May-Hegglin-Anomalie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die May-Hegglin-Anomalie ist eine erbliche Anomalie der Leukozyten, die zu den MYH9-assoziierten Erkrankungen zählt und mit einer Punktmutation assoziiert ist. Die Erbkrankheit geht mit einem Mangel an Thrombozyten und einer anormalen Thrombozytenform einher. Patienten mit der Anomalie leiden daher an leichter Blutungsneigung.
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Was ist eine May-Hegglin-Anomalie?
Die Gruppe der sogenannten MYH9-assoziierten Erkrankungen umfasst verschiedene Erberkrankungen, die eine Mutation in den MYH6-Genen zur Grundlage haben. Zu dieser Krankheitsgruppe zählt die May-Heggelin-Anomalie, die mit veränderten Blutplättchen assoziiert ist und unter die genetisch bedingten Leukozytenanomalien gefasst wird.
Andere Erkrankungen aus der Gruppe der MYH9-assoziierten Krankheitsbilder sind das Sebastian-Syndrom, das Fechtner-Syndrom und das Epstein-Syndrom. Die May-Hegglin-Anomalie ist die häufigste Erkrankung aus der übergeordneten Gruppe, obwohl es sich auch bei der Anomalie um eine seltene Krankheit handelt. Bislang sind nicht ausreichend Fälle dokumentiert, um eine zuverlässige Prävalenz angeben zu können.
Die geringe Zahl der Fälle macht die Forschung zur May-Hegglin-Anomalie und zu den anderen MYH9-assoziierten Erkrankungen schwierig. Aus diesem Grund sind nicht alle Zusammenhänge der Krankheitsgruppe abschließend geklärt.
Ursachen
Die Mutation des Gens führt zu einer Änderung der Konformation, die den Kopf des NMMHC-IIA-Proteins betrifft. Das Protein der Patienten aggregiert wegen der Konformationsänderung in abnormaler Weise zu Döhle-Körperchen und das Zytoskelett der Megakaryozyten organisiert sich in einer Folge dessen fehlerhaft. Die Megakaryozyten sind Vorläuferzellen der Thrombozyten.
So führt die Mutation des Gens im Rahmen der May-Hegglin-Anomalie nicht nur zu einer Leukozytenanomalie, sondern auch zur einer Makrothrombozytopenie. Dieses Phänomen ist durch einen Mangel an Thrombozyten gekennzeichnet, der durch übergroße Thrombozyten entsteht. Die hyperplastischen Thrombozyten tragen Leukozyteneinschlüssen und werden manchmal sogar größer als Erythrozyten. Für die Anomalie wurde familiäre Häufung beobachtet. Die Weitergabe der Erkrankung erfolgt im autosomal-dominanten Erbgang.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Patienten der May-Hegglin-Anomalie leiden an einer Reihe charakteristisch klinischer Symptome. Zu dem Symptomkomplex zählt eine verringerte Thrombozytenzahl und ein verändertes Thrombozytenvolumen. Aufgrund dieser Zusammenhänge sind sie meist von erhöhter Blutungsneigung betroffen, da die Thrombozyten bei der Gerinnungskaskade eine Hauptrolle spielen.
Die symptomatische Blutungsneigung der Patienten ist nicht derart ausgeprägt wie bei Patienten des verwandten Sebastian-Syndroms. Nichtsdestotrotz leiden auch Patienten der May-Hegglin-Anomalie an einer Funktionsstörung der Thrombozyten, die auch als Thrombozytopathie bekannt ist. Diese Symptome sind mit einer Makrothrombozytopenie vergesellschaftet, die sich an den vorhandenen Thrombozyten inform einer abnormalen Größe mit Leukozyteneinschlüssen zeigt.
Die Betroffenen weisen anders als Patienten des Fechtner-Syndroms oder Epstein-Syndroms keinen Hörverlust und ebenso wenig Nierenproblematiken auf. Die Anomalie wird meist als mildeste Erkrankung aus dem Bereich der MYH9-assoziierten Erkrankungen bezeichnet, da sie mit den wenigsten Symptomen und der leichtesten Ausprägung assoziiert ist.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die Diagnose einer May-Hegglin-Anomalie ist für den Arzt unter Umständen eine Herausforderung. Manche Patienten zeigen kaum Symptome und werden daher überhaupt nicht oder erst in höherem Alter diagnostiziert. Wegen der annähernden Symptomlosigkeit bringt die Anamnese den Arzt oft nicht besonders weit. Oft stellen sich erst bei routinemäßigen Blutuntersuchungen Anomalien heraus.
