Hypothenar-Hammer-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 1. Juli 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Krankheiten Hypothenar-Hammer-Syndrom
Das Hypothenar-Hammer-Syndrom (kurz HHS ) stellt eine arterielle Störung der Durchblutung der Hand dar. Sie wird durch eine stumpfe Gewalteinwirkung verursacht, die einmalig oder wiederholend auf den Kleinfingerballen (der Hypothena) einwirkt. Durch diese Gewalteinwirkung wird in der Regel die Arteria ulnaris verletzt, die das HHS auslöst.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist das Hypothenar-Hammer-Syndrom?
Von einem Hypothenar-Hammer-Syndrom spricht die Medizin, wenn die Arteria ulnaris durch eine stumpfe Gewalteinwirkung verletzt wurde und aus diesem Grund eine arterielle Durchblutungsstörung der Hand vorliegt. Die Arteria ulnaris befindet sich im Kleinfingerballen. Das Syndrom tritt auffallend oft bei Handwerkern und Arbeitern auf, die ihre Hand in schlagender Art und somit wie ein Schlagwerkzeugnutzen.
In diesem Fall wird der Handballen als Hammerersatz verwendet, was eine Verletzung der Arteria ulnaris begünstigt. Aus diesem Grund können aber auch Kampfsportler das Hypothenar-Hammer-Syndrom erleiden. Bereits seit Jahren wird das HHS als inoffizielle Berufskrankheit von Berufsgruppen wie Handwerkern gehandelt. Offiziell konnte sich das HHS bisher aber nicht als solche durchsetzen.
Ursachen
Besonders häufig tritt das HHS auf, wenn der Handballen wiederkehrend als Schlagwerkzeug genutzt wird. Deshalb sind Handwerker und Sportler (etwa Kampfsportler) oft vom HHS betroffen – jedoch sind auch Fälle bekannt, wo das HHS nach einer einmaligen Gewalteinwirkung auf den Kleinfingerballen auftrat.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Typische Beschwerden und Symptome, die das Hypothenar-Hammer-Syndrom begleiten, sind ein Gefühl von Taubheit, Kraftlosigkeit und Kälte in der gesamten Hand oder nur im Bereich des Kleinfingerballens. Zudem treten oft stechende, dauerhafte oder immer wiederkehrende Schmerzen in der vom HHS betroffenen Hand auf. Die Schwere der Symptome und Beschwerden hängt dabei in der Regel von der Schwere der vorliegenden Verletzung ab.
Darüber hinaus können die Symptome durchaus auch einige Tage, Wochen oder sogar Monate nach dem eigentlichen Auslöser für die Verletzung auftreten. In zahlreichen Fällen lassen die Schmerzen nach kurzer Zeit nach der Verletzung wieder nach oder aber Schmerzen und Beschwerden sind so gering, dass die Betroffenen die Verletzung nicht als drastisch genug ansehen, um einen Arzt aufzusuchen.
Ebenso gibt es viele Patienten, die gar keine Symptome und Beschwerden zeigen. Das liegt meistens daran, dass die Blutgefäße der Hand nicht nur durch die Arteria ulnaris, sondern auch durch die Arteria radialis versorgt werden – und diese zeigt beim HHS keine Verletzungen auf. Aus diesem Grund gilt das Syndrom noch heute als relativ seltenes Krankheitsbild, wobei die Dunkelziffer allerdings sehr hoch sein kann.
Diagnose & Krankheitsverlauf
In den meisten Fällen suchen die Betroffenen nur dann einen Mediziner auf, wenn Beschwerden vorliegen. Je nach Schwere kann es sich beim vorliegenden Krankheitsbild um ein akutes oder aber um ein weniger akutes handeln. Vor allem dann, wenn die Verletzung des Kleinfingerballens schon länger zurückliegt, können die meisten Betroffenen die Symptome dieser häufig nicht mehr zuordnen.
Zudem gibt es zahlreiche andere Erkrankungen, etwa der Nervenbahnen in den Händen, die ähnliche Symptome und Beschwerden hervorrufen können. Deshalb wird der Arzt immer erst herausfinden müssen, ob eine Verletzung für die Beschwerden verantwortlich sein könnte. Ist dies ersichtlich der Fall oder dem Betroffenen bekannt, wird er die entsprechenden weiteren Diagnoseschritte einleiten.
