Myasthenia gravis - Symptome und Therapie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 21. Juli 2023Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Krankheiten Myasthenia gravis - Symptome und Therapie
Im Jahr 1672 zum ersten Mal erwähnt und damals eher unbekannt, gibt es für die chronische Krankheit Myasthenia gravis mittlerweile recht gute Behandlungsmöglichkeiten. Typisch für die Autoimmunerkrankung ist, dass es in Folge einer gestörten Impulsübertragung zur Muskelschwäche kommt. Diese nimmt bei Bewegung weiter zu und bessert sich in Ruhe.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist Myasthenia gravis?
Myasthenia gravis gehört zu den Autoimmunerkrankungen. Wie bei diesen Krankheiten typisch, richtet sich das körpereigene Immunsystem anhand einer Fehlfunktion gegen sich selbst. Eine Autoimmunerkrankung und damit auch Myasthenia gravis ist nicht ansteckend, doch für die Betroffenen bedeutet dies, fortan mit der Krankheit leben zu müssen.
Zum Entstehen der Krankheit kommt es, indem der Körper Autoantikörper bildet. Diese sollen eigentlich dazu dienen, Viren oder Bakterien abzuwehren. Doch in diesem Fall richten sich die Antikörper gegen Rezeptoren und Enzyme, die für die Kommunikation zwischen Muskeln und Nervenzellen sehr wichtig sind. Daher kann sich Myasthenia gravis durch verschiedenste Symptome bemerkbar machen. Allen gemein ist jedoch die nachlassende Muskelspannung.
Häufigkeit und Vorkommen
Mit etwa 15.000 Betroffenen in Deutschland zählt Myasthenia gravis zu den seltenen Erkrankungen. Sie kann sowohl Männer als auch Frauen betreffen, wobei Frauen in der Regel früher erkranken. Bei ihnen kann sich die Muskelschwäche bereits vor dem 40.
Lebensjahr bemerkbar machen, wohingegen die Krankheit bei Männern meistens erst ab dem 50. Lebensjahr auftritt. Aber auch Kinder können betroffen sein. Man geht davon aus, dass ca. 10 % aller Erkrankten mit dieser Diagnose unter 16 Jahren alt sind.
Es gibt verschiedene Kriterien, nach denen die Autoimmunerkrankung eingeteilt werden kann. Eine Möglichkeit ist auf Basis des Patientenalters.
Verschiedene Formen und Einteilungen
Patienten können an verschiedenen Formen von Myasthenia gravis leiden. Diese unterscheiden sich anhand der betroffenen Muskeln, der im Blut gefundenen Antikörper, des Patientenalters und dem Vorliegen von Tumoren in der Thymusdrüse. Für die passende Behandlung von Myasthenia gravis kann die Einteilung eine wichtige Rolle spielen.
So wird etwa aktuell erforscht, ob die generalisierte Myasthenia gravis mit dem monoklonalen Antikörper Rozanolixizumab behandelt werden kann.
Einteilung nach den betroffenen Muskeln
Je nachdem, welche Muskeln betroffen sind, gibt es eine Form, bei denen sich Symptome insbesondere bei den Augen bemerkbar machen (okuläre Form) als auch eine Form, bei welcher die gesamte Skelettmuskulatur betroffen ist (generalisierte Form).
Einteilung nach Antikörpern
Indem das Blut Betroffener auf bestimmte Antikörper untersucht wird, kann bei Myasthenia gravis eine weitere Einteilung vorgenommen werden: Myasthenia gravis mit frühem Erkrankungsbeginn und Acetylcholin-Rezeptor-Antikörpern bzw. Myasthenia gravis mit spätem Erkrankungsbeginn und Acetylcholin-Rezeptor-Antikörpern. Bei Patienten mit Antikörpern und frühem Erkrankungsbeginn wird oft eine Vergrößerung der Thymusdrüse festgestellt, so dass eine Entfernung dieser sinnvoll sein kann.
Eine Form, unter der vor allem Frauen leiden, ist die LRP4-assoziierte Myasthenia gravis. Antikörper werden hier gegen LRP4 – einen Bestandteil von Muskelzellen, der wichtig für die Funktion des Botenstoffs Acetylcholin ist – gebildet. Der Verlauf ist bei dieser Form eher mild.
Außerdem gibt es die MuSK-assoziierte Myasthenia gravis, bei welcher Antikörper gegen MuSK – einen Eiweißstoff auf Muskelzellen – gebildet werden. Gleichzeitig können auch Antikörper gegen Acetylcholin-Andockstellen vorliegen. Typisch ist die Muskelschwäche bei dieser Form insbesondere im Bereich von Kopf und Nacken, so dass Schlucken, Kauen und Sprechen schwer fallen.
