Selbsterfüllende Prophezeiung
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Jeder kennt das Phänomen etwas eintreten zu sehen, mit dem er gerechnet hat. Ein ungutes Gefühl bei einer Sache zu haben, kann jedoch zwangsläufig eben zu deren Eintritt führen. Dieses wissenschaftlich erklärbare Phänomen fällt oftmals unter den Ausdruck der sich selbsterfüllenden Prophezeiung.
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Was ist selbsterfüllende Prophezeiung?
Bei diesem im Englischen als self-fulfilling prophecy bezeichneten Alltagsphänomen handelt es sich um eine Erscheinung, die in der Soziologie und Psychologie anzusiedeln ist. Dabei wird das erwartete Verhalten einer anderen Person durch das eigene Verhalten zur Wirklichkeit. Eine bestimmte Art der Aktion und Interaktion, die vom Betroffenen befürchtet oder erwartet wird, wird dabei von ihm durch ebendiese Befürchtungen ausgelöst.
Dabei beeinflusst er beispielsweise maßgeblich das Verhalten einer anderen Person durch die Signale, die er selbst aussendet. Der Gegensatz zur selbsterfüllenden Prophezeiung ist die selbstzerstörende Prophezeiung (engl. self-destroying prophecy oder self-defeating prophecy). In diesem Fall tritt die Prophezeiung, sprich das Verhalten der anderen Person, eben gerade deshalb nicht ein, weil die Person sich entsprechend verhält.
Die Auswirkungen von Handlungen und gefestigten Einstellungen wurde bereits zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts von Otto Neurath, einem Wirtschaftstheoretiker und Volksbildner, unter dem Begriff der selbsterfüllenden Prophezeiung erwähnt.
Ursachen
Je nachdem wie stark das eigene Verhalten durch Erfahrungswerte von anderen beeinflusst wird, umso stärker wird es anderen Menschen auffallen. Wer sich umgekehrt selbst als eher unsympathisch empfunden wiederfindet, wird seinerseits entsprechend reagieren. Dadurch erscheint die von der anderen Person vorher getroffene Prophezeiung ihren wahren Kern zu erlangen. Anders gesprochen: Menschen verhalten sich in der Regel gegenüber Personen, die mit einem gewissen Misstrauen auf sie zugehen, reservierter.
Dies führt zu den üblichen Alltagsaussagen, die eine erfüllte Vorahnung beinhalten. Der Grund hierfür ist das fehlende Wissen um das eigene Verhalten. In der Regel fällt den Betroffenen die eigene Verschuldung des Geschehenen nicht auf und wird nicht als solche aufgefasst.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Auch, wenn die Person nicht dazu in der Lage ist, ihr Verhalten selbst einzuschätzen, so kann es für andere doch auffällig sein. So ist eine selbsterfüllende Prophezeiung vor allem für aussenstehende Person als solche zu beurteilen. Typisch ist die Abweichung des eigenen Verhaltens von der Norm oder dem gewohnten Standard. Dies kann von anderen Menschen häufig sehr viel leichter eingeschätzt werden als von der betroffenen Person selbst.
Psychische Prozesse wie Denken, Fühlen, Wahrnehmen und Verhalten spielen hierbei ineinander und beeinflussen nicht nur das Bild des anderen oder einer Situation, sondern auch die Selbsteinschätzung. Verschiedene Beispiele verdeutlichen, wie sich eine selbsterfüllende Prophezeiung auswirkt. So können beispielsweise gezielt gestreute Gerüchte, als Vorhersagen getarnt, eine ganz eigene Dynamik entwickeln und so verschieden eingesetzt werden.
Ähnlich sieht es auch bei Prüfungen aus. Redet sich beispielsweise ein Student oder Schüler sein Versagen bereits vor der Prüfung ein, kann dies zum tatsächlichen Versagen in der Prüfungssituation führen. Dabei ist der Grund oftmals weniger das fehlende Können als vielmehr die Erwartungshaltung und Befürchtung, welche zu einem erhöhten Stresslevel führt.
