Saldino-Noonan-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 12. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das Saldino-Noonan-Syndrom ist eine erbliche Thorax-Dysplasie, die in der Regel tödlich verläuft. Meist treten als Begleiterscheinungen Defekte der inneren Organe auf. Das geringe Lungenvolumen der Patienten lässt sich in Ausnahmefällen chirurgisch vergrößern.
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Was ist das Saldino-Noonan-Syndrom?
Das Saldino-Noonan-Syndrom ist eine erbliche Skelettdysplasie des Thorax. Sie gehört zu den Kurzrippen-Polydaktylie-Syndromen und entspricht innerhalb dieses Krankheitsbilds dem Typen 1. Alle Typen dieser Gruppe sind durch Dysplasien der Rippen und unterentwickelte Lungen gekennzeichnet. Die Ateminsuffizienz hängt bei dieser Erkrankung unweigerlich mit der genetisch bedingten Unterentwicklung des Thorax zusammen.
Daher wird diese Form der Insuffizienz auch als thoraktales Insuffizienz-Syndrom bezeichnet. Das Kurzrippen-Polydaktylie-Syndrom kommt in insgesamt sieben verschiedenen Typen vor, die sich in morphologisch-radiologischen Kriterien unterscheiden. Die internationale Klassifizierung umfasst neben dem Saldino-Noonan-Syndrom lediglich drei weitere Typen: das Majewski-, das Verma-Naumoff- und das Beemer-Langer-Syndrom. Der Radiologe Ronald Saldino und der Genetiker Charles Noonan beschrieben das Saldino-Noonan-Syndrom in den USA erstmals während der 70er Jahre.
Ursachen
Dieser Typ des Kurzrippen-Polydaktylie-Syndroms wird allerdings für seltener gehalten als zum Beispiel der Typ Verma-Naumoff. Auch die Lokalisierung der defekttragenden Allele ist bislang nicht abschließend geklärt. Das unterscheidet die Forschungslage zum Saldino-Noonan-Snydrom von anderen Kurzrippen-Polydaktylien wie dem Jeune-Syndrom, für das zumindest in einer Untergruppe bereits das ursächliche Gen lokalisiert worden ist. Wie bei allen autosomal-rezessiven Erkrankungen entsteht das rezessive Träger-Allel vermutlich im Rahmen einer Mutation.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Kurze Rippen mit einer Hypoplasie des Thorax sind das Leitsymptom des Saldino-Noonan-Syndroms. Die Lungen sind wegen der minimalen Platzverhältnisse von Geburt an unterentwickelt, woraus sich eine thoraktale Ateminsuffizienz ergibt. Die Röhrenknochen sind verkürzt oder zumindest verformt. In der Regel liegt zusätzlich eine Polydaktylie, also eine Vierfingrigkeit vor.
Die Dysplasien des Fingerskeletts treten bei allen Formen der Kurzrippen-Polydaktylie gehäuft auf und sind daher namentlich in die Gruppenbezeichnung eingegangen. Die Nasenwurzel ist bei Betroffenen des Saldino-Noonan-Syndroms in der Regel eingesunken. Manchmal liegt eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte vor und das Kinn ist klein. Meist liegt die Menge des Fruchtwassers bei der Geburt unter der Norm von 200 bis 500 Millilitern, sodass von Oligohydramnion die Rede sein kann.
Oft sind auch die inneren Organe von Defekten betroffen. Komplizierte Herzfehler kommen genauso häufig vor, wie ein Kurzdarm, Fehlbildungen des Enddarms oder schädliche Darmbewegungen. Die Speiseröhre ist teilweise unterbrochen und der Kehldeckel, die Nieren oder die Geschlechtsorgane sind missgebildet.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Die Diagnose des Saldino-Noonan-Syndroms kann unmittelbar nach der Geburt über Röntgenbildgebung gestellt werden. Die horizontalen Rippen treten im Röntgenbild als kurze und spitze Knochen mit kaum verknöcherten Röhrenknochen in Erscheinung. Die Knochenstruktur ist im Allgemeinen amorph und die Schaufeln des Beckens imponieren als horizontal laufende Pfannendächer an kleinen Wirbelkörpern mit runder Form.
In der Regel sind die Extremitäten verkürzt. Die Diagnose lässt sich meist sogar vor der Geburt stellen und kann schon über Sonographie relativ zweifellos bestimmt werden. Der Verlauf dieser Erkrankung ist ungünstig. In der Regel ist von letalem Verlauf die Rede. Nur in seltenen Fällen überleben die Betroffenen die ersten Jahre. Die Lebenserwartung hängt maßgeblich von dem Ausmaß der Dysplasien und den begleitenden Organinsuffizienzen ab.
Komplikationen
Dadurch kommt es zu Atembeschwerden und in schwerwiegenden Fällen auch zu einer Ateminsuffizienz. Weiterhin kann es auch zu einem Bewusstseinsverlust kommen aufgrund der unzureichenden Sauerstoffversorgung der inneren Organe. Die Betroffenen leiden in einigen Fällen an einer Mehrfingrigkeit und werden dadurch vor allem im jugendlichen Alter oft gehänselt oder gemobbt. Auch eine Gaumenspalte tritt beim Saldino-Noonan-Syndrom häufig auf und kann die Einnahme von Nahrung und Flüssigkeit deutlich erschweren.
In vielen Fällen leiden auch die Eltern und die Angehörigen an den Symptomen des Saldino-Noonan-Syndroms an psychischen Beschwerden oder an Depressionen. Weiterhin kann das Syndrom zu einem Herzfehler führen, sodass die Betroffenen auch an einem plötzlichen Herztod versterben können. Da es keine kausale Behandlung des Saldino-Noonan-Syndroms gibt, werden nur die Symptome behandelt. Besondere Komplikationen treten dabei nicht auf. Eventuell ist die Lebenserwartung des Patienten deutlich negativ beeinflusst.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Das Saldino-Noonan-Syndrom muss immer durch einen Arzt behandelt werden. In den meisten Fällen führt dieses Syndrom allerdings zum Tod des Betroffenen, sodass die Beschwerden nur gelindert werden können. Eine vollständige Heilung kann nicht erreicht werden. Ein Arzt ist dann aufzusuchen, wenn der Patient an sehr starken Atembeschwerden leidet. Diese Beschwerden zeigen sich durch eine Schnappatmung oder durch eine Blaufärbung der Haut. In einigen Fällen verlieren die Betroffenen auch das Bewusstsein.
Sollte es zu diesen Beschwerden kommen, so muss auf jeden Fall ein Arzt aufgesucht werden. Weiterhin ist der Arzt auch dann aufzusuchen, wenn der Betroffene an einer Mehrfingrigkeit leidet oder sogar eine Gaumenspalte aufweist. Da das Saldino-Noonan-Syndrom auch zu Herzbeschwerden oder zu Herzfehlern führen kann, sollte eine regelmäßige Untersuchung des Herzens und der inneren Organe durchgeführt werden, um weitere Beschwerden zu verhindern. Auch eine psychologische Beratung kann beim Saldino-Noonan-Syndrom sinnvoll sein, da vor allem die Eltern und die Angehörigen häufig an psychischen Beschwerden oder an Depressionen leiden.
Behandlung & Therapie
Wenn sich der Patient dazu eignet und die Organinsuffizienzen dem überhaupt Sinn geben, kann der Arzt zur Behandlung des Saldino-Noonan-Syndroms eine vertikal expandierbare Titan-Rippenprothese anregen. Chirurgisch wird bei diesem Verfahren mithilfe eines Titanimplantats der schmale Rippen-Thorax aufgeweitet und aufgerichtet. Die dazu eingesetzte Titanrippe ist ausziehbar und gebogen. Dieser Titanstab trägt mehrere Löcher in einer Reihe, mit denen sich die erforderliche Länge fixieren lässt.
Rund sechs Monate nach dem ersten Eingriff wird eine zweite Operation zur Verlängerung des Stabs vorgenommen. In der Regel fixiert der Chirurg den Stab zwischen den Rippen oder er legt das Titanimplantat zwischen den Beckenkamm und eine Rippe und erreicht so den aufstemmenden Effekt. Auf diese Weise kann die Wirbelsäule indirekt aufgerichtet werden. Die Aufrichtung der Wirbelsäule vergrößert automatisch das Volumen im Rippenthorax und erweitert damit das Lungenvolumen.
Die Operation eignet sich schon deswegen nicht für alle Patienten des Saldino-Noonan-Syndroms, weil gerade Betroffene mit schweren Herzfehlern das Operationsverfahren vermutlich nicht überleben. Wenn die Operation durchgeführt werden kann und wenn das Verfahren die gewünschten Erfolge erzielt, so lassen sich auch einige der begleitenden Dysplasien unter Umständen chirurgisch korrigieren. Die Letalität für das Saldino-Noonan-Syndrom bleibt nichtsdestotrotz hoch und die Lebensqualität gering.
Die Patienten leiden in der Regel an untragbar viele Deformitäten, die verschieden, aber allesamt lebenswichtigen Strukturen tragen. Damit ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass sich alle davon ohne lebensbedrohliche Konsequenzen ausgleichen lassen. Die Eltern betroffener Kinder werden meist psychotherapeutisch betreut.
Vorbeugung
Dem Saldino-Noonan-Syndrom lässt sich bislang lediglich insofern vorbeugen, als dass sich die Erkrankung heute über Ultraschall in der Schwangerschaft diagnostizieren lässt. Die Entscheidung für oder gegen ein Kind mit dem Syndrom bleibt so den Eltern überlassen.
Nachsorge
Betroffene sollten bei dem Saldino-Noonan-Syndrom alles für ein gesteigertes Wohlbefinden tun. Jegliche Aktivitäten, die vor der Erkrankung ausgeführt wurden, sollten wieder geplant und unternommen werden. Meist sterben Betroffene bereits in den ersten Monaten der Erkrankung. Aus diesem Grund sollten Eltern und andere Familienangehörige sich ausreichend über die Erkrankung informieren.
Diese sollten eine dauerhafte psychologische Beratung aufsuchen, damit sie lernen, mit der Erkrankung und dem daraus resultierenden Verlust umzugehen. Auch die Betroffenen sind rechtzeitig über die Krankheit und die Folgen aufzuklären. Es steht im Mittelpunkt, dem Betroffenen den Rest des Lebens so schön wie möglich zu gestalten.
Die Lebensqualität sollte erheblich mit Dingen gesteigert werden, die der Betroffene gerne mag. Der Betroffene sollte sich ebenfalls zwingend in eine dauerhafte psychologische Beratung begeben. Dort kann erlernt werden, wie mit der Krankheit umgegangen werden soll. Außerdem kann gelernt werden, wie Betroffene mit der Krankheit im Alltag leben können.
Es ist außerdem zu empfehlen, dass Betroffene eine Selbsthilfegruppe aufsuchen. Dort können sie mit anderen Erkrankten reden und fühlen sich nicht mit der Krankheit alleine. Außerdem können dort neue Lebensweisen mit der Krankheit kennengelernt werden. Betroffene sollten sich nur an Orten aufhalten, an denen sich ausreichend Sauerstoff befindet. Angehörige die rauchen, sollten den Umgang mit dem Erkrankten meiden.
Das können Sie selbst tun
Die Maßnahmen der Selbsthilfe konzentrieren sich bei dem Saldino-Noonan-Syndrom auf die Förderung des Wohlbefindens. In den meisten Fällen endet die Störung mit dem vorzeitigen Ableben des Patienten bereits in den ersten Lebensmonaten oder -jahren. Eltern sowie Angehörige sollten sich daher ausreichend über die Erkrankung und die daraus resultierenden Folgen informieren. Das Kind ist so früh wie möglich über den Krankheitsverlauf und die vorhandene Störung aufzuklären.
Die Gestaltung der gemeinsamen Lebenszeit und Maßnahmen zur Optimierung der Lebensqualität stehen im Mittelpunkt. Zur Stärkung der mentalen Kraft und dem Abbau von emotionalen Belastungen sollten alle Betroffenen an einer psychischen Begleitung teilnehmen. Die Vorgänge und Entwicklungen müssen verarbeitet werden, damit keine Folgeerkrankungen entstehen und die Angehörigen für das Kind ausreichend sorgen können. Zudem stärkt eine Psychotherapie das heranwachsende Kind im Alltag beim Umgang mit den körperlichen wie emotionalen Beschwerden.
Die Umgebung des Erkrankten sollte mit ausreichend Sauerstoff angereichert sein. Da durch die Störung häufig die Funktionsfähigkeit der Lunge beeinträchtigt ist, sind Umgebungen zu vermeiden, in denen sich Schadstoffe in der Luft befinden. Das Rauchen ist daher in Anwesenheit des Patienten vollständig zu unterlassen. Die Freizeitgestaltung ist an die Bedürfnisse und Möglichkeiten des Betroffenen auszurichten. Die Lebensfreude sollte gefördert werden. Zudem stärken Erfolgserlebnisse das Selbstbewusstsein des Patienten.
Quellen
- Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
- Muntau, A.C.: Intensivkurs Pädiatrie. Urban & Fischer, München 2011
- Niethardt, F.U.: Kinderorthopädie. Thieme, Stuttgart 2009