Antidepressiva

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Antidepressiva sind eine Gruppe von Psychopharmaka, die in erster Linie gegen verschieden schwere Depressionen eingesetzt werden. Die Antidepressiva greifen chemisch in den Hirnstoffwechsel ein und blockieren dort bestimmte Botenstoffe wie Serotonin, Noradrenalin und Dopamin, um ein Ungleichgewicht dieser Stoffe wieder zu korrigieren. Obwohl die These vom Ungleichgewicht der Botenstoffe als Ursache von Depressionen nicht bewiesen ist, so wird doch allgemein angenommen, dass Depressionen diese mangelnde Balance zugrunde liegt.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Antidepressiva?

Antidepressiva sollen ein Ungleichgewicht der Botenstoffe wie Serotonin, Noradrenalin und Dopamin korrigieren.

Antidepressiva sind Medikamente, die zur Behandlung von Depressionen sowie einer Reihe anderer psychischer Störungen, einschließlich einiger Angststörungen, Zwangsstörungen und gelegentlich auch chronischer Schmerzzustände eingesetzt werden.

Sie zielen darauf ab, das chemische Gleichgewicht im Gehirn zu beeinflussen, insbesondere die Neurotransmitter, die an der Regulierung der Stimmung und des emotionalen Wohlbefindens beteiligt sind. Zu diesen Neurotransmittern gehören Serotonin, Dopamin und Noradrenalin.

Es gibt verschiedene Klassen von Antidepressiva, die sich in ihrer chemischen Struktur und Wirkungsweise unterscheiden. Zu den gängigsten gehören:

  • Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs), die die Menge an verfügbarem Serotonin im Gehirn erhöhen. Beispiele sind Fluoxetin und Sertralin.
  • Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRIs), die sowohl Serotonin als auch Noradrenalin beeinflussen. Venlafaxin und Duloxetin sind hier bekannte Vertreter.
  • Trizyklische Antidepressiva (TCAs), eine ältere Klasse, die auf mehrere Neurotransmitter-Systeme einwirkt. Sie sind potent, haben aber oft stärkere Nebenwirkungen.
  • Monoaminooxidase-Hemmer (MAO-Hemmer), die den Abbau von Neurotransmittern im Gehirn verhindern und in der Regel bei Patienten verwendet werden, die auf andere Behandlungen nicht ansprechen.

Die Wahl des richtigen Antidepressivums hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, darunter die spezifischen Symptome des Patienten, das Vorhandensein von Begleiterkrankungen, frühere Reaktionen auf Medikamente und potenzielle Nebenwirkungen. Die Behandlung mit Antidepressiva ist oft ein dynamischer Prozess, bei dem Dosierungen und Medikamente angepasst werden, um die beste Wirksamkeit und Verträglichkeit zu erzielen.

Geschichte und Entwicklung

Die Geschichte der Antidepressiva beginnt in den 1950er Jahren, als durch Zufall die antidepressive Wirkung einiger Medikamente entdeckt wurde. Der erste bedeutende Durchbruch erfolgte 1951 mit der Einführung des Tuberkulose-Medikaments Iproniazid, das sich zufällig auch als wirksam bei der Behandlung von Depressionen erwies. Iproniazid war ein Monoaminooxidase-Hemmer (MAO-Hemmer), der die Abbaurate von Neurotransmittern wie Serotonin und Noradrenalin im Gehirn vermindert und somit stimmungsaufhellend wirkt.

Kurz darauf, im Jahr 1957, wurde das trizyklische Antidepressivum Imipramin entwickelt. Es entstand ebenfalls aus einem ursprünglich für andere Zwecke entwickelten Medikament, das sich dann als wirksam bei der Behandlung depressiver Symptome herausstellte. Trizyklische Antidepressiva (TCAs) erhöhen die Konzentrationen von Neurotransmittern im Gehirn, indem sie die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin in die Nervenzellen blockieren.

Die nächste große Entwicklung in der Behandlung von Depressionen war die Einführung der Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) in den 1980er Jahren, beginnend mit Fluoxetin (Prozac), das 1987 auf den Markt kam. SSRIs bieten eine bessere Verträglichkeit und ein günstigeres Nebenwirkungsprofil im Vergleich zu ihren Vorgängern, was zu einer breiten Akzeptanz und Anwendung führte.

