Ergotherapie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 30. Oktober 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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In der Ergotherapie werden alltägliche Tätigkeiten dazu genutzt, die Handlungsfähigkeit von Menschen auszuweiten und zu erhalten. Dies betrifft Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen genau so wie Patienten nach einem Schlaganfall oder Kinder, bei denen eine Entwicklungsverzögerung beobachtet wurde.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Ergotherapie?

Die Anwendungsfelder der Ergotherapie sind vielfältig. Ein großes Einsatzgebiet ist die Rehabilitation von Patienten mit neurologischen Störungen. Grob- und feinmotorische Fähigkeiten werden in der Ergotherapie ebenso trainiert wie das Gleichgewichtsempfinden oder die Gedächtnisleistung.

Auf diesen Feldern arbeitet die Ergotherapie eng mit anderen Disziplinen wie der Neurologie, der Orthopädie oder auch der Psychiatrie zusammen.

In Deutschland ist Ergotherapie eine anerkannte Therapieform mit einer einheitlich geregelten Ausbildung. Die Beschäftigung mit alltäglichen Aufgaben wie einfachen Haushaltstätigkeiten unter therapeutischer Aufsicht soll dem Patienten dabei helfen, größtmögliche Selbstständigkeit im täglichen Leben zu erlangen und pathologische Verhaltens- und Bewegungsmuster abzulegen.

Auch bei Tätigkeiten wie dem geselligen Zusammensein mit Freunden greift Ergotherapie unterstützend ein.

Geschichte & Entwicklung

Die Ergotherapie hat ihre Ursprünge im frühen 20. Jahrhundert und entwickelte sich aus dem wachsenden Bewusstsein, dass Beschäftigung und gezielte Tätigkeiten die Genesung fördern. Der Begriff „Ergotherapie“ leitet sich von dem griechischen Wort „ergon“ ab, das „Arbeit“ oder „Handlung“ bedeutet. Erste Ansätze finden sich bereits im späten 19. Jahrhundert, als Ärzte und Psychologen Patienten mit psychischen Erkrankungen durch handwerkliche Aktivitäten zu einer stabileren Lebensführung verhelfen wollten.

In den USA wurde 1917 die National Society for the Promotion of Occupational Therapy gegründet, die die formellen Grundlagen für die moderne Ergotherapie legte. Hier stand zunächst die Behandlung von Soldaten im Vordergrund, die nach dem Ersten Weltkrieg an physischen und psychischen Traumata litten. In Europa gewann die Ergotherapie nach dem Zweiten Weltkrieg an Bedeutung, als die Rehabilitation für verwundete und traumatisierte Kriegsteilnehmer ausgebaut wurde.

In den 1950er und 1960er Jahren wurde Ergotherapie zunehmend wissenschaftlich fundiert und spezialisierte sich auf verschiedene Behandlungsbereiche, darunter Psychiatrie, Pädiatrie und Neurologie. Seit den 1980er Jahren hat sich die Ergotherapie als anerkannte Therapieform in Medizin und Rehabilitation etabliert und wird heute weltweit als integraler Bestandteil der Gesundheitsversorgung eingesetzt.

Einsatz & Indikation

Eine Ergotherapie wird durchgeführt, wenn Menschen aufgrund körperlicher, geistiger oder psychischer Einschränkungen Schwierigkeiten haben, alltägliche Aktivitäten selbstständig auszuführen. Sie wird notwendig bei einer Vielzahl von Erkrankungen und Verletzungen, die das Leben beeinträchtigen können, darunter neurologische Erkrankungen wie Schlaganfälle, Multiple Sklerose oder Parkinson, aber auch bei Demenz, Entwicklungsverzögerungen bei Kindern und psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen.