Ein sehr typisches Beispiel ist auch die Angst vor einem erhöhten Puls oder Blutdruck vor einem Arztbesuch. Die angenommene Anspannung führt sehr häufig zur Bewahrheitung der Erwartung, auch, wenn der Blutdruck normalerweise im Normalbereich liegt. Daher nehmen Ärzte leichte Abweichungen oftmals nicht allzu ernst. So gibt es eine ganze Reihe weiterer Beispiele, welche in diesen Bereich fallen.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Für den Betroffenen ist es selten leicht, sein Erwartungshaltung und das Geschehene miteinander in Verbindung zu bringen. Um zu verstehen, was der Grund für das Bewahrheiten der eigenen Vermutung ist, ist eine Rekapitulation der Situation nötig. Auch andere können dabei helfen, das Ganze von außen einzuschätzen. So kann ein erneutes Auftreten abgeschwächt werden.
Komplikationen
So wird die negative Erwartung an eine Behandlung oder das Genesen dies auch negativ beeinflussen. Dies ist schon dadurch begründet, dass eine Erwartungshaltung unbewusst die vegetativen Tätigkeiten des Körpers beeinflusst - und beispielsweise zu Angstsymptomen (Herzrasen, Schwitzen, Unruhe) führt. Diese Dinge können eine Behandlung erschweren.
Da das Überkommen der Neigung zu entsprechenden Gedankengängen kaum zu beeinflussen ist, ist es gewöhnlich, dass einige Menschen negativer auf die zu geschehenen Ereignisse um sie herum blicken und andere positiver. Entsprechend kann nur darauf hingewirkt werden, dass eine sich selbst erfüllende Prophezeiung positiv formuliert wird, damit die entsprechenden Placebo-Effekte und unbewussten Handlung der entsprechenden Person eintreten können.
Hierbei spielt auch der Glaube an die Vorherbestimmtheit eines Schicksals eine Rolle. Insgesamt hat sich gezeigt, dass gerade sich selbst erfüllende Prophezeiungen in Form von Ängsten (vor Stürzen, Unfällen) bei den Betroffenen zu eben mehr solcher Ereignisse führen. Dies kann allgemein als negative Konsequenz - oder eben Komplikation - in diesem Zusammenhang bezeichnet werden.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Ob jemand bei einer selbsterfüllenden Prophezeiung einen Arzt konsultieren muss, ist fraglich. Ein Beispiel wäre, wenn jemand jahrelang an der Angst leidet, Krebs zu bekommen, und dann tatsächlich Anzeichen einer solchen Erkrankung entdeckt.
Natürlich muss jemand, der Anzeichen einer Krebserkrankung entdeckt, schnell zum Arzt gehen. Das Problem bei der selbsterfüllenden Prophezeiung ist jedoch, dass der Betroffene geradezu darauf wartet, dass er solche Zeichen entdeckt. Die Gefahr der Fehlinterpretation ist gegeben. Eine Nähe zur Hypochondrie ist nicht ganz auszuschließen.
An sich haben selbsterfüllende Prophezeiungen keinen Krankheitswert. Die meisten Menschen haben mehrfach im Leben mit solchen Phänomenen zu tun, ohne deswegen einen Arzt aufsuchen zu müssen. Wir begegnen selbsterfüllenden Prophezeiungen in Form von Placebos. Diesen schreiben wir Wirkungen zu, obwohl sie keine Wirkstoffe enthalten. Auch der Homöopathie oder den Bachblüten wird unterstellt, nichts als ein Placebo ohne Wirkstoffgehalt zu sein.
Ebenso kann der Nocebo-Effekt eine gegenteilige selbsterfüllende Prophezeiung sein. Mancher Patient glaubt, dass ein Medikament ihm schadet, und erlebt tatsächlich Nebenwirkungen. Bekannt ist, dass alte Menschen tatsächlich öfter stürzen, wenn sie Angst davor haben. Doch eine selbsterfüllende Prophezeiung ist erst dann gut für einen Arztbesuch, wenn durch sie eine behandlungsbedürftige Folge eingetreten ist. Sie selbst erfordert keinen.
Behandlung & Therapie
Trotz des Wissens kann es schwer sein, eine selbsterfüllende Prophezeiung zu verhindern und aktiv dagegen zu arbeiten. Dafür sind eine vollkommene Kontrolle des eigenen Körpers und viel Willenskraft nötig. Jeder, der einmal versucht hat, körperliche Reaktionen oder Gefühle zu unterdrücken, weiß, wie schwierig das sein kann.
Daher reicht die reine Bewusstwerdung des eigenen Betragens nicht immer aus, um gegen eine solche Prophezeiung anzugehen. Allerdings kann in manchen Fällen bewusstes Training helfen, den eigenen Körper entsprechend unter Kontrolle zu halten und etwaige Gedanken auszutricksen. So gilt auch, sich selbst ein Bild von einer Person oder Situation zu machen, anstatt das Bild von anderen als gegeben hinzunehmen.