Bei näheren Untersuchungen können diese einen Verdacht auf eine Erkrankung aus der Gruppe der MYH9-assoziierten Erkrankungen nahelegen. Um die Erkrankungen aus dieser Gruppe differentialdiagnostisch voneinander abzugrenzen, muss eine molekulargenetische Analyse erfolgen. Zwar äußern sich alle vier Krankheiten aus der Gruppe als Punktmutationen des MYH9-Gens, allerdings sind diese Punktmutationen abhängig von der Krankheit an verschiedenen Stellen lokalisiert.
Aus diesem Grund lässt sich durch die DNA-Analyse eine eindeutige Diagnose auf die Anomalie stellen. Die Prognose ist äußerst günstig. Einschränkungen der Lebenserwartung oder des alltäglichen Lebens bestehen für die Betroffenen in aller Regel nicht.
Komplikationen
Ebenso treten Nierenbeschwerden auf, sodass der Betroffene im schlimmsten Fall eine Niereninsuffizienz erleiden kann. Die Betroffenen sind auf regelmäßige Untersuchungen und Kontrollen angewiesen, um verschiedene Folgeschäden zu vermeiden. Eine direkte und kausale Behandlung der May-Hegglin-Anomalie ist leider nicht möglich. Die Behandlung zielt daher in erster Linie nur auf die Einschränkung der Symptome ab.
Allerdings ist in vielen Fällen bei der May-Hegglin-Anomalie keine Behandlung notwendig, wenn es nicht zu Schäden oder zu Einschränkungen an den inneren Organen kommt. Die Betroffenen müssen in ihrem Alltag auf verschiedene Gefahren achten und diese vermeiden, damit es nicht zu Blutungen kommt. In akuten Notfällen können die Blutungen mit Hilfe von Medikamenten gestoppt werden. Die Lebenserwartung wird in den meisten Fällen durch die May-Hegglin-Anomalie nicht verringert.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Menschen, die im direkten Vergleich zu ihren Mitmenschen eine erhöhte Blutungsneigung zeigen, sollten einen Arzt aufsuchen. Können selbst kleine Wunden nur mit großem Aufwand oder nach einem hohen Blutverlust gestoppt werden, ist ein Arztbesuch anzuraten. Zusätzlich wird eine sterile Wundversorgung benötigt, damit keine Sepsis und damit eine Lebensgefahr droht. Kann die Wundversorgung nicht im benötigten Umfang vom Betroffenen gewährleistet werden, ist schnellstmöglich ein Arzt zu konsultieren. Reißen vorhandene Wunden sehr schnell bei einem Verbandswechsel erneut ein, ist dies ein Anzeichen für eine bestehende Unregelmäßigkeit. Ein optimaler Heilungsprozess wird dadurch erheblich gestört und sollte ärztlich begutachtet werden.
Leidet der Betroffene unter häufigem Nasen- oder Zahnfleischbluten, ist es ratsam, mit einem Arzt die Beobachtungen zu besprechen. Kommt es aufgrund eines erhöhten Blutverlusts zu Schwindel, einer verschwommenen Sicht oder einem Verlust der inneren Kräfte, wird ein Arzt benötigt. Umfangreiche Untersuchungen sind notwendig, damit eine Ursache ermittelt werden kann und eine Diagnosestellung ermöglicht wird. Bei einem Bewusstseinsverlust ist ein Rettungsdienst zu alarmieren. Es besteht ein potentiell lebensgefährlicher Zustand, der von einem Arzt betreut werden muss. Leiden geschlechtsreife Frauen unter einer starken Menstruationsblutung, sollten sie die Blutmenge protokollieren und anschließend einen Arzt konsultieren. Bei einem Verlust des Hörvermögens wird ebenfalls ein Arzt benötigt.
Behandlung & Therapie
Eine kausale Therapie steht für keine der MYH9-assoziierten Erkrankungen zur Verfügung. Auch die May-Hegglin-Anomalie gilt wegen der genetischen Basis bisher als unheilbar. Derzeit sind gentherapeutische Therapieschritte ein Gegenstand der medizinischen Forschung. Aus diesem Grund wird in naher Zukunft unter Umständen eine kausale Behandlung für die Anomalie existieren, die die Erkrankung zu einer heilbaren Erkrankung macht.
Bislang ist das noch Zukunftsmusik. Symptomatische Behandlungen können an Patienten der May-Hegglin-Anomalie bei Bedarf erfolgen. In den meisten Fällen sind Therapien aber nicht notwendig. Die meisten der Betroffenen sind durch die Erkrankung annähernd überhaupt nicht eingeschränkt. Auch bei kleineren Verletzungen führt die Krankheit in der Regel nicht zu schwerwiegenden Komplikationen oder untragbar hohen Blutverlusten, da sich die Blutungsneigung der Patienten in Grenzen hält.
