Sozialisation
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 14. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
Sie sind hier: Startseite Körperprozesse Sozialisation
Die Sozialisation ist die fortwährende Anpassung an Gefühls- und Denkmuster innerhalb sozialer Gemeinschaften. Laut der Sozialisationstheorie ist der Mensch erst durch Sozialisation lebensfähig. Sozialisationsprobleme können daher psychische und psychosomatische Erkrankungen verursachen, aber auch ein Symptom davon sein.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist die Sozialisation?
Jeder Mensch wird von Emotionen und Gedanken seines Umfelds beeinflusst. Die Anpassung von menschlichen Gefühls- und Denkmustern an die Muster der Umwelt erfolgt durch die Verinnerlichung sozialer Normen. Dieser Prozess wird als Sozialisation bezeichnet. Die Sozialisation ist so einerseits die soziale Bindung an die Umwelt und andererseits die Persönlichkeitsentwicklung in der Interaktion mit dem Umfeld.
Der Einzelne erlernt, seine Denkweise und Handeln mit von seiner Umwelt. Eine andere Möglichkeit gibt es für ihn nicht, denn er ist immer in einer Umwelt. Auf diese Weise stimmt er sich auch mit ihr ab.
Einzelpersonen folgen daher der Tendenz, sich gemäß der jeweils gültigen Normen und Werte zu verhalten. Wenn Sozialisation erfolgreich verläuft, verinnerlicht die Einzelperson Normen, Werte, Repräsentationen und soziale Rollen der Umgebung.
Erfolgreiche Sozialisation entspricht einer Symmetrie von subjektiver und objektiver Wirklichkeit. Die Auffassung von Realität und der eigenen Identität ist damit nicht zuletzt gesellschaftlich geprägt.
In den 70er Jahren entwickelte sich eine interdisziplinäre Sozialisationstheorie. Viele Quellen unterscheiden abhängig vom Lebensabschnitt eine primäre von einer sekundären und tertiären Sozialisation.
Funktion & Aufgabe
Die persönliche Individuation muss zur Sozialisation mit der gesellschaftlichen Integration in Harmonie gebracht werden. Die Ich-Identität lässt sich auf andere Weise nicht sichern. Die gesellschaftliche Umwelt und die jeweils angeborenen Individualfaktoren stehen bei der Sozialisation in Wechselspiel.
Der Mensch entwickelt sich erst im Rahmen der Sozialisation zu einem sozial handlungsfähigen Individuum, das sich lebenslang über die Auseinandersetzung mit dem eigenen Leben weiterentwickelt. Vor allem mit den körperlichen und psychischen Anlagen beschäftigt sich das Individuum ein Leben lang. Diese innere Realität versucht er mit der sozialen und physischen Umgebung und damit der äußeren Realität in Einklang zu bringen.
Die primäre Sozialisation findet am Neugeborenen statt und bezeichnet die Fundamente zur Einpassung in die Welt. Eine Grundausstattung mit Lebens-und Weltwissen wird mit dieser ersten Sozialisation vermittelt. Erst durch diese Grundausstattung kann der Mensch in der Welt fußfassen. Die Verinnerlichung von Anschauungsweisen des sozialen Umfelds ergibt sich anfangs vor allem durch das Urvertrauen zu den Eltern oder den Bezugspersonen, die sich um die Erziehung kümmern.
Mit der sekundären Sozialisation steht der Einzelne vor der Aufgabe, etwas aus seinem Leben zu machen. Die Kontaktaufnahme mit einer Welt außerhalb des primären Sozialisationsumfelds beginnt. Die Welt ist ab diesem Zeitpunkt in eine Vielzahl von Subwelten aufgegliedert und von Wissen und Können geprägt. Sekundäre Sozialisation beginnt in etwas mit dem Kindergarten oder der Schule. Das Individuum muss sich von hieraus rollenspezifisches Können aneignen, um sich in den Subwelten zurechtzufinden.
Tertiäre Sozialisation ereignet sich im Erwachsenenalter und entspricht der ständigen Anpassung an das soziale Umfeld und damit dem Erwerb von neuen Verhaltensweisen und Denkmustern. Das so erlernte Wissen und Können dient dem Überleben in der Gesellschaft.
Krankheiten & Beschwerden
Ein Beispiel für eine Erkrankung mit Sozialisationsproblemen ist ADHS. Dabei handelt es sich um eine Störung, die rund zehn Prozent aller Kinder und Jugendlichen betrifft. Die Erkrankung hat teils schwerwiegende Folgen für das Verhalten und die Leistungen. Schwierigkeiten mit der Aufmerksamkeitsbeibehaltung, Ruhelosigkeit, Instabilität und impulsives Verhalten prägen das Bild. Viele der betroffenen Kinder und Jugendliche leiden an Lernschwierigkeiten und sozialen Problemen wie sekundären Sozialisationsproblemen.
Sozialisationsschwierigkeiten sind allerdings nicht nur ein Symptom vieler Erkrankungen, sondern können vor allem mit psychischen Krankheiten auch in einem ursprünglichen Zusammenhang stehen. Vor allem Schwierigkeiten bei der primären Sozialisation können zu zahlreichen Erkrankungen der Psyche führen.
Ein gestörtes oder enttäuschtes Urvertrauen ist beispielsweise häufig die Basis für psychische Störungen. Durch das enttäuschte Urvertrauen finden Individuen nur schwer den Platz in der eigenen Familie. Das macht es für sie umso schwerer, im Rahmen der sekundären Sozialisation ihren Platz in der Welt zu finden. Suchterkrankungen oder Psychosen können die Folge sein.
Menschen sind idealerweise in der Familie glücklich und finden darin einen Raum zur Selbstentfaltung und Befriedigung emotionaler Bedürfnisse. Wenn Kinder mit familiär schweren Problemen aufwachsen, leiden sie so durch die gestörten Familienstrukturen oft an persönlichen und zwischenmenschlichen Schwierigkeiten.
Quellen
- Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
- Laux, G.; Möller, H.: Memorix Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2011
- Möller, H.-J., Laux, G., Deister, A.: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2015