Syndaktylie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 2. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Krankheiten Syndaktylie
Menschen mit Syndaktylie weisen eine angeborene Fehlbildung an Händen und Füßen auf. Auffällig sind zusammengewachsene Finger und Zehen. Syndaktylie kann alleine auftreten oder auch in Verbindung mit weiteren Erbkrankheiten.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist Syndaktylie?
Bei der Syndaktylie kommt es in der embryonalen Entwicklungsphase zu einer Fehlbildung Hände oder Füße. Die Trennung der Zehen und Finger, die zwischen der 5. Und 7. Entwicklungswoche des Embryos stattfindet, ist gestört.
Die Syndaktylie gehört zu den häufigsten Handfehlbildungen, denn die einfache Syndaktylie betrifft etwa eines von 3000 Neugeborenen. Der Begriff stammt aus dem Griechischen: „Syn“ bedeutet zusammen und „daktylos“ Finger, die demzufolge zusammengewachsen sind. Im Extremfall gilt dies für alle Finger einer Hand. Die dritte Zwischenfingerfalte ist am häufigsten an der Hand und die zweite Zwischenzehenfalte an den Füßen betroffen.
Einzelne Zehen- und Fingerglieder teilen sich also nicht vollständig. Die Syndaktylie kommt relativ häufig vor. Aufgrund der Erkrankung ist die Beweglichkeit der Finger eingeschränkt. Sind alle Finger betroffen, ist die normale Greiffunktion nicht möglich. Dies wird als so genannte Löffelhand bezeichnet. Bei dieser Fehlbildung handelt es sich häufig um eine genetische Erkrankung (Apert–Syndrom).
Unter den Fehlbildungen der Hand ist sie die am häufigsten verbreitete. Unterschieden wird die Syndaktylie nach dem Grad der betroffenen Glieder: So kann es als kutane Syndaktylie zu einer Verbindung nur der Haut zwischen den betroffenen Gliedern kommen. Bei der ossären Syndaktylie verschmelzen hingegen Teile der Knochen. Die Trennung ist in den meisten Fällen der Syndaktylie möglich und wird nach Möglichkeit vor Beendigung des 3. Lebensjahres durchgeführt.
Ursachen
Die Ursache der Syndaktylie liegt im genetischen Bereich. Die Betroffenen verfügen über ein dominantes Gen, dass diese Erbkrankheit verursachte. Die Häufigkeit einer Vererbung ist zwischen 10 bis 40 Prozent familiär bedingt.
Durch den Defekt trennen sich die Gliedabschnitte nicht in der dafür vorgesehenen Entwicklungsphase des Embryos. Syndaktylie tritt nicht nur als Einzelerkrankung auf. Sie ist in vielen Fällen ein Begleitsymptom anderer genetisch bedingter Erkrankungen. Allen ist gemeinsam, dass sie Einfluss auf die normale Entwicklung des Embryos haben.
Syndaktylien werden nur zu einem sehr geringen Anteil in der späteren Lebenszeit entwickelt. In diesen Fällen sind es exogene Syndaktylien. Zumeist gehen sie auf eine Verletzung oder ein Unfallgeschehen zurück, in dessen Folge die Abheilung der Haut oder der Knochen nicht medizinisch korrekt versorgt wurde oder versorgt werden konnte.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Syndaktylie macht sich in erster Linie durch die Fehlbildungen an den Händen und Füßen bemerkbar. Bei den betroffenen Personen sind die Finger und Zehen zusammengewachsen, woraus Probleme beim Bewegen und Greifen resultieren. Je nach Ausmaß der Erkrankung können selbst einfache Bewegungen nicht mehr durchgeführt werden.
Langfristig führt die Syndaktylie zu erheblichen Einschränkungen im Alltag. So bilden sich im späteren Krankheitsverlauf knöcherne Verbindungen zwischen den Fingern und Zehen, die äußerlich spürbar sind und die Gelenke in ihrer Bewegungsfähigkeit einschränkt. Bei der sogenannten Akrosyndaktylie kommt es zu unterschiedlich langen Fingern oder Zehen.
Im Anschluss bilden sich Löcher in der Hautbrücke, welche sich entzünden können. Syndaktylie und Akrosyndaktylie haben hauptsächlich Auswirkungen auf die Ästhetik, wobei sich im weiteren Verlauf der Erkrankhung auch Bewegungseinschränkungen entwickeln können. Vor allem bei einer schweren Erkrankung besteht das Risiko, dass sich als Folge der zusammengewachsenen Glieder ernste Komplikationen ergeben.
Bei fehlender Behandlung verschlechtern sich Feinmotorik und Tastsinn zunehmend. Die betroffenen Kinder leiden oft auch seelisch unter den ästhetischen Auffälligkeiten. Dann können sich soziale Ängste oder sogar depressive Verstimmungen entwickeln. Eine frühzeitige Operation kann die Beschwerden vollständig beseitigen.
