Psychotherapie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 22. August 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Behandlungen Psychotherapie

Unter dem Begriff Psychotherapie versteht man eine Vielzahl von Behandlungsformen seelischer und geistiger bzw. psychosozialer Erkrankungen und Beeinträchtigungen, die ohne den Einsatz von Medikamenten stattfindet. Es handelt sich bei der Psychotherapie vorrangig um Gesprächstherapieformen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Psychotherapie?

Unter dem Begriff Psychotherapie versteht man eine Vielzahl von Behandlungsformen seelischer und geistiger bzw. psychosozialer Erkrankungen und Beeinträchtigungen, die ohne den Einsatz von Medikamenten stattfindet.

Da die Berufsbezeichnung Psychotherapeut in Deutschland nicht geschützt ist, kann auch nicht zwangsläufig jeder "Psychotherapeut" mit gesetzlichen, wie privaten Krankenversicherungen abrechnen.

Es empfiehlt sich also in diesem Fall, gezielt nach Fachpersonal mit der Bezeichnung "psychologischer Psychotherapeut" zu suchen. Diese sind in der Lage, Überweisungen von Hausärzten entgegenzunehmen und ihre Leistung den Krankenkassen in Rechnung zu stellen.

Meist beginnt eine Psychotherapie mit einem ersten Gespräch bei einem Hausarzt, der an seinem Patienten im Rahmen seiner Sprechstunde eine erste Einschätzung vornimmt und gegebenenfalls geeignete Adressen zu empfehlen weiß, da die Psychotherapie sich in verschiedene Schwerpunkte gliedern lässt.

Geschichte & Entwicklung

Die Geschichte der Psychotherapie beginnt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit der Entwicklung von Theorien über das menschliche Verhalten und die Psyche. Der Begründer der modernen Psychotherapie war Sigmund Freud, der in den 1890er Jahren die Psychoanalyse entwickelte. Freud stellte die Theorie auf, dass unbewusste Konflikte und verdrängte Erinnerungen die Ursache für psychische Störungen seien. Seine Methode, Patienten durch freie Assoziation und Traumdeutung zu behandeln, legte den Grundstein für die psychotherapeutische Praxis.

Im frühen 20. Jahrhundert entwickelten sich weitere Schulen der Psychotherapie. Carl Jung, ein Schüler Freuds, erweiterte die Psychoanalyse durch seine Konzepte des kollektiven Unbewussten und der Archetypen. Parallel dazu entwickelte Alfred Adler die Individualpsychologie, die den sozialen Aspekt der menschlichen Psyche betonte.

In den 1940er und 1950er Jahren entstanden neue Ansätze wie die Verhaltenstherapie, basierend auf den Arbeiten von B.F. Skinner und John B. Watson, die sich auf die Konditionierung von Verhalten konzentrierten. Carl Rogers entwickelte die klientenzentrierte Therapie, die Empathie und bedingungslose positive Wertschätzung in den Mittelpunkt stellte.

In den 1960er und 1970er Jahren gewann die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) an Bedeutung, die von Aaron T. Beck entwickelt wurde und die Bedeutung von Denkmustern in der Entstehung und Behandlung von psychischen Störungen hervorhob. Die Psychotherapie hat sich seitdem weiter diversifiziert, mit der Entwicklung von Humanistischen, Systemischen und Integrativen Ansätzen, die heute in der modernen Praxis Anwendung finden.

Einsatz & Indikation

Eine Psychotherapie wird durchgeführt, wenn eine Person unter psychischen Belastungen leidet, die ihr alltägliches Leben erheblich beeinträchtigen. Sie wird notwendig, wenn emotionale oder psychische Probleme nicht allein durch die Unterstützung von Familie oder Freunden überwunden werden können und eine professionelle Behandlung erfordern. Typische Auslöser für eine Psychotherapie sind anhaltende Depressionen, Angststörungen, Zwangsstörungen, posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), Essstörungen und Persönlichkeitsstörungen.

Psychotherapie kann auch notwendig werden bei chronischen Stresszuständen, Burnout, Beziehungsproblemen oder bei der Bewältigung schwerwiegender Lebensereignisse wie dem Verlust eines Angehörigen, Scheidung oder schweren Krankheiten. Sie hilft, tieferliegende Ursachen von psychischen Störungen zu identifizieren, ungesunde Denkmuster und Verhaltensweisen zu verändern und neue Bewältigungsstrategien zu entwickeln.

Eine Therapie wird oft dann in Betracht gezogen, wenn die Symptome über einen längeren Zeitraum bestehen, sich verschlimmern oder zu körperlichen Beschwerden führen. Auch wenn jemand Schwierigkeiten hat, alltägliche Aufgaben zu bewältigen, Arbeit oder soziale Beziehungen aufrechtzuerhalten, kann eine Psychotherapie angezeigt sein. Ziel der Psychotherapie ist es, das psychische Wohlbefinden zu verbessern und die Lebensqualität der Betroffenen zu steigern.

Vorteile & Nutzen

Eine Psychotherapie bietet gegenüber anderen Behandlungs- und Untersuchungsmethoden mehrere spezifische Vorteile, insbesondere bei der Behandlung psychischer und emotionaler Störungen. Einer der größten Vorteile ist der Fokus auf langfristige Bewältigungsstrategien und die Bearbeitung zugrunde liegender Ursachen von psychischen Problemen, anstatt nur Symptome zu behandeln. Dies kann zu nachhaltigen Veränderungen und einer Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens führen.

Ein weiterer Vorteil der Psychotherapie ist ihre individualisierte Herangehensweise. Psychotherapeuten passen die Behandlung an die spezifischen Bedürfnisse und Ziele des Patienten an, was eine maßgeschneiderte Unterstützung ermöglicht. Dies steht im Gegensatz zu standardisierten medizinischen Behandlungen, die oft weniger auf die individuellen psychischen und emotionalen Bedürfnisse eingehen.

Psychotherapie fördert zudem die Selbstreflexion und das Verständnis der eigenen Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen. Durch diesen Prozess können Patienten Muster erkennen, die zu ihrem Leid beitragen, und lernen, diese aktiv zu verändern. Dies kann zu einem gesteigerten Selbstbewusstsein und einer besseren Lebensqualität führen.

Im Gegensatz zu medikamentösen Behandlungen birgt Psychotherapie kein Risiko von Nebenwirkungen. Während Medikamente in vielen Fällen hilfreich sein können, bietet die Psychotherapie eine nicht-invasive Option, die sich auf Gespräche, Verhaltenstechniken und andere therapeutische Ansätze stützt, um Heilung und Verbesserung zu fördern.

Funktion, Wirkung & Ziele

Einen der Schwerpunkte innerhalb der Psychotherapie stellt, neben der Tiefenpsychologie und der Verhaltenstherapie, die Psychoanalyse dar, wobei erstere grundsätzlich ein Teil der Psychoanalyse ist und beispielsweise Methoden wie die therapeutische Hypnose umfasst.

Bei der Psychoanalyse, deren bekannteste Namen wohl Sigmund Freud und C. G. Jung sind, handelt es sich um eine grundsätzlich Therapie über mehrere Monate oder sogar Jahre, die vor allem dann angewendet wird, wenn kein spezifisches Problem vorliegt, wie beispielsweise die konkrete Angst vor Spinnen oder Höhen.

Die Psychoanalyse kommt zum Einsatz, wenn tieferliegende Probleme erkennbar sind, die einer längeren Therapie bedürfen, allerdings seitens des Patienten nicht konkretisiert werden können. Hierzu zählen zum Beispiel Essstörungen, Depressionen oder wahnhafte Persönlichkeitsstörungen.

Eine wesentlich kürzere Behandlungsdauer hat die Verhaltenstherapie. Sie wird angewendet bei Phobien oder Zwängen, wie Höhen- und Flugangst oder Wasch- und Kontrollzwängen. Hier wird ein konkret benanntes Problem therapiert, was im Gegensatz zur Psychoanalyse von Anfang gezielt an einem Ansatzpunkt arbeiten kann und daher wenige Therapiestunden benötigt. Meist zeigen sich schnell erste Erfolge.

Grundsätzlich dient die Psychotherapie dem Wohlbefinden des zu Therapierenden, wobei gerade tiefenpsychologische oder psychoanalytische Therapien den Patienten derart beeinflussen können, dass dieser gänzlich sein bisheriges Leben, sowie sein soziales Umfeld verändert. Dies ist eventuell Ziel dieser Therapieformen. Es gilt, den Patienten zu stärken und in seiner Selbstfindung zu unterstützen; dies kann selbstverständlich auch eine Umkehrung seines gesamten bisherigen Lebens zur Folge haben.

Von ganz besonderer Wichtigkeit bei allen Formen der Psychotherapie, ist die Compliance, also die Einwilligung und Mitarbeit des Patienten in die Therapie. Ist der Patient nicht bereit, dem Therapeuten sein Vertrauen zu schenken, wird er sich ihm auch nicht öffnen und ehrlich seine Probleme mit ihm besprechen.

Voraussetzung hierfür ist überhaupt die Einsicht, an einem Problem zu leiden und es therapieren zu wollen. Daher bedarf es ein gewisses therapeutischen Feingefühl, beispielsweise bei zu therapierenden Straftätern, zu erkennen, ob der Gesprächsverlauf ernstgemeint ist oder ob der Patient dem Therapeuten erzählt, was dieser vermeintlich gerne hören möchte, um ihm möglichst ein bedenkenloses Gutachten zu verfassen.


Durchführung & Ablauf

Eine Psychotherapie beginnt in der Regel mit einem ausführlichen Erstgespräch, in dem der Therapeut und der Patient sich kennenlernen und die Gründe für die Therapie besprochen werden. In diesem Gespräch werden auch die Therapieziele definiert und eine geeignete Behandlungsstrategie entwickelt. Der Therapeut klärt den Patienten über die verschiedenen Therapieformen und -methoden auf und legt gemeinsam mit ihm den Rahmen der Therapie fest, einschließlich der Häufigkeit und Dauer der Sitzungen.

Im weiteren Verlauf der Therapie trifft sich der Patient regelmäßig mit dem Therapeuten, meist wöchentlich oder alle zwei Wochen. Jede Sitzung dauert in der Regel 50 bis 60 Minuten. Während dieser Sitzungen arbeitet der Therapeut mit verschiedenen Techniken, die je nach gewählter Therapieform variieren können. In der Verhaltenstherapie liegt der Fokus auf der Veränderung konkreter Verhaltensmuster, während in der Psychoanalyse das Unbewusste und frühere Erfahrungen beleuchtet werden. In der kognitiven Verhaltenstherapie wird oft an negativen Denkmustern und deren Auswirkungen auf das Verhalten gearbeitet.

Ein wichtiger Bestandteil der Therapie ist der offene Dialog, in dem der Patient seine Gedanken, Gefühle und Erlebnisse teilt. Der Therapeut bietet Unterstützung, stellt gezielte Fragen und hilft dem Patienten, neue Perspektiven zu entwickeln. In vielen Therapien werden auch "Hausaufgaben" gegeben, um das Erlernte im Alltag umzusetzen.

Der Verlauf und die Dauer der Therapie können stark variieren und richten sich nach den individuellen Bedürfnissen des Patienten. Regelmäßige Reflexionen über den Fortschritt und Anpassungen der Therapieziele sind integraler Bestandteil des Prozesses, um die Wirksamkeit der Therapie sicherzustellen.

Kritik & Gefahren

Wie jede Behandlungsform finden sich auch bei der Psychotherapie Befürworter, wie Kritiker. Da es sich zum größten Teil um Gesprächstherapien handelt, kann es durchaus vorkommen, dass der zu therapierende Patient absichtlich Unwahrheiten - unter Umständen sehr glaubhaft - offenbart oder den Therapeuten absichtlich in eine spezielle Richtung mit sich zieht.

So geschieht es oftmals bei Patienten mit dem sogenannten Borderline-Syndrom, die den Therapeuten gar vereinnahmen können, wenn dieser nicht genug Resistenz beweist. Weiter besteht die Gefahr der Abhängigkeit des Patienten gegenüber seinem Therapeuten. Unter Umständen verlässt sich dieser zu sehr darauf, dass "ein anderer" schon die eigenen Probleme lösen wird.

Grundsätzlich lässt sich aber festhalten, dass die Psychotherapie ein sinnvolles Instrument zur Behandlung psychischer Erkrankungen ist. Die Psychotherapie ist Hand in Hand mit der Schulmedizin nicht mehr aus unserem heutigen Verständnis der Behandlung von verschiedenen Krankheiten wegzudenken und dient in großem Maße dem Wohl des Betroffenen.

Alternativen

Es gibt mehrere alternative Verfahren zur Psychotherapie, die in Betracht gezogen werden können, wenn eine Psychotherapie nicht möglich ist oder zusätzliche Unterstützung benötigt wird. Eine gängige Alternative sind medikamentöse Behandlungen, insbesondere bei schweren psychischen Störungen wie Depressionen, Angststörungen oder Bipolarer Störung. Antidepressiva, Anxiolytika oder Stimmungsstabilisatoren können die Symptome lindern und das emotionale Gleichgewicht verbessern.

Selbsthilfegruppen bieten eine weitere Möglichkeit, Unterstützung zu finden. In diesen Gruppen teilen Menschen mit ähnlichen Problemen ihre Erfahrungen, was das Gefühl von Isolation mindern und neue Bewältigungsstrategien fördern kann. Der Austausch mit Gleichgesinnten kann ein starkes Gefühl der Gemeinschaft und Akzeptanz vermitteln.

Achtsamkeits- und Entspannungstechniken, wie Meditation, Yoga oder progressive Muskelentspannung, können helfen, Stress zu reduzieren und das emotionale Wohlbefinden zu fördern. Diese Methoden sind besonders nützlich, um den Umgang mit alltäglichem Stress zu verbessern und innere Ruhe zu finden.

Online-Therapien und -Programme bieten eine moderne Alternative zur traditionellen Psychotherapie. Sie können in Form von Apps, Chats oder Videoanrufen durchgeführt werden und sind besonders für Menschen geeignet, die aufgrund von Geografie, Mobilität oder Zeitbeschränkungen keine persönliche Therapie in Anspruch nehmen können.

Kreative Therapien, wie Kunst-, Musik- oder Tanztherapie, bieten alternative Ausdrucksmöglichkeiten für Emotionen und können bei Menschen, die Schwierigkeiten haben, sich verbal auszudrücken, sehr hilfreich sein.

Diese alternativen Ansätze können eine wertvolle Ergänzung oder Alternative zur klassischen Psychotherapie darstellen, insbesondere wenn diese nicht zugänglich oder nicht ausreichend ist.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Fegert, J.M., Eggers, Ch., Resch, F.: Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters. Springer, Heidelberg 2012
  • Laux, G.; Möller, H.: Memorix Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2011

Das könnte Sie auch interessieren