Anisometropie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 26. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Wenn hinsichtlich der Art oder des Ausmaßes der Fehlsichtigkeiten (Ametropien) zwischen dem rechten und linken Auge besteht, wird dies als Anisometropie (Ungleichsichtigkeit) bezeichnet. Davon ist die Rede, wenn mindestens eine Differenz von 2,00 Dioptrien vorliegt.
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Was ist eine Anisometropie?
Bei einer Anisometropie unterscheiden sich das linke und rechte Auge in Bezug auf Art oder Ausmaß der optischen Fehlsichtigkeiten deutlich. Dabei sind sehr vielfältige Unterschiede möglich. Ein Auge kann beispielsweise kurz- und das andere weitsichtig sein. Eine andere Möglichkeit ist, dass ein Auge lediglich sehr gering weitsichtig ist und das andere sehr stark.
Wenn sich eine große Anisometropie schon im Kindesalter äußert, kann dies zu einer funktionalen Schwachsichtigkeit des Auges, das stärker fehlsichtig ist, führen. Während dieser Phase, die für die Entwicklung sehr wichtig ist, wird das Auge vom Gehirn stark vernachlässigt, sodass es nicht korrekt sehen lernt. Selbst durch eine spätere Korrektur kann dies nicht mehr rückgängig gemacht werden. Daher sollte eine Anisometropie im Kindesalter unbedingt behandelt werden.
Ursachen
Es gibt zahlreiche mögliche Ursachen für die Anisometropie. Der Brennpunkt der Lichtstrahlen, die auf das Auge einfallen, liegt nicht auf der Netzhaut, was für die Übermittlung scharfer Bildsignale an das Gehirn jedoch erforderlich ist. Der Brennpunkt liegt bei einer Kurzsichtigkeit vor der Netzhaut, da das Auge entweder zu lang oder die Brechkraft der Augenlinse zu hoch ist.
Bei der Weitsichtigkeit verhält es sich umgekehrt: Hier ist das Auge entweder zu kurz oder die Brechkraft der Linse reicht nicht aus. Der Brennpunkt liegt in beiden Fällen hinter der Netzhaut. Die Fehlsichtigkeiten treten oftmals schon im Kindesalter auf und bleiben dann ein Leben lang bestehen. Andere Sehfehler hingegen entwickeln sich mit zunehmendem Alter.
Als Ursachen für die so genannte Brechwertanisometropie gelten Unterschiede, die im Brechwert der Hornhaut und Linse vorliegen. Die Längenanisometropie resultiert daraus, dass die Augäpfel unterschiedlich lang sind. Das Fehlen einer Augenlinse ist ein Sonderfall der Ansiometropie. Die Gründe hierfür können eine Verletzung oder Entfernung der Linse sein.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Anisometropie zeigt sich daran, dass die Brillenwerte beider Augen mehr als zwei Dioptrien unterschiedlich sind. Der Betroffene kann gleichzeitig kurz- und weitsichtig sein. Für das Gehirn bedeutet dies eine enorme Belastung, da über den Sehnerv ständig scharfe, aber auch unscharfe Bilder gleichzeitig in das Gehirn transportiert werden.
Gegenstände in der Nähe zum Auge werden vom kurzsichtigen Auge scharf und vom weitsichtigen Auge unscharf dargestellt. Mit Objekten die sich in der Ferne befinden, verhält es sich umgekehrt. Bei einem gesunden Menschen kommen im Gehirn zwei relativ identische Bilder an. Liegt eine Anisometropie vor, sind es sehr unterschiedliche Bilder.
In diesem Fall müssen die scharfen Darstellungen identifiziert und die weniger guten ausgeblendet werden. Wer unter einer starken Anisometropie leidet, klagt zusätzlich oftmals über müde Augen und Kopfschmerzen.
Diagnose & Verlauf
Der Augenarzt oder Optiker kann mit einer Messung der Sehschärfe das genaue Ausmaß der Anisometropie ermitteln. Hierfür kommt meist ein Refraktometer zum Einsatz. Dieses Gerät liefert den Sphärenwert (in Dioptrien angegeben) sowie weitere Informationen, ob eventuell eine Hornhautverkrümmung vorliegt.
Anhand der gesammelten Werte wird die Sehhilfe angepasst. Die Sehschärfe wird für beide Augen separat ermittelt. Letztendlich müssen beide Sehfehler korrigiert werden. Dadurch ist es möglich, dass in einem Brillenteil konvexe und im anderen konkave Gläser eingesetzt werden. Kleinere Abweichungen zwischen dem rechten und linken Auge liegen bei fast jedem Menschen vor.