Nach einem Unfall oder einer Operation, etwa bei Gelenkverletzungen oder nach einem Hüft- oder Kniegelenkersatz, ist Ergotherapie hilfreich, um verlorene Bewegungsabläufe und Selbstständigkeit wiederzuerlangen. Auch bei chronischen Erkrankungen wie Arthritis oder rheumatischen Erkrankungen wird sie eingesetzt, um Betroffene bei der Bewältigung ihrer täglichen Aufgaben zu unterstützen und die Lebensqualität zu steigern. In der Pädiatrie wird Ergotherapie bei Kindern angewandt, die Schwierigkeiten mit der Feinmotorik, der Koordination oder der Konzentration haben.

Das Ziel ist stets, die individuelle Handlungsfähigkeit und Unabhängigkeit zu fördern. Ergotherapeuten arbeiten dabei auf spezifische, alltagsnahe Ziele hin, sei es die Wiedererlangung von Bewegungsabläufen, die Entwicklung sozialer Kompetenzen oder die Stärkung der Selbstversorgung.

Vorteile & Nutzen

Ergotherapie bietet gegenüber anderen Behandlungs- und Untersuchungsmethoden den Vorteil, dass sie sehr individuell und alltagsnah ausgerichtet ist. Im Gegensatz zu rein medizinischen oder physiotherapeutischen Ansätzen liegt der Fokus nicht nur auf der körperlichen Heilung, sondern auch auf der Verbesserung der Lebensqualität und der Förderung der Selbstständigkeit im Alltag. Ergotherapie arbeitet zielgerichtet an spezifischen, für den Patienten relevanten Tätigkeiten, was die Motivation und den Behandlungserfolg deutlich steigern kann.

Ein weiterer Vorteil ist der ganzheitliche Ansatz: Ergotherapeuten betrachten sowohl körperliche als auch psychische und soziale Faktoren, die die Handlungsfähigkeit beeinflussen. Durch diesen umfassenden Blick wird nicht nur die jeweilige Einschränkung behandelt, sondern auch das Umfeld und die Lebensweise des Patienten einbezogen. Ergotherapie zielt darauf ab, die individuellen Fähigkeiten zu stärken und Defizite so auszugleichen, dass Patienten langfristig von der Therapie profitieren.

Außerdem fördert Ergotherapie die aktive Teilnahme des Patienten an seinem Genesungsprozess. Im Gegensatz zu passiveren Behandlungsformen üben und erproben die Patienten konkrete Tätigkeiten, die sie später im Alltag wieder umsetzen können. Dadurch verläuft der Heilungsprozess oftmals nachhaltiger und praxisorientierter, was die langfristige Selbstständigkeit unterstützt und die Integration in das soziale Umfeld fördert.

Funktion, Wirkung & Ziele

Die Anwendungsfelder der Ergotherapie sind vielfältig. Ein großes Einsatzgebiet ist die Rehabilitation von Patienten mit neurologischen Störungen, etwa bei Schlaganfall, Morbus Parkinson oder Multiple Sklerose.

Auch Patienten, deren neurologische Funktion nach Unfällen eingeschränkt ist, kann unter Einsatz der Ergotherapie geholfen werden.

Durch die Bewältigung von Aufgaben, die dem Patienten Schwierigkeiten bereiten, wird das Nervensystem trainiert und die Rehabilitation unterstützt. Außerdem lernen die Patienten, mit alltäglichen Umständen ihrer Situation angemessen umzugehen.

Grob- und feinmotorische Fähigkeiten werden im Rahmen der Ergotherapie ebenso trainiert wie das Gleichgewichtsempfinden oder die Gedächtnisleistung.

Ergotherapie mit Kindern

In der Pädiatrie übernimmt die Ergotherapie eine wichtige Rolle bei einer Vielzahl von Einschränkungen. Bei Entwicklungsverzögerung oder Verhaltensstörungen (Essstörungen, eingeschränktes Sozialverhalten) werden Ergotherapeuten ebenso zu Rate gezogen wie bei angeborenen organischen Schäden. Auch in diesem Fall geht es darum, den betroffenen Personen maximale Selbstständigkeit zu ermöglichen und pathologische durch gesündere Bewegungs- und Verhaltensweisen zu ersetzen.

