Sebastian-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Sebastian-Syndrom zählt zu den MYH9–assoziierten Erkrankungen und ist ein angeborener Symptomkomplex mit dem Leitsymptom der Blutungsneigung, der aufgrund einer Mutation entsteht. Familiäre Häufungen wurden beobachtet. Für die meisten Patienten ist keine Langzeittherapie erforderlich, um ein normales Leben führen zu können.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Sebastian-Syndrom?

Die Patienten neigen häufig zu Zahnfleischbluten oder Epistaxis. Frauen mit Sebastian-Syndrom haben eine signifikant stärkere Menstruationsblutung als gesunde Altersgenossinnen.
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Als Gruppe der MYH9–assoziierten Erkrankungen ist eine Reihe von angeborenen Erberkrankungen bekannt, denen eine Mutation des MHY9-Gens zugrunde liegt. Neben dem Fechtner-Syndrom, der May-Hegglin-Anomalie und dem Epstein-Syndrom zählt auch das Sebastian-Syndrom zu dieser Krankheitsgruppe. Dieser Symptomkomplex ist durch eine Blutungsneigung gekennzeichnet. Die Prävalenz für das Sebastian-Syndrom ist gering.

Schätzungsweise 50 Menschen sind derzeit von der Erkrankung betroffen. Der Anteil von erkrankten Männern und Frauen ist etwas gleich hoch. Auch eine demographische Häufung wurde bislang nicht beobachtet. Die Erstbeschreibung des Sebastian-Syndroms fand gegen Ende des 20. Jahrhunderts statt. Die damals dokumentierten Fälle wurden von Greinacher und Kollegen beschrieben.

Die niedrige Fallzahl seit der Erstbeschreibung hat die Forschung zum Sebastian-Syndrom bislang schwierig gestaltet. Nicht alle Tendenzen und Ursachen des Syndroms sind abschließend geklärt.

Ursachen

Das Sebastian-Syndrom tritt nicht sporadisch auf, sondern ist mit familiärer Häufung assoziiert. Die 50 bisher beschriebenen Fälle wurden in nur zehn verschiedenen Familien beobachtet. Eine genetische Disposition liegt aus diesem Grund nahe. Die Vererbung scheint autosomal-dominant zu erfolgen. Mittlerweile wurde eine Mutation als Ursache des Syndroms identifiziert. Wie bei allen MYH9–assoziierten Erkrankungen betrifft diese Mutation das MYH9-Gen auf Gen-Locus q11.2 des Chromosoms 22.

Die einzelnen Erkrankungen der Gruppe unterscheiden sich ausschließlich in der genauen Lokalisation, nicht aber in der Art der Mutation. Bei den Mutationen handelt es sich innerhalb der gesamten Gruppe vorwiegend um Punktmutationen. Die verschiedene Lokalisation erklärt die spezifischen Symptome der einzelnen Syndrome. Das MHY9-Gen ist an der Kodierung der schweren Ketten von Nicht-Muskel-Myosinen Typ IIA beteiligt.

Diese Proteine kommen vor allem in Blutzellen wie Monozyten und Thrombozyten, aber auch in der Hörschnecke und den Nieren vor. Als Folge der Genmutation leiden Patienten des Sebastian-Syndroms an Makrothrombozytopenie, die von einem Mangel an Thrombozyten und der hyperplastischen Größe der Thrombozyten geprägt ist.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Patienten des Sebastian-Syndroms leiden an einem Symptomkomplex aus verschiedenen klinischen Merkmalen. Das typischste Symptom ist die Makrothrombozytopenie. Die übergroßen Thrombozyten der Patienten führen zu einem Thrombozytenmangel. Zusätzlich zur anomalen Größe finden sich oft Einschlüsse in den einzelnen Thrombozyten, die aus Leukozyten bestehen. Thrombozyten sind maßgeblich an der Gerinnungskaskade beteiligt, die nach Verletzungen die Wunden verschließt.

Durch ihren geringen Thrombozytengehalt leiden die Patienten des Sebastian-Syndroms an Blutungsneigung, da sie einen schlechteren Wundverschluss als der Durchschnitt besitzen. Ihre Blutungen sind ausgeprägt stark. Die Patienten neigen häufig zu Zahnfleischbluten oder Epistaxis. Frauen mit Sebastian-Syndrom haben eine signifikant stärkere Menstruationsblutung als gesunde Altersgenossinnen.