Die Anisometropie führt im Kleinkindalter, wenn sie nicht behandelt wird, häufig zum Schielen. Der Grund hierfür ist, dass das schwächere Auge vom Gehirn sozusagen „abgeschaltet“ wird. Eine Anisometrie sollte daher möglichst behandelt werden, bevor die Pubertät einsetzt, da sie zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr erfolgreich therapierbar ist.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Wer regelmäßig unter müden Augen, Kopfschmerzen oder einem Druckgefühl im Bereich der Augen leidet, sollte medizinischen Rat einholen. Der Arzt kann feststellen, ob es sich um eine Anisometropie handelt und gegebenenfalls einen Augenarzt oder Optiker hinzuziehen. Eine Anisometropie muss in jedem Fall diagnostiziert und behandelt werden, um langfristige Einschränkungen der Sehkraft zu vermeiden. Bleibt die Sehstörung unbehandelt, kann dies zudem zu einem verminderten Wohlbefinden, chronischen Kopfschmerzen und anderweitigen Beschwerden führen.
Brillen- und Kontaktlinsenträger sollten bei Migräneattacken oder einer zunehmend schlechteren Sehkraft mit einem Augenarzt sprechen. Da die Anisometropie sich mit zunehmenden Alter verstärken kann, sollte die Sehkraft beider Augen regelmäßig geprüft werden. In schweren Fällen muss die Dioptrien-Stärke jährlich oder öfter angepasst werden, um eine optimale Sehkraft zu gewährleisten. Deshalb gilt: auch mit einer diagnostizierten Anisometropie muss man regelmäßig zum Augenarzt oder Optiker gehen. Sollten dennoch Beschwerden auftreten, empfehlen sich weitere Untersuchungen. Womöglich liegt eine andere Erkrankung der Augen vor, die einer Behandlung bedarf.
Behandlung & Therapie
Kommt im Falle einer Anisometropie eine Brille zum Einsatz, gibt es einige Nachteile: Bei der Korrektur entstehen Netzhautabbildungen unterschiedlicher Größe, die vom Gehirn nur schlecht oder nicht verarbeitet werden. Die Augen wirken hinter den Brillengläsern zudem stark unterschiedlich und außerdem kommt es zu einer einseitigen Druckbelastung.
Es ergeben sich Einschränkungen beim Tragekomfort sowie in der ästhetischen Wirkung. Der Optiker hat generell Grenzen, sodass drei Dioptrien die maximale Differenz zwischen dem rechten und linken Brillenglas sind. Weicht die Fehlsichtigkeit stärker voneinander ab, sind Wahrnehmungsstörungen möglich. Zur Korrektur einer großen Anisometropie sind Kontaktlinsen eher geeignet.
Auch chirurgische Eingriffe stehen zur Verfügung, allerdings ist die operative Korrektur der Augen bei Kindern umstritten. Im Erwachsenenalter kann eine Anisometropie zudem durch Augenlaser nach einer ausreichenden Kontaktlinsensimulation erfolgen.
Aussicht & Prognose
Die Anisometropie hat ohne eine augenärztliche Therapie keine guten Aussichten auf eine Besserung. Stattdessen ist in den kommenden Monaten und Jahren mit einer Zunahme der Beschwerden zu rechnen.
Im Gehirn werden ohne Maßnahmen zur Korrektur die Informationen des schwächeren Auges nicht ausreichend verarbeitet. Daher verkümmert der Nervenstrang zusehends. Ein Schielen setzt bei diesen Patienten ein und es kommt langfristig zu einer weiteren Verstärkung der Sehverminderung. Eine vollständige Heilung der Anisometropie ist auch mit einer frühzeitigen Behandlung mit den derzeitigen medizinischen Möglichkeiten nicht immer gegeben. Sie hängt ab von der vorhandenen Sehschärfe.
Deutliche Verbesserungen bestehen jedoch bei einem guten Behandlungsplan, der über viele Jahre aufgestellt und eingehalten werden muss. Die Sehschärfe des schwächeren Auges kann durch verschiedene Methoden stärker trainiert werden, so dass sich eine Zunahme der Sehkraft bei diesem Auge entwickelt. Das Sehvermögen beider Augen wird dadurch einander in langsamen Schritten angepasst.
Obwohl die Entwicklung des Auges bereits im Alter von 12 Jahren beendet ist, müssen bei einer Anisometropie auch noch im Erwachsenenalter notwendige Behandlungen und Therapiemaßnahmen ergriffen werden. Es besteht ein sehr hohes Risiko eines Rückfalls, dem entgegen gewirkt werden muss. Aufgrund der möglichen Rezidiven geht der Patient selten als vollständig geheilt aus einer Behandlung.
