Cornelia-de-Lange-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Cornelia-de-Lange-Syndrom (CdL-Syndrom) ist ein genetisch bedingtes Dysmorphiensyndrom. Im Zusammenhang damit bestehen schwere bis ausnahmsweise leichte kognitive Behinderungen. Die Ausprägung und die Prognose dieser Erkrankung sind sehr variabel.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Cornelia-de-Lange-Syndrom?

Als Leitsymptom des Cornelia-de-Lange-Syndroms fällt eine allgemeine Entwicklungsverzögerung auf, die schon lange vor der Geburt während der Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft beobachtet wird.
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Bei schwerer Ausprägung ist das Cornelia-de-Lange-Syndrom anhand der Vielzahl von körperlichen Dysmorphien sehr leicht zu diagnostizieren. Zusammen mit den körperlichen Veränderungen tritt immer eine geistige Behinderung auf. Die geistigen Behinderungen sind oft schwer bis mäßig. In Ausnahmefällen sind sie durchaus auch leichter.

Das Cornelia-de-Lange-Syndrom ist eine genetisch bedingte Erkrankung, dessen genaue Ursache immer noch nicht ganz klar ist. Die Erkrankung wurde im Jahre 1933 von der holländischen Kinderärztin Cornelia de Lange an zwei Kindern beschrieben. Das Syndrom ist auch unter dem Namen Brachmann-de-Lange-Syndrom bekannt. Äußerlich scheint die Erkrankung sehr variabel zu sein. Auch die inneren Organe können betroffen sein.

Besonders häufig leiden die Patienten unter einer Reflux-Erkrankung, die sehr schmerzhaft sein kann. Das Cornelia-de-Lange-Syndrom tritt bei einer von circa 10.000 Personen auf. Die Lebenserwartung ist beispielsweise aufgrund von Komplikationen durch Aspirationspneumonien nach Erbrechen eingeschränkt.

Ursachen

Die Ursache des Syndroms liegt in einer genetischen Veränderung. Dabei besteht jedoch keine einheitliche Mutation. In etwa 50 Prozent der Fälle werden Mutationen auf dem NIPBL-Gen festgestellt, welches in der Region p13 auf Chromosom 5 lokalisiert ist. Das Gen erzeugt den Eiweißstoff Delangin (von de Lange), dessen Bedeutung jedoch noch nicht erkannt ist. Die unterschiedliche Ausprägung der Erkrankung hängt möglicherweise damit zusammen, dass sie von unterschiedlichen Mutationen des NIPBL-Gens verursacht wird.

In anderen Fällen sind Chromosomenveränderungen auffällig, die jedoch wie bei Stoffwechselstörungen Begleiterscheinungen sein dürften. Da auch innerhalb einer Familie variable Ausprägungen der Erkrankung vorkommen, wird vermutet, dass an der Krankheitsentstehung auch noch andere Gene mit beteiligt sind. Es wurde in Studien festgestellt, dass die Geschwister einer betroffenen Person mit einer Wahrscheinlichkeit von 2 bis 5 Prozent auch an diesem Syndrom leiden können.

Bei einem autosomal rezessivem Erbgang besteht das Risiko bei 25 Prozent. In manchen Fällen spricht jedoch einiges auch für einen autosomal dominanten Erbgang. Bei seltenen, eher mild ausgeprägten Fällen des CdL-Syndroms können nach neueren Erkenntnissen auf Mutationen des SMC1A-Gens und des SMC3-Gens zurückzuführen sein.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Als Leitsymptom des Cornelia-de-Lange-Syndroms fällt eine allgemeine Entwicklungsverzögerung auf, die schon lange vor der Geburt während der Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft beobachtet wird. Das Kind ist nach der Geburt untergewichtig und zu klein. Gleich zu Beginn treten Fütterungsprobleme auf, die durch einen gastro-ösophagealen Reflux bedingt sind. Der Reflux resultiert aus einem unzureichenden Verschluss zwischen Speiseröhre und Magen.

