Selbstbewusstsein
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. April 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Unter dem Selbstbewusstsein versteht die Psychologie die Bewertung des Selbst im Vergleich mit anderen Personen. Das neuropsychologische Modell des Körperschemas gilt als Ankerpunkt des Selbstwerts. An pathologischem Selbstbewusstsein leiden Narzissten.
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Was ist das Selbstbewusstsein?
Jeder Mensch gibt sich selbst eine bestimmte Bewertung. Diese Bewertung resultiert aus eigenen Positiv- oder Negativerfahrungen sowie dem Vergleich der eigenen Person mit anderen. Das Ergebnis des Vergleichs ist auch als Selbstwert oder Selbstbewusstsein bekannt. Synonyme Begriffe sind Selbstvertrauen oder Selbstbeachtung.
Das Selbstbewusstsein ankert aus neuropsychologischer Sicht im Körperschema. Es kann sich also erst aus der Wahrnehmung des eigenen Körpers abgegrenzt von der Umwelt entwickeln. Vorwiegend wird der Selbstwert jedoch durch soziale Faktoren geprägt. So bezieht sich das Selbstbewusstsein auf die eigene Persönlichkeit, die eigenen Fähigkeiten, gemachte Erfahrungen oder das Ich- und Selbst-Empfinden.
Als Konzept der wissenschaftlichen Psychologie ist das Selbstbewusstsein vor allem Thema der Persönlichkeitspsychologie und der differentiellen Psychologie. Selbstwert ist aus psychologischer Sicht eine von drei Komponenten des Selbst. Er entspricht der affektiven Komponente. Die kognitive Komponente ist das Selbstkonzept. Die konative Komponente ist als Selbstdarstellung bekannt.
Funktion & Aufgabe
Der Mensch erhält dabei von drei verschiedenen Quellen selbstbezogene Informationen. Die Selbstbeobachtung informiert ihn über Verhalten und Erleben. Diese Beobachtungen können mit früheren Ereignissen verglichen werden und so zu positiven oder negativen Selbsteinschätzungen führen. Die zweite Quelle ist die Gesellschaft. Abhängig vom sozialen Vergleich mit anderen erlebt sich der Mensch dabei unterschiedlich. Die Rückmeldungen anderer sind die dritte Quelle selbstbezogener Information.
Seinen Selbstwert zieht das Individuum auf der sozialen Ebene aus verschiedenen Selbstwertquellen. Eine vergängliche Selbstwertquelle ist zum Beispiel die Schönheit. Diese vergänglichen Quellen sind für Einbrüche im Selbstwert anfälliger.
Die Selbstwertschätzung eines Menschen beeinflusst jede seiner Verhaltensweisen und damit zum Beispiel das gesamte Sozialleben. Schon Kleinkinder entwickeln durch die Bewertungen „gut“ oder „schlecht“ einen Selbstwert. Im Verlauf der Entwicklung wird der soziale Vergleich mit anderen immer relevanter.
Bei Schwellen zu neuen Lebensphasen liegt die Selbstwertschätzung meist im Umbruch. Selbstzweifel kennzeichnen vor allem die Pubertät. Bei Mädchen sinkt der Selbstwert während dieser Zeit ab, da ihre pubertäre Entwicklung mit gesellschaftlich gesetzten Schönheitsidealen meist nicht korreliert, ihr Erfahrungsraum jedoch auch noch nicht ausreicht, um die Überhöhung und Künstlichkeit dieser Ideale nachzuvollziehen.
Im Erwachsenenalter verändern familiäre und berufliche Erfolge und Misserfolge den bis dahin entwickelten Selbstwert. Das Selbstbewusstsein erreicht im Alter von rund 60 Jahren einen Höhepunkt. Durch den veränderten sozio-ökonomischen Status im hohen Alter geht es danach meist etwas zurück.
Selbstbewusstsein kann in beide Richtungen gestört sein. Zu hohes Selbstbewusstsein und damit die Anfälligkeit für Größenwahn ist aus psychologischer Sicht ebenso ungesund, wie ein geringer Selbstwert und die Anfälligkeit für Resignation oder Selbsthass. Unsicherheiten können beiden Formen des gestörten Selbstwerts auslösen.
Krankheiten & Beschwerden
Vor allem den Anker des Narzissmus, aber auch den der meisten anderen Selbstwertstörungen vermutet die Psychologie in der Responsivität der Eltern während der Kindheit. In der Gegenwart ergeben sich Selbstwertstörungen allerdings nicht zuletzt auch über den Vergleich mit unrealistischen Medien-Idealen. Gestörtes Selbstwertgefühl kann psychologische Folgestörungen, wie Essstörungen begünstigen. Die Betroffenen leiden ab einem gewissen Stadium zudem oft an einer gestörten Körperwahrnehmung.
Der Selbstwert wird von Psychologen am häufigsten über Selbstbeschreibungsfragebögen erfasst. Die 'Rosenberg-Self-Esteem-Skala' ist das bekannteste eindimensionale Verfahren. Selbstwerttheorien gehen von einer hierarchischen Strukturierung des Selbstbewusstseins aus. Daher werden zur Ermittlung heute auch mehrdimensionale Selbstwertskalen verwendet, so zum Beispiel die 'Feelings of Inadequacy Scale'. Manche Psychologen versuchen sogar, implizite Selbstwertschätzung zu erfassen. Diese spontane und unbewusste Bewertung des eigenen Selbst wird durch Verfahren wie den 'Implizite Assoziation'-Test ermittelt. Die Reaktionszeiten sollen auf das Selbstbewusstsein schließen lassen. Wenn die explizite und die implizite Selbstwertschätzung auseinanderklaffen, liegt ebenfalls eine Selbstwertstörung vor.
Auch schwere Depressionen können ihren Ursprung in einem zu geringen Selbstbewusstsein haben.
Quellen
- Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
- Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015
- Möller, H.-J., Laux, G., Deister, A.: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2015