Hungern
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 21. Oktober 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Körperprozesse Hungern
In diesem Artikel soll das Thema Hunger bzw. Hungern ansprochen werden. Wir haben hier auf MedLexi.de schon oft vor der Gefahr der Übergewichtigkeit gewarnt und Hinweise gegeben, wie man sie verhindern kann, so dass es überflüssig scheint, über ein Problem wie das Hungern zu sprechen. Ereignisse wie das Verschütten von Bergleuten und andere Katastrophen veranlassen aber viele Leser immer wieder zu der Frage: Wie lange kann ein Mensch eigentlich hungern? Welche Folgen hat das Hungern? Wie verhält man sich nach einer Hungerperiode?
Inhaltsverzeichnis |
Warum hungert man überhaupt?
Wenn man auch nur eine annähernd ausreichende Antwort auf diese Frage geben möchte, dann muss man zuerst einmal darlegen, welche Vorgänge sich im menschlichen Körper während einer Hungerperiode abspielen. Die wichtigsten Einblicke über den veränderten Ablauf des Stoffwechsels wurden durch medizinische Beobachtung von sogenannten Hungerkünstlern und beim therapeutischen Fasten gewohnen. Es handelt sich beim Fasten um eine freiwillig auf sich genommene Nahrungsenthaltung zu Heilzwecken. Während dieser Zeit wird nur für ausreichende Flüssigkeitszufuhr mit Tee oder Saft gesorgt.
Der Unterschied zum Hungern liegt in der Betonung der Freiwilligkeit. Dadurch ist die Einstellung der Betreffenden auch bei gewissen körperlichen Beschwerden wesentlich positiver. Außerdem ist der Entschluss zum Fasten mit einem Ziel verbunden, das den Menschen fehlt, denen das Hungern aufgezwungen wird. Man kann drei Stadien im Ablauf des Hungerstoffwechsels unterscheiden. In den ersten drei Tagen verbraucht der Organismus die leicht erreichbaren Vorräte aus der Leber und der Muskulatur. Der Gewichtsverlust beträgt - vorwiegend durch Abgabe von Wasser — etwa ein Kilogramm pro Tag. Diese Zeit ist mit einem starken Hungergefühl verbunden, das aber bei freiwilliger Nahrungsenthaltung bald nachlässt.
Geschieht das Hungern unter Zwang, dann kann sich schon das Hungergefühl während dieser Zeit bis zur Unerträglichkeit steigern. Nach drei Tagen hat sich der Körper auf die neue Situation eingestellt. Er greift nun seine Reserven an, ohne aber seinen eigentlichen Bestand zu gefährden. Er bezieht seine Energien durch Verbrennung der Fettpolster unter der Haut und durch den Abbau von Muskelgeweben. Die Umstellung des Körpers zeigt sich unter anderem an einem charakteristischen faden Körpergeruch. Der tägliche Gewichtsverlust beträgt nunmehr 300 Gramm am Tag. Da es sich vorwiegend um Fettgewebe handelt, kann man einen Kalorienumsatz von etwa 2500 Kalorien annehmen.
Körperlicher Verfall beim Hungern
Gerade Gymnastik und Spaziergänge gehören zur sogenannten Fastenregie. Schwierigkeiten bereitet dagegen eine Tätigkeit im Stehen, da die Anpassungsfähigkeit des Kreislaufs nachlässt, das Blut in den Beinen versackt und zeitweise Schwindelerscheinungen auftreten. Eine Trübung des Bewußtseins tritt aber in dieser Zeit noch nicht ein. Im Gegenteil, wir wissen von Fastenden, dass besondere geistige Leistungen und Erkenntnisse möglich sind. Im allgemeinen kann eine Fastenzeit ohne Gefahr auf mindestens drei Wochen ausgedehnt werden. Erst danach werden auch die weniger lebenswichtigen Organe abgebaut. Gehirn, Herz und Nieren bleiben sehr lange geschont.
Schließlich nimmt die Abmagerung immer größere Ausmaße an. Neben völligem Schwund des Unterhautfettgewebes und Verlust der Muskulatur versiegt die Sekretion der Tränen- und Speicheldrüsen. Der Eintritt in diese kritische Periode zeigt sich durch einen auffälligen Gewichtssturz an. Neben der Reduzierung der körperlichen Leistungsfähigkeit kommt es zum Verlust von Willenskraft und geistiger Haltung. Das unerträgliche Hungergefühl lässt nach. Der Verhungernde wird apathisch, bis endlich der Tod eintritt, indem die Regulationszentren des Körpers erlöschen. Ein genauer Zeitpunkt, wie lange der Mensch Hunger zu ertragen vermag, lässt sich nicht nennen.
Neben dem Ernährungszustand bei Beginn des Hungerns spielt die Willenskraft des einzelnen eine wichtige Rolle. So wird von dem irischen Patrioten Terence MacSwiney berichtet, dass er sich durch eine 74 Tage andauernde Nahrungsverweigerung tötete. Hungerstreiks, die als Verzweiflungsakt wenig organisiert waren, konnten dagegen Berichten zufolge nur wenige Tage durchgehalten werden. Positive Eindrücke, wie Hoffnung auf Erfolg oder Befreiung oder Widerstand gegen Unterdrücker, können die Durchhaltekraft wesentlich verlängern.
Die Anpassungsfähigkeit an eine derartige Ausnahmesituation ist selbstverständlich auch durch das Alter begrenzt; Kinder und alte Menschen sind weniger widerstandsfähig. Frauen sollen länger hungern können als Männer. Auch der Wärmeverlust muss besonders berücksichtigt werden. Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass wir im Winter mehr essen können als im Sommer. Dieser Zustand ist durch den steigenden Grundumsatz bei Kälte bedingt.
Hungern schädigt den Körper
Langes Hungern, wie die bei Jugendlichen nicht selten vorkommende Magersucht oder Anorexia nervosa oder Bulimie, gereicht dem Körper sicher zum Schaden. Begrenzte, sinnvolle Einschränkung der Nahrung bei Übergewichtigkeit und ärztlich kontrolliertes Heilfasten wirken sich dagegen günstig auf den Organismus aus und sind bei der Behandlung bestimmter Erkrankungen unentbehrlich.
Quellen
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015
- Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013