Epstein-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Epstein-Syndrom ist die schwerwiegendste Form der MHY9-assoziierten Erkrankungen und wird wie alle Syndrome der Gruppe durch Mutationen im MHY9-Gen ausgelöst und autosomal-dominant vererbt. Das Syndrom manifestiert sich in Thrombozytenmangel, Hörverlust und Entzündungen der Nieren. Die Behandlung erfolgt symptomatisch.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Epstein-Syndrom?

Patienten des Epstein-Syndrom leiden an einem Komplex aus klinischen Symptomen. Eines der wichtigsten Symptome ist der charakteristische Mangel an Thrombozyten, die sogenannte Thrombozytopenie.
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Die Krankheitsgruppe der Thrombozytopenien durch MYH9-Genmutation ist auch als Gruppe der MYH9-assoziierten Erkrankungen bekannt. Dabei handelt es sich um seltene Erberkrankungen, zu denen neben dem Sebastian-Syndrom, der May-Hegglin-Anomalie und den Fechtner-Syndrom auch das sogenannte Epstein-Syndrom zählt.

Wegen seiner Seltenheit existieren bislang keine gesicherten Daten zur Epidemiologie oder der genauen Prävalenz des Symptomkomplexes. Für die MYH9-assoziierten Erkrankungen geht die Forschung bislang von einer Häufigkeit zwischen einem bis neun Fällen in 1000000 Menschen aus. Damit läge die Prävalenz für das Epstein-Syndrom als Einzelerkrankung weit unter 1:1000.000.

Das Epstein-Syndrom wurde seit der Erstbeschreibung an weniger als 100 familiären Fällen beschrieben. Ende des 20. Jahrhunderts war es Charles J. Epstein, der das Syndrom erstmals beschrieb und ihm den Namen vermacht hat. Das Epstein-Syndrom wird auch als nephrotisches Syndrom bezeichnet, da es sich nicht nur in den Thrombozyten, sondern auch den Nieren manifestiert.

Ursachen

Wie alle MYH9-assoziierten Erkrankungen scheint das Epstein-Syndrom nicht sporadisch aufzutreten. An den 100 dokumentierten Fällen konnte eine familiäre Häufung beobachtet werden. Scheinbar liegt dem Symptomkomplex ein autosomal-dominanter Erbgang zugrunde. Die MYH9-assoziierten Erkrankungen werden durch eine Mutation im MHY9-Gen verursacht.

Abhängig von der Einzelerkrankung unterscheidet sich die genaue Lokalisation der Mutation, sodass verschiedene Symptome die einzelnen Krankheiten der Gruppe charakterisieren. Beim Epstein-Syndrom liegen Punktmutationen des MYH9-Gens vor, die Chromosom 22 im Gen-Locus q11.2 betreffen. Das MHY9-Gen kodiert für schwere Ketten des NMMHC-IIA, des sogenannten Nicht-Muskel-Myosins.

Dabei handelt es sich um ein Protein in Blutzellen wie Monozyten und Thrombozyten, in der Cochlea und den Nieren. Die Mutation des Epstein-Syndroms verändert die Konformation im Kopf-Anteil des Proteins und stört die Aggregation zu den Döhle-Körperchen. Auf diese Weise entsteht ein abnormales Zytoskelett für die Megakaryozyten, die als Vorläufer der Thrombozyten gelten.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Patienten des Epstein-Syndrom leiden an einem Komplex aus klinischen Symptomen. Eines der wichtigsten Symptome ist der charakteristische Mangel an Thrombozyten, die sogenannte Thrombozytopenie. Zusätzlich liegt eine Funktionsstörung vor, die auch als Thrombozytopathie bekannt ist. Die wenigen Thrombozyten im Blut der Patienten sind deutlich vergrößert.

Diese Makrothrombozytopenie ist beim Epstein-Syndrom anders als bei anderen Syndromen der Gruppe nicht mit dem Einschluss von Leukozyten assoziiert. Da das mutierte Protein aus dem MHY9-Gen auch in der Hörschnecke vorkommt, entwickeln einige Patienten des Epstein-Syndroms im Verlauf einen Hörverlust, der progredient fortschreitet. Der Hörverlust betrifft vor allem den Hochtonbereich.