Scheint die Ursache unklar, liegt es vor allem am Arzt, auch wirklich die richtige Diagnose zu stellen. Meistens wird dieser anhand der vorliegenden Beschwerden und Symptome, durch Gespräche mit dem Patienten und mit Hilfe von unterschiedlichen Untersuchungsergebnissen einzugrenzen, was die Ursache für die Beschwerden sein könnte. Erst wenn diese klar ist, kann die eigentliche Behandlung beginnen. Auch der Krankheitsverlauf des HHS hängt von Faktoren wie der Schwere der Verletzung der Arterie und nicht selten von der Zeit, in der das Syndrom unerkannt geblieben ist, ab.
Komplikationen
Der Patient leidet an einer Taubheit und oft an Kribbeln auf der Hand. Diese Gefühle können dabei zu Einschränkungen im Alltag führen. Nicht selten breiten sich Schmerzen aus der Hand direkt in andere Regionen aus. Sollten die Schmerzen auch nachts in Form von Ruheschmerzen auftreten, so können die zu Schlafbeschwerden führen. In schwerwiegenden Fällen kann das Gewebe so stark geschädigt werden, dass eine Amputation notwendig ist.
Auch durch eine Unterversorgung mit Sauerstoff können die Muskeln und Nerven geschädigt werden. Die Behandlung erfolgt dabei mit Hilfe von Medikamenten und gegebenenfalls durch operative Eingriffe. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass es zu Folgeschäden kommt, die irreversibel sind und daher nicht behandelt werden können. Die Lebenserwartung wird durch das Hypothenar-Hammer-Syndrom in der Regel nicht eingeschränkt.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
In manchen Fällen ruft das Hypothenar-Hammer-Syndrom keine Beschwerden hervor. Eine medizinische Abklärung ist dann zwar sinnvoll, aber nicht zwingend nötig. Sobald Symptome bemerkt werden, ist ärztlicher Rat gefragt. Wenn im Bereich des Kleinfingerballens Taubheitsgefühle und Kraftlosigkeit auftreten, liegt womöglich das Hypothenar-Hammer-Syndrom zugrunde. Das Syndrom sollte rasch von einem Arzt abgeklärt und behandelt werden, damit es nicht zu Komplikationen kommt. Wenn stechende Schmerzen hinzukommen, sollte noch am selben Tag ein Arzt eingeschaltet werden.
Können die Beschwerden auf einen Unfall oder eine andere Ursache zurückgeführt werden, muss ebenfalls zeitnah zum Arzt gegangen werden. Die Symptome können sich allerdings auch erst Tage, Wochen oder Monate nach dem eigentlichen Auslöser einstellen. Darum sollten Betroffene nach einem Unfall oder Sturz grundsätzlich mit einem Arzt sprechen, auch wenn keine merklichen Beschwerden oder Anzeichen einer Verletzung auftreten. Besonders anfällig für die Entstehung des Syndroms sind Handwerker, Kampfsportler, Radfahrer und andere Personengruppen, die ihre Handballen übermäßig belasten – diese Risikogruppen sollten bei genannten Symptomen rasch den Hausarzt einschalten. Bei ausgeprägten Durchblutungsstörungen kann ein Internist hinzugezogen werden.
Behandlung & Therapie
Die Behandlung hängt von der Schwere der vorliegenden Verletzung und den eventuellen Folgeschäden ab. Denn je länger das HHS unerkannt bleibt und nicht behandelt wurde, umso größer ist das Risiko, dass die Gefäße, Gewebe, Muskeln und Nerven im Bereich des Kleinfingerballens, die von der vorliegenden arteriellen Durchblutungsstörung betroffen sind, durch eine eventuelle Unterversorgung geschädigt werden.
Je nach vorliegendem Fall könnten verschiedene Therapieschritte notwendig werden – sowohl medikamentöse als auch operative Schritte, in schweren Fällen, sind möglich. Zudem sollte die verletzte oder vom HHS betroffene Hand geschont werden. Die Erfolgschancen der Behandlung fallen allerdings nach wie vor recht unterschiedlich hoch aus. Meistens gilt: Umso eher die Verletzung und somit auch das HHS erkannt wird, umso besser sind die Behandlungschancen. Es gibt aber auch viele Fälle, in denen die Betroffenen für den Rest ihres weiteren Lebens über mehr oder weniger schwere Beschwerden klagen.
Das Hypothenar-Hammer-Syndrom ist bei nachgewiesener beruflicher Verursachung bereits seit mehreren Jahren anerkannt. Seit der Verkündung der "Wissenschaftlichen Begründung für die Berufskrankheit 'Gefäßschädigung der Hand durch stoßartige Krafteinwirkung (Hypothenar-Hammer-Syndrom und Thenar-Hammer-Syndrom)'" am 1. Mai 2012, wurde das Hypothenar-Hammer-Syndrom als BK 2114 anerkannt, wenn eine berufliche Verursachung vorliegt.
