Stottern
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 7. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Stottern bzw. Balbuties stellt ein recht komlexes Geschehen dar, so dass auch die Bahandlung auf Grund der Vielseitigkeit der Ursachen mehrgleisig sein muss. Der Begriff Behandlung sei hier im weitesten Sinne des Wortes gebraucht und nicht nur im rein ärztlichen oder sprachpädagogischen Sinne verstanden. Daher kann man die eingangs gestellte Frage nur unter Beachtung aller Begleitumstände, die zum Stottern geführt haben, mit Ja, aber auch mit einem bedingten Nein beantworten. Was liegt dem Stottern zugrunde?
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Ursachen
Handelt es sich um ein Defekt im sogenannten Sprachzentrum des Gehirns, um ein angeborenes, gar erbliches Leiden, ist es vielleicht Ausdruck einer Nervosität oder Zeichen eines Nichtwollens, einer Ungezogenheit oder einer Trotzhaltung, die zum Stottern führt? Diese Fragen werden oftmals an den Arzt oder den Sprachpädagogen gestellt.
Wir wollen versuchen, diese Fragen kurz zu beantworten. Ein Hirndefekt ist nur anzunehmen, wenn nachweisbare krankhafte Veränderungen in bestimmten Hirnregionen zu finden sind. Diese Art des Stotterns ist mit noch weiteren Störungen der Sprache verbunden. Auf diese selteneren Ekrankungsfälle soll allerdings nicht hier eingegangen werden, ebenso nicht auf die Stotterer mit erheblichen Intelligenzmängeln.
Um ein angeborenes Leiden handelt es sich beim Stotterer nicht, wie auch die Erblichkeit auf Grund wissenschaftlicher Untersuchungen nicht beweisbar ist. Manche Leute sind der Meinung, dass Stottern zu den sogenannten nervösen Sprachstörungen gehört. Dazu kann man vom ärztlichen Standpunkt aus sagen, dass die Zeichen allgemeiner nervöser Übererregbarkeit bei stotternden Kindern und Jugendlichen wohl häufig zu beobachten sind. Sie stellen Begleiterscheinungen dar. Nicht die allgemeine Nervosität ist die Ursache, sondern eine Begleit- oder auch Folgeerscheinung, herrührend aus dem weiter unten zu beschreibenden Gesamtbild.
Trotzhaltungen, Ungezogenheiten, oder auch Widersetzlichkeiten als Gründe anzusehen, die zum Stottern führen, muss vom psychotherapeutischen oder nervenfachärztlichen Standpunkt abgelehnt werden. Wir beobachten allerdings, dass die weitaus meisten stotternden Kinder und Jugendlichen diejenigen ausmachen, die man als neurotisch bezeichnen muss. Mit diesen wollen wir uns hier vorwiegend befassen.
Neurosen sind Fehlsteuerungen von Organen oder ganzen Organsystemen durch das Steuer- und Reglerorgan, das Gehirn. Fast stets rühren sie von gestörten Beziehungen zwischen dem Gesamtorganismus und seiner Umwelt her.
Wie bei jeder Neurose, verbirgt sich auch hinter dem neurotischen Stottern ein in seinem Aufbau höchst kompliziertes körperliches und physisches Geschehen, das aufzudecken schwierig und nicht in allen Fällen restlos möglich ist, da wir nicht immer in der Lage sind, aus den kindlichen Äußerungsformen mit Sicherheit alle objektiven Grundlagen für die Entstehung und Beseitigung der Störungen des Funktionsablaufes aufzudecken.
Die hauptsächlichen Ursachen für die Entstehung der kindlichen Neurosen und demzufolge auch des Stotterns liegen in Störungen der zwischenmenschlichen Beziehungen des Kindes und seiner Mit- und Umwelt begründet. Bei den stotternden Kindern, bei denen man keine hinreichenden Umweltstörungen findet, beruht das Stottern bisweilen auf charakterlichen Eigenheiten, bei denen fast durchweg schwere Störungen auf dem Gebiet des Gefühls-, Willens- und Trieblebens vorliegen.