Zusätzlich zu diesen Manifestationen liegt in den meisten Fällen eine Manifestation in den Nieren vor. Dabei handelt es sich meist um eine Glomerulonephritis, die mit einer Entzündung der Nierenfilter vergesellschaftet ist. Die Symptome der Nieren und Ohren müssen sich allerdings nicht zwangsläufig einstellen. Wenn die gestörte Aggregation des NMMHC-IIA-Proteins mithilfe einer anderen Myosinform kompensiert wird, bleibt es bei den zuerst genannten Symptomen der Thrombozytopathie und der Makrothrombozytopenie.

Diagnose

Das Epstein-Syndrom ist eine angeborene Erkrankung. Die Veränderungen der Thrombozyten manifestieren sich daher unmittelbar nach der Geburt. Da diese Veränderungen aber nicht direkt sichtbar sind, wird die Diagnose meist spät gestellt. Oft führen erst die Symptome der Nieren oder der fortschreitende Hörverlust zu einer eingehenden Diagnostik.

Histologisch fallen die formveränderten Thrombozyten auf. Auch der Thrombozytenmangel ist ein wichtiges Kriterium für eine Diagnose. Die Abgrenzung zu anderen Syndromen der Gruppe erfolgt spätestens mit den Symptomen der Nieren. Auch die fehlenden Leukozyteneinschlüsse grenzen das Epstein-Syndrom von anderen MHY9-assoziierten Erkrankungen ab.

Zur Sicherung einer Verdachtsdiagnose kann eine molekulargenetische Analyse dienen, die einen Nachweis über die genetische Mutation erbringt. Das Epstein-Syndrom ist das mitunter schwerwiegendste Syndrom aus der Gruppe der MHY9-assoziierten Erkrankungen.

Komplikationen

Aufgrund des Epstein-Syndroms leidet der Patient in den meisten Fällen an sehr schwerwiegenden Komplikationen. In der Regel kommt es zu einem kompletten Hörverlust und einer Nierenentzündung. Durch den Hörverlust ist der Betroffene in seinem Alltag stark eingeschränkt. Vor allem bei jungen Menschen kann dies zu starken psychischen Problemen führen.

Der Hörverlust muss zwar nicht plötzlich auftreten, kann allerdings im Laufe der Fortschreibung der Krankheit immer weiter zunehmen. Die Behandlung kann nur gezielt die auftretenden Symptome bekämpfen, es ist allerdings nicht möglich, das Epstein-Syndrom vollends zu heilen. Der Hörverlust kann durch Hörgeräte ausgeglichen werden. Dies ist in der Regel nur dann möglich, wenn es nicht zu einem vollständigen Verlust des Hörvermögens gekommen ist.

Falls der Hörverlust auf einer bestimmten Ebene beleibt, können auch Implantate im Ohr eingesetzt werden. Dabei kommt es zu keinen Komplikationen. Komplikationen können bei Blutungen und Operation eintreten und werden daher mit Thrombozytenkonzentraten behandelt. Sollte es zu Infekten oder Entzündungen an den Nieren kommen, können diese ebenso mit Hilfe von Medikamenten bekämpft werden. Allerdings muss der Patient sein gesamtes Leben mit dem Syndrom leben.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Leidet der Betroffene unter Veränderungen der gewohnten Hörfähigkeit, besteht Grund zur Besorgnis. Ein Arzt sollte konsultiert werden, da sich ohne eine Behandlung ein zunehmender Verlust des Hörens entwickeln kann. Die Gehörprobleme treten insbesondere im Frequenzbereich der höheren Töne auf und sollten ärztlich untersucht werden.

Störungen der Nierenfunktion sind ebenfalls einem Arzt vorzustellen und von diesem behandeln zu lassen. Treten stechende oder ziehende Schmerzen in der Region der Nieren auf, wird ein Arzt benötigt. Kommt es zu Veränderungen des Urins oder Problemen beim Wasserlassen, sind diese Anzeichen mit einem Arzt zu besprechen.

