Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (PITT) nach der deutschen Psychoanalytikerin Luise Reddemann ist in erster Linie für die Behandlung von Menschen mit komplexen Traumafolgestörungen konzipiert.

Die Grundlage bilden psychoanalytische Konzepte. Die PITT hat sich seit 1985 als ein Verfahren herausgebildet, bei dem die Therapeuten eine begleitende Rolle einnehmen, in der vor allem die Fähigkeiten des Patienten zur Selbstakzeptanz, Selbstberuhigung und Selbsttröstung entwickelt und gefördert werden sollen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie?

Die Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (PITT) ist eine tiefenpsychologisch-psychodynamische Kurzzeitpsychotherapie.

Es ist ein Verfahren, das heute im deutschsprachigen Raum häufig bei Patienten mit komplexen posttraumatischen Störungsbildern in der stationären Behandlung eingesetzt wird. Die PITT hat sich aus den praxisbezogenen Bedürfnissen heraus entwickelt und ist von anderen Verfahren beeinflusst. Psychotherapeutischen Verfahren konnten somit traumaadaptierte Anwendungsmöglichkeiten an die Hand gegeben werden. Zentrales Anliegen der PITT ist es vor allem, die Selbstregulation der Patienten zu verbessern.

Funktion, Wirkung & Ziele

Die Psychodynamisch Imaginative Traumatherapie (PITT) ist eine eher sanfte Therapiemethode, die besonders für Menschen konzipiert worden ist, die durch physische oder psychische Gewalt tief verletzt und damit traumatisiert wurden. Traumata bleiben im Gedächtnis erhalten, wodurch die Patienten unter chronischem traumatischen Stress leiden.

Da diese mit sehr starken Gefühlen verbunden sind, werden sie oft abgespalten (Dissoziation). Auf diese Weise soll das eigene Ich vor einer Überforderung durch zu viele negative Gefühle geschützt werden. Das Trauma wird dabei allerdings nicht aufgelöst. Die PITT kann das eigene Sicherheitsgefühl und die psychische Stabilität verbessern. Die Patienten sollen befähigt werden, auftretende Affekte besser zu kontrollieren und zu integrieren, statt weitere Spaltungen hervorzurufen. Somit können weitere Retraumatisierungen vermieden werden. Bei einem Großteil der persönlichkeitsgestörten Patienten geht es um ein Beziehungstrauma.

Dies bedeutet mehr als ein traumatisches Ereignis. Vielmehr handelt es sich zumeist um eine gestörte Beziehung zu zentralen bedeutenden Personen im Umfeld des Patienten über einen langen Zeitraum. Beziehungsmuster aus früheren Zeiten werden in aktuellen Beziehungen wiedererlebt. Besonders traumatisierende Bindungserfahrungen entwickeln häufig gestörte Selbstregulationsmechanismen. Es entstehen Abwehrmechanismen gegen bestimmte Gefühle, was wiederum die Wahrnehmung der Umwelt und die Selbstwahrnehmung beeinflusst. Eigene Wünsche und Sehnsüchte werden dabei unterdrückt. Heutzutage geht man davon aus, dass auch unsichere oder desorganisierte Bindungsstile später noch zu einer sicheren Bindung entwickelt werden können.

Hierzu bedarf es einer vertrauensvollen und stärkenden therapeutischen Beziehung sowie der Förderung der selbstregulativen Kräfte des Patienten. Der Therapeut begleitet diesen Prozess und übernimmt die Rolle des Regieassistenten. Die Patienten sollen aktiv daran mitarbeiten, ihre verborgenen Kräfte wiederzuentdecken. Bei der PITT sollen die Ich-stärkenden Ansätze der eigentlichen Traumarbeit vorangestellt werden. Die Abspaltung bestimmter Gefühle des traumatisierten Patienten wird als stabilisierender Faktor genutzt. Dem Patienten soll mittels Imagination, also der Vorstellungskraft, vermittelt werden, dass das abgespaltene Gefühl hilfreich und nützlich ist und er wieder mit diesem in Kontakt kommen sollte.