Die Folge ist häufiges Erbrechen mit Aspirationsgefahr. Die häufig zu beobachtende Unruhe und das autoaggressive Verhalten sind wahrscheinlich auf die Beschwerden des Refluxes zurückzuführen. Äußerlich treten ziemlich typische Dysmorphien auf wie buschige zusammentreffende Augenbrauen, ein großer Augenabstand, lange Wimpern, schräg nach unten geneigte Lidachsen, ein großer Abstand zwischen Nase und Mund, eine breite und flache Nase mit nach vorn gerichteten Öffnungen, tief sitzende Ohren, ein kleiner Unterkiefer und vieles mehr.

Auch Anomalien an Händen und Füßen sind zu finden. Bisweilen kommen angeborene Herzfehlerund Epilepsien vor. Auch die Genitalien sind wenig entwickelt. Sehstörungen und Hörminderung treten manchmal auf. Besonders in den ersten Lebensjahren ist das Verhalten oft autoaggressiv mit autistischen Zügen. Eine geistige Behinderung ist immer vorhanden von schweren bis zu ausnahmsweise leichten Formen.

Diagnose

Die Diagnose des Cornelia-de-Lange-Syndroms erfolgt aufgrund des charakteristischen Erscheinungsbildes. Allerdings gibt es bisher noch keine zytogenetischen und molekulargenetischen Befunde. Bildgebende Verfahren wie MRT können Auskunft über strukturelle Veränderungen am Gehirn geben.

Des Weiteren sollte eine Entwicklungsdiagnostik mit Überprüfung der Sinnesfunktionen durchgeführt werden. Eine Röntgenuntersuchung ist bei Verdacht auf einen gastro-ösophagealen Reflux notwendig, um diesen ausreichend behandeln zu können. Differenzialdiagnostisch sollten andere Syndrome wie das Coffin-Siris-Syndrom, Peters-Plus-Syndrom oder das Oto-palato-digitales Syndrom abgegrenzt werden.

Komplikationen

Zu Komplikationen kann es aufgrund der Komplexität des Cornelia-de-Lange-Syndroms jederzeit kommen. Die naheliegendste Komplikation tritt auf, wenn aufgrund des mangelnden Magenverschlusses die Aufnahme der Nahrung erschwert wird. Kommt es durch diese Erschwernis zu einem gastro-ösophagealem Reflux, kann das betroffene Kind Teile des bereits anverdauten Essens einatmen.

Auch durch häufiges Erbrechen kann eine aspirationsbedingte Pneumonie beziehungsweise eine einatmungsbedingte Lungenentzündung entehen. Diese Komplikation gefährdet unter Umständen das Leben der Betroffenen. Die Aspirationspneumonie entsteht immer dann, wenn es zur Inhalation körperfremder Substanzen wie Magensaft, Meerwasser oder anderer Fremdsubstanzen kommt.

Die dadurch ausgelöste Lungenentzündung zeitigt auch beim Cornelia-de-Lange-Syndrom lokale Entzündungsreaktionen und Atemstörungen. Diese Beschwerdelage wiederum begünstigt eine aufgepropfte Zweit- oder Suprainfektion mit weiteren bakteriellen Erregern. Besonders schlecht ist die Prognose, wenn Magensaft eingeatmet wurde.

Es kann längere Zeit dauern, bis sich die Symptome einer Aspiration manifestiert haben. Bronchospasmen oder vermehrte Sekretion können wichtige Anzeichen für eine aspirationsbedingte Pneumonie sein. Der Atem ist erschwert, der Patient kann blau anlaufen.

Ohne einen sofortigen Klinikbesuch kann Patienten mit dem Cornelia-de-Lange-Syndrom nicht fachgerecht geholfen werden. Die Betroffenen müssen umgehend einer Bronchoskopie und einer Antibiotika-Therapie zugeführt werden, wenn die Röntgenaufnahme den Verdacht auf eine aspirationsbedingte Pneumonie erhärtet hat. Ob Sauerstoffgaben notwendig werden oder nicht, entscheidet jeweils der Einzelfall.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wenn nach der Geburt des erkrankten Kindes Probleme beim Füttern auftreten, muss dies umgehend behandelt werden. Meist wurde das Cornelia-de-Lange-Syndrom zu diesem Zeitpunkt bereits diagnostiziert. Die Eltern sollten regelmäßige Rücksprache mit dem Kinderarzt halten und bei Komplikationen den Notarzt rufen. So sollten Anzeichen eines Herzfehlers oder einer Epilepsie umgehend abgeklärt werden, damit sofort Gegenmaßnahmen ergriffen werden können. Bei einem epileptischen Anfall oder gar einem Herzinfarkt ist umgehend der Rettungsdienst zu alarmieren.

