Suizidalität

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 7. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die Suizidalität ist ein sehr ernst zu nehmendes Thema, denn allein in Deutschland nehmen sich jährlich mehr als 10.000 Menschen das Leben. Die Dunkelziffer wird sicher viel höher liegen. Damit übersteigt die Zahl der Selbsttötungen die der Verkehrstoten pro Jahr deutlich.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Suizidalität?

Ein typisches Symptom der Suizidalität ist das Nachdenken beziehungsweise Reden des Betroffenen über den Tod oder über die Unzufriedenheit in Bezug auf das Leben oder Probleme. Dies sollte grundsätzlich sehr ernst genommen und als Alarmsignal verstanden werden.
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Suizidalität, also eine Suizidgefährdung, beschreibt einen psychischen Zustand, in welchem die Gedanken, Phantasien und auch Handlungen des Betroffenen darauf ausgerichtet sind, den eigenen Tod herbeizuführen. Dieser Zustand kann anhaltend, wiederholt oder auch nur in krisenhaften Situationen bestehen.

Bei der Suizidalität wird zwischen den Suizidgedanken (kein tatsächlicher Wunsch nach einer Selbsttötung) sowie den drängenden Suizidgedanken, hinter denen sich konkrete Selbsttötungsabsichten und Pläne verbergen, unterschieden. Bei der Suizidalität handelt es sich um keine Krankheit, sondern um ein Symptom eines zugrunde liegenden Problems.

Ein psychisches Problem hat sich dabei so zugespitzt, dass nur noch Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit herrschen. Die Betroffenen empfinden ihr Leben als unerträglich und möchten es daher beenden. Eine Möglichkeit, das derzeitige Leben zum Guten zu ändern, ist bei einer akuten Suizidalität nicht zu erkennen. Die Selbsttötung erscheint den Betroffenen als der einzige Ausweg. Die Behandlung der Suizidalität zählt zu den schwierigsten Herausforderungen des Gesundheitswesens.

Ursachen

Für die Suizidalität gibt es viele verschiedene Ursachen. Dazu gehören:

  • Depressive Störung
  • Alkohol- oder Drogenabhängigkeit
  • Suizidversuche in der Vergangenheit
  • Suizide in der Familie oder der nahe stehenden Umgebung
  • Persönlichkeitsstörungen
  • neurotische Störungen
  • Schizophrenie
  • Isolation und Vereinsamung, beispielsweise im Alter
  • Berufliche Belastungen
  • Arbeitslosigkeit oder sonstige Gründe, die zu einer hohen Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit führen
  • Gewalttätige Umgebung
  • Finanzielle Probleme
  • Kränkungen
  • Verlust des Selbstwertgefühls
  • Abhängigkeit von anderen Menschen
  • Traumatische oder belastende Erlebnisse wie der Verlust eines geliebten Menschen, beispielsweise durch Tod oder Scheidung
  • Schwerwiegende oder unheilbare Erkrankung

Eine Suizidalität kann aufgrund eines Ereignisses auftreten, aber auch aus einer Folge von verschiedenen Ereignissen resultieren. Wie die Belastungen individuell erlebt werden, ist grundsätzlich sehr verschieden.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Ein typisches Symptom der Suizidalität ist das Nachdenken beziehungsweise Reden des Betroffenen über den Tod oder über die Unzufriedenheit in Bezug auf das Leben oder Probleme. Dies sollte grundsätzlich sehr ernst genommen und als Alarmsignal verstanden werden. Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass Menschen, die vorhaben, sich das Leben zu nehmen, nicht darüber reden.

Die meisten suizidalen Menschen sprechen darüber, dass sie lebensmüde sind oder dass ihr Leben ihnen sinnlos erscheint. In der Vorgeschichte der suizidalen Handlungen verändern sich oftmals die Stimmung und das Verhalten der Betroffenen grundlegend. Häufig wird beobachtet, dass sie gefühlsbetonter reagieren und zu starken Gefühlsausbrüchen neigen, beispielsweise Angst, Traurigkeit, Wutausbrüche, Scham- und Schuldgefühle.

Der Betroffene gerät dabei in einen depressiven Zustand. Diesem glaubt er, nur durch einen Suizid entkommen zu können. Eine tiefe Hoffnungslosigkeit hat sich eingestellt. Suizidale Menschen ziehen sich häufig zurück und kommunizieren weniger. Auf der anderen Seite wird auch oft beobachtet, dass Menschen, die sich zu einem Suizid entschlossen haben, plötzlich wie „erleichtert“ wirken, sodass sie kommunikativer und aufgeschlossener sind als zuvor. Das Verschenken von Eigentum oder das Ordnen der Angelegenheiten können ein Hinweis auf eine Suizidalität sein.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Bei der Diagnostik der Suizidalität spielen verschiedene Gesichtspunkte eine wichtige Rolle. Dazu gehören:

  • Einengung, Aggressionsumkehr und Suizidfantasien
  • Zu den Risikofaktoren gehören psychische Erkrankungen und Störungen, vor allem die Depression und Schizophrenie (akute Phase)
  • Sucht
  • Psychosoziale Krisen wie Trennung oder Tod einer geliebten Person
  • Kaum soziale Beziehungen
  • Vorangegangene Suizidversuche oder Suizide in der Familie
  • Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung, Angst, Freudlosigkeit, Schlaflosigkeit
  • Resignation
  • Entlassung aus psychiatrischer Anstalt

Diese Faktoren sind sehr ernst zu nehmen und damit auch die Suizidalität. Dabei gilt: Je eher das Risiko erkannt wird, desto besser, denn umso länger der Zustand anhält, umso mehr kann sich auch der Selbsttötungswunsch verfestigen.

Komplikationen

Die Suizidalität ist mit ihren Komplikationen im Einzelfall zu betrachten. Ferner kann sie selbst als Komplikation einer Depression begriffen werden. Suizidalität birgt das Risiko, dass sie nicht erkannt oder verstanden wird. Nicht selten sind vor allem Depressionen nicht ersichtlich für das Umfeld und führen zu einer Verstärkung der psychischen Belastung aufgrund nicht geleisteter Hilfe.

Gleiches gilt für die Suizidalität, die sich in solchen Fällen oftmals erst mit einem (erfolgreichen) Suizidversuch zeigt. Zudem kann diese Form des psychischen Leidens sehr akut sein, was die Hemmschwelle für das Begehen von Affekthandlungen - autodestruktive und suizidale Handlungen - herabsetzt und so ein Intervenieren durch Dritte oder Therapeuten de facto unmöglich macht.

Suizidalität führt darüber hinaus bei ärztlichen Behandlungen zu Komplikationen. So kann ein Unwille zu leben beim Betroffenen bedeuten, dass er Medikamente oder die Nahrungsaufnahme verweigert. Es ergeben sich hieraus höhere (seitens des Suizidalen in Kauf genommene) Risiken, die für Ärzte und Angehörige rechtliche und emotionale Konsequenzen haben. Komplikationen können auch aus Suizidversuchen erwachsen, die nicht erfolgreich waren. Verstümmelungen, Hirnschäden und dergleichen kommen vor und bedeuten für Betroffene oftmals eine Verlängerung ihres empfundenen Leidens.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Menschen, die darüber nachdenken, ihr Leben eigenverantwortlich beenden zu wollen, sollten ärztliche oder therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Bei einer anhaltenden Lustlosigkeit dem Leben gegenüber oder dem Gefühl der Sinnlosigkeit ist besorgniserregend. Kommen Gedanken der eigenen Nutzlosigkeit oder der Überflüssigkeit auf, sollten diese mit anderen Menschen geteilt werden.

Können Emotionen von anderen Menschen nicht mehr nachempfunden werden, verschwinden Wünsche und Träume oder stellt sich eine Hoffnungslosigkeit ein, sollten die Wahrnehmungen mit einem Arzt besprochen werden. Kommt der Betroffene an einen Punkt in seinem Leben, an dem er glaubt eine Belastung für das nahe Umfeld zu sein, sollte er seine Bedenken offen ansprechen. Beschäftigt der Betroffene sich häufig mit Möglichkeiten zur Beendigung des eigenen Lebens, wird eine Hilfe benötigt.

Entstehen konkrete Pläne, wie der eigene Tod stattfinden soll, besteht akuter Handlungsbedarf. Finden selbstverletzende Handlungen statt, wird ein Abschiedsbrief geschrieben oder beginnt der Betroffene bestehende Verträge zu kündigen, sollte eine erhöhte Wachsamkeit herrschen. Äußert ein Mensch klare Vorgehensweisen, die zu dem mutwillig herbeigeführten eigenen Ableben führen, muss ein Rettungsdienst alarmiert werden. Andernfalls liegt eine unterlassene Hilfeleistung vor, die nach den gesetzlichen Vorgaben strafbar ist. Es wird eine Zwangsanweisung bei einem verhärteten Verdacht der Suizidalität angewiesen.

Behandlung & Therapie

Die Gründe für die Suizidalität zu erforschen und eine geeignete Behandlung einzuleiten, dies kann nur ein Facharzt. Dabei hängt die Therapie vom entsprechenden Auslöser der Selbsttötungsabsichten ab. Häufig muss der Betroffene auf einer geschlossenen psychiatrischen Station behandelt werden, was oftmals gegen seinen Willen geschieht, um ihn zu schützen.