Bei den sowohl charakterlich eigentümlichen wie auch neurotischen Kindern finden sich keine intellektuellen Rückständigkeiten, manchmal verfügen diese Kinder sogar über eine recht gute Intelligenz. Stottern zeigt sich als Fehlfunktion in der Aussprachetechnik. Als Begleiterscheinungen sieht man daher nicht selten reiche, oft grimassenhafte Mitbewegungen der gesamten Gesichtsmuskulatur, der Arme, Beine und fehlerhafte Atemtechnik.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Typisches Symptom des Stotterns ist die abgehackte, ungewollt unterbrochene Sprache und das ungewollte Wiederholen einzelner Silben. Während manche Stotterer dabei nur die erste Silbe nicht flüssig sprechen können, haben andere Betroffene mit jedem Wort Probleme. Ihnen gelingt es nicht, einen Satz verständlich auszusprechen.
Neben dem möglicherweise zwanghaft wirkenden Wiederholen einzelner Silben und Wörter als typische Anzeichen des Stotterns sind die Beschwerden vieler Betroffener vor allem psychischer Natur. Sprache als Mittel der Kommunikation ist in vielen Situationen notwendig, damit soziale Beziehungen entstehen und aufrecht erhalten werden können. Beschwerden in diesem Bereich führen bei Nichtbehandlung oft dazu, dass Betroffene sich zurück ziehen.
Sie meiden Situationen, in denen das Stottern besonders auftritt und vermeiden im Extremfall jedes Gespräch. Es droht die ungewollte soziale Isolation mit möglichen Folgen wie Depressionen bis hin zur Suizidalität. Gerade Kinder und Jugendliche leiden seelisch extrem unter dem Stottern, da Altersgenossen häufig nur wenig Verständnis aufbringen und den Sprachfehler ins Lächerliche ziehen.
Es ist ratsam, bereits beim ersten Auftreten von Beschwerden, die auf Stottern hindeuten, einen Facharzt zu konsultieren. Je schneller die Anzeichen eines Sprachfehlers therapiert werden können, umso schneller finden Betroffene zu einer normalen Sprechweise zurück.
Krankheitsverlauf
Vom nervenfachärztlichen und psychotherapeutischen Standpunkt aus ist man durchaus berechtigt zu sagen, dass den weitaus größten Anteil aller stotternden Kinder diejenigen darstellen, bei denen man Umweltstörungen feststellen kann. Dadurch wirken diese Kinder auch in ihrer Motorik (Körperbewegungen) unruhig, in ihrem Verhalten unstetig und werden auch wegen der bereits beschriebenen psychischen Andersartigkeit als nervös angesehen.
Es ist so zu sehen, dass die Umweltstörungen das Stottern bedingen und dies seinerseits die Persönlichkeit des Kindes so in Mitleidenschaft zieht, dass nervöse Begleit- und Folgeerscheinungen auftreten.
Komplikationen
Gerade Kinder, die weder die gesundheitlichen Hintergründe des Stotterns verstehen noch ihre Emotionen diesbezüglich verbalisieren können, leiden unter der Situation. Ihnen droht die soziale Isolation. Wird Sprechen generell bedingt durch das Stottern vermieden, drohen auch Sprachentwicklungsverzögerungen, die später einer intensiven logopädischen Therapie bedürfen. Ohne eine solche Behandlung ist auch der Erfolg in der Schule gefährdet.