Diese Anerkennung erfolgte zunächst nach § 9,2 SGB VII ab dem 7. Juni 2012. Nach formaler Aufnahme in die Berufskrankheiten-Liste im Rahmen der Dritten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 22. Dezember 2014 ist das Syndrom seit dem 1. Januar 2015 offiziell als Berufskrankheit anerkannt. Diese Verordnung ermöglichte die Anerkennung von Gefäßschädigungen der Hand durch stoßartige Krafteinwirkung, einschließlich des Hypothenar-Hammer-Syndroms und des Thenar-Hammer-Syndroms.
Differenzialdiagnostisch müssen beim Hypothenar-Hammer-Syndrom verschiedene Erkrankungen in Betracht gezogen werden, darunter arterielle Verschlusskrankheiten, hämatologische Erkrankungen, Vaskulopathien, Traumata mit rheologischen Veränderungen und weitere Ursachen wie Weichteiltumore oder neurologische und toxische Ursachen.
Die Diagnose des Hypothenar-Hammer-Syndroms wird häufig durch vaskuläre Untersuchungen, einschließlich Doppler-Ultraschall und CT-Angiographie, bestätigt. Die Behandlung kann von Beobachtung über Fibrinolyse bis hin zu Gefäßligatur oder Rekonstruktion variieren, abhängig von der Chronizität der Symptome und dem Vorhandensein eines Aneurysmas. Beruflich gefährdet sind insbesondere Personen, die Vibrationsexpositionen ausgesetzt sind, wie z.B. Tischler, Mechaniker und Maschinisten.
Vorbeugung
Einem HHS kann vorgebeugt werden, wenn der Handballen nicht als Schlagwerkzeug genutzt wird. Und: Wird dies doch getan und es liegen eine Verletzung oder Beschwerden vor, die auf ein HHS deuten lassen, dann sollte umgehend ein Arzt aufgesucht werden.
Nachsorge
In den meisten Fällen stehen dem Patienten beim Hypothenar-Hammer-Syndrom keine besonderen und direkten Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung. Daher sind Betroffene in erster Linie auf eine schnelle Diagnose und auch auf die weitere Behandlung der Krankheit angewiesen, um weitere Komplikationen oder Beschwerden zu verhindern. Nicht immer können dabei die Symptome des Hypothenar-Hammer-Syndroms vollständig gelindert werden.
In erster Linie muss die Gewalteinwirkung auf die betroffene Stelle gestoppt werden, damit das Gewebe und die Arterien nicht noch stärker geschädigt werden. Es sollte unmittelbar ein Arzt aufgesucht werden, falls Störungen der Durchblutung oder Störungen der Sensibilität auftreten, damit die Krankheit schnell erkannt und behandelt werden kann.
In einigen Fällen sind die Patienten durch das Hypothenar-Hammer-Syndrom auch auf die Hilfe und die Unterstützung durch Freunde und Familie in ihrem Alltag angewiesen. Bei psychischen Verstimmungen oder bei Depressionen ist nicht selten der Kontakt zu geliebten Menschen sinnvoll, um diese zu lindern. Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen des Hypothenar-Hammer-Syndroms kann dabei sinnvoll sein. In der Regel ist die Lebenserwartung des Patienten durch diese Krankheit nicht verringert.
Das können Sie selbst tun
Die Betroffenen sind allerdings auch nach operativen Eingriffen auf verschiedene Therapien angewiesen, die die Beweglichkeit der Finger und der Hand wiederherstellen sollen. Die meisten Übungen können dabei auch zu Hause durchgeführt werden, sodass die Beweglichkeit wieder trainiert wird. Dabei eignet sich vor allem eine Ergotherapie oder eine Physiotherapie. Die Übungen können auch zuhause weitergeführt werden und so kann zum Genesungsprozess optimal beigetragen werden.
Der Handballen selbst sollte in der Regel nie als Schlagwerkzeug genutzt werden, da es dabei sehr schnell zu schwerwiegenden Verletzungen kommen kann. Vor allem Kinder und junge Menschen müssen über diese Gefahr aufgeklärt werden, um Verletzungen zu vermeiden. Bei einer schwerwiegenden und akuten Verletzung kann auch das Krankenhaus aufgesucht werden.
Quellen
- Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Braun, J., Dormann, A .J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013