Neurinom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei einem Neurinom handelt es sich um einen Tumor, der aus den Schwann'schen Zellen wächst und gutartig ist. Je nach Lage des Tumors können sich die Symptome von Fall zu Fall stark unterscheiden; Schmerzen und Nervenausfälle sind jedoch besonders häufig. Zur Behandlung kommen in erster Linie die operative Entfernung des Neurinoms und eine Strahlentherapie infrage.

Inhaltsverzeichnis

Was ist ein Neurinom?

Anhand des klinischen Bildes können Neurologen oft bereits grob eingrenzen, wo vermutlich die Ursache der nervlichen Störung liegt, die zu den individuellen Beschwerden führt. Eine Untersuchung mittels Magnetresonanztomografie (MRT) oder anderen bildgebenden Verfahren macht den Tumor sichtbar und kann auch ggf. andere Ursachen und Faktoren abbilden.
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Das Neurinom ist eine spezifische Art von Tumor und wächst aus Schwann'schen Zellen. Diese Art von Gliazellen wachsen spiralförmig um den Fortsatz der Nervenzellen und schaffen dadurch eine elektrisch isolierende Schicht, was die Geschwindigkeit der Signalübertragung steigert. Neurinome, die an diesen Schwann'schen Zellen entstehen, beeinträchtigen deshalb die Funktionsweise des jeweiligen Nervs.

Die meisten Betroffenen sind zwischen 40 und 60 Jahre alt; grundsätzlich kann sich das Neurinom jedoch in jeder Altersgruppe entwickeln. Wegen seiner gutartigen Natur ist es auch als benigner peripherer Nervenscheidentumor (BPNST) bekannt. Weitere Namen für das Neurinom sind: Schwannom, Schwannzell-Tumor und Neurolemmom beziehungsweise Neurilemmom.

In sehr seltenen Fällen (weniger als ein Prozent) kann das an sich gutartige Neurinom zu einem bösartigen Neurofibrosarkom werden. Arme und Beine sind vom Neurofibrosarkom besonders oft betroffen, während das Neurinom vor allem im Kopf und Hals auftritt.

Ursachen

Wie alle Tumore geht auch das Neurinom auf Neubildungen im betroffenen Gewebe zurück. Bei einer Neurofibromatose Typ 2 ist die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung eines Neurinoms deutlich erhöht. Die Erbkrankheit führt zur Tumorbildung im Gehirn, wobei sich die Neubildungen überwiegend um den Nervus vestibulocochlearis gruppieren.

Des Weiteren besitzen in vielen Fällen das Rückenmark und andere Hirnnerven weitere Tumore. Fehlbildungen der Augen, Hautveränderungen und Auffälligkeiten des zentralen Nervensystems insgesamt treten bei der Neurofibromatose vom Typ 2 ebenfalls häufig auf. Zu den allgemeinen Symptomen des Neurinoms und gegebenenfalls Akustikneurinoms kommen bei dieser Erkrankung weitere Beschwerden hinzu, die auf weitere Tumore zurückgehen.

Mediziner unterscheiden zwei Unterformen der Neurofibromatose Typ 2, wobei der Feiling-Gardner-Typ erst ab einem Alter von 20 Jahren in Erscheinung tritt und sich durch langsam wachsende, zentrale Tumore auszeichnet, wohingegen der Krankheitsbeginn beim Wishart-Typ vor dem 20. Lebensjahr liegt und diese Unterform zu vielen schnell wachsenden Tumoren führt.

Seltener sind Neurinome eine Begleiterscheinung der Neurofibromatose Typ 1; dort treten sie jedoch ebenfalls statistisch öfter auf und die Krankheit ist insgesamt häufiger als der Typ 2. Neben Neurofibromen sind Café-au-lait-Flecken und Lisch-Knoten in der Iris charakteristische Merkmale der Typ-1-Neurofibromatose.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Da sich das Neurinom an unterschiedlichen Stellen im Nervensystem bilden kann, ist das Erscheinungsbild der Krankheit sehr vielfältig. Häufig gehören Schmerzen zu den Symptomen; welcher Körperbereich davon betroffen ist, hängt von den geschädigten Nervenbahnen ab.

