Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie ist eine Gruppentherapie, die hauptsächlich zur Prävention von Rückfällen in die Depression entwickelt wurde.
In der praktischen Arbeit werden Elemente der kognitiven Therapie gegen Depressionen mit achtsamkeitsbasierten Einheiten eines Stress-Reduktionsprogramms verknüpft. In zwei Studien aus den Jahren 2000 und 2004 wurde die Wirksamkeit der Therapie, die mit max. zwölf Teilnehmern in je acht Sitzungen durchgeführt wird, nachgewiesen.
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Was ist die Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie?
Die Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie, die nach ihrer angelsächsischen Bezeichnung Mindfulness Based Cognitive Therapy mit MBCT abgekürzt wird, basiert auf der Kombination zweier bereits entwickelter und bewährter Säulen.
Elemente der kognitiven Therapie zur Behandlung einer Depression werden mit einem achtsamkeitsbasierten Stress-Reduktionsprogramm kombiniert. Es handelt sich um einen relativ neuen Therapieansatz, der von den Psychotherapeuten Teasdale, Segal und Williams gegen Mitte bis Ende der 1990er Jahre entwickelt wurde. Ein wesentliches Element der Therapie besteht im Training der eigenen Achtsamkeit.
Gemäß allgemein anerkannter kognitiver Therapieverfahren lernen es die Patienten, sich aus ihrer eigenen Zentriertheit zu lösen und die verursachenden Geschehnisse aus anderer Sicht zu betrachten. Die relativ feste Verknüpfung zwischen bestimmten Geschehnissen und der daraus resultierenden negativen depressiven Stimmung bzw. der Überzeugung, dass kein Ausweg möglich ist, wird mit der Therapie durchbrochen.
Funktion, Wirkung & Ziele
Ein wesentliches Kernelement der MBCT besteht darin, die Patienten aus ihrer zentrierten Betrachtungsweise herauszuholen und ihnen über Achtsamkeitstraining eine Sichtweise auch von außen zu ermöglichen. Das bedingt, dass sie mehr und mehr Eigenverantwortung spüren und über diese Art von Erfolgserlebnis motiviert werden, ihre bisherige Sichtweise zu überwinden. Achtsamkeit bedeutet dabei aufmerksame und bewusste Wahrnehmung mit der Bereitschaft, Veränderungen der eigenen Sichtweise durch das Beobachtete zuzulassen, quasi in einen Dialog mit dem Umfeld einzutreten. Eines der wesentlichen Therapieziele besteht deshalb darin, die enge Verknüpfung zwischen bestimmten Ereignissen oder Situationen und erlittener Depressionen zu lösen.
Das wird durch eine gesteigerte Achtsamkeit sich selbst und dem sozialen Umfeld gegenüber erreicht. Ein sehr wichtiges Trainingselement ist die achtsamkeitsbasierte Meditation, die sich wie ein roter Faden durch die Gruppentherapie zieht. Die Teilnehmer lernen, ein verbessertes Bewusstsein für ihre eigenen Körperempfindungen und gedanklichen Prozesse zu entwickeln. Sie erkennen Frühindikatoren, die auf einen drohenden Rückfall in die Depression weisen und können dank ihrer veränderten Sichtweise gedanklich den Prozess verändern, um den Rückfall zu vermeiden.
An einem MBCT-Kurs nehmen acht bis zwölf Personen teil, die sich wöchentlich einmal zu einem gemeinsamen Achtsamkeitstraining mit dem Therapeuten bzw. Trainer treffen. Die wöchentlichen Sitzungen dauern etwa zwei bis zweieinhalb Stunden. Der gesamte Gruppenkurs erstreckt sich über insgesamt acht Wochen. Das Training besteht aber nicht nur aus den wöchentlichen Sitzungen, sondern auch aus Hausaufgaben und aus täglichen 60-minütigen Meditationsübungen und zu Hause durchgeführten Trainings an sechs Tagen pro Woche. Das „Heimtraining“ umfasst jeweils mindestens 45 Minuten. Zu Beginn eines MBCT-Kurses geht es vor allem darum, Aufmerksamkeit und Konzentration zu üben.
Die Patienten lernen, ihre momentane Situation anzunehmen einschließlich ihrer Emotionen und Gedanken, die sich durch eine veränderte Sichtweise auch selbst allmählich verändern. Die Patienten verspüren dadurch eine kolossale Befreiung und Entlastung, die erste Schritte in Richtung Heilungsprozess bedeuten. Der besondere Wert des MBCT liegt in seiner Nachhaltigkeit. Eine medikamentöse Behandlung einer akuten Depression ist zwar – abgesehen von teils gravierenden Nebenwirkungen – ebenfalls wirksam, lässt aber Nachhaltigkeit vermissen. Das bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, nach Absetzen der Medikamente in die Depression zurückzufallen sehr hoch ist.
Während mit dem MBCT die für die Auslösung der Depression verantwortliche Denkweise direkt aufgegriffen und damit zur Ursachenbekämpfung betrieben wird, gleicht die medikamentöse Behandlung mehr einer Unterdrückung der Symptome. Das MBCT zeigt einen Weg heraus aus der Depression.
Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren
Die größten „Gefahren“, die damit verbunden sind, besteht in der Nichterreichung der Ziele und darin, dass ein möglicherweise suizidgefährdeter Patient weiterhin gefährdet bleibt. Während der Erfolg des MBCT weitestgehend von der aktiven Mitarbeit des Patienten abhängig ist, wirkt die medikamentöse Behandlung unabhängig von Aktivität oder Passivität des Patienten. Der große Vorteil des MBCT besteht darin, den Patienten auf dem Weg zur Überwindung der Depression mitzunehmen. Die „Mitnahme“ des Patienten kann nur erreicht werden, wenn er nicht nur Bereitschaft zeigt, die Mitnahme zuzulassen, sondern den eingeschlagenen Weg auch eigeninitiativ in der Gemeinschaftstherapie unterstützt.
Das bedeutet, dass der größte Vorteil des MBCT gleichzeitig die größte Gefahr des Scheiterns in sich trägt, vor allem bei Teilnehmern, die an einem akuten Depressionsschub erkrankt sind. Bei derartigen Konstellationen könnte es notwendig werden, parallel zum achtsamkeitsbasierten kognitiven Training Antidepressiva zu verabreichen oder die medikamentöse Behandlung der akuten Depression vorzuschalten. Die Teilnahme an einem MBCT bei gleichzeitiger Einnahme von Antidepressiva ist allerdings nur von begrenztem Wert, weil das Medikament stark in die Psyche eingreift und eine aktive Teilnahme des Patienten am achtsamkeitsbasierten kognitiven Training erschwert.
Quellen
- Möller, H.-J.: Therapie psychischer Erkrankungen. Thieme, Stuttgart 2006
- Möller, H.-J., Laux, G., Deister, A.: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2015
- Tölle, R., Windgassen, K.: Psychiatrie. Springer, Heidelberg 2006