Telemedizin: Vorteile und Anwendungsbeispiele
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 31. März 2020Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Mittels Telekommunikation überbrückt Telemedizin zu Zwecken der Diagnostik und Therapie eine gegebene Distanz zwischen Ärzten und Patienten oder konsultierenden Ärzten untereinander. Dadurch steigt die Verfügbarkeit evidenzbasierter Therapien, so ist kürzlich aus dem Symposium Telemedizin und Versorgungsforschung hervorgegangen.
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Gesteigerte Effizienz dank Digitalisierung
Die Digitalisierung prägt schon heute den Alltag vieler Arztpraxen. Zahlreiche Praxisabläufe lassen sich durch digitale Lösungen zeitsparender gestalten, so beispielsweise administrative Aufgaben wie das Terminmanagement. Etwa 60 Prozent aller Hausärzte setzen mittlerweile auf digitale Terminplanung. Dabei greifen sie oft auf externe Dienstleister zurück, die ergonomische Software-Produkte und technisch versierten Support zur Verfügung stellen.
Dadurch brauchen Mitarbeiter keinerlei Vorwissen, um mit der Integration entsprechender Lösungen von einer höheren Effizienz innerhalb des Praxisalltags zu profitieren. Auch die Telemedizin ist ein Beispiel dafür, dass digitale Bausteine die Arztpraxen der Zukunft effizienter gestalten können. Hohe Relevanz messen Experten telemedizinischen Angeboten zukünftig insbesondere in ländlichen Gebieten bei.
Anders als in der Stadt, sind dort bis heute nur vereinzelt Fachärzte verfügbar. Durch telemedizinische Lösungen ließe sich die Kluft zwischen Stadt und Land schließen. Die Verfügbarkeit von Fachärzten ließe sich beispielsweise steigern, um eine bessere Versorgungssituation für ländlich lebende Patienten zu gewährleisten.
Besserer Austausch durch Telekonsil
Schon heute bieten sich viele Fachärzte in Städten wie Berlin zum Telekonsil an. Hierbei tauschen sich Mediziner über das Netz in Echtzeit zur Behandlung bestimmter Patienten aus und müssen sich dazu nicht im selben Raum befinden. In einigen ländlichen Krankenhäusern stehen keine neurologischen Fachabteilungen zur Verfügung. Gerade in solchen Fällen kann es sinnvoll sein, Telekonsile anzusetzen.
Wo kein Experte vor Ort ist, lässt sich in diesen Fällen ohne Qualitätsverlust eine evidenzbasierte Therapie etablieren. Die neurologische Begutachtung von Patienten ist erwiesenermaßen auch über Video-Chats möglich. Wie das Schlaganfall-Projekt TEMPiS bewiesen hat, können Telekonsile die schweren Spätfolgen von Schlaganfällen klinikintern sogar um bis zu zehn Prozent verringern.
Erleichterte Patientenbetreuung per Viedeosprechstunde
Abgesehen von einer höheren Expertenverfügbarkeit, ermöglichen telemedizinische Anwendungen auch neue Behandlungsmöglichkeiten. Telemonitoring lässt die Überwachung von Patienten in den eigenen vier Wänden zu, so beispielsweise bei chronisch Kranken, die regelmäßig eine Medikamenteneinstellung brauchen.
Auch die Überwachung chronischer Leiden fällt durch Telemedizin leichter. Das ist zum Beispiel bei Diabetikern der Fall, die zur Kontrolle ihrer Werte fortan nicht unbedingt zeitaufwendige Termine in der Arztpraxis vereinbaren müssen. In Zukunft werden chronische Erkrankungen laut Experten deutschlandweit zunehmen. In Zeiten des demografischen Wandels geht man von einer fortschreitenden Überalterung der deutschen Gesellschaft aus. Je älter die Gesellschaft wird, desto mehr chronisch Kranke wird es wiederum geben. Damit die medizinische Versorgung vor diesem Hintergrund weiterhin flächendeckend gewährleistet bleibt, sind neue Konzepte unumgänglich.
Telemonitoring ist ein solches Konzept und wird somit kaum aus der Zukunft wegzudenken sein. Per Video-Sprechstunde können außerdem auch solche Patienten begutachtet werden, die wegen mobiler Einschränkungen kaum persönlich zu Arztterminen erscheinen können. Auch Fälle wie diese werden in der überalternden Gesellschaft auf dem Vormarsch sein und erfordern ein Umdenken, was die Versorgungswege betrifft.
