Neurofibromatose Typ 2

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Neurofibromatose ist eine Erbkrankheit, die sich in den beiden Formen Typ 1 und Typ 2 zeigt. Der Typ 2, bei dem der Betroffene unter gutartigen Tumoren im Gehirn und den von ihnen ausgelösten Symptomen Hörprobleme, Lähmung der Gesichtsnerven und Gleichgewichtsstörungen leiden, ist vergleichsweise selten. Die Neurofibromatose ist nicht heilbar, kann aber so gut behandelt werden, dass möglichen Komplikationen vorgebeugt werden kann.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Neurofibromatose Typ 2?

Die Symptome einer Neurofibromatose Typ 2 sind unspezifisch, weshalb die richtige Diagnose schwerfällt und langwierig sein kann.
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Die Neurofibromatose Typ 2 gilt wie auch der häufigere Typ 1, als eine angeborene und vererbte Erkrankung. Tatsächlich konnte jedoch festgestellt werden, dass bei circa 50% der Erkrankten eine Neumutation vorliegt, es also keine Erkrankungsfälle innerhalb der Familie gibt.

Hauptmerkmal der Erkrankung sind gutartige Hirntumore, die sich beiderseits an den Hör- und Gleichgewichtsnerven entwickeln und spezifische Symptome auslösen. Die typischen Symptome einer Neurofibromatose Typ 2 sind Minderung oder Verlust der Hörfähigkeit, Tinnitus, Gleichgewichtsstörungen, Lähmungen der Gesichtsmuskulatur und ein frühzeitiger Grauer Star.

Diese Erkrankungsform ist deutlich seltener als die Neurofibromatose Typ 1, die auch als Morbus Recklinghausen bekannt ist. Die Inzidenz beträgt 1:35000, während die des Typ 1 bei 1:3500 gesehen werden muss.

Ursachen

Die Ursache jeder Form der Neurofibromatose sind Mutationen des entsprechenden Neurofibromatose-Gens auf Chromosom 22. Von diesem Gen wird vermutet, dass es Wanderungsverhalten und Form bestimmter Zelltypen beeinflusst, so dass ein Defekt mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Tumorerkrankungen führt.

Ungefähr die Hälfte der Neuerkrankungen basiert auf spontanen Genmutationen und ist nicht erblich bedingt. Dennoch wird die Neurofibromatose zu den Erbkrankheiten gerechnet. Als solche wird die Krankheit autosomal-dominant vererbt, was vereinfacht bedeutet, dass die Vererbung geschlechtsunabhängig, aber bei Betroffenheit eines Elternteils auf jeden Fall, erfolgt.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Patienten mit der Neurofibromatose Typ 2 bilden Tumoren im Bereich des Hirns und Rückenmarks aus. Pigmentveränderungen wie beim NF Typ 1 sind in reduziertem Aufkommen möglich. Charakteristisch für Typ 2 sind Tumore an Nerven im Körper. Diese entstehen aus der Schutzschicht von Nervenzellen, den Schwannschen Zellen. Hauptsächlicher Befall liegt im Bereich des Gehirns, der Hörnerven und in der Wirbelsäule vor.

Abhängig von Tumorgröße und deren Lokalisation treten unterschiedliche Symptome auf. Dazu zählen Wahrnehmung von Störgeräuschen und eine allgemein nachlassende Hörfähigkeit. Patienten können ihr Gleichgewicht nicht zuverlässig halten, die Gesichtsmuskulatur ist gelegentlich von Lähmungen ]] mit Neigung zum Erbrechen, Orientierungsprobleme und Kopfschmerzen.

Die Ausbreitung an den Hörnerven erfolgt meist symmetrisch. Die Medizin bezeichnet dieses Charakteristik als beidseitiges Akustikusneurinom. Meist ist dieser Verlauf erst nach der Pubertät zu erkennen. Ein permanentes Klingeln oder Fiepen (Tinnitus) begleitet die Gleichgewichtsprobleme. Veränderungen an den Augen deuten ebenfalls auf die Neurofibromatose Typ 2 hin. Eine Trübung der Augenlinse (juvenile Katarakt)erschwert die visuelle Wahrnehmung von Patienten und gehört zu den frühen Erkennungsmerkmalen der zentralen Neurofibromatose.

Zudem entstehen vereinzelte Geschwulste auf der Haut wie bei der NF Typ 1. Allerdings fehlt im Bereich der Augen das typische Lisch-Knötchen. Langfristige Symptome sind schwerwiegende Hörschäden bis hin zur Taubheit, die Manifestation der Gesichtslähmung, Schluckbeschwerden und eine Beeinträchtigung der Stimme durch funktionelle Störung der Stimmbänder.

Diagnose & Verlauf

Die Symptome einer Neurofibromatose Typ 2 sind unspezifisch, so die richtige Diagnose schwerfällt und langwierig sein kann. Liegen Symptome und Risiken vor, die auf ein Auftreten der Erkrankung hindeuten können, insbesondere Hörminderungen und Gleichgewichtsstörungen, so muss eine eingehende Untersuchung erfolgen.

Zunächst wird Blut entnommen, um eine DNA-Untersuchung durchführen zu können. Die Blutanalyse ist bereits im Zuge der Pränataldiagnostik möglich. Da das Hauptmerkmal der Neurofibromatose Typ 2 beidseitige gutartige Tumore des Hör- und Gleichgewichtsnervs sind, muss im Anschluss ein bildgebendes Verfahren eingeleitet werden. Nur wenn in diesem die Tumore nachweisbar sind, darf die Erkrankung diagnostiziert werden. Weitere eindeutige Kriterien sind die Erkrankung eines oder beider Elternteile und der Nachweis von Tumoren und Fibromen.

Wurde die Neurofibromatose Typ 2 diagnostiziert, so muss mittels EEG, Hörtest, bildgebender Untersuchung der Wirbelsäule und einer psychologischen Untersuchung festgestellt werden, wie stark das Ausmaß der Erkrankung ist, um eine optimale Versorgung des Patienten einleiten zu können.

Man unterscheidet zwei Verlaufsformen der Neurofibromatose: Das Erstauftreten vor dem 20. Lebensjahr mit raschem Tumorverlauf, der Wishart-Phänotyp, und den langsamen Krankheitsverlauf nach dem 20. Lebensjahr. Dieser ist als Feiling-Gardner-Phänotyp bekannt.

Komplikationen

Die Neurofibromatose Typ 2 ist zwar eine seltene, erblich bedingte Erkrankung, die aber in Abhängigkeit von der Lage der Tumoren häufiger zu unterschiedlichen Komplikationen führen kann. Im Allgemeinen nimmt im Laufe der Erkrankung die Anzahl der allerdings gutartigen Tumoren zu. Da sich diese hauptsächlich im Gehirn oder dem Rückenmark befinden, können sie langfristig zu neurologischen Ausfallerscheinungen führen.

Die Komplikationen treten aber meist erst im Erwachsenenalter auf und können durch chirurgische Entfernung der Tumoren oft verhindert werden. Eine der häufigsten Komplikation stellt die Funktionsstörung des achten Hirnnervs dar, welcher für das Hörvermögen und den Gleichgewichtssinn verantwortlich ist. Dabei können Hörschädigungen bis zur Ertaubung auftreten.

Des Weiteren kommt es häufig zu Schwindelanfällen. Als ebenfalls häufige Komplikationen machen sich mitunter m Gesichtsnerv-Lähmungen, Stimmbandlähmungen oder Schluckstörungen bemerkbar. Hinzu können Koordinationsstörungen der Bewegung (Ataxie), Gangstörungen und Kopfschmerzen kommen. Wenn das Rückenmark betroffen ist, treten im Extremfall sogar Querschnittslähmungen auf. Häufig werden auch Augenveränderungen beobachtet, die bereits im Jugendalter zu einem Katarakt (Linsentrübung) führen können.

Mittels einer chirurgischen Entfernung der Tumoren sind die schwersten Komplikationen vermeidbar. Da sich jedoch häufig Rezidive bilden, kann auch eine Operation das Auftreten von Komplikationen nicht immer verhindern. Des Weiteren ist das Risiko für die Umwandlung der benignen Tumoren in maligne Tumoren gegenüber der Gesamtbevölkerung deutlich erhöht.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Ein allgemeines Krankheitsgefühl, Unwohlsein oder Einschränkungen verschiedener Funktionsfähigkeiten sollten von einem Arzt abgeklärt werden. Kommt es zu auffälligen Gewichtsschwankungen, Problemen der Orientierung oder Lähmungen, wird ein Arzt benötigt. Veränderungen des Hautbildes, Schmerzen oder Einschränkungen des Hörens sind untersuchen und behandeln zu lassen. Die Wahrnehmung von Geräuschen, die von Mitmenschen ungehört bleiben, ist ebenso besorgniserregend wie eine Taubheit. Bei Störungen des Gleichgewichts, einer Zunahme von leichten Unfällen oder Stürzen und Gangunsicherheiten sind Beschwerden sollte ein Arztbesuch erfolgen.

Eine Trübung der Hornhaut, optische Veränderungen im Bereich der Augen,sowie Veränderungen des Sehvermögens sind weitere Anzeichen einer Erkrankung. Beschwerden beim Schlucken oder ein Engegefühl im Hals sollten ärztlich untersucht werden. Veränderungen der Stimmgebung, Einschränkungen der Lautgebung oder eine Verweigerung der Nahrungsaufnahme sind Hinweise einer gesundheitlichen Unregelmäßigkeit, ein Arztbesuch ist notwendig. Kommt es im weiteren Krankheitsverlauf zu einer Zunahme der vorhandenen Beschwerden, wird ein Arzt benötigt. Stellen sich Ängste oder Verhaltensauffälligkeiten ein, sollte sich der Betroffene Hilfe suchen. Bei Stimmungsschwankungen, einem Verlust des Wohlbefindens oder der Lebensqualität ist ein Arztbesuch zu empfehlen.

Behandlung & Therapie

Die Ursache der Neurofibromatose liegt in den Genen und kann nicht beseitigt werden, somit gilt die Krankheit als unheilbar. Therapieziel und -inhalt kann es daher nur sein, frühzeitig lindernd auf die auftretenden Symptome einzuwirken.

Patienten sollten sich von mehreren kooperierenden Fachärzten beraten lassen, um alle Symptome behandeln zu können. Je nach Ausprägung der Krankheit empfiehlt sich ein Team aus Allgemeinmediziner, der insbesondere koordinierend eingreifen sollte, einem Neurologen oder Neurochirurgen sowie einem Augenarzt.

An einigen Universitätskliniken gibt es Spezialambulanzen für Neurofibromatosepatienten. Dort werden symptombezogene Behandlungen, beispielsweise eine Augenoperation oder Eingriffe an den Gesichtsnerven, vorgenommen. Ein großer Tumor kann operativ entfernt werden, hierbei müssen jedoch Risiken und Nebenwirkungen gegen die Erfolgsaussichten abgewogen werden.


Aussicht & Prognose

Die Neurofibromatose Typ 2 gilt bislang als unheilbar. Grund hierfür ist in der Ursache der gesundheitlichen Störung zu finden. Es liegt eine Mutation der menschlichen Genetik vor, die aus rechtlichen Gründen von Ärzten und Medizinern nicht verändert werden darf. In einer medizinischen Versorgung konzentrieren sich daher alle eingeleiteten Maßnahmen des behandelnden Arztes auf die Linderung der individuell stark ausgeprägten Beschwerden.

In den meisten Fällen arbeiten kooperativ verschiedene Fachärzte zusammen, um eine optimale Versorgung des Patienten sicherzustellen. Gemeinsam erreichen sie eine erhebliche Linderung der Unregelmäßigkeiten und damit eine deutliche Verbesserung der allgemeinen Lebensqualität. Ohne eine Behandlung ist mit einer Zunahme der Beschwerden zu rechnen. Darüber hinaus ist die allgemeine Unfallgefahr aufgrund der Störungen der Hörfähigkeit sowie der Probleme des Gleichgewichts erhöht. Das Risiko für die Entwicklung einer Folgeerkrankung wäre daher stärker gegeben als mit einer kontinuierlichen medizinischen Betreuung.

Es kommt im Verlauf des Lebens zu wiederholten operativen Eingriffen. Ziel der Operationen ist es, die gutartigen Tumore zu entfernen, bevor sie Komplikationen oder Störungen der Bewegung sowie der Nerventätigkeit auslösen. Der Betroffene muss sich daher lebenslang regelmäßigen Kontrolluntersuchungen stellen, um frühestmöglich Wucherungen feststellen zu können. Deren Lage sowie Auswirkung werden ermittelt und bei Bedarf soll vorbeugend gehandelt werden.

Vorbeugung

Erbkrankheiten wie der Neurofibromatose Typ 2 kann nicht vorgebeugt werden. Der Verzicht Betroffener auf eigene Kinder ist eine persönliche, abzuwägende, aber von vielen Behandlern empfohlene Vorsorgemaßnahme, die jedoch aufgrund der Neumutationen keine Garantie darstellt. Betroffene sollten sich mindestens ein Mal im Jahr untersuchen lassen, um Veränderungen der Tumore, neue Symptome und Verschlechterungen rechtzeitig erkennen und behandeln zu können.

Nachsorge

Nach einer abgeschlossenen Behandlung einer Neurofibromatose Typ 2 ist die Überwachung der Symptome besonders wichtig. Besonders nach operativen Eingriffen muss der betroffene Patient sich schonen. Die Haut muss vor weiteren Belastungen geschützt werden und deshalb sollte sowohl bei der Körperpflege als auch bei der Bekleidung darauf geachtet werden, die Haut keiner weiteren Reizung auszusetzen.

Hier sind besonders milde Körperpflegemittel und reizarme Bekleidung wichtig. Besonders milde Shampoos und Waschflüssigkeiten mit sehr hautfreundlichen PH- Werten sind hier sehr schonend. Auch Bekleidung aus weichen und atmungsaktiven Materialien verschafft Erleichterung. Hochwertige Baumwolle oder Wolle, die sehr hautfreundlich verarbeitet sind, helfen dem Betroffenem für sein Wohlbefinden.

Eine besonders aufmerksame Körperhygiene ist ebenfalls angezeigt. Eltern von betroffenen Kindern sollten auf einen regelmäßigen Austausch der Bettwäsche achten und die Wohnumgebung durch tägliche Reinigung von Böden und Oberflächen sehr sauber halten.

Eltern sollten Symtomentwicklungen sehr aufmerksam beobachten, um bei auftretenden Komplikationen gleich die notwendigen Maßnahmen einleiten zu können. Da eine Neurofibromatose Typ 2 oft einen sehr schweren Verlauf nehmen kann, ist es sinnvoll, einen Therapeuten einzubeziehen. Er kann den Eltern bei der Stressbewältigung helfen und Kontakt zu Selbsthilfegruppen herstellen.

Das können Sie selbst tun

Zusätzlich zur operativen Behandlung gibt es im Internet Selbsthilfe-Blogs und Selbsthilfe-Portale, die viele Anregungen und Tipps rund um das Leben als Betroffener bieten. Eine Ernährungsumstellung auf anti-angiogenetisch wirkende Lebensmittel unterstützt vorbeugend die Bildung von tumorversorgenden Gefäßen und hemmt neues Tumorwachstum.

Die moderne Technik ermöglicht eine Anpassung an individuelle Bedürfnisse. Spracherkennungsprogramme und Vibrationsverstärker bieten Hörgeschädigten wichtige Hilfen. Geräte mit großem Display ermöglichen bei Betroffenen mit visuellen Einschränkungen oftmals auch wieder das Lesen von Büchern in Form von E-Books. Das frühzeitige Erlernen einer Gebärdensprache ermöglicht, in Kombination mit entsprechenden Dolmetscherdiensten via Smartphone, eine nahezu barrierefreie Kommunikation mit Hörenden. Darüber hinaus besteht das Recht auf einen Dolmetscher bei Ämtern, Arztbesuchen und im Arbeitsleben. Der Betroffene ist hier allerdings in der Pflicht, für jeden dieser Fälle einen Dolmetscher beim Amt, der Krankenkasse oder dem Integrationsamt zu beantragen.

Bei besonders markanten Einschränkungen gibt es zudem die Möglichkeit eines Assistenzhundes, dessen Kosten bislang jedoch nicht von den Krankenkassen oder staatlichen Einrichtungen übernommen werden. Betroffenen, die zudem unter Durchblutungsstörungen in Form von Polyneuropathie leiden, hilft es die Durchblutung mittels Sport und durchblutungsfördernden Salben anzuregen. Auch der Verzicht auf Rauchen und enganliegende Kleidung sorgt für eine Besserung der Symptome.

Quellen

  • Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
  • Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Preiß, J. et al.(Hrsg.): Taschenbuch Onkologie. Zuckschwerdt, München 2014

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