine individuelle ärztliche Beratung und die Ausschöpfung aller sozialen und materiellen Hilfsmöglichkeiten sind hierbei von grundlegender Bedeutung.

Um die seit Menschengedenken von einer Generation zur anderen mitgeschleppte Angst vor der Geburt auszumerzen, lernen die werdenden Mütter bei der psychoprophylaktische Geburtsvorbereitung bereits im dritten bis fünften Monat die wichtigsten Grundlagen. Weitere Informationen erfahren Sie, wie bereits erwähnt in unserem Beitrag zur Geburt ohne Schmerzen durch psychoprophylaktische Geburtsvorbereitung.

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