Breiten sich die Beschwerden aus oder nimmt die Intensität der Symptome zu, sollte schnellstmöglich ein Arzt konsultiert werden. Leidet der Betroffene unter plötzlichem und nicht nachvollziehbarem Nasenblutungen oder Zahnfleischbluten, ist ein Arzt aufzusuchen. Lassen sich Blutungen nach leichten bis mittelschweren Schnittverletzungen nur schwer stoppen, sollte ein Arzt aufgesucht werden.

Kommt es durch einen zu hohen Blutverlust zu Herzrasen, Bluthochdruck, Schwindel oder einer allgemeinen Schwäche, ist es notwendig, einen Arzt zu konsultieren. Bei Schlafstörungen, erhöhtem Stress, innerem Unwohlsein oder einem diffusen Krankheitsgefühl sollte ein Arzt aufgesucht werden. Halten die Beschwerden über mehrere Tage oder Wochen an, wird eine medizinische Versorgung benötigt.

Behandlung & Therapie

Um das Epstein-Syndrom kausal zu therapieren, wäre eine gentherapeutisch Behandlung von Nöten. Diese Behandlungsmaßnahmen sind aktuell Gegenstand der medizinischen Forschung, haben die klinische Phase allerdings noch nicht erreicht. Aus diesem Grund gilt das Epstein-Syndrom bislang als unheilbar. Die Behandlung erfolgt zum gegenwärtigen Zeitpunkt rein symptomatisch.

Thrombozytenmangel lässt sich beispielsweise durch Thrombozytenkonzentrate oder eine Thrombozytentransfusion ausgleichen. Das ist vor allem im Rahmen von Operationen oder Verletzungen notwendig, um die Gerinnungskaskade einzuleiten und die Blutungsneigung der Patienten unter Kontrolle zu halten. Gegen den fortschreitenden Hörverlust werden meist Hörhilfen oder später Implantate angeboten.

Die Symptome der Nieren werden gesondert behandelt. Gegen die Nierenentzündung kann den Patienten der entzündungshemmende Wirkstoff Methylprednisolon in hoher Dosis verabreicht werden. Diese Therapie erfolgt meist über mehrere Tage und entspricht einer sogenannten Stoßtherapie. Zusätzliche Wirkstoffe wie Cyclophosphamid unterdrücken das Immunsystem.

Eine alternative Behandlungsmethode zur medikamentösen Behandlung einer Nierenentzündung ist die Blutfilterung inForm von Plasmapherese. Im Rahmen des Epstein-Syndroms wird der medikamentös entzündungshemmenden Behandlung allerdings der Vortritt gelassen, da sich bei der Erkrankung nicht um eine Autoimmunerkrankung handelt.

Aussicht & Prognose

Die Epstein-Syndrom bietet dem Betroffenen keine Aussicht auf eine Heilung. Die Prognose ist ungünstig, da es sich um eine Generkrankung handelt. Eingriffe in die Genetik des Menschen sind den Wissenschaftlern und Medizinern nach den aktuellen rechtlichen Vorgaben untersagt. Daher können die behandelnden Ärzte ihren Fokus ausschließlich auf eine symptomatische Behandlung richten und versuchen, die vorhandenen Beschwerden zu minimieren.

Obgleich die Veränderungen und Beschwerden bereits bei der Geburt des Betroffenen manifestiert sind, kommt es häufig erst im späteren Entwicklungsprozess zu einer Diagnosestellung.

Die Einschränkungen oder der Verlust des Hörvermögens werden durch Hörgeräte sowie operative Eingriffe behandelt. Implantate finden Einsatz, die zu einer Verbesserung der Hörkraft führen. Diese Möglichkeiten sind als Hilfestellungen zu verstehen. Einschränkungen und Beeinträchtigungen des Hörvermögens bleiben trotz aller Bemühungen erhalten.

Die Störungen der Nierentätigkeit werden im Normalfall durch die Gabe von Arzneien therapiert. Bei einem günstigen Verlauf kommt es zu einer Stoßtherapie, in der die Nierenfunktion stabilisiert und optimiert wird. Nimmt der Organismus die Wirkstoffe nur unzureichend an, findet eine Filterung des Blutes Anwendung. Damit ist die Lebensqualität des Patienten deutlich beeinträchtigt.