Manche Patienten hält nicht die Distanz oder fehlende Mobilität von der Konsultation eines Facharztes ab, sondern die Scham. Dies trifft beispielsweise für Besuche beim Urologen oder Frauenarzt zu, die in einigen Kulturkreisen grundsätzlich noch immer verpönt sind. Telemedizinische Sprechstunden könnten auch hierfür eine Lösung sein. Die Konsultationen auf Distanz können in dieser Hinsicht zum Beispiel jungen Mädchen den Frauenarztbesuch erleichtern oder Frauen anderer Kulturkreise eine relativ anonyme Beratung ermöglichen.
Gilt das Fernbehandlungsverbot nicht mehr?
Bis vor gut zwei Jahren waren telemedizinische Ansätze kaum vorstellbar. Grund dafür war das damals deutschlandweit gültige Fernbehandlungsverbot. Die bis 2018 in § 7 Absatz 4 der MBO verankerte Regelung besagte, dass Ärzte die Behandlung und Beratung „nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen“ dürfen.
Mittlerweile hat sich diese Regel gelockert. So ist es in Einzelfällen sogar gestattet, bisher gänzlich unbekannte Patienten über Telemedizin zu beraten, solange es aus ärztlicher Sicht vertretbar ist. Mit dieser Neuerung trägt die Ärzteschaft in Zukunft die Verantwortung, von Fall zu Fall über die Zulässigkeit einer reinen Behandlung auf Distanz zu entscheiden.
Trotz Lockerungen des Paragraphen ist Telemedizin noch immer nicht flächendeckend im Einsatz. Viele Ärzte beklagen bei der Realisierung entsprechender Vorhaben die hohen Kosten, die mit der technischen Umsetzung der Konzepte verbunden sind. Krankenkassen gehen derweil ihre eigenen Wege. In der Schweiz will die Krankenkasse Swica ihre Versicherten zukünftig dazu bringen, sich mittels eines dazu konzipierten Diagnosegeräts selbst zu untersuchen.
Die so gesammelten Daten sollen per App zunächst an das Fachpersonal der Kasse versendet werden. Besteht medizinische Notwendigkeit, leiten die Experten anschließend eine Online-Sprechstunde in die Wege. Kritiker bemängeln an dem neuen Konzept, dass Patienten entsprechende Untersuchungen lediglich laienhaft durchführen können und weisen außerdem auf Datenschutzbedenken hin. Nichtsdestotrotz bewegen sich deutsche Krankenkassen mittlerweile in ähnliche Richtungen wie Swica.
Arzt-Patienten-Kommunikation bleibt unersetzlich
Trotz der zahlreichen Möglichkeiten der Telemedizin werden entsprechende Maßnahmen die direkte Arzt-Patienten-Kommunikation in Deutschland wahrscheinlich auch in Zukunft nicht komplett ersetzen.
Vielmehr wird man sie Experten zufolge als Ergänzung nutzen, um eine Kommunikation auch dort zu ermöglichen, wo sie andernfalls entfallen würde. Mediziner betreuen dadurch in Zukunft eine größere Patientenschaft und sparen hierbei zur selben Zeit Geld sowie Aufwand ein. Für Patienten sind neben einer besseren Versorgungslage vor allem Verbesserungen der Lebensqualität zu erwarten, so insbesondere durch die bequeme Beratung und Überwachung in den eigenen vier Wänden.
Die durch den demografischen Wandel bedingte Nachfragesteigerung im Hinblick auf Beratungs- und Versorgungsmöglichkeiten wird durch die Telemedizin der Zukunft zumindest besser bewältigbar. Außerdem bietet die Telemedizin für Spezialbereiche wie die Raumfahrt neue Möglichkeiten. Die ISS beispielsweise nutzt telemedizinische Diagnostik- und Behandlungsverfahren längst für Astronauten. Bei ärztlichen Notfällen im All lässt sich so das Risiko für schwere Komplikationen verringern.
Insbesondere, wenn die Astronauten vorab Schulungen erhalten haben. Nicht nur im Raumfahrtbereich werden in Zukunft entsprechende Schulungen eine Rolle spielen: Damit Patienten bald alle Vorzüge telemedizinischer Möglichkeiten auskosten können, profitieren auch sie von medizinischen Grundkenntnissen.
Dadurch könnten sie die Rolle des Laien in Zukunft verlassen und wären selbst stärker in ihre Diagnose und Behandlung eingebunden. Je besser der Einzelne medizinische Zusammenhänge kennt, desto angemessener ist die Entscheidung für eine Fernbehandlung. Hierdurch könnte sich für überlastete Ärzte die Lage entspannen. Nur bei echtem Bedarf müssten sie ihre kostbare Zeit noch in Einzelsprechstunden investieren.