Diese Medikamente rückten die Bedeutung von Serotonin in der Pathophysiologie der Depression in den Vordergrund und revolutionierten die psychiatrische Medikation. Die Entdeckung und Weiterentwicklung der Antidepressiva ist ein fortlaufender Prozess, der die Behandlungsmöglichkeiten für Millionen von Menschen weltweit verbessert hat.

Antidepressiva gegen Depressionen & Stimmungsschwankungen

Dieses Ungleichgewicht sucht man durch Antidepressiva chemisch zu beeinflussen. Antidepressiva greifen somit in komplexe gehirnorganische Prozesse ein, um Depressionen zumindest zu lindern, wenn keine vollständige Besserung möglich ist. Die medizinischen Anwendungsgebiete sind vielfältig.

Obwohl Antidepressiva - wie der Name schon sagt - in erster Linie gegen Depressionen entwickelt wurden (und werden), so finden sie auch in anderen Bereichen Anwendung. Viele Antidepressiva haben nämlich weitere positive Wirkungen, so dass sie auch bei anderen psychischen Störungen erfolgreich zur Anwendung kommen. Dies sind in erster Linie Zwangsstörungen, Panikattacken, generalisierte Angststörungen und Phobien.

Aber auch Essstörungen, chronische Schmerzen, Entzugserscheinungen, Stimmungsschwankungen, Symptome wie Antriebslosigkeit und Schlafstörungen sowie die Posttraumatische Belastungsstörung können mit bestimmten Antidepressiva erfolgreich behandelt werden. Sehr gute Erfahrungen hat man mit Antidepressiva bei Panikattacken gemacht.

Bei Depressionen wird vor allem die stimmungsaufhellende Wirkung der Antidepressiva genutzt. Doch die Antidepressiva können neben dieser Wirkung auch andere Effekte zeitigen. Dazu zählt eine gewollte Antriebssteigerung bei vermindertem Antrieb oder eine beruhigende Wirkung (bei agitierter Depression und Schlaflosigkeit). Manche Psychopharmaka aus dieser Gruppe haben auch eine angstlösende Wirkung und haben den Effekt, dass Patienten gelassener werden.

Pflanzliche, natürliche & chemische Antidepressiva

Man unterscheidet dabei pharmazeutische Antidepressiva und pflanzlich-natürliche. Bei den Psychopharmaka gibt es - je nach Unterscheidungskriterien - insgesamt vier Typen.

Das sind die Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SRI), die Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (NRI), die Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (SNRI) und die trizyklischen Antidepressiva älteren Typs. Jedes dieser Antidepressiva hat eine stimmungsaufhellende Wirkung, wirkt aber bezüglich Antrieb, Schlaf und Unruhe unterschiedlich.

Pflanzlich ist vor allem das Johanniskraut für seine stimmungsaufhellende Wirkung bekannt sowie das sogenannte SAMe, das vor allem in südlichen Ländern als natürliches Antidepressivum verwandt wird. Es handelt sich dabei um eine Aminosäureverbindung, die im menschlichen Körper vorkommt. Das SAM-E soll dabei die Ablaufprozesse im Körper nicht stören, wie es die chemischen Antidepressiva tun.

Als weiteres natürliches Antidepressivum wird das 5-HTP gehandelt, das auf dem Prinzip basiert, dass der Stoffwechsel bei Glücksgefühl Serotonin ausschüttet, wobei die Verbindungsstelle hierfür das 5-HTP ist. Diese These bedarf noch genauerer Überprüfung.

Auch gibt es homöopathische Mittel, deren Wirksamkeit jedoch umstritten ist. Hier ist zum Beispiel das Ignatia zu nennen, das gegen neurotische Depressionen in Verbindung mit Trauergefühlen, Nervosität und Angstzuständen wirksam sein soll.


Risiken & Nebenwirkungen

Vor allem Antidepressiva aus dem Bereich der Psychopharmaka haben dabei eine Reihe zum Teil gravierende Nebenwirkungen.

Hier ist zunächst die häufige Gewichtszunahme und der gesteigerte Appetit zu nennen, ein Umstand, der für viele Patienten ein großes Problem darstellt.

Zum Teil können auch Müdigkeit und Lethargie auftreten, andererseits auch Ruhelosigkeit und Zittern (Tremor). Bei bestimmten Antidepressiva kann insbesondere bei Jugendlichen Suizidalität auftreten.