Bei einer Depression werden Antidepressiva oder stimmungsstabilisierende Substanzen eingesetzt. Bei manisch-depressiven Zuständen handelt es sich klinisch meist um schwere Krankheitsbilder, sodass die Kombination aus verschiedenen Medikamenten erforderlich ist. Bei einer Suizidalität, die aus der Lebenssituation resultiert, sind eine Psychotherapie beziehungsweise soziotherapeutische Maßnahmen sinnvoll. Wichtig für eine erfolgreiche Therapie ist stets eine gute Beziehung zwischen dem Arzt und Patient.


Vorbeugung

Es gibt grundsätzlich keinen Selbsttötungstrieb. Bevor Menschen solche Absichten hegen, ist meist viel passiert und genau hier gilt es, einzugreifen und zu helfen. Wenn ein Notfall besteht, muss sofort Hilfe geholt und umgehend der Notarzt gerufen werden. Es ist wichtig, ihm mitzuteilen, dass der Betroffene selbstmordgefährdet ist.

Wer Anzeichen für eine Suizidalität erkennt und handelt, kann Leben retten. Grundsätzlich ist es falsch, dem Gegenüber Vorwürfe oder Vorhaltungen zu machen, die Situation herunterzuspielen oder zu bagatellisieren. Stattdessen sollte die Situation des anderen ernst genommen werden, da sie ihm gerade aussichtslos erscheint. Der Betroffene sollte in der Situation nicht allein gelassen werden, sondern Unterstützung und Anteilnahme erhalten.

Nachsorge

Die Suizidalität ist ein Phänomen, das sehr ernst zu nehmen ist und bei dem die Therapie durch eine engmaschige Nachsorge begleitet werden sollte. Ansprechpartner hierfür sind Psychiater oder Psychologen sowie auch der Hausarzt. Der Grund der Suizidalität spielt im Rahmen der Nachsorge eine wichtige Rolle. Es ist wichtig zu wissen, ob ein einzelnes traumatisches Ereignis Grund für Selbstmordabsichten ist oder ob eine Depression die Ursache dieser Gedanken ist.

Wichtig ist ein soziales Netzwerk, an das sich der Betroffene immer wenden kann, wenn Probleme auftreten oder sonstiger Gesprächsbedarf besteht. Dies können auch Verwandte und Freunde bis zu einem gewissen Maß leisten. Oft empfiehlt sich der Besuch einer Selbsthilfegruppe. Hier können Betroffene einen wertvollen Erfahrungstausch und hilfreiche Tipps in geschützten Rahmen geben.

Hobbys und soziale Kontakte in der Freizeit sind ebenfalls gut geeignet, die Suizidalität-Nachsorge zu begleiten. Wer Ängste und Unruhe spürt, kann dies auch mit Entspannungsmethoden abbauen. Diese lernt man am besten im Kurs, um sie dann zu Hause in Eigenregie regelmäßig zu praktizieren. Die Palette der Möglichkeiten ist groß: Progressive Muskelrelaxation, Autogenes Training oder Fantasiereisen stehen zum Beispiel zur Wahl. Auch Yoga kann helfen. Durch die Kombination aus Körper- und Atemübungen, Entspannung und Meditation wirkt es ganzheitlich auf Körper, Geist und Seele.

Das können Sie selbst tun

Äußerungen über den Wunsch von suizidalen Handlungen können für das soziale Umfeld äußerst belastend sein und zu Situationen der Überforderung führen. Aus diesem Grund ist bei diesem sensiblen Thema äußerste Vorsicht geboten.

Bei der Absicht eines Suizid ist der Betroffene gut beraten, wenn er sich fachmännische Hilfe holt. Die Zusammenarbeit mit einem Psychotherapeuten ist anzuraten. Oftmals schafft es der Betroffene nicht aus eigener Kraft, das emotionale Tief selbst zu überwinden. Anzuraten ist stets ein offener Umgang der eigenen Gedanken und Emotionen mit Vertrauenspersonen. Verfestigt sich der Wunsch für die Beendigung des eigenen Lebens, wird jedoch eine professionelle Hilfe benötigt.

Sobald aus dem Wunsch eines Suizids konkrete Planungen entstehen, muss gehandelt werden. Der Betroffene sollte unter keinen Umständen allein sein oder sich in Gegenden und Situationen aufhalten, in denen die Ausweglosigkeit noch größer zu werden scheint. In einer Notsituation kann der Betroffene selbst den Rettungsdienst alarmieren oder den Kontakt zu einer Seelsorge aufbauen.

Darüber hinaus kann es als angenehm und hilfreich empfunden werden, wenn ein Austausch mit anderen ehemals suizidgefährdeten Personen stattfindet. Hier herrscht ein maximales Maß an Empathie, sodass der Betroffene einen guten Gesprächspartner findet, der seine belastende Situation selbst erlebt hat und Auswege aufzeigen kann.

Quellen

  • Arolt, V., Reimer, C., Dilling, H.: Basiswissen Psychiatrie und Psychotherapie. Springer, Heidelberg 2007
  • Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015
  • Payk, T., Brüne, M.: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013

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