Im Rahmen von schweren Verletzungen und Operationen wird den Patienten meist trotzdem ein Thrombozytenkonzentrat gegeben, um den Thrombozytenmangel auszugleichen und die Gerinnung zu fördern. Blutungskomplikationen können auf diese Weise verhindert werden.
Aussicht & Prognose
Die Prognose bezüglich der Lebenserwartung ist bei fast allen Patienten mit der May-Hegglin-Anomalie positiv. Die mutationsbedingte Erbkrankheit ist als häufigste unter den sehr seltenen MYH9-assoziierten Erkrankungen bekannt geworden.
Mittels einer symptomatischen Therapie kann die May-Hegglin-Anomalie stabil gehalten werden. Lediglich vor anstehenden Operationen ist eine Thrombozyten-Transfusion notwendig. Nur operative und postoperative Risiken können die Prognose verschlechtern. Dass die Prognose bei der May-Hegglin-Anomalie so günstig ausfällt, ist ein Glücksfall. Die Betroffenen leiden jedoch aufgrund dieser Erkrankung an einer erhöhten Blutungsneigung. Diese ist allerdings nicht vergleichbar mit der Bluterkrankheit. Sie fällt deutlich schwächer aus.
Weitere Symptome liegen meist nicht an. Daher ist diese Form der MYH9-assoziierten Erkrankungen von den anderen Formen dieser Gruppe gut abzugrenzen. Problematisch ist jedoch, dass manche Patienten mit dieser Anomalie keinerlei Symptome haben. Manche werden deswegen erst im fortgeschrittenen Alter auffällig. Ohne eine molekulargenetische Untersuchung bzw. eine DNA-Analyse wird der Arzt keine Klarheit darüber haben, welche der vier Erkrankungen dieses Formenkreises vorliegt.
Bisher sind nur wenige Fälle der May-Hegglin-Anomalie vorgekommen. Über die Prävalenz der Anomalie kann daher bislang keine Aussagen getroffen werden. Die Mediziner wissen lediglich, dass die May-Hegglin-Anomalie autosomal-dominant vererbt wird. Sie tritt daher familiär gehäuft auf. Da die Prognose günstig ausfällt, sind keine lebenseinschränkenden Krankheitsfolgen zu erwarten.
Vorbeugung
Die Krankheiten aus der Gruppe der MYH9-assoziierten Erkrankungen sind allesamt äußerst seltene Erkrankungen. Aus diesem Grund ist die Forschung innerhalb der Krankheitsgruppe nicht weit genug fortgeschritten, als dass Vorbeugemaßnahmen zur Verfügung stehen würden. Wegen der Erblichkeit der May-Hegglin-Anomalie können sich Patienten dieser Erkrankung während der Familienplanung zumindest genetisch beraten lassen.
Nachsorge
Die May-Hegglin-Anomalie ist in der Regel mit verschiedenen Beschwerden verbunden, welche sich alle sehr negativ auf das Leben und auch auf die Lebensqualität des Betroffenen auswirken können. Daher sollte der Betroffene schon bei den ersten Symptomen oder Anzeichen der Krankheit einen Arzt kontaktieren, damit sich die Beschwerden nicht weiterhin verschlechtern.
Aufgrund der erhöhte Blutungsneigung sollten Betroffene darauf achten, einen achtsamen Lebensmodus zu führen, um das Verletzungsrisiko zu mindern. Sofern die Symptome der Erkrankung die Entstehung psychischer Problem oder sogar Depressionen gefördert hat, sollte ein Psychologe zu Rate gezogen werden. Eine begleitende Therapie kann helfen, das seelische Gleichgewicht wiederherzustellen und einen besseren Umgang mit der Erkrankung zu fördern.
Das können Sie selbst tun
Sollten beide Elternteile an dieser Anomalie erkrankt sein, so kann bei einem Kinderwunsch eine genetische Beratung sinnvoll sein. Dabei kann das Risiko der Weitervererbung dieser Erkrankung abgeschätzt werden. Falls es beim Patienten zu einer Blutung kommt, so muss diese gestoppt werden. In den meisten Fällen ist dabei kein Aufsuchen eines Arztes notwendig, das Stoppen der Blutung kann allerdings etwas länger andauern. Große Blutverluste treten nicht auf und es kommt zu keinen weiteren Komplikationen.
Im Falle von operativen Eingriffen sind die Patienten auf die Einnahme von Medikamenten angewiesen, um starken Blutungen zu vermeiden. Eine weitere Behandlung der May-Hegglin-Anomalie ist dabei nicht notwendig. Auch die Entwicklung des Kindes wird durch die Erkrankung in den meisten Fällen nicht negativ beeinträchtigt, sodass auch hierbei keine Behandlung notwendig ist.
Quellen
- Burkhardt, D.: Gesund leben. Laborwerte deuten. Müller Verlag, Köln 2005
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015