Besonders starke Nebenwirkungen treten bei den trizyklischen Antidepressiva auf, die zwar wirksam sind, aber weniger gut verträglich. Hier kann starke Benommenheit und starke Gewichtszunahme die Folge sein.

Alternativen

Neben traditionellen Antidepressiva gibt es eine Reihe von alternativen Medikamenten und Therapieformen, die zur Behandlung von Depressionen verwendet werden können. Diese Alternativen bieten oft Lösungen für Patienten, die auf herkömmliche Antidepressiva nicht ansprechen oder von deren Nebenwirkungen betroffen sind.

Stimmungsstabilisatoren wie Lithium sind vor allem bei bipolaren Störungen wirksam, werden aber auch zur Behandlung von Depressionen eingesetzt. Antipsychotika in niedriger Dosierung werden manchmal additiv zu Antidepressiva verwendet, besonders wenn Symptome wie Wahnvorstellungen oder starke Unruhe bestehen.

Psychotherapie ist eine weitere wichtige Behandlungsoption, die oft in Kombination mit Medikamenten oder allein angewendet wird. Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) und interpersonelle Psychotherapie (IPT) sind wirksame Methoden zur Behandlung von Depressionen, indem sie den Patienten helfen, negative Denkmuster zu identifizieren und zu ändern und ihre zwischenmenschlichen Fähigkeiten zu verbessern.

Physikalische Therapien wie die Elektrokrampftherapie (EKT) oder transkranielle Magnetstimulation (TMS) sind Optionen für schwerere Fälle oder wenn andere Behandlungen versagen. Diese Methoden beeinflussen direkt die Gehirnaktivität und können schnelle Verbesserungen der Symptome bewirken.

Verglichen mit traditionellen Antidepressiva bieten diese Alternativen unterschiedliche Wirkmechanismen und Nebenwirkungsprofile, was sie zu wertvollen Optionen in einem individuell angepassten Behandlungsplan macht. Besonders in der Kombinationstherapie können sie die Wirksamkeit der Behandlung erhöhen und die Lebensqualität der Betroffenen verbessern.

Forschung & Zukunft

In der Forschung zu Antidepressiva gibt es einige vielversprechende Trends und neue Behandlungsansätze, die darauf abzielen, die Effektivität und Verträglichkeit der Therapien zu verbessern sowie schneller wirkende Mittel zu entwickeln.

Ketamin und seine Derivate: Ein bedeutender Durchbruch in der Depressionsbehandlung war die Entdeckung des schnell wirkenden Antidepressivums Ketamin. Im Gegensatz zu herkömmlichen Antidepressiva, die Wochen benötigen können, um Wirkung zu zeigen, kann Ketamin oft innerhalb von Stunden signifikante Verbesserungen bewirken. Esketamin, eine verwandte Substanz, wurde kürzlich als Nasenspray für die Behandlung von therapieresistenter Depression zugelassen und wird in klinischen Umgebungen unter ärztlicher Aufsicht verwendet.

Psychedelika: Forschungen zu Substanzen wie Psilocybin (der Wirkstoff in "magischen" Pilzen) und MDMA (Ecstasy) zeigen vielversprechende Ergebnisse in der Behandlung von Depressionen und PTSD. Diese Substanzen scheinen die neuronale Plastizität zu fördern und tiefgreifende, positive Veränderungen in der emotionalen Verarbeitung zu ermöglichen.

Genetische und personalisierte Medizin: Die genetische Kartierung und personalisierte Medizin gewinnen an Bedeutung, um zu verstehen, warum einige Patienten gut auf bestimmte Medikamente ansprechen, während andere nicht. Dies führt zur Entwicklung personalisierter Behandlungspläne, die auf der genetischen Ausstattung des Einzelnen basieren.

Entzündungshemmer: Da zunehmend Verbindungen zwischen Entzündungsprozessen im Körper und Depressionen festgestellt werden, untersucht die Forschung die Möglichkeit, entzündungshemmende Medikamente als Antidepressiva einzusetzen. Dies könnte eine Behandlungsoption für Patienten sein, deren Depression mit körperlichen Entzündungen zusammenhängt.

Diese Ansätze stellen spannende Entwicklungen in der psychiatrischen Forschung dar, die das Potenzial haben, die Behandlung von Depressionen und anderen psychischen Störungen grundlegend zu verändern.

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