Chromatin
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Februar 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Chromatin ist das Material, aus denen die Chromosomen zusammengesetzt sind. Es stellt einen Komplex aus DNA und umgebenden Proteinen dar, welche die Erbsubstanz komprimieren können. Störungen in der Chromatinstruktur können zu schweren Erkrankungen führen.
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Was ist Chromatin?
Chromatin ist eine Mischung aus DNA, Histonen und anderen an die DNA gebundene Proteine. Daraus bildet sich ein DNA-Proteinkomplex, dessen hauptsächliche Bestandteile jedoch DNA und Histone sind. Der Name Chromatin resultiert aus der Verfärbbarkeit dieses Komplexes mit basischen Kernfarbstoffen. Alle Eukaryonten enthalten Chromatin.
In Prokaryonten liegen die DNA-Moleküle hauptsächlich frei vor und bilden eine Ringstruktur aus. In den höheren eukaryotischen Lebewesen ist Chromatin die Grundlage der Chromosomen. Der DNA-Proteinkomplex kann so weit komprimieren, dass auf kleinem Raum im Zellkern sehr viel genetische Information gespeichert werden kann. Histone sind sehr alte Eiweißmoleküle, dessen genetische Zusammensetzung und Struktur von eukaryontischen Einzellern bis hin zum Menschen nahezu unverändert geblieben sind.
Anatomie & Aufbau
Die Aminogruppen erzeugen eine positive Ladung, während die DNA-Moleküle nach außen eine negative Ladung besitzen. Das ist die Grundvoraussetzung für die Bildung eines festen Komplexes aus DNA und Histonen. Dabei wird das sogenannte Histonoktamer (8 Histone) ungefähr 1,65 mal vom DNA-Doppelstrang umwickelt. Da entspricht einer Kettenlänge von 146 Basenpaaren. In der Folge kann die DNA um das 10.000- bis 50.000-fache geschrumpft werden. Das ist notwendig, damit sie in den Zellkern passt. Eine Einheit aus einem umwickelten Histonoktamer wird auch als Nukleosom bezeichnet. Die einzelnen Nukleosomen sind wiederum über Linker Histone miteinander verbunden. So bildet sich eine Kette aus Nukleosomen, die als 30nm-Fiber eine höhere Organisationseinheit der DNA darstellen.
Auch innerhalb der dichten Packung kann die DNA noch durch regulatorische Proteinmoleküle erreicht werden, die ein Ablesen der genetischen Information und ihr Übertragen in Proteine erlauben. Es muss jedoch noch zwischen Euchromatin und Heterochromatin unterschieden werden. Bei Euchromatin ist die DNA aktiv. Hier liegen fast alle aktiven Gene, welche Proteine codieren und exprimieren können. Im Bereich des Euchromatins gibt es keine Strukturunterschiede, unabhängig davon, in welchem Kondensationszustand sich das jeweilige Chromosom befindet. Heterochromatin enthält inaktive oder wenig aktive DNA-Eiweißkomplexe.
Es ist für die strukturelle Beschaffenheit des Gesamtchromatins verantwortlich. Heterochromatin kann wiederum in zwei Formen eingeteilt werden. So gibt es konstitutives und fakultatives Heterochromatin. Konstitutives Heterochromatin wird nie exprimiert. Es hat ausschließlich strukturelle Funktionen. Das fakultative Heterochromatin kann manchmal exprimiert werden. In den verschiedenen Phasen der Mitose und Meiose bilden sich verschiedene Packungsstufen des Chromatins heraus. Dabei zeigt das sogenannte Interphasenchromatin gegenüber dem Metaphasenchromatin eine sehr starke Auflockerung, da in diesem Zustand die meisten Proteine exprimiert werden.
Funktion & Aufgaben
Die Funktion von Chromatin besteht darin, die genetische Information in dem sehr kleinen Raum des Zellkerns unterzubringen. Das ist nur möglich durch die Ausbildung eines sehr dicht gepackten DNA-Eiweißkomplexes. Dabei ist es jedoch notwendig, dass es verschiedene Kondensationsstufen gibt. Während der Komplex in einer ruhigen und inaktiven Phase sehr dicht gepackt ist, muss er in aktiveren Phasen aufgelockerter sein. Aber auch hier ist die Packung noch sehr dicht.
Zur Aktivierung der Eiweißsynthese muss die starke Bindung zwischen den entsprechenden DNA-Abschnitten und dem umwickelten Histon gelöst werden. Die gebundenen Histone blockieren die DNA für die Exprimierung von Proteinen. So können durch verschiedene Bindungszustände auch unterschiedliche Aktivitäten der Gene erzeugt werden. Dabei kommt es zur Differenzierung der Zellen im Rahmen von epigenetischen Prozessen. Die genetische Information der DNA ist zwar in den verschiedenen Körperzellen gleich, jedoch die Aktivitäten bei der Genexpression sind unterschiedlich, sodass die unterschiedlichen Zelltypen auch unterschiedlichen Aufgaben übernehmen.
Krankheiten
Die betroffenen Personen leiden an körperlichen Fehlbildungen und geistigen Behinderungen. Die Mechanismen, welche diese Symptome hervorrufen, sind noch zu wenig bekannt. Die Erforschung dieser Zusammenhänge ist jedoch notwendig, um diese Erkrankungen bestmöglichst behandeln zu können. Zwei typische Erkrankungen, welche auf Chromatinstörungen beruhen, sind das Coffin-Siris Syndrom und das Nicolaides-Baraitser Syndrom. Beide Erkrankungen sind genetisch bedingt. Beim Coffin-Siris Syndrom treten angeborene Hypoplasie der Finger- und Zehenknochen, Minderwuchs und geistige Retardierung auf. Zur Auslösung dieser Erkrankung gibt es verschiedene Mutationen, welche für bestimmte Untereinheiten des DNA-Protein-Komplexes verantwortlich sind.
Es gibt sowohl autosomal-rezessive als auch autosomal-dominante Erbgänge. Die Behandlung ist symptomatisch und richtet sich nach den jeweiligen ausgeprägten Krankheitserscheinungen. Auch das Nicolaides-Baraitser-Syndrom weist ähnliche Beschwerden auf. Neben Minderwuchs und Fehlbildung der Finger treten hier ebenfalls schwere geistige Retardierung sowie Krampanfälle auf. Die Vererbung erfolgt hier autosomal-dominant. Die Erkrankung ist sehr selten und kommt bei einer von einer Million Personen vor. Eine weitere seltene erblich bedingte Erkrankung, die im Zusammenhang mit einer Chromatinstörung steht, ist das Cornelia-de-Lange-Syndrom. Auch dieses Syndrom weist viele körperliche Fehlbildungen und geistige Entwicklungsstörungen auf.
Quellen
- Drenckhahn, D.: Anatomie. Band 1: Makroskopische Anatomie, Histologie, Embryologie, Zellbiologie. Urban & Fischer, München 2008
- Faller, A. et al.: Der Körper des Menschen. Thieme, Stuttgart 2008
- Gerok, W., Huber, C., Meinertz, T., Zeidler, H. (Hrsg.): Die innere Medizin – Referenzwerk für den Facharzt. Schattauer, Stuttgart 2007