Die Erledigung von Hausaufgaben gehört in diesem Kontext ebenso zu den Inhalten ergotherapeutischer Behandlung wie Bastelarbeiten oder andere kindgerechte Aufgaben, beispielsweise beim Kochen. In diesem Zusammenhang kooperieren Ergotherapeuten häufig mit sozialen Einrichtungen oder speziellen Kindergärten, Schulen und Rehazentren für Kinder.

Ergotherapie & Orthopädie

Im Fall orthopädischer Beeinträchtigungen wirkt die Ergotherapie in erster Linie auf die motorischen Funktionen des Patienten. Dieser lernt, mit eventuell benötigten Hilfsmitteln im Alltag kompetent umzugehen. Mittels alltagstauglicher Übungen wird versucht, den Bewegungsspielraum von Muskeln und Gelenken zu optimieren. Hier überschneidet sich das Aufgabengebiet der Ergotherapie mit dem der Physiotherapie. Beide werden häufig parallel eingesetzt, um den bestmöglichen Effekt zu erzielen. Falls nötig, erlernt der Betroffene unter therapeutischer Aufsicht kompensatorische Alternativen für Bewegungsabläufe, die ihm durch Krankheit unmöglich geworden sind.

Auch wenn die Bewältigung alltäglicher Aufgaben ohne unerwartete äußere Einflüsse, einzig aufgrund des Alters schwieriger wird, besteht die Möglichkeit, mittels Ergotherapie die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Durch gezielte Förderung können körperliche und geistige Fähigkeiten bewahrt und mitunter sogar verbessert werden. Außerdem gilt es, das häusliche Umfeld an die veränderten Fähigkeiten der Patienten anzupassen, um so die Lebensqualität möglichst lange zu bewahren. Im geriatrischen Bereich liegt der Fokus der Ergotherapie auf der Förderung und Bewahrung kognitiver Fähigkeiten.

Außerdem eignet sich Ergotherapie als Hilfsmittel, wenn es darum geht, die Belastbarkeit und Motivation von Menschen mit psychischen Einschränkungen zu trainieren. Indem einfache und komplexere Aufgaben bewältigt werden, gewinnen die Patienten Selbstbewusstsein und Alltagskompetenz. Die soziemotionale Kompetenz sowie die Verarbeitung der Körperwahrnehmung werden durch alltägliche und kreative Aufgaben geübt. So lernen die Patienten unter therapeutischer Aufsicht, sich einer Situation angemessen zu verhalten und mit ihrer Umwelt zu interagieren. Im psychiatrischen Bereich findet die Ergotherapie vor allem Anwendung bei Suchtkranken und bei Menschen mit den verschiedensten psychischen Störungen.

Je nach Betätigungsfeld gelingt es in der Ergotherapie mehr oder weniger, dem holistischen Konzept angemessen zu agieren und auf die Bedürfnisse des Patienten einzugehen. Enge Absprache mit den anderen beteiligten Disziplinen ist notwendig, um optimale therapeutische Resultate zu erzielen. Deutsche Krankenkassen kommen für die durch Ergotherapie anfallenden Kosten im Allgemeinen auf, denn der Ansatz, den Menschen als Teil seiner Umwelt zu behandeln, führt oft zu vielversprechenden Ergebnissen.

Durchführung & Ablauf

Der Ablauf einer Ergotherapie beginnt mit einer umfassenden Eingangsanalyse, in der die Ergotherapeutin oder der Ergotherapeut die individuellen Bedürfnisse und Einschränkungen des Patienten erfasst. Dazu gehören die Beurteilung der motorischen, kognitiven und sensorischen Fähigkeiten sowie die Erfassung von Problemen im Alltag, etwa beim Ankleiden, Essen oder in der Kommunikation. Gemeinsam mit dem Patienten werden konkrete Therapieziele formuliert, die auf dessen Lebensumstände und persönlichen Wünsche abgestimmt sind.