Können im Blut keine Antikörper nachgewiesen werden, erweist sich die Diagnosestellung meistens als recht langwierig. In einigen Fällen liegen zwar Antikörper vor, jedoch in sehr geringen Mengen, so dass ein Nachweis schwer möglich ist. Andernfalls ist von Antikörper-negativer generalisierter Myasthenia gravis die Rede.
Einteilung nach Tumoren
Menschen, die einen Tumor der Thymusdrüse haben, erleben Myasthenia gravis häufig als Begleiterkrankung. Außerdem haben fast alle Betroffenen Antikörper gegen Acetylcholin-Rezeptoren.
Symptome, Beschwerden und Anzeichen
Myasthenia gravis ist eine Erkrankung mit vielfältigen Symptomen: Schluckbeschwerden, Probleme beim Sprechen, hängende Augenlider, Doppelbilder, Atembeschwerden, Müdigkeit und Kopfhalteschwäche. Mit körperlicher Belastung nehmen diese Symptome zu, so dass sie in den Abendstunden oft deutlich ausgeprägter sind als am Morgen.
Wie sich die Autoimmunerkrankung bemerkbar macht, kann unterschiedlich sein. Manche berichten von einer Störung des Sprechens, Kauens und Schluckens. Bei anderen lässt sich schon zu Beginn der Myasthenia gravis eine Schwäche an den Armen und Beinen feststellen, etwa beim Treppensteigen.
Doch gerade weil die Ausprägung der Myasthenia-Symptome so individuell ist, braucht es Ärzte, die bei diesen teilweise unspezifischen Symptomne auch an die Diagnose Myasthenia gravis denken und entsprechende Untersuchungen einleiten.
Diagnosestellung
Um eine Diagnose stellen zu können, spielen nicht nur die typischen Beschwerden, sondern auch das Alter des Patienten und die Beschaffenheit der Thymusdrüse eine Rolle. Anamnese, eine Untersuchung auf die körperlichen Symptome sowie der Thymusdrüse und Labortests sind hier entscheidend. So kann auch eine Klassifizierung vorgenommen werden, anhand welcher die im individuellen Fall sinnvolle Therapie und deren Behandlungserfolg objektiv eingeschätzt werden.
Wurde der Verdacht auf eine Myasthenia gravis bestätigt, kann mit Hilfe des Quantitative-Myasthenia-gravis-Tests (QMG-Test) der Schweregrad der Krankheit festgestellt werden. Ebenfalls zur Diagnose und Verlaufskontrolle eingesetzt werden kann der Myasthenia-gravis-Activities-of-Daily-Living-Test (MG-ADL-Test), der in Form eines Fragebogens erfolgt.
Behandlung und Therapiemöglichkeiten
Mit der richtigen Behandlung können Betroffene mit Myasthenia gravis ein weitgehend normales Leben führen. Dieses ist jedoch mit einigen Einschränkungen verbunden. Zum Beispiel kann die körperliche Belastungsgrenze geringer sein als bei Gesunden.
Je nach Sub-Typ und Schweregrad der Erkrankung kommen Medikamente wie Cholinesterase-Hemmer, Immunsuppressiva oder eine Eskalationstherapie mit monoklonalen Antikörpern infrage. Dass mehrere Medikamente und deren Kombination getestet werden müssen, bis eine optimale therapeutische Wirkung erreicht wird, ist keine Seltenheit.
Zu Beginn der Erkrankung kann auch eine operative Entfernung der Thymusdrüse (Thymektomie) ratsam sein. Von vielen Patienten werden auch physiotherapeutische Anwendungen als heilsam erlebt. Stehen starke Schluckbeschwerden im Vordergrund, kann im Ernstfall an eine künstliche Ernährung über eine Magensonde nachgedacht werden. Für das Sehen von Doppelbildern kann individuell angepasstes Prismenglas Abhilfe schaffen.
Krankheitsverlauf und Prognose
Da sich die Beschwerden einer Myasthenia gravis bei jedem Patienten unterschiedlich stark zeigen, lässt sich keine Prognose über den typischen Verlauf der Erkrankung treffen. Mehrheitlich sprechen Patienten gut auf eine Therapie an, so dass das normale Alltagsleben mit einigen Einschränkungen wieder aufgenommen werden kann. Worauf sich Betroffene einstellen müssen ist, dass die Krankheit an manchen Tagen sehr starke Einschränkungen mit sich bringen kann, während man an anderen nahezu beschwerdefrei ist.
Bleibt Myasthenia gravis unbehandelt, kann es zu schweren Komplikationen kommen. In Extremfällen kann dies eine lebenslange maschinelle Beatmung erforderlich machen. Versagt die Atemmuskulatur, verläuft dies tödlich. Dies ist aufgrund des immer besseren Verständnisses für die Krankheit jedoch sehr selten geworden.