Nicolaides-Baraitser-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. April 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Beim Nicolaides-Baraitser-Syndrom handelt es sich um eine Krankheit, an der lediglich eine geringe Anzahl von Personen erkrankt. Das Nicolaides-Baraitser-Syndrom stellt eine angeborene Erkrankung dar, die folglich von Geburt an bei den Betroffenen besteht. Einige Symptome werden erst mit zunehmendem Lebensalter ersichtlich. Zu den Leitbeschwerden des Nicolaides-Baraitser-Syndroms gehören unter anderem Anomalien der Finger, Minderwuchs sowie Störungen bei der Behaarung des Körpers.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Nicolaides-Baraitser-Syndrom?

Die exakte Ursache des Nicolaides-Baraitser-Syndroms wurde im Rahmen von medizinischen und genetischen Forschungsstudien mit betroffenen Patienten identifiziert. So ist eine Genmutation auf einem speziellen Genlocus für die Entstehung des Nicolaides-Baraitser-Syndroms verantwortlich.
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Grundsätzlich stellt das Nicolaides-Baraitser-Syndrom eine enorm seltene Krankheit dar. Die Prävalenz der Krankheit wird im Durchschnitt auf etwa 1:1.000.000 geschätzt. Die am Nicolaides-Baraitser-Syndrom erkrankten Personen leiden in der Regel an Symptomen wie Minderwuchs, Krampfanfällen, geistiger Behinderung sowie Missbildungen der Finger.

Dabei zeigt sich in vielen Fällen zum Beispiel eine sogenannte Brachydaktylie. Bisherigen Erkenntnissen der Medizinforschung zufolge wird das Nicolaides-Baraitser-Syndrom autosomal-dominant vererbt. Das Nicolaides-Baraitser-Syndrom wurde von den beiden Ärzten Baraitser und Nicolaides im Jahr 1993 zum ersten Mal beschrieben. Zu Ehren dieser Mediziner erhielt das Nicolaides-Baraitser-Syndrom seinen bis heute gültigen Namen.

Bisher sind erst lediglich fünf Krankheitsfälle des Nicolaides-Baraitser-Syndroms bekannt, die in medizinischen Fachbüchern beschrieben sind. Die Krankheit wird von zahlreichen Ärzten mit der Abkürzung NCBRS benannt. In der englischen Sprache wird das Nicolaides-Baraitser-Syndrom in der Regel als Sparse Hair And Mental Retardation bezeichnet.

Ursachen

Prinzipiell stellt das Nicolaides-Baraitser-Syndrom eine genetisch bedingte Krankheit dar, an der die betroffenen Menschen von Geburt an leiden. Die individuelle Ausprägung der Symptome ist bereits bei der Geburt angelegt. Allerdings entwickeln sich einige Beschwerden des Nicolaides-Baraitser-Syndroms erst im Verlauf der Zeit beziehungsweise treten erst ab einem bestimmten Lebensalter deutlich in Erscheinung.

Die exakte Ursache des Nicolaides-Baraitser-Syndroms wurde im Rahmen von medizinischen und genetischen Forschungsstudien mit betroffenen Patienten identifiziert. So ist eine Genmutation auf einem speziellen Genlocus für die Entstehung des Nicolaides-Baraitser-Syndroms verantwortlich. Dabei handelt es sich um eine neue Mutation auf dem Gen SMARCA2. Auch der exakte Genlocus der Mutation ist bekannt. Postnatale Einflüsse spielen demzufolge keine Rolle bei der Genese der Krankheit.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die am Nicolaides-Baraitser-Syndrom erkrankten Patienten leiden an einer Vielzahl von Beschwerden und Anzeichen der Krankheit. Dabei ist es möglich, dass sich die Symptome des Nicolaides-Baraitser-Syndroms im individuellen Fall leicht unterscheiden oder in einer bestimmten Kombination auftreten. Grundsätzlich ist ein Minderwuchs kennzeichnend für die Erkrankung, der sich schon in relativ jungen Lebensjahren bemerkbar macht.

Darüber hinaus weisen die betroffenen Personen in der Regel eine sogenannte Hypotrichose auf. In Verbindung damit neigen sie zu spärlichem und schütterem Haarwuchs auf dem Kopf. Außerdem zeichnen sich die am Nicolaides-Baraitser-Syndrom erkrankten Personen durch diverse Anomalien in der Anatomie des Gesichtes aus. Hier zeigt sich vor allem eine Mikrozephalie.