An einigen Patienten wurde außerdem häufiges Nasenbluten beobachtet. Die Blutverluste können darüber hinaus die allgemeine Kreislauf-Konstitution der Betroffenen belasten.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose auf das Sebastian-Syndrom lässt sich ausschließlich über eine molekulargenetische Untersuchung stellen. Nur die DNA-Analyse kann den Zusammenhang mit dem entsprechenden Gen belegen. Auch der Ausschluss von verwandten Syndromen kann lediglich durch eine Lokalisierung der Mutation im Rahmen der Genanalyse vorgenommen werden.

Der Arzt veranlasst die DNA-Analyse nach der Anamnese, falls die Symptome in ihm einen ersten Verdacht auf die Gruppe der MYH9–assoziierten Erkrankungen erregt. Die Prognose ist für Patienten mit Sebastian-Syndrom im Prinzip günstig. Weder ihre Lebenserwartung, noch ihre Lebensqualität ist durch die Erkrankung sonderlich eingeschränkt. Allerdings findet bei Operationen und Verletzungen nur eine langsame Blutgerinnung statt.

Aus diesem Grund ist ihr Verblutungsrisiko im Rahmen von Unfällen zum Beispiel höher als das von gesunden Personen. Bei Operationen gilt nur dann ein hohes Risiko, wenn die Erkrankung zuvor nicht erkannt wurde.

Komplikationen

Das Sebastian-Syndrom wirkt sich sehr negativ auf die Lebensqualität der Betroffenen aus und kann diese deutlich verringern. In erster Linie kommt es aufgrund des Syndroms zu einer deutlich verzögerten Wundheilung und damit auch häufiger und länger zu Blutungen. Vor allem bei Kindern kann dies die Entwicklung verzögern und einschränken.

Auch bei operativen Eingriffen steigt das Risiko von starken Blutungen. Weiterhin leiden die Betroffenen sehr häufig an Zahnfleischbluten und damit möglicherweise auch an Schmerzen oder an Entzündungen. Bei Frauen kann das Sebastian-Syndrom zu einer verstärkten Monatsblutung führen, die in der Regel mit starken Schmerzen verbunden ist.

Auch ein häufiges Nasenbluten kann auftreten und sich negativ auf den Alltag des Patienten auswirken. Die häufigen Blutungen führen zu einem Blutverlust, der, sofern er dauerhaft anhält, zu Kreislaufbeschwerden führen kann. Die Betroffenen leiden mitunter an Schwindelgefühlen oder an Müdigkeit.

Das Sebastian-Syndrom wird nur symptomatisch behandelt. Dabei treten in der Regel keine besonderen Komplikationen auf. Mit Hilfe von Medikamenten können die Blutungen gestoppt werden. Auch die Lebenserwartung wird von dem Syndrom in den meisten Fällen nicht eingeschränkt oder verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Beim Sebastian-Syndrom muss immer ein Arzt aufgesucht werden. Da es sich dabei um eine genetisch bedingte Krankheit handelt, kann es nicht zu einer Selbstheilung kommen, wobei dem Betroffenen auch nur eine rein symptomatische und keine kausale Therapie zur Verfügung steht. In der Regel ist der Arzt beim Sebastian-Syndrom dann aufzusuchen, wenn der Patient eine stark erhöhte Blutungsneigung zeigt. Dabei kann es schon bei leichten Verletzungen oder bei leichten Schnitten zu sehr heftigen Blutungen kommen, wobei der Betroffene eine hohe Menge an Blut verlieren kann.

Auch ein starkes Bluten am Zahnfleisch oder sehr starke Menstruationsblutungen können auf das Sebastian-Syndrom hindeuten und sollten durch einen Arzt untersucht werden. Bei starken Verletzungen sollte ein Notarzt gerufen oder direkt das Krankenhaus aufgesucht werden, um weitere Komplikationen zu verhindern. Das Sebastian-Syndrom wird in erster Linie durch den Hausarzt behandelt. Bei weiteren Behandlungen sollte der Betroffene die Ärzte immer auf das Sebastian-Syndrom hinweisen.

Behandlung & Therapie

Kausale Therapieoptionen stehen für Patienten des Sebastian-Syndroms ebenso wenig zur Verfügung wie für Betroffene der verwandten Erkrankungen. Eine kausale Therapie würde einer Gentherapie entsprechen. Da dieser Behandlungsweg aktuell Gegenstand der medizinischen Forschung ist, sind genetische Erkrankungen wie das Sebastian-Syndrom in Zukunft vermutlich heilbar.

Zum aktuellen Zeitpunkt gilt das Syndrom allerdings noch als unheilbare Erkrankung, die ausschließlich symptomatisch behandelt werden kann. In den meisten Fällen schränkt das Sebastian-Syndrom die Patienten nicht weiter in ihrem Leben ein. Aus diesem Grund finden in aller Regel keinerlei therapeutische Schritte statt. Das gilt zumindest solange, wie die Betroffenen nicht in Unfälle verwickelt sind und ebenso wenige Operationen überstehen müssen.