Diagnose & Verlauf
Die Syndaktylie ist nach der Geburt bereits durch die Sichtuntersuchung feststellbar. Durch bildgebende Verfahren wird in der Folge bestimmt, welche Form der Syndaktylie vorliegt. Auf diese Weise lassen sich bei der ossären Syndaktylie die verbindenden Knochenbrücken genauer bestimmen.
Zumeist ist schon pränatal die Syndaktylie bei den Vorsorgeuntersuchungen der Schwangeren zu erkennen. Dadurch können sich die Kindeseltern und die behandelnden Ärzte schon frühzeitig auf die Syndaktylie einstellen. Im Bereich der Zehenglieder handelt es sich in den meisten Fällen um ein ästhetisches Problem, das keinerlei Einfluss auf die Entwicklung des Kindes hat.
Anders stellt sich der Verlauf bei einer Syndaktylie an den Fingergliedern dar. Kinder benötigen die Fähigkeit zu greifen, um sich altersgerecht entwickeln zu können. Die unbehandelte Syndaktylie an den Händen kann zu Entwicklungsstörungen führen.
Komplikationen
Bei einer Syndaktylie rufen in erster Linie die zusammengewachsenen Finger und Zehen Komplikationen hervor. Je nachdem wie schwer die Fehlbildung ausfällt, gelingt es den betroffenen Kindern ohne fremde Hilfe nicht, die alltäglichen Aufgaben zu bewältigen. Dies kann dazu führen, dass die Betroffenen sich wesentlich langsamer als Gleichaltrige entwickeln und erst spät im Leben wirklich selbstständig werden.
Wird dem Kind nicht geholfen, kann dies zu Entwicklungsstörungen führen, da Feinmotorik und Tastsinn nicht ausreichend gefördert werden. Oft leiden die Betroffenen auch unter den kosmetischen Auffälligkeiten, die mit einer Syndaktylie verbunden sind und ziehen sich bereits früh aus dem sozialen Leben zurück. Auch Hänseleien und Mobbing sind nicht auszuschließen. Eine operative Behandlung der Fehlbildung kann immer Komplikationen hervorrufen.
So kommt es im Rahmen von chirurgischen Eingriffen gelegentlich zu Nervenverletzungen, Infektionen und Blutungen. Nach einem Eingriff können Wundheilungsstörungen und Nachblutungen auftreten. Aufgrund der Narbenbildung ist die ästhetische Beeinträchtigung unter Umständen noch auffälliger als zuvor. Zuletzt bergen auch die verordneten Medikamente ein gewisses Risiko. Gerade bei Kindern kann eine Fehldosierung oder eine unerkannte Vorerkrankung schnell zu unerwarteten Neben- oder Wechselwirkungen führen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Fehlbildungen oder Mutationen an den Gliedmaßen werden im Normalfall unmittelbar während oder nach der Geburt diagnostiziert. In vielen Fällen können in den Voruntersuchungen während der Gestation bereits Unregelmäßigkeiten in bildgebenden Verfahren festgestellt werden. Aus diesem Grund sollten werdende Mütter an allen angebotenen Untersuchungen während der Schwangerschaft teilnehmen. Diese ermöglichen eine Früherkennung sowie sofern möglich erste Behandlungsschritte.
Wurden bereits vor der Niederkunft Auffälligkeiten bemerkt, wird häufig eine stationäre Geburt empfohlen. Das anwesende Geburtshelferteam übernimmt selbstständig und eigenverantwortlich die Erstuntersuchung des Nachwuchses. Die Eltern müssen in diesen Fällen nicht aktiv werden, sollten jedoch für die behandelnden Ärzte ansprechbar sein, damit notwendige Entscheidungen schnellstmöglich getroffen werden können.
Bei einer Niederkunft in einem Geburtshaus oder bei einer Hausgeburt sind ebenfalls Hebammen oder Helfer anwesend. Ebenso wie bei einer Geburt im Krankenhaus übernehmen diese die Erstuntersuchung des Kindes. Die Fehlbildung an Fingern und Zehen wird durch Sichtkontakt festgestellt. Anschließend wird ein Arzt von den anwesenden Geburtshelfern über die gesundheitlichen Auffälligkeiten unterrichtet.
Auch hier müssen Eltern keine weiteren Maßnahmen ergreifen, da diese von den medizinischen Betreuern selbstständig übernommen werden. In eher seltenen Fällen kommt es zu einer spontanen Geburt, bei der kein Pflegepersonal anwesend ist. Unmittelbar nach der Niederkunft sollte grundsätzlich ein Arzt konsultiert werden.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung der Syndaktylie besteht in operativen Eingriffen, um die zusammengewachsenen Glieder zu trennen. Dies betrifft hauptsächlich die Fingerglieder, da die Trennung dort über eine ästhetische Korrektur hinaus geht.