Unter Umständen ist der Nerv, aus dessen Schwann'schen Zellen das Neurinom wächst, überhaupt nicht mehr funktionsfähig. In diesem Zusammenhang können Lähmungen auftreten. Typischerweise manifestieren sich die Symptome nur allmählich und nehmen an Umfang und Schweregrad zu, da das Neurinom oft langsam wächst.

Eine bestimmte Form des Schwannoms stellt das Akustikneurinom dar. Dabei handelt es sich um ein Neurinom, das am Nervus vestibulocochlearis wächst. Der VIII. Hirnnerv innerviert das Innenohr und ist sowohl für das Hören als auch für den Gleichgewichtssinn bedeutsam.

Das Akustikneurinom äußert sich in akustischen Beschwerden wie Tinnitus und Hörproblemen sowie in Gleichgewichtsstörungen und Schwindel. Weitere mögliche Symptome umfassen Übelkeit, Erbrechen, Taubheitsgefühle im Gesicht, Gesichtslähmung, verringerte Empfindlichkeit für Druck und Berührungen im äußeren Gehörgang, Doppeltsehen, Ohr- und Kopfschmerzen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Anhand des klinischen Bildes können Neurologen oft bereits grob eingrenzen, wo vermutlich die Ursache der nervlichen Störung liegt, die zu den individuellen Beschwerden führt. Eine Untersuchung mittels Magnetresonanztomografie (MRT) oder anderen bildgebenden Verfahren macht den Tumor sichtbar und kann auch ggf. andere Ursachen und Faktoren abbilden. Sehr kleine Neubildungen, die noch keine Einschränkungen verursachen, sind dabei wegen der begrenzten Auflösung der Bildgebung nicht immer zu erkennen.

Komplikationen

Obwohl das Neurinom ein gutartiger und langsam wachsender Tumor ist, kann es langfristig Komplikationen hervorrufen, die eine chirurgische Entfernung des Tumors erforderlich machen. Wenn der Tumor noch klein ist, treten in der Regel keine Beschwerden auf. Größere Neurinome verdrängen aber oft benachbarte Nerven, was zu den entsprechenden gesundheitlichen Beschwerden führt.

Befindet sich das Neurinom in der Lendenwirbelsäule, treten bei entsprechender Größe durch Komprimierung benachbarter Nerven chronische Rückenschmerzen auf, die bis in die Beine ausstrahlen. Bei weiterem Wachstum des Tumors kann sich eine Schwäche des vom entsprechenden Nervs versorgten Muskels einstellen. Wenn sich das Neurinom in der Halswirbelsäule befindet, kommt es langfristig zu chronischen, in die Arme ausstrahlenden Schmerzen und Sensibilitätsstörungen in diesem Bereich.

Ein Neurinom im Spinalkanal kann sogar zu Querschnittslähmungen führen. Im Spinalkanal ist nicht viel Platz, sodass die Verdrängung der benachbarten Nerven im Extremfall deren Funktionsausfall hervorrufen kann. Bei Vorhandensein eines Neurinoms im Finger oder der Hand kann die Komprimierung danebenliegender Nerven dort Kribbeln und Taubheitsgefühle auslösen.

Wenn die Hörnerven betroffen sind, stellt sich manchmal Schwerhörigkeit bis zur Taubheit, Schwindel und Tinnitus ein. Eine gefährliche Komplikation stellt die Erhöhung des Hirndrucks bis hin zur Stauung des Liquors durch die Einengung des Hirnstamms dar. In sehr seltenen Fällen kommt es auch zur malignen Entartung des Tumors.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Ein Arzt ist zu konsultieren, sobald sich bereits erste diffuse Unregelmäßigkeiten des Organismus zeigen. Da es sich bei dem Neurinom um einen Tumor handelt, ist stets Vorsicht geboten. Auch bei gutartigen Tumoren muss eine schnellstmögliche Abklärung erfolgen, damit bösartige Erkrankungen ausgeschlossen werden können. Schwellungen, Schmerzen oder die Entstehung von Geschwüren am Körper sind einem Arzt vorzustellen. Kommt es zu Bewegungseinschränkungen, allgemeinen Störungen der Mobilität sowie Gangunsicherheiten, wird ein Arzt benötigt.