Vorbeugung
Hiermit kann in verschiedenen Situationen einem unerwünschten Effekt vorgebeugt werden. Allerdings funktionieren selbsterfüllende Prophezeiungen auch umgekehrt - im positiven Sinne. Daher besteht ebenso die Möglichkeit, sich positiv auf Situationen einzustellen. Eine allgemein positive Gesinnung kann helfen, Menschen um sich herum auf sympathische Art und Weise zu beeinflussen und die Gefühle entsprechend zu kontrollieren. So ist es auch leichter, an Prüfungssituationen heranzugehen oder den Schock bei dem nächsten Arztbesuch zu verhindern.
Nachsorge
Die selbsterfüllende Prophezeiung ist mit Glauben beziehungsweise Aberglauben des Patienten oft eng verbunden. Ängste sind mit diesem Syndrom häufig verknüpft. So ist es wichtig, das nach der Therapie durch konsequente Nachsorge das Risiko für einen Rückfall so gering wie möglich gehalten wird. Die Nachsorge bei der selbsterfüllenden Prophezeiung kann mit dem Psychologen abgesprochen werden. Aktive Mitarbeit des Patienten ist in allen Fällen nötig.
Zunächst ist es wichtig, immer wieder Situationen zu entdecken, in denen sich eine Prophezeiung des Patienten nicht erfüllt hat. So wird nach und nach der Glaube, dass das Denken an einen schlechten Ausgang diesen auch wirklich bewirken kann, reduziert. Dies baut Ängste beim Patienten im Idealfall kontinuierlich ab und stabilisiert ihn. In der Nachsorge kann der Patient zum Beispiel eine Liste führen, die ihm nach einiger Zeit anschaulich demonstriert, dass Prophezeiungen mit der Wirklichkeit keinen signifikanten Zusammenhang haben.
Menschen, die mit der selbsterfüllenden Prophezeiung als psychischem Problem konfrontiert sind, haben auch nach der Therapie nicht selten noch innere Unruhe und Anspannung. Hier können Entspannungsmethoden ein wirksames Mittel sein. In Kursen können beispielsweise die Progressive Muskelrelaxation, das Autogene Training oder Yoga erlernt werden. Anschließend können die erlernten Übungen im Rahmen der Nachsorge zu Hause einfach bei Bedarf weitergeführt werden.
Das können Sie selbst tun
Die selbsterfüllende Prophezeiung ist eng mit negativen Gedanken bei der betreffenden Person verknüpft. Daher ist Selbsthilfe nicht nur möglich, sondern sogar ein wichtiger Faktor, wenn es um den Prozess der Genesung geht. Erster Schritt in die richtige Richtung kann es hier zum Beispiel sein, sich vor Augen zu halten, wie viele Ereignisse im Leben einen positiven Ausgang haben und dass diese deutlich in der Mehrzahl sind. Auch Gespräche mit Familie oder Freunden können helfen, eine negative Grundstimmung Stück für Stück zu bewältigen. Listen, in denen positive und negative Erlebnisse einander gegenübergestellt werden, zeigen, dass negatives Denken nur in seltenen Fällen tatsächlich eine echte Grundlage hat.
In schweren Fällen ist der Gang zum Psychologen hilfreich. Doch auch die psychotherapeutische Behandlung ist mit Selbsthilfe verknüpft, da sie Einsicht und Mitarbeit des Betroffenen erfordert, um die selbsterfüllende Prophezeiung als negative Grundeinstellung erfolgreich zu therapieren. Das bedeutet, dass in den Sitzungen beim Psychologen nicht nur die Ursachen dieses Denkens, sondern auch konkrete Handlungsanweisungen als Übungen besprochen werden, die dann zu Hause im Alltag umgesetzt werden. Auch eine Selbsthilfegruppe kann hilfreich sein, da der Austausch mit Gleichgesinnten den Betroffenen durch das entgegengebrachte Verständnis ebenso weiterhilft wie konkrete Tipps, die erfahrene Teilnehmer der Gruppe oft geben können.
Quellen
- Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
- Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015
- Möller. H.-J., Laux, G., Deister, A., Braun-Scharm, H., Schulte-Körne, G.: Duale Reihe Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013