Auf Grundlage der Eingangsanalyse erstellt die Ergotherapeutin einen individuellen Therapieplan. Je nach Zielsetzung und Gesundheitszustand wird dann mit speziellen Übungen, handwerklichen Tätigkeiten oder alltagsnahen Simulationen gearbeitet. Bei motorischen Einschränkungen trainiert der Patient gezielt Bewegungsabläufe und den Umgang mit Hilfsmitteln. Bei kognitiven oder psychischen Herausforderungen können Konzentrationsübungen, Gedächtnistraining oder sozial-kommunikative Spiele Teil der Therapie sein.

Während der Therapiephase wird der Fortschritt regelmäßig überprüft und der Therapieplan gegebenenfalls angepasst. Ein wichtiger Bestandteil der Ergotherapie ist zudem das Einüben von Selbsthilfestrategien, die dem Patienten ermöglichen, Herausforderungen eigenständig zu bewältigen. Oft wird auch das Umfeld des Patienten einbezogen, um die Umsetzung im Alltag zu erleichtern. Die Therapie endet, sobald die definierten Ziele erreicht sind oder der Patient eine ausreichende Selbstständigkeit erlangt hat, die ihm im Alltag weiterhilft.

Alternativen

Falls eine Ergotherapie nicht möglich oder geeignet ist, gibt es verschiedene alternative Verfahren, die ebenfalls auf die Förderung der Selbstständigkeit und Lebensqualität abzielen. Eine gängige Alternative ist die Physiotherapie, die auf die Verbesserung der körperlichen Beweglichkeit und Muskelkraft fokussiert ist. Besonders bei Patienten mit körperlichen Einschränkungen oder Schmerzen wird diese Therapieform oft ergänzend oder ersatzweise angewendet, um Mobilität und Bewegungsabläufe zu fördern.

Logopädie ist eine weitere Alternative, vor allem für Patienten mit sprachlichen oder kognitiven Einschränkungen, die ihre Kommunikationsfähigkeit verbessern möchten. Auch kognitive Aspekte wie das Gedächtnistraining spielen in der Logopädie eine Rolle, was sie bei Sprach- und Sprechstörungen sowie nach neurologischen Erkrankungen wie Schlaganfällen hilfreich macht.

Bei psychischen oder emotionalen Schwierigkeiten bieten sich psychotherapeutische Verfahren wie Verhaltenstherapie oder Gesprächstherapie an, die gezielt auf die Stärkung der psychischen Gesundheit abzielen. Diese helfen, innere Blockaden zu lösen, und unterstützen die emotionale Stabilität, die für viele alltägliche Aufgaben wichtig ist.

Zusätzlich kann Hippotherapie oder therapeutisches Reiten eine Alternative sein, insbesondere bei Kindern und Patienten, die durch den Kontakt zu Tieren positive Entwicklungsimpulse erhalten. Schließlich bieten kreative Therapieformen wie Kunst- oder Musiktherapie eine ergänzende oder eigenständige Option, um Ausdrucksmöglichkeiten zu fördern und die emotional-mentale Gesundheit zu stärken. Diese Verfahren sind besonders für Patienten geeignet, die durch kreative Aktivitäten Entspannung und Selbstvertrauen gewinnen.

Quellen

  • Habermann,C., Kolster, F.: Ergotherapie im Arbeitsfeld Neurologie. Thieme,Stuttgart 2002
  • Nacke, Angelika: Ergotherapie bei Kindern mit Wahrnehmungsstörung. Thieme, Stuttgart 2010
  • Scheepers, C., Steding-Albrecht, U., Jehn, P.: Ergotherapie. Vom Behandeln zum Handeln. Thieme, Stuttgart 2015

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