Mit Sehstörungen oder Hörminderung wird am besten der entsprechende Facharzt konsultiert. Im Falle einer geistigen Behinderung ist es ratsam, therapeutische Unterstützung einzuholen und frühzeitig auch Pflegekräfte hinzuzuziehen. Im späteren Leben benötigt unter Umständen auch das betroffene Kind psychologische Unterstützung, immer abhängig von der Ausprägung des Cornelia-de-Lange-Syndroms und seinen Symptomen.

Grundsätzlich muss der Betroffene bis ins Erwachsenenalter und oft auch darüber hinaus ärztlich und therapeutisch betreut werden. Der Haus- oder Kinderarzt wird die Eltern dabei unterstützen, die richtigen Ansprechpartner für die einzelnen Beschwerden zu finden.

Behandlung & Therapie

Eine ursächliche Behandlung des Cornelia-de-Lange-Syndroms ist nicht möglich. Die Frühförderungen sowie psychologische und pädagogische Maßnahmen sollten so früh wie möglich beginnen. Manchmal sind auch verhaltenstherapeutische Maßnahmen notwendig, um die autoaggressiven Reaktionen abzuschwächen. Eine gezielte Förderung zeitigt kontinuierliche Entwicklungsfortschritte.

Besonders wichtig ist die Behandlung des gastro-ösophagealen Refluxes. Er ist verantwortlich für die eingeschränkte Lebenserwartung des Betroffenen, da er durch Erbrechen zu einer Aspirationspneumonie führen kann. Außerdem kann er oft verantwortlich für das autoaggressive Verhalten des Kindes sein. Wenn eine medikamentöse Behandlung nicht ausreicht, sind unter Umständen chirurgische Maßnahmen notwendig. Sollten Gesichtsanomalien und Gliedmaßenfehlbildungen zu Funktionseinschränkungen führen, ist auch hier eine chirurgische Korrektur angezeigt.

Des Weiteren sollen auch die Sehstörungen und Hörminderungen behandelt werden. Ab dem Jugendalter nimmt das hyperaktive Verhalten langsam von alleine ab. Der Kleinwuchs sowie schwere und mittelschwere Ausprägungsformen der geistigen Behinderung bleiben erhalten. Um die Lebenserwartung zu steigern, ist eine ständige Gesundheitskontrolle des Patienten notwendig.

Aussicht & Prognose

Eine allgemeine Prognose kann beim Cornelia-de-Lange-Syndrom nicht gegeben werden. Diese ist sehr stark von der genauen Ausprägung des Syndroms abhängig. Allerdings kann es bei dieser Krankheit nicht zu einer vollständigen Heilung kommen, da es sich hierbei um eine erblich bedingte Erkrankung handelt, die nicht kausal behandelt werden kann.

Die Behandlung richtet sich aus diesem Grund nur nach den Symptomen. Durch eine spezielle und gezielte Förderung können die Beschwerden gelindert und eine normale Entwicklung des Patienten gewährleistet werden. In den meisten Fällen reicht bei den weiteren Beschwerden eine medikamentöse Behandlung aus, nur in schwerwiegenden Fällen sind dabei operative Eingriffe notwendig.

Sollte eine Behandlung des Cornelia-de-Lange-Syndroms nicht erfolgen, so kann es zur Ausbildung von Tumoren kommen, die die Lebenserwartung des Patienten verringern. Weiterhin wirken sich auch die Hörbeschwerden und die Sehstörungen sehr negativ auf die Lebensqualität des Betroffenen aus und können sich dabei ohne Behandlung weiterhin verschlechtern.

Eine Behandlung kann diese Störungen zwar nicht vollständig lösen, allerdings eine weitere Verschlechterung stoppen. Weiterhin sind die Betroffenen allerdings auf regelmäßige Untersuchungen angewiesen, um weitere Komplikationen zu vermeiden. Es kann hierbei nicht im Allgemeinen vorhergesagt werden, ob das Syndrom zu einer verringerten Lebenserwartung beim Patienten führt.