Einbußen der Funktionsfähigkeit der Sinnesorgane, Übelkeit, Erbrechen, Sensibilitätsstörungen oder Taubheitsgefühle der Haut sind untersuchen und behandeln zu lassen. Leidet der Betroffene unter einer Veränderung der Seh- oder Hörkraft, besteht Anlass zur Besorgnis. Das Sehen von Doppelbildern, ein vermindertes Hörvermögen, Ohrschmerzen, ein Druckgefühl im Kopf oder Kopfschmerzen sind Warnhinweise des Körpers, denen nachgegangen werden sollte. Die Konsultation eines Arztes ist notwendig, sobald es zu einer Lähmung im Gesicht, Störungen des Gleichgewichts sowie eine Überempfindlichkeit gegenüber Berührungsreizen kommt.

Charakteristisch für ein Neurinom ist eine langsame Zunahme der vorhandenen Beschwerden. Dadurch kommt es zu einem schleichenden Unwohlsein, einer Abnahme der Leistungsfähigkeit sowie einem allgemeinen Krankheitsgefühl. Verbessert sich der Zustand des Betroffenen nicht, sollte er die Beobachtungen mit einem Arzt besprechen, damit eine Klärung der Ursache eingeleitet werden kann.

Behandlung & Therapie

Nicht in jedem Fall ist ein umgehendes Eingreifen erforderlich. Neurinome entwickeln sich typischerweise langsam und erlauben dem Behandler zuweilen, das Verhalten des Tumors erst zu beobachten, bevor er über die Art der Therapie entscheidet. Bei dieser Überlegung spielen auch die potenziellen Behandlungsrisiken eine Rolle.

Wie bei allen Therapieansätzen ist hier die individuelle Abwägung von Kosten und Nutzen für den jeweiligen Patienten ausschlaggebend; ein pauschales Urteil ist nicht möglich. In einem operativen Eingriff können Ärzte das Neurinom entfernen, um weiteres Wachstum des Tumors und damit die Ausweitung der Symptome zu verhindern.

Das Neurinom wächst jedoch aus den Schwann'schen Zellen, welche die betroffene Nervenzelle elektrisch isolieren. Deshalb muss der Operateur unter Umständen auch einen Teil des Nervs mit dem Tumor entfernen, was zum Fortbestehen der bereits eingetretenen Symptome führen kann.

Nach der Entfernung liefert eine gründliche histologische Untersuchung weitere Erkenntnisse über die Art des Tumors. Die Strahlentherapie stellt eine weitere Option zur Behandlung des Neurinoms dar, wobei ionisierte Strahlung auf das betroffene Gewebe einwirkt. Strahlendosis und Dauer der Behandlung variieren je nach Patient.


Aussicht & Prognose

Da Neurinome in der Regel gutartig sind, ist die Prognose generell sehr gut. Die meisten Tumore können problemlos operativ entfernt werden. Dies gilt auch für fortgeschrittene oder größere Neurinome. In wenigen Fällen kommt es zu Komplikationen, die zu Folgeschäden führen können. Diese Einschränkungen sind teilweise jedoch nur von kurzer Dauer. Am häufigsten treten dabei Hörstörungen auf. Äußerst selten kommt es auch zu Störungen des Gleichgewichtsnervs.

Einige Wochen nach dem Eingriff sind die meisten Betroffenen für gewöhnlich wieder völlig gesund. Wenn das Neurinom im Zuge der Operation vollständig entfernt wurde, tritt es üblicherweise nicht mehr auf. Die Lebenserwartung der Betroffenen ist normal. Selten können Teile des Tumors nicht operativ entfernt werden. In diesen Fällen ist es möglich, dass es zu einem Rezidiv kommt. Die Behandlung einer solchen Tumorkapsel durch Bestrahlung ist oftmals erfolgreich. Bei etwa 1 % der Patienten entwickelt sich aus dem Neurinom ein bösartiges Neurofibrosarkom.

Ohne Behandlung ist die Prognose wesentlich schlechter. Das Neurinom wächst oftmals weiter und erhöht den Hirndruck, was durchaus gefährlich für den Betroffenen werden kann. Je früher der Tumor behandelt wird, desto besser sind die Aussichten bei der Behandlung.

Vorbeugung

Im Zusammenhang mit der Neurofibromatose vom Typ 1 und 2 entwickeln sich häufig Neurinome. Da es sich bei beiden Formen um genetische Erkrankungen handelt, können Betroffene diesen Umstand bei der Familienplanung berücksichtigen.

Nachsorge

Die Nachsorge beim Neurinom wird eng mit den behandelnden Ärzten, oft aber auch mit Krankengymnasten, Logopäden, Ergo- oder Sporttherapeuten abgestimmt. Wichtig ist die in regelmäßigem Turnus angesetzte Vorstellung beim Radiologen, der durch das Anfertigen von Bildern kontrollieren kann, ob möglicherweise ein Rezidiv aufgetreten ist.

Oft sind Schädigungen durch den Tumor entstanden, die nach dessen Entfernung weiterhin Symptome verursachen. Empfindungsstörungen in Gliedmaßen oder Sprachstörungen, beispielsweise, werden von den einschlägigen Therapeuten behandelt. Diese geben den Patienten oft Übungen an die Hand, die zu Hause im Rahmen der Nachsorge in Eigenregie weitergeübt werden.

Auch psychologische Unterstützung ist in der Nachsorge oftmals für die Betroffenen sehr wichtig. Das Wissen der Tumorerkrankung und die Angst vor einem eventuellen Rezidiv können durch Gespräche mit Freunden und Familie sowie die Ablenkung durch soziale Kontakte häufig deutlich besser bewältigt werden. Selbsthilfegruppen sind in diesem Zusammenhang oft ein besonders hilfreicher Baustein in der individuellen Nachsorge beim Neurinom.

Menschen, die an der gleichen oder einer ähnlichen Erkrankung leiden, bringen im Austausch von Erfahrungen ein besonderes Verständnis mit und haben eine ganze Reihe von praktischen Tipps für Rat- und Hilfesuchende parat. Die seelische Verfassung kann zudem auch durch Entspannungsverfahren wie Autogenes Training oder Progressive Muskelrelaxation sowie den Besuch von Yogakursen stabilisiert werden.

Das können Sie selbst tun

Ein bösartiges Neurinom muss in jedem Fall von einem Arzt behandelt werden. Die Wucherung muss mittels Operation oder Strahlen- bzw. Chemotherapie entfernt werden, um Entartungen und andere Komplikationen zu vermeiden. Bei einem gutartigen Neurinom kann die Therapie durch eine Reihe von Selbsthilfemaßnahmen und Hausmitteln unterstützt werden.

Bewährt haben sich allgemeine Maßnahmen wie eine Umstellung der Ernährung und moderate Bewegung. Der Verzicht auf Salz und Gluten kann sich positiv auf das Wachstum der Wucherung auswirken. Auch Koffein, Alkohol und Zucker gilt es zu vermeiden, da diese Stoffe eine zusätzliche Belastung für den Körper bedeuten.

Nach einem chirurgischen Eingriff gelten Ruhe und Schonung. Der Erkrankte sollte sich keiner unnötigen Belastung aussetzen und muss die Operationswunde nach den Vorgaben des Arztes pflegen. Sollten Entzündungen oder Blutungen auftreten, muss der Arzt informiert werden. Zuletzt gilt es, regelmäßig zur Krebsvorsorge zu gehen. Besteht der Verdacht auf ein Rezidiv, muss der Patient den Arzt einschalten und die ungewöhnlichen Symptome abklären lassen. Ein Neurinom muss in jedem Fall ärztlich abgeklärt werden, denn eine Selbstbehandlung der Ursachen ist nicht möglich.

Quellen

  • Mattle, H., Mumenthaler, M.: Neurologie. Thieme, Stuttgart 2013
  • Preiß, J. et al.(Hrsg.): Taschenbuch Onkologie. Zuckschwerdt, München 2014
  • Renz-Polster, H., Krautzig, S. (Hrsg.): Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012

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