Komplikationen rund um das Stottern lassen sich entsprechend am besten durch eine rasch einsetzende Therapie vermeiden. Je nach individueller Ursache des Stotterns bringt aber auch eine Therapie nicht sofort die gewünschten Erfolge. Es dauert, bis eine normale Sprechweise wieder erlernt werden kann. Um psychosoziale Komplikationen zu vermeiden, kann deswegen auch eine Psychotherapie begleitend zur Logopädie angezeigt sein.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Bei Störungen der Sprachgebung wird nicht immer ein Arzt benötigt. Kommt es aufgrund innerer Aufregung, einem Stresserleben oder einer hektischen Situation zu einem Stottern, handelt es sich um eine vorübergehende Erscheinung. Sobald es einige Zeit später wieder zu einem normalen Sprachfluss kommt, benötigt der Betroffene keine weitere Hilfe. Grundsätzlich sollte darauf geachtet werden, dass in diesen Situationen die Ruhe bewahrt wird. Dies genügt, um eine langfristige Verbesserung zu erzielen.
Hält das Stottern in verschiedenen Situationen an oder nimmt es an Umfang sowie Auftretenswahrscheinlichkeit zu, sollte die Rücksprache mit einem Arzt gesucht werden. Das ungewollte Wiederholen von Silben oder eine abgehackte Aussprache sind mit einem Arzt zu besprechen. Unabhängig davon, ob das Stottern nur in bestimmten Umgebungen oder in der Anwesenheit einzelner Personen auftritt, sollte der Betroffene ausreichende Unterstützung erhalten. Zur Klärung der Ursache werden ein Arzt oder ein Therapeut benötigt.
Treten neben den Auffälligkeiten der Sprachgebung zusätzlich psychische Probleme auf, sollte ein Arztbesuch erfolgen. Bei Veränderungen des Verhaltens, Schlafstörungen, vegetativen Unregelmäßigkeiten, Kopfschmerzen oder Wandlungen der Persönlichkeit ist die Abklärung der Beschwerden notwendig. Eine soziale Isolation oder ein Rückzug aus der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sind Warnhinweise, die nicht ignoriert werden sollten.
Behandlung & Therapie
Bei der Behandlung des Stotterns ist es wesentlich, erst einmal die Ursache festzustellen, denn ein intellektuell minderentwickeltes Kind bedarf einer ganz anderen Behandlung als ein neurotisches. Im allgemeinen soll man dem stotternden Kind mit Ruhe und Vertrauen entgegentreten und die Sprachstörung nicht allzu stark beachten, denn je mehr Beachtung man ihr schenkt, desto unsicherer werden die Kinder und desto stärker tritt das Symptom in Erscheinung.
Einem Stotterer im Gespräch nicht auf den Mund zu sehen, ist ja hinreichend bekannt. Dann spricht der Stotterer meist ungezwungener und freier. Auffallenderweise tritt Stottern beim Lesen so gut wie gar nicht auf, beim Singen niemals. Man hat sich auch dieser Tatsachen in der Behandlung bedient.
Im übrigen kann man durch eine gezielte Sprachbehandlung, die meist durch Sprachpädagogen und auch in Sprachheilschulen betrieben wird, die Sprechtechnik ganz erheblich verbessern bzw. normalisieren. Abhängig von der Altersstufe, möglichst schon frühzeitig, kann man speziellere psychotherapeutische Maßnahmen einschalten. Bereits im Schulkindalter kann man das sogenannte autogene Training anwenden, das vor allem der Entspannung aber auch zugleich der Konzentration auf den Funktionsablauf einzelner Organe und Organsysteme dient.
Hypnose hat sich nicht bewährt. Durch geeignete Medikamente erreicht man eine Beruhigung und damit die Erhöhung der körperlichen und auch psychischen Belastungsfähigkeit beim stotternden Menschen, was sich bei der Behandlung günstig auswirkt. Allerdings dienen Arzneimittel nur als unterstützende Therapie. Es gibt kein Medikament, das das Stottern beseitigt.