Die Operation erfolgt bereits sehr früh. Ist die Syndaktylie nur kutan wie eine Schwimmhaut ausgeprägt, ist eine Operation sehr unproblematisch. Schwieriger ist es, wenn die Verschmelzung der Knochen so stark ausgeprägt ist, dass sich zwei Glieder mit gleicher Knochenanlage nicht bestimmen lassen. Bei der Trennungsoperation muss ebenso berücksichtigt werden, dass die Veränderungen meist ebenso die Nerven und Gefäße (Arterien und Venen) betreffen.
Daher ist eine sorgsame Trennung erforderlich. Bei einer Syndaktylie der Zehenglieder wird häufig auf eine Behandlung verzichtet und die Entscheidung dem Betroffenen selbst überlassen. Viele Menschen mit Syndaktylie der Zehenglieder verzichten ganz darauf, diese chirurgisch beheben zu lassen. Sie empfinden die zusammengewachsenen Glieder nicht als störend.
Je nach Grad der Syndaktylie ist von einer Operation auch abzuraten, da die ästhetische Beeinträchtigung durch die Narbenbildung noch auffälliger sein kann als die zuvor bestehende Deformation.
Vorbeugung
Eine Vorbeugung gegen die Syndaktylie ist nicht möglich. Es ist eine genetisch bedingte Deformation, die bereits beim Embryo angelegt ist. Auch bei pränataler Diagnose besteht allerdings für die Kindeseltern kein Grund zu erhöhter Sorge, wenn weitere Erkrankungen ausgeschlossen wurden. Die Syndaktylie an den Füßen ist eine optische Beeinträchtigung, die für die Kinder keine Folgen hat. An den Fingergliedern ist die operative Behandlung der Syndaktylie auch im Säuglingsalter gut durchführbar.
Nachsorge
Wichtig ist die Nachbehandlung, wenn die zusammengewachsenen Finger oder Zehen durch einen operativen Eingriff voneinander getrennt wurden. Im Vordergrund steht dabei die Verbandtechnik. Fällt der Verband zu klein aus, besteht das Risiko, dass er von einem Kind in der Nacht ungewollt abgestreift wird. Daher sollten die Verbände nach einer Syndaktylie-Operation groß genug sein, was einen gewissen Aufwand erfordert.
Wurden bei der Syndaktylie-Operation die Zehen voneinander getrennt, trägt der Patient für einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen einen Spezialschuh. Die Nachsorge kann ein niedergelassener Arzt übernehmen, der schon ausreichend Erfahrung mit dieser Art von Eingriffen gesammelt hat. In den meisten Fällen übernimmt jedoch das Krankenhaus die Nachbehandlung aufgrund des hohen Aufwands beim Wechseln der Verbände. In der Regel wird der Verband nach einer Syndaktylie-Operation rund zwei Wochen lang getragen. Anschließend findet das Ziehen der Fäden statt.
Zur Behandlung der Schmerzen erhält der Patient in den ersten ein bis zwei Tagen ein Analgetikum. Meist handelt es sich dabei um Paracetamol-Zäpfchen. Um gegen die Narben, die sich durch den chirurgischen Eingriff bilden, vorzugehen, werden spezielle Narbengele verabreicht. Sie helfen dabei, die Narben möglichst unauffällig zu halten. Nach einem Eingriff zum Trennen der Zehen kann der Einsatz von Gehstützen sinnvoll sein, was letztlich vom behandelnden Arzt entschieden wird.
Das können Sie selbst tun
Die Syndaktylie ist eine angeborene Erkrankung, die lediglich symptomatisch behandelt werden kann. Die betroffenen Personen benötigen die Unterstützung eines Facharztes und darüber hinaus auch im Alltag Hilfe.
Sollten mehrere Finger zusammengewachsen sein, kann eine Operation in Erwägung gezogen werden. Allerdings bleiben die Bewegungseinschränkungen oftmals dauerhaft bestehen. Die wichtigste Maßnahme besteht darin, regelmäßig Bewegungsübungen auszuführen. Sollten Durchblutungsstörungen auftreten, muss der Arzt konsultiert werden. Wenn diese Maßnahmen keine Besserung bringen, wird am besten noch einmal mit dem Arzt gesprochen. Manchmal ist die Störung derart stark ausgeprägt, dass eine Besserung der Bewegungsfähigkeit nicht mehr erreicht werden kann. Dann müssen unterstützende Hilfsmittel eingesetzt werden, um die Einschränkungen zu kompensieren.
Eine Operation wird meist noch vor dem dritten Lebensjahr des Kindes durchgeführt. Die Eltern müssen fortan sorgfältig auf die Hand- und Fingerbewegungen des Kindes achten und diese gegebenenfalls ausgleichen. Vor allem bei nicht gleich langen Fingern kann durch eine frühzeitige ärztliche Behandlung eine Gelenkdeformation vermieden werden. Voraussetzung ist, dass das Kind auch nach dem Eingriff medizinisch unterstützt wird. Die Aufgabe der Eltern ist es, den Krankheitsverlauf und die Einnahme etwaiger verordneter Schmerzmittel zu überwachen.
Quellen
- Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
- Niethardt, F.U.: Kinderorthopädie. Thieme, Stuttgart 2009
- Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003