Vorbeugung
Die beste Möglichkeit, eine Anisometropie zu vermeiden, ist es, selber aktiv etwas dafür zu tun, die Normalsichtigkeit zu erhalten und einer Sehschwäche vorzubeugen. Dabei kann es schon helfen, auf den Leseabstand achten (nicht weniger als 30 Zentimeter), da ein zu kurzer Leseabstand eine Kurzsichtigkeit fördert. Wer viel am Computer arbeitet, sollte einen großen Monitor wählen und diesen einen Meter von sich entfernt aufstellen.
Während der Naharbeiten ist es ratsam, zwischendurch mal in die Ferne schauen. Außerdem sollte auf eine gute Beleuchtung geachtet werden. Ein wenig Sehtraining ändert zwar nicht die anatomischen Bedingungen der Augen, also die Optik, aber die Kontrastempfindlichkeit wird gesteigert. Dazu helfen schon kleine Aktivitäten wie die Sehhilfe immer im Wechsel zu tragen und abzusetzen.
Nachsorge
Die Behandlung einer Anisometropie bringt meist keine abschließende Heilung mit sich. Gerade Erwachsene erleiden oft einen Rückfall, nachdem in jungen Jahren eine Therapie erfolgreich durchgeführt wurde. Es wird folglich eine dauerhafte Sehkorrektur nötig, die aber nur bei akuten Beschwerden ärztlich behandelt wird.
Zur Bestimmung der Sehschärfe kommt ein Refraktometer zum Einsatz. Der Patient kann bei kleineren Dioptrinunterschieden zwischen dem rechten und linken Auge unter den Sehhilfen wählen. Bei großen Abweichungen sollten man zu Kontaktlinsen greifen. Zwar gilt als wissenschaftlich anerkannt, dass die Verarbeitung der Bilder für das Gehirn vergleichsweise anstrengend ist.
Die Wahrnehmungen des Alltags bieten allerdings kaum Schwierigkeiten, sodass ein ordentliches Sehvermögen vorliegt. Einige Patienten entscheiden sich für einen chirurgischen Eingriff, mit dem die Anisometropie ebenfalls behandelbar ist. Erwachsene können durch kleine Übungseinheiten ihr Sehvermögen stärken.
Diese lassen sich am Arbeitsplatz oder im Privatleben problemlos durchführen. Ein Leseabstand von mindestens 30 Zentimetern ist einzuhalten. Bei Bildschirmarbeiten sollten man große Darstellungen bevorzugen und nicht ununterbrochen auf den Monitor starren. Ein Blick in die Weite erhöht die Kontrastempfindlichkeit.
Das können Sie selbst tun
Der Alltag mit Anisometropie ohne entsprechende Korrektur ist nur schwer zu meistern. Oft schaltet das Gehirn ein Auge aus, das andere bleibt untrainiert. Betroffene können zur Eigenbehandlung selbst nichts tun, außer sich in die Hände eines Augenarztes zu begeben.
In den meisten Fällen wird die Fehlsichtigkeit mit Kontaktlinsen korrigiert. Die Korrektur mittels Brille kann zu Netzhautabbildungen (Aniseikonie) in verschiedenen Größen führen. Diese können vom Gehirn nur unzureichend oder gar nicht angenommen werden. Weitere Schwierigkeiten würden sich aufgrund des optischen Eindrucks und des Gewichts der unterschiedlichen Brillengläser ergeben.
Daher ist die Korrektur mittels Kontaktlinsen das Mittel der Wahl. Das erleichtert auch den Alltag, denn die Kontaktlinsen liegen direkt auf dem Auge auf und "senden" die wahrgenommenen Bilder im verarbeitungsfähigen Eindruck an das Gehirn weiter. Dieses kann nun die beidseitigen Eindrücke zu einem Ganzen zusammenfügen. Dann stellt eine differierende Fehlsichtigkeit auch kein Problem mehr da. Jedoch sollte die Sehstörung in regelmäßigen Abständen vom Augenarzt kontrolliert werden, damit dieser die nötigen Linsenstärken anpassen kann.
Auch nach der Anpassung mittels Kontaktlinsen bedarf es eines Trainings. Schließlich muss sich das Gehirn erst daran gewöhnen, "normale" Eindrücke vermittelt zu bekommen. Dann gilt es, eisern durchzuhalten.
Quellen
- Dahlmann, C., Patzelt, J.: Basics Augenheilkunde. Urban & Fischer, München 2014
- Grehn, F.: Augenheilkunde. Springer, Berlin 2012
- Lang, G. K.: Augenheilkunde. Thieme, Stuttgart 2014