Sehr wesentlich ist die Einstellung der Erzieher und Lehrer, vor allem wenn es sich um kindliche Stotterer, bei denen sich die Ursachen auf Umweltstörungen beziehen, handelt. Schläge, Ausschimpfen, Verbote und ähnliche derartige drastische sogenannte Erziehungsmaßnahmen verschlimmern das Symptom des Stotterns und frühren zu weiteren kindlichen Fehlhaltungen. Je freundlicher, ruhiger, gelassener der Umgangston ist, verbunden mit Maßnahmen, das das Selbstvertrauen heben, desto günstiger wirkt sich das für die Gesamtpersönlichkeit des stotternden Kindes aus.
Nachsorge
Stottern kann heutzutage mit modernen Methoden der Sprachheilkunde oftmals komplett zum Erliegen gebracht werden oder soweit reduziert werden, dass die Betroffenen keinen Leidensdruck mehr verspüren. Der Erfolg der Behandlung kann maßgeblich davon abhängen, was die Gründe und der Auslöser des Stotterns waren. Situatives, plötzlich aufgetretenes Stottern kommt zum Beispiel in der kindlichen Entwicklung häufig vor und verschwindet dann auch ganz plötzlich wieder.
Hier ist eine spezielle Nachsorge nicht erforderlich. Lange Phasen des Stotterns mit unklaren Auslösern oder solchen, die im Zusammenhang mit psychischen Ursachen stehen, bedürfen meistens einer längeren Therapie. Hier erlernen Betroffene unter anderem neue Sprachtechniken und Methoden, die ihnen helfen sollen, das Stottern zu überwinden und bewusst auf ihre Sprechweise zu achten.
Termine zur Nachsorge können sinnvoll sein, um die Effektivität des Gelernten zu überprüfen und aufzufrischen. Viele Betroffene brauchen Nachsorgetermine beim Stottern, um gerade bei psychischen Ursachen regelmäßig Feedback und Stabilisierung zu bekommen. Werden erlernte Techniken des Sprechens nicht richtig oder nicht konsequent angewendet, kann das Stottern auch wiederkommen. Die Nachsorge dient dann auch dazu, dieses Problem zu vermeiden und richtiges Sprechen auch nach der Akut-Behandlung des Stotterns immer wieder zu üben.
Das können Sie selbst tun
Stotterer sollten offen mit ihrer Erkrankung umgehen. Oftmals ist die gesellschaftliche Ausgrenzung oder Scham Hauptauslöser für Stotterattacken. Menschen, die stottern, können ihre Beschwerden ankündigen, wenn sie mit unbekannten Personen in Kontakt kommen. Mit der entsprechenden Lockerheit gestaltet sich der Umgang mit der Erkrankung deutlich leichter und das Stottern lässt oft ebenfalls nach.
Hilfsmittel wie sogenannte Auditory-Feedback-Geräte verbessern den Sprachfluss, indem sie ihn analysieren und korrigieren. Hilfreich ist auch ein Freund oder eine Pflegekraft, die den Erkrankten auf das Stottern hinweist und mit ihm die korrekte Sprechweise übt. Weil das Stottern häufig in Folge von Nervosität auftritt, muss Stotterern mit Geduld und Verständnis begegnet werden. Stottern muss über Monate und Jahre hinweg behandelt werden, bevor es vollständig verschwunden ist. Bei manchen Patienten bleibt die neurologische Störung gar ein ganzes Leben lang bestehen. Jedoch sind Training und die Verwendung der richtigen Sprechtechnik sowie ein offener Umgang mit der Erkrankung wichtige Faktoren im Umgang mit dem Stottern.
Betroffene, die sich von ihrem Leiden eingeschränkt fühlen, sollten einen Sprachtherapeuten konsultieren und gegebenenfalls Kontakt mit einer Selbsthilfegruppe aufnehmen.
Quellen
- Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
- Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
- Morschitzky, H.: Angststörungen – Diagnostik, Konzepte, Therapie, Selbsthilfe. Springer, Wien 2009