Vorbeugung

Eine Vorbeugung vor dem Cornelia-de-Lange-Syndrom ist nicht möglich. Es ist eine genetisch bedingte Erkrankung, die meist sporadisch auftritt. Allerdings besteht für die Geschwister von Betroffenen bei einem sporadischen Auftreten bereits eine Wahrscheinlichkeit von 2 bis 5 Prozent, auch mit diesem Syndrom geboren zu werden. Bei einer autosomal rezessiven Vererbung liegt die Wahrscheinlichkeit sogar bei 25 Prozent. Deshalb sollte in betroffenen Familien eine genetische Beratung in Anspruch genommen werden.  

Nachsorge

Problematisch ist beim Cornelia-de-Lange-Syndrom, dass es zwar bereits im Kindesalter angelegt ist, aber meist erst viel später diagnostiziert wird. Die symptomatische Behandlung lässt daher oft auf sich warten. Schwierig ist eine medikamentöse Behandlung. Wegen der Seltenheit des Cornelia-de-Lange-Syndroms stehen derzeit nur wenige Medikamente mit einer Eignung für die komplexe Symptomatik zur Verfügung.

Am Beginn stehen die medizinische Frühintervention und die chirurgischen Behandlungen der schweren Defekte, die mit dem Cornelia-de-Lange-Syndrom einhergehen. Nach der Diagnosestellung wird häufig die sozialmedizinische Nachsorge das wichtigste Thema. Es geht bei der Nachsorge darum, das Leben für die betroffenen Kinder und Jugendlichen sowie ihrer stark belasteten Familien so erträglich wie möglich zu machen.

Die Einbindung interdisziplinärer Behandlungsstrategien ist beim Cornelia-de-Lange-Syndrom sinnvoll. Zu Nachsorge gehört auch, dass den Patienten durch computergestütztes Gedächtnistraining oder Lerntrainingseinheiten Hilfsmittel gegen die kognitiven Defizite angeboten werden.

Für die Nachsorge beim Cornelia-de-Lange-Syndrom können bei verschiedenen Trägern finanzielle Hilfen beantragt werden - gegebenenfalls auch über Vereine, die bei der sozialmedizinischen Nachsorge oder bei einer notwendigen Verhinderungspflege unterstützend wirken. Meistens erhalten die betroffenen Kinder eine höhere Pflegestufe zuerkannt.

Das können Sie selbst tun

Das Cornelia-de-Lange-Syndrom geht mit einer Vielzahl angeborener Anomalien einher. Die Ursachen der Krankheit sind bis heute nicht abschließend geklärt. Es gibt weder schulmedizinische noch alternative Verfahren, die darauf gerichtet sind, die Krankheit kausal zu behandeln. Die Betroffenen und ihre Angehörigen können aber dazu beitragen, die Symptome zu lindern und den Alltag erträglicher zu gestalten.

Die Krankheit macht sich bereits bei Säuglingen bemerkbar. Bei Kindern kommt es oft zu einer verlangsamten Entwicklung, die insbesondere die intellektuellen Fähigkeiten betrifft. Alle Betroffenen leiden unter einer geistigen Retardierung, die aber unterschiedlich stark ausfallen kann. Für die erkrankten Kinder ist es wichtig, dass sie möglichst früh optimal gefördert werden. Die geistige Entwicklung kann durch adäquate psychologische und pädagogische Maßnahmen positiv beeinflusst werden. Des Weiteren ist oft eine Verhaltenstherapie erforderlich, um die autoaggressiven Reaktionen der Patienten zu mäßigen.

Da die Betreuung und das Zusammenleben mit einem geistig und körperlich behinderten Kind auch für die Eltern und andere Familienangehörige sehr belastend sein kann, sollte sich dieser Personenkreis nicht scheuen, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen oder einer Selbsthilfegruppe beizutreten.

Quellen

  • Classen, M., Diehl, V., Kochsiek, K. (Hrsg.): Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2009
  • Rath, W., Gembruch, U., Schmidt, S. (Hrsg.): Geburtshilfe und Perinatologie: Pränataldiagnostik - Erkrankungen - Entbindung. Thieme, Stuttgart 2010
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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