Die abgespaltenen Teile werden in der Therapie inneres Kind genannt, das auch als die kindlichen oder verletzten Anteile des Patienten bezeichnet wird. Diese Anteile erfordern, wie es auch bei einem wirklichen Kind der Fall ist, Geborgenheit, Schutz, Aufmerksamkeit und Unterstützung. Nur so können sie sich zu gesunden Anteilen entwickeln und es ist möglich, sich in imaginativen Übungen bewusst von diesen zu distanzieren. Die Imagination ist dazu geeignet, Geist und Gefühle miteinander zu verbinden und auch den Körper in der therapeutischen Arbeit zu berücksichtigen, ohne dass dieser berührt werden muss. Dabei wird auf achtsames Wahrnehmen und Erkennen der körperlichen Bedürfnisse Wert gelegt.

Dies hilft dem Patienten dabei, sich auf heilsamere Gefühle und Vorstellungen einzulassen. Diese Phase der Therapie wird auch Stabilisierungsphase oder Ich-Stärkung genannt. Erst im Anschluss hieran folgt die Phase der eigentlichen Konfrontation mit dem Trauma, in der dieses bearbeitet wird. Der Patient soll dabei aus einer sicheren Entfernung heraus agieren. Hierzu stellt er sich z. B. vor, das Geschehen aus der Luft oder als Kinobesucher auf einer Leinwand zu betrachten. Auf diese Weise ist es möglich, dem Trauma zu begegnen, ohne die belastenden Gefühle wieder hervorzurufen.

In der dritten Phase der Integration geht es schließlich darum, sich den Stress hervorrufenden Gefühlen wie Scham oder Schuld zu stellen, sich dabei selbst zu verzeihen und mit diesen Frieden zu schließen. Auch hier wird wieder mit Imaginationen, Bildern und Ritualen gearbeitet. Später soll der Patient die gelernten Übungen selbstständig anwenden und dies idealerweise wieder zu einer erfüllten Teilnahme am Leben führen.

Die Methoden der Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie finden in der Psychotraumatologie bei posttraumatischer Belastungsstörung, komplexer posttraumatischer Belastungsstörung und bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung Anwendung und können mit verschiedenen anderen Therapieformen kombiniert werden. Die PITT wurde speziell für kurze Behandlungsdauern entwickelt, z. B. für die ambulante Betreuung in Krankenhäusern. Der Kinder- und Jugendlichentherapeut Andreas Krüger passte die PITT für die Behandlung traumatisierter Kinder und Jugendliche an (PITT-KID).


Risiken, Nebenwirkungen & Gefahren

Bislang wurde die Wirksamkeit der Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie nur wenig erforscht. In einer Studie fanden sich Belege für die Wirksamkeit der PITT. Die behandelte Patientengruppe zeigte eine deutlich höhere Resilienzfähigkeit als eine Patientengruppe mit psychotherapeutischer und psychiatrischer Behandlung.

Eine höhere Wirksamkeit zeigte sich vor allem bei chronisch traumatisierten Patienten. Mangels Studien ist die Wirksamkeit der PITT und deren spezifische Heilanzeige in der Behandlung schwer traumatisierter Patienten bislang nicht auf empirische Belege gestützt. Nichtsdestotrotz hat sich dieses Therapieverfahren in der Praxis bewährt. Die Besonderheiten der PITT liegen in der Ressourcenstärkung, im hohen Stellenwert der therapeutischen Beziehung, sowie in der individuellen Behandlungsplanung und Behandlungsdurchführung. Auf Risiken, Nebenwirkungen oder Gefahren gibt es keine Hinweise.

Quellen

  • Beckrath-Wilking, U. et al.: Traumafachberatung , Traumatherapie & Traumapädagogik. Junfermann Verlag, Paderborn 2013
  • Markus, L.; Hensel, T.: Traumatherapie bei Kindern und Jugendlichen. Hogrefe Verlage, Göttingen 2012
  • Möller, H.-J., Laux, G., Deister, A.: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2015

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