Oftmals leiden die Patienten zudem an Krampfanfällen sowie einer stark ausgeprägten geistigen Behinderung. An den Fingern treten Missbildungen auf, etwa die sogenannte Brachydaktylie. Möglich sind außerdem Zapfenepiphysen und deutlich ausgeprägte Interphalangealgelenke. Letzteres Symptom ergibt sich in erster Linie dadurch, dass der Fettanteil unter der Haut gering ist.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Das Nicolaides-Baraitser-Syndrom wird in erster Linie anhand der charakteristischen klinischen Symptome diagnostiziert. Zunächst ergeben sich in der Regel spätestens nach der Geburt erste Hinweise auf das Vorliegen des Nicolaides-Baraitser-Syndroms. Denn bestimmte Anzeichen der Krankheit sind schon bei neugeborenen Patienten vergleichsweise deutlich sichtbar.

Anhand bestimmter Symptome ist theoretisch bereits eine pränatale Diagnostik möglich. Bedingt durch die Seltenheit der Krankheit existieren hierzu jedoch kaum Erfahrungswerte. Besteht ein Verdacht auf das Nicolaides-Baraitser-Syndrom, ist der Patient umgehend entsprechenden Untersuchungen zu unterziehen.

In der Regel werden die betroffenen Kinder schon relativ kurze Zeit nach der Geburt einem geeigneten Arzt vorstellig gemacht, um die Anomalien einzuordnen. Dabei spielen die Sorgeberechtigten eine bedeutende Rolle, die zum Beispiel wesentlich zur sogenannten Familienanamnese beitragen. Auf diese Weise erhält der Arzt Informationen über mögliche genetische Vorbelastungen durch ähnliche Krankheitsfälle in der Familie des Patienten.

Nach der Anamnese der erkrankten Person setzt der behandelnde Arzt verschiedene Untersuchungstechniken ein, um die Krankheit sicher zu diagnostizieren. Nach ersten Sichtuntersuchungen kommen zum Beispiel röntgentechnische Verfahren zur Anwendung. Dabei lassen sich die Missbildungen an den Fingern nachweisen. Außerdem ergeben sich Hinweise auf einen vorliegenden Minderwuchs.

Das Nicolaides-Baraitser-Syndrom ist vergleichsweise sicher mit Hilfe eines genetischen Tests identifizierbar. Denn die verantwortliche Mutation sowie der betroffene Genlocus sind bekannt. Bei der Diagnose des Nicolaides-Baraitser-Syndroms ist eine gründlich durchgeführte Differenzialdiagnose unerlässlich. Dabei hat der behandelnde Arzt in erster Linie das sogenannte Coffin-Siris-Syndrom auszuschließen.

Komplikationen

Da das Nicolaides-Baraitser-Syndrom eine sehr seltene erblich bedingte Erkrankung ist, liegen auch sehr wenige Erfahrungswerte zum Auftreten von Komplikationen vor. Die meisten Komplikationen dürften sich aus den vielen zerebralen Krampfanfällen (Epilepsie) ergeben. Über die allgemeine Lebenserwartung der Betroffenen können aufgrund der wenigen Fälle keine Angaben gemacht werden.

Allerdings treten infolge der epileptischen Anfälle nicht selten verschiedene Komplikationen auf, die manchmal auch lebensbedrohlich sind. Bei jedem epileptischen Anfall besteht unter anderem das Risiko von Schädigungen und Verletzungen, die direkt durch die ausgeprägten Muskelkontraktionen hervorgerufen werden. So wird die Rückenmuskulatur extrem angespannt, was nicht selten zu Wirbelbrüchen führen kann. Bei schweren Wirbelbrüchen droht sogar die Gefahr einer Querschnittslähmung.

Des Weiteren können während eines epileptischen Anfalls Bisswunden entstehen, die von einem Zungenbiss, Risswunden, Schnittwunden oder Platzwunden hervorgerufen werden. Im Rahmen des Anfalls kann es auch zu Verletzungen durch einen Unfall kommen. Auch hierbei treten zuweilen Verletzungen auf, die zu Lähmungen oder gar zum Tod führen. Während eines zerebralen Krampfanfalls kann es des Weiteren zur Aspiration von Speiseresten, Erbrochenem oder Flüssigkeit kommen.

Dabei handelt es sich um einen lebensgefährlichen Notfall, welcher sofortiger ärztlicher Intervention bedarf, um ein Ersticken zu verhindern. Schließlich wirken sich sicherlich auch die schwere geistige Behinderung und die zahlreichen körperlichen Missbildungen negativ auf die psychische Entwicklung des Kindes aus.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Das Nicolaides-Baraitser-Syndrom ist eine angeborene Erkrankung, die meist direkt nach der Geburt diagnostiziert wird. Je nach Ausprägung des Leidens wird der Arzt dann umgehend weitere Maßnahmen ergreifen. Fehlbildungen an den Fingern, Epilepsie und Minderwuchs sind typische Merkmale, die rasch abgeklärt werden müssen. Sollte es während der Therapie zu ungewöhnlichen Symptomen kommen, muss der Arzt darüber in Kenntnis gesetzt werden. Ärztlicher Rat ist insbesondere dann gefragt, wenn das Kind Anzeichen einer geistigen Retardierung zeigt. Entsprechende Symptome zeigen sich oft erst im Verlauf des Lebens und werden progressiv stärker. Umso wichtiger ist es, die Beschwerden rasch abklären zu lassen.

Geschieht dies frühzeitig, kann eine Zunahme der Beschwerden in vielen Fällen vermieden werden. Wenn in der Familie bereits Fälle des Nicolaides-Baraitser-Syndroms bekannt sind, kann bereits vor der Geburt des Kindes ein Gentest erfolgen. Dadurch kann eine mögliche Erkrankung festgestellt und frühzeitig vorbereitende Maßnahmen getroffen werden. Die eigentliche Behandlung des Fehlbildungssyndroms erfolgt durch einen Facharzt für genetische Erkrankungen.

Außerdem müssen verschiedene Ärzte involviert werden, welche die Fehlbildungen, die Epilepsie und die geistigen Störungen behandeln können. Hierfür kommen unter anderem Orthopäden, Neurologen und Therapeuten infrage. Da die Erkrankung des Kindes auch für die Eltern eine enorme Belastung darstellt, sollten sich diese ebenfalls psychologische Hilfe holen.

Behandlung & Therapie

Die Beschwerden des Nicolaides-Baraitser-Syndroms sind angeboren, da es sich um eine Erbkrankheit handelt. Aus diesem Grund ist eine wirksame Therapie der Ursachen des Nicolaides-Baraitser-Syndroms nicht praktikabel. Relevant ist stattdessen eine Linderung der Beschwerden der betroffenen Patienten.

Die Personen leiden an einer erheblichen geistigen und körperlichen Behinderung, sodass eine intensive Betreuung der Patienten erforderlich ist. Die Betroffenen erhalten in der Regel Sonderschulunterricht, wenn dieser aus intellektueller Sicht möglich ist. Die Sorgeberechtigten werden bei der Betreuung des am Nicolaides-Baraitser-Syndrom erkrankten Kindes unterstützt.


Aussicht & Prognose

Das Nicolaides-Baraitser-Syndrom gehört zu den gesundheitlichen Störungen, deren Ursache in einer Mutation der menschlichen Genetik zu finden ist. Dies führt dazu, dass die Prognose ungünstig ist. Hauptsächlicher Grund ist, dass die behandelnden Ärzte das Genmaterial ihres Patienten nicht verändern dürfen. Rechtliche Vorgaben untersagen ihnen dieses Vorgehen. Erschwerend ist zusätzlich, dass einige Beschwerden sich erst im Verlauf des Lebens entwickeln. Dadurch kann es in einigen Fällen zu einer späten Diagnosestellung kommen. Je eher jedoch eine Feststellung der Erkrankung erfolgen kann, desto frühzeitiger können notwendige Behandlungsschritte erarbeitet werden.

Obgleich keine Heilung bei dieser Erkrankung zu erwarten ist, gelingt es Wissenschaftlern aufgrund ihrer täglichen Forschungsarbeit immer wieder, neue Therapiemethoden und Behandlungsformen zu entwickeln, die zu einer Linderung der individuell auftretenden Beschwerden führen. Ziel ist es, die Lebensqualität des Patienten zu optimieren sowie etwaigen gesundheitlichen Folgen vorzubeugen.

Die Erkrankten unterliegen aufgrund der körperlichen Beeinträchtigungen einem erhöhten Risiko einer Querschnittslähmung. Zudem liegt eine kognitive Einschränkung vor. Insgesamt ist es daher dem Patienten meist nicht möglich, seinen Alltag selbstständig zu gestalten. Er ist lebenslang auf die Betreuung und Pflege anderer Menschen angewiesen. Programme der Frühförderung haben in den letzten Jahren jedoch erhebliche Verbesserungen bei der Entwicklung der geistigen Möglichkeiten gezeigt.

Vorbeugung

Das Nicolaides-Baraitser-Syndrom ist eine Erbkrankheit, weshalb keine Optionen für eine effektive Prävention der Krankheit bekannt sind.

Nachsorge

Da es sich beim Nicolaides-Baraitser-Syndrom um eine genetisch bedingte und damit um eine angeborene Krankheit handelt, stehen Betroffenen in den meisten Fällen nur sehr wenige und auch nur sehr eingeschränkte Maßnahmen und Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung. Dabei sollten Betroffene in aller erste Linie schon früh einen Arzt aufsuchen, damit es im weiteren Verlauf nicht zu anderen Komplikationen oder Beschwerden kommt.

Je früher ein Arzt aufgesucht wird, desto besser ist in der Regel auch der weitere Verlauf der Erkrankung, sodass schon bei den ersten Anzeichen des Nicolaides-Baraitser-Syndroms ein Arzt kontaktiert werden sollte. Die meisten Betroffenen sind bei dieser Krankheit auf die Pflege und die Unterstützung durch die eigene Familie angewiesen.

Dabei sind vor allem liebevolle und intensive Gespräche mit der eigenen Familie und mit anderen Angehörigen sehr wichtig, um vor allem psychische Beschwerden oder die Entstehung einer Depressionen zu verhindern. Die Patienten sind auch auf eine intensive Förderung in der Schule angewiesen. Ebenso sollten Patienten mit dem Nicolaides-Baraitser-Syndrom an regelmäßigen Kontrollen und Untersuchungen durch einen Arzt teilnehmen. In der Regel verringert diese Krankheit nicht die Lebenserwartung des Betroffenen.

Das können Sie selbst tun

Aufgrund fehlender Behandlungsmöglichkeiten können Angehörige lediglich für eine Linderung der Beschwerden und damit ein lebenswerteres Leben sorgen. Neben einer intensiven Betreuung im Alltag erhalten sie durch Stellen eines Schwerbehindertenantrages Hilfe beim Integrationsfachamt. Diese sind beim Auffinden einer geeigneten Sonderschule, beim Beantragen von eventuell benötigten Schulbegleitern und Hilfsmitteln, sowie bei vielen anderen Fragen rund um eine Behinderung behilflich.

Das hohe Verletzungsrisiko, aufgrund der oft häufigen epileptischen Anfälle, kann mithilfe eines speziell geschulten Assistenzhundes verringert werden. Epilepsiewarnhunde oder Anfallhunde warnen je nach Ausbildung frühzeitig vor oder bei einem akuten Anfall und ermöglichen hierdurch rasche Hilfe oder ausreichend Zeit für Vorkehrungen. Leider werden die Kosten hierfür in der Regel nicht von der Krankenkasse getragen und müssen in Eigenregie aufgebracht werden. Diese Ausgaben dürfen jedoch als außergewöhnliche Belastung im Rahmen der Einkommenssteuer geltend gemacht und hierdurch etwas gemindert werden.

Da ein Erholungsurlaub für pflegende Angehörige nur selten als Familienurlaub umsetzbar ist, besteht die Möglichkeit einer Verhinderungspflege, welche unter Umständen direkt am gewünschten Ferienort umsetzbar ist. Dies sichert eine liebevolle Pflege, die tägliche Nähe zu den gewohnten Betreuungspersonen und dennoch ausreichend Freizeit und Erholung für die Angehörigen.

Der Austausch mit anderen betroffenen Familien wirkt durch den Erfahrungsaustausch oftmals ebenfalls bereichernd und kann den Alltag erleichtern.

Quellen

  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Rath, W., Gembruch, U., Schmidt, S. (Hrsg.): Geburtshilfe und Perinatologie: Pränataldiagnostik - Erkrankungen - Entbindung. Thieme, Stuttgart 2010
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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