Folgeerkrankungen sind bei dem Epstein-Syndrom jederzeit möglich. Neben den körperlichen Folgeschäden können sich psychische Erkrankungen ausbilden. Beide haben einen negativen Einfluss auf die Gesamtprognose des Betroffenen.


Vorbeugung

Dem Epstein-Syndrom liegen insbesondere genetische Faktoren zugrunde. Daher lässt sich der Erkrankung bislang nur durch genetische Beratung während der Familienplanung vorbeugen. Wenn eine familiäre Disposition für die Erkrankung besteht, können sich potenzielle Eltern gegebenenfalls gegen eigene Kinder entscheiden.

Nachsorge

Bei einer Epispadie stehen dem Patienten in der Regel nur sehr eingeschränkt Möglichkeiten der Nachsorge zur Verfügung. Der Betroffene ist dabei in erster Linie auf die medizinische Untersuchung und Behandlung durch einen Arzt angewiesen, um dauerhaft die Beschwerden er Epispadie zu lindern. Sollte die Krankheit nicht rechtzeitig behandelt werden, kann es zu schwerwiegenden Komplikationen und Beschwerden kommen, die das Leben des Patienten deutlich erschweren können.

In erster Linie sollte daher eine frühzeitige Diagnose durchgeführt werden. Die Behandlung der Epispadie erfolgt dabei in der Regel durch einen operativen Eingriff. Dabei kommt es nicht zu besonderen Komplikationen, wobei sich der Betroffene nach dem Eingriff ausruhen und seinen Körper schonen sollte. Nur durch eine strikte Bettruhe kann eine vollständige Genesung erfolgen.

In der Regel sollten auch anstrengende und stressige Aktivitäten nicht durchgeführt werden. In vielen Fällen sind die Betroffenen auch nach einer erfolgreichen Behandlung auf regelmäßige Untersuchungen durch einen Arzt angewiesen, um vor allem eine richtige Wundheilung zu garantieren.

Dabei wirkt sich auch die Pflege und die Unterstützung durch die eigene Familie oder durch Freunde positiv auf den Verlauf der Epispadie aus und kann psychische Verstimmungen verhindern. Die Lebenserwartung des Betroffenen wird durch diese Krankheit meist nicht eingeschränkt.

Das können Sie selbst tun

Das Epstein-Syndrom ist eine Erbkrankheit, die sich vorwiegend durch einen Thrombozytenmangel, eine Beeinträchtigung des Gehörs und chronische Nierenentzündungen manifestiert.

Es gibt derzeit weder schulmedizinische noch alternative Verfahren, um das Epstein-Syndrom ursächlich zu therapieren, da die Krankheit genetische bedingt ist. Aus diesem Grund sind auch keine vorbeugenden Maßnahmen möglich. Potentielle Träger der Erbkrankheit sollten sich vor der Gründung einer Familie aber beraten lassen. Im Rahmen der Beratung werden die Betroffenen darüber informiert, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass sie den genetischen Defekt an ihre Nachkommen weitergeben und mit welchen Konsequenzen im Falle eines Ausbruchs der Krankheit zu rechnen ist.

Sofern das Epstein-Syndrom in einer Familie bereits aufgetreten ist, sollten Betroffene einen behandelnden Arzt stets darauf hinweisen. Dies gilt auch im Falle kleinerer Eingriffe, zum Beispiel beim Zahnarzt. Der für die Krankheit charakteristische Mangel an Thrombozyten kann auch bei grundsätzlich harmlosen Eingriffen, wie etwa der Extraktion eines Zahns, gefährlich werden.

Bei manchen Betroffenen geht die Krankheit mit einer Verschlechterung des Hörvermögens einher. Vor allem hohe Töne können meist nicht mehr wahrgenommen werden. Die Patienten müssen dieses Symptom der Krankheit aber nicht einfach hinnehmen. In der Regel kann ihnen mit einem Hörgerät oder Implantaten geholfen werden.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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