Erst bei schweren Blutungen durch schwere Verletzungen oder Operationen muss der Mangel an Thrombozyten zeitweise ausgeglichen werden, damit die Patienten nicht verbluten. Ein solcher Ausgleich wird in der Regel durch die Gabe eines Thrombozytenkonzentrats vorgenommen. Die Blutgerinnung verläuft nach der Gabe dieser Konzentrate ähnlich wie bei gesunden Menschen und die Risiken für etwaige Komplikationen sind damit minimiert.


Vorbeugung

Das Sebastian-Syndrom ist eine Krankheit, die erst in der jüngsten Vergangenheit erstmals dokumentiert worden ist. Da seit der Erstbeschreibung nur 50 Fälle in insgesamt fünf Familien festgehalten wurden, ist die Forschungslage stark beschränkt.

Aus diesem Grund sind weder alle Einflussfaktoren für die ursprüngliche Mutation bekannt, noch existieren Vorbeugemaßnahmen. Da in Familien mit Fällen des Sebastian-Syndroms eine hohe Wahrscheinlichkeit zur Weitergabe des Syndroms besteht, können sich diese Familien im Rahmen der Familienplanung molekulargenetisch beraten lassen.

Nachsorge

Das Sebastian-Syndrom ist eine unheilbare Krankheit. Bisher gibt es noch keine Möglichkeit zur Behandlung. Es kann lediglich eine symptomatische Behandlung erfolgen. Außerdem gibt es einige Dinge die Betroffene beachten sollten, damit sie den Alltag meistern können und keine Komplikationen auftreten. Es ist sehr wichtig, dass Betroffene bei Verletzungen schnell einen Arzt aufsuchen.

Da das Blut von Erkrankten schlecht gerinnt, müssen sie auch bei Unfällen aufpassen. Betroffene können mit einer entsprechenden Therapie ein relativ normales Leben führen. Dennoch sollten sie den Kontakt zu Familie und Angehörigen sehr pflegen, um in Notfällen Hilfe und Unterstützung von diesen in Anspruch nehmen zu können.

Dafür ist es auch wichtig, dass die Familie und die Angehörigen ausreichend über die Krankheit informiert sind. In Notfällen können diese dann angemessen handeln. Betroffene, die unter der Krankheit stark leiden, sollten eine dauerhafte psychologische Beratung besuchen. Für diese kann es auch hilfreich sein, eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen.

Dort können Betroffene mit anderen Erkrankten über die Krankheit reden und weitere mögliche Lebensweisen mit der Erkrankung kennenlernen. Betroffene fühlen sich dann nicht mit der Krankheit alleine. Auch ausreichend Sport und eine ausgewogene und vitaminreiche Ernährung ist sehr wichtig. Dies reduziert die Gefahr von Komplikationen.

Das können Sie selbst tun

Das Sebastian-Syndrom gehört zum aktuellen Zeitpunkt zu den noch unheilbaren Erkrankungen. Das bedeutet, dass es lediglich eine symptomatische Therapie gibt. Dafür stehen einige Alltagstipps zur Verfügung, die die Gesundheitsgefahr minimieren.

Bei den Patienten gerinnt das Blut schlecht, sodass es sehr wichtig ist, bei Verletzungen schnell zu handeln. Bei Unfällen müssen die Betroffenen deshalb besonders aufpassen und bei einer anstehenden Operation sollten die Ärzte informiert werden. Wenn es zu einer schweren Verletzung mit starker Blutung kommt, ist ein Ausgleich an Thrombozyten erforderlich. Dieser stellt sicher, dass die Patienten nicht zu viel Blut verlieren. Durch ein Thrombozytenkonzentrat verläuft die Blutgerinnung ähnlich wie bei einer gesunden Person. Damit reduziert sich das Risiko von möglichen Komplikationen.

Der alltägliche Umgang mit der Erbkrankheit bezieht sich also auf gewisse Vorsichtsmaßnahmen, die bei sportlichen Aktivitäten besonders wichtig sind. Dennoch können die Betroffenen ohne eine langfristige Therapie relativ normal leben. Die Vererbung der seltenen Krankheit ist sehr wahrscheinlich. Darum empfiehlt sich für die Betroffenen eine ausführliche Beratung für die Familienplanung. In diesem Zusammenhang geht es vor allem um die molekulargenetische Analyse, die die Basis für das Beratungsgespräch zwischen Arzt und Patient bildet.

Quellen

  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
  • Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003

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