Von-Gierke-Krankheit

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 22. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei der Von-Gierke-Krankheit handelt es sich um die häufigste Glykogenspeicherkrankheit. Die Erkrankung ist durch die Nichtnutzbarkeit der Glykogenreserven in der Leber gekennzeichnet. Das gespeicherte Glykogen in den Muskeln ist jedoch nicht betroffen.

Inhaltsverzeichnis

Was ist die Von-Gierke-Krankheit

Die Von-Gierke-Krankheit ist durch eine Hepatomegalie (Lebervergrößerung), erhöhte Blutzuckerwerte nach der Nahrungsaufnahme und stark verringerte Blutzuckerwerte nach drei Stunden Nahrungskarenz gekennzeichnet.
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Die Von-Gierke-Krankheit wurde von dem Arzt Edgar von Gierke im Jahre 1929 erstmalig beschrieben. Bei dieser Erkrankung kann durch einen genetischen Defekt das in der Leber gespeicherte Glykogen nicht mehr genutzt werden. Dabei kommt es einige wenige Stunden nach dem Essen zu einem gefährlichen Absinken des Blutzuckerspiegels, der sofort durch schnell verfügbare Kohlenhydrate ausgeglichen werden muss.

Glykogen ist ein Polysaccharid wie die pflanzliche Stärke, die in Phasen der Nahrungskarenz zu Monosacchariden abgebaut und dem Körper in Form von Glukose wieder zugeführt wird. Außerdem wird durch diesen Abbau der Blutzuckerspiegel konstant gehalten. Durch eine Mutation wird das dafür verantwortliche Enzym Glukose-6-Phosphatase nicht mehr ausreichend oder nur in inaktiver Form produziert. Die Vererbung dieses Gendefekts erfolgt autosomal rezessiv.

Die Erkrankung ist sehr selten. Nur circa einer von 100.000 Neugeborenen leidet an dieser Erkrankung. Die Von-Gierke-Krankheit ist jedoch die häufigste Glykogenspeicherkrankheit. Sie wird auch Glykogenspeicherkrankheit Typ I (GSD1) oder Glykogenose Typ I bezeichnet. Allerdings kann das Syndrom noch in Typ Ia und Ib eingeteilt werden. Dabei kommt der Typ Ia zu 80 Prozent und entsprechend der Typ Ib zu 20 Prozent vor.

Ursachen

Ursache der Von-Gierke-Krankheit ist bei Typ Ia ein Gendefekt im G6PC-Gen auf Chromosom 17 und bei Typ Ib ein Gendefekt im SLC37A4-Gen auf Chromosom 11. Beide Genmutationen werden autosomal rezessiv weitervererbt. Bei Typ Ia ist das Enzym Glukose-6-Phosphatase nicht mehr ausreichend vorhanden oder durch einen Defekt unwirksam. Dieses Enzym ist für den Abbau von Glukose-6-Phosphat unter Freisetzung von Glukose und der Phosphatgruppe verantwortlich.

Glukose-6-Phosphat ist ein Metabolit in der Abbaukette von Glykogen zu Glukose. Durch die mangelnde Dephosphorylierung dieser Verbindung kann sich die Glukose nicht bilden. Es wird lediglich die weitere Synthese von Glykogen veranlasst. Der Glykogenspeicher in der Leber füllt sich immer mehr. Das führt zu ihrer Vergrößerung (Hepatomegalie). Zugleich kann der Blutzuckerspiegel nicht mehr ausgeglichen werden. Nach der Mahlzeit wird der Blutzucker durch die Wirkung von Insulin in die Zellen zur Verbrennung befördert.

Wenn der Blutzucker zu niedrig wird, bildet sich in verstärktem Maße Glukagon, der Gegenspieler von Insulin. Glukagon sorgt für den Abbau der Glykogenreserven in der Leber und der Muskulatur. Bei einem Defekt des Enzyms Glukose-6-Phosphatase kann auch Glukagon die Glukosebildung aus Glykogen nicht mehr veranlassen.

Bei der Von-Gierke-Krankheit vom Typ Ib ist ein anderes Enzym primär von einem Defekt betroffen. Es handelt sich um ein Transportenzym der Glukose-6-Phosphatase. Die Glukose-6-Phosphatase ist hier zwar intakt, kann aber nicht zum Bestimmungsort, der Leber, transportiert werden.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Von-Gierke-Krankheit ist durch eine Hepatomegalie (Lebervergrößerung), erhöhte Blutzuckerwerte nach der Nahrungsaufnahme und stark verringerte Blutzuckerwerte nach drei Stunden Nahrungskarenz gekennzeichnet. Gleichzeitig bestehen ein erhöhter Harnsäurespiegel und erhöhte Triglyzeridwerte im Blut. Wenn keine Nahrungsaufnahme erfolgt, kommt es zu hypoglykämischen Krämpfen.

Die Erkrankung fällt bereits bei Kindern im Alter von drei bis vier Monaten auf. Das Wachstum ist verzögert. Gleichzeitig kommt es zu einer Osteopenie oder einer Osteoporose. Das Gesicht erscheint rund mit vollen Wangen. Neben der Leber sind auch die Nieren vergrößert. Des Weiteren tritt häufiges Nasenbluten aufgrund einer Funktionsstörung der Thrombozyten auf.

Beim Typ Ib kommen noch Funktionsstörungen der Neutrophilen dazu. Deshalb entwickeln sich häufige Infekte und Darmentzündungen. Als Spätkomplikationen können Leberfunktionsstörungen durch Leberadenome oder gar Leberkarzinom auftreten. Weiterhin kann sich auch eine Niereninsuffizienz herausbilden.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Sehr gut kann die Von-Gierke-Krankheit durch den typischen Verlauf der Blutzuckerkurve in Verbindung mit dem Laktatspiegel diagnostiziert werden. Unmittelbar nach den Mahlzeiten besteht immer eine Hyperglykämie und eine Hypolaktazidämie. Nach drei bis vier Stunden Nahrungskarenz ist der Blutzuckerspiegel zu niedrig und dafür der Laktatspiegel zu hoch.

Die Hypoglykämie ist bei der Von-Gierke-Krankheit immer fastenabhängig. Die Aktivität der Glukose-6-Phosphatase wird heute nur noch selten bestimmt. Denn diese Notwendigkeit entfällt durch molekulargenetische Untersuchungen. Differenzialdiagnostisch können Lebertumore durch bildgebende Verfahren ausgeschlossen werden. Die anderen Glykogenosen können auch gut abgegrenzt werden, denn sie zeigen nach den Mahlzeiten hohe Blutzuckerwerte und hohe Laktatwerte und nach drei bis vier Stunden dementsprechend niedrige Blutzuckerwerte sowie niedrige Laktatwerte.

Komplikationen

Bei der Von-Gierke-Krankheit leiden die Patienten in erster Linie an einer starken Vergrößerung der Leber. Dadurch kann es auch zu Schmerzen kommen, da die Leber auf die anderen Organe drückt. Auch stark verringerte Blutzuckerwerte treten krankheitsbedingt auf und wirken sich dabei sehr negativ auf die Lebensqualität des Betroffenen aus.

Die Patienten sind dabei nicht in der Lage, anstrengende Tätigkeiten oder sportliche Betätigungen durchzuführen und fühlen sich häufig müde oder abgeschlagen. Auch eine deutlich verringerte Belastbarkeit tritt durch die Von-Gierke-Krankheit auf. Die Betroffenen leiden an Krämpfen in den Muskeln und in vielen Fällen auch an Nasenbluten. Weiterhin kann die Erkrankung zu Entzündungen im Darm oder in der Leber führen. Im schlimmsten Falle bildet sich dabei ein Tumor in der Leber aus.

Ebenso kann die Von-Gierke-Krankheit zu einer Niereninsuffizienz führen, sodass die Patienten in ihrem Leben auf eine Dialyse oder auf die Transplantation einer Niere angewiesen sind. Da die ursächliche Behandlung der Von-Gierke-Krankheit nicht möglich ist, werden nur die einzelnen Symptome behandelt. Komplikationen treten dabei nicht auf. Allerdings ist die Lebenserwartung des Patienten durch die Erkrankung deutlich verringert und eingeschränkt.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Da es bei der Von-Gierke-Krankheit nicht zu einer selbständigen Heilung kommen kann, ist der Betroffene bei dieser Krankheit auf jeden Fall auf einen Besuch bei einem Arzt angewiesen. Nur so können weitere Komplikationen und Beschwerden verhindert werden, sodass schon bei den ersten Anzeichen und Symptomen der Krankheit ein Arzt aufgesucht werden sollte. Eine frühe Diagnose wirkt sich sehr positiv auf den weiteren Verlauf dieser Erkrankung aus. In den meisten Fällen ist der Arzt dann zu kontaktieren, wenn der Betroffene dauerhaft an einem erhöhten Blutzuckerwert leidet.

In der Regel weist auch eine deutlich vergrößerte Leber auf diese Erkrankung hin. Die meisten Betroffenen weisen auch häufig Nasenbluten auf oder leiden an Darmbeschwerden. Sollten diese Symptome über einen längeren Zeitraum auftreten und dabei auch nicht wieder von alleine verschwinden, so muss auf jeden Fall ein Arzt kontaktiert werden. In der Regel kann die Von-Gierke-Krankheit durch einen Allgemeinarzt oder durch einen Internisten erkannt werden. Die weitere Behandlung richtet sich jedoch immer nach der genauen Ausprägung der Beschwerden. Ob es durch die Krankheit zu einer verringerten Lebenserwartung kommt, kann nicht universell vorhergesagt werden.

Behandlung & Therapie

Die Therapie der Von-Gierke-Krankheit erfolgt symptomatisch. Dabei geht es um die Vermeidung von Hypoglykämien durch geringe Nahrungskarenzzeiten. Am Tag müssen häufig kleine und kohlenhydratreiche Mahlzeiten eingenommen werden. In der Nacht ist eine dauerhafte Zuführung einer Dextrinlösung über Sonden erforderlich.

Bei rechtzeitigem Beginn der Behandlung können spätere Organschäden vermieden werden. Außerdem können die Kinder ein normales Wachstum erreichen. Wenn es jedoch trotzdem zu schweren Leber- und Nierenschäden kommt, muss auch an eine Organtransplantation gedacht werden.


Vorbeugung

Zur Vorbeugung vor der Von-Gierke-Krankheit sollte in betroffenen Familien eine humangenetische Beratung durchgeführt werden. Wenn bereits Fälle in Familie und Verwandtschaft aufgetreten sind, stehen humangenetische Untersuchungen zur Verfügung. Die Erkrankung wird autosomal rezessiv weitervererbt.

Wenn beide Elternteile jeweils ein defektes Gen besitzen, besteht für die Nachkommen eine Wahrscheinlichkeit von 25 Prozent, an einer Von-Gierke-Krankheit zu leiden. Besitzt jedoch nur ein Elternteil das defekte Gen, ist bei den Kindern nicht mit einer Erkrankung zu rechnen.

Nachsorge

Eine direkte Nachsorge ist bei Morbus von Gierke nur bedingt möglich. Aufgrund der meist genetischen Ursachen ist eine ursächliche Behandlung wenig erfolgversprechend. Allerdings empfiehlt sich eine genetische Untersuchung, falls ein Kinderwunsch besteht. So lässt sich ein erneutes Auftreten der Beschwerden sowie des Krankheitsverlaufs verhindern. Die besten Chancen auf Linderung nach einer therapeutischen Behandlung sind gegeben, wenn möglichst frühzeitig ein Arzt aufgesucht wird, sobald Symptome auftreten.

Inzwischen gibt es Medikamente, welche den Verlauf abmildern. Wichtig für eine effektive Nachsorge ist das exakte Einhalten der Dosierung. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen gehören in den Terminplan. Auf diese Weise lässt sich der aktuelle Stand des Krankheitsbildes erkennen und bei Bedarf durch andere Dosierung oder Wechsel der Medikamente positiv beeinflussen.

Patienten mit der Von Gierke Krankheit können auch selbst Einfluss auf den Krankheitsverlauf nehmen. So muss nach einer Behandlung auf Ruhe und Schonung geachtet werden. Dies hilft dabei, die Symptome zu lindern. Emotionale Stabilität und das Vermeiden von Stresssituationen helfen ebenfalls, den Herzrhythmus zu senken.

Das führt parallel dazu, dass die Organe weniger Druck aushalten müssen. Insgesamt wird somit der komplette Organismus geschont. Hinsichtlich der Ernährung sollte für eine dauerhafte Nachsorge die Aufnahme von Cholesterin vermieden werden. Auch bei fettigen Zutaten ist äußerste Vorsicht geboten. Das Immunsystem des Körpers bleibt stabiler durch tägliche Bewegung an der frischen Luft.

Das können Sie selbst tun

Die Von-Gierke-Krankheit muss in einem pädiatrischen Stoffwechselzentrum behandelt werden. Betroffene Kinder müssen eine angepasste Ernährung einhalten, um die Beschwerden der Von-Gierke-Krankheit zu reduzieren. Neben der stationären Behandlung, die eine Glukose-Behandlung in Form von Maltodextrin umfasst, müssen sich die Patienten schonen. Eltern von betroffenen Kindern sollten zudem auf typische Symptome wie Blutungen oder Leberbeschwerden achten und den Arzt darüber informieren.

Die Von-Girke-Krankheit ist ein schweres Leiden, welches dauerhaft überwacht werden muss. Dies kann für die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten eine große Belastung darstellen. Im Rahmen einer Therapie können Sorgen und Ängste aufgearbeitet werden. Außerdem sollte Kontakt mit anderen Eltern aufgenommen werden, in deren Familie ein Fall der Von-Gierke-Krankheit vorliegt.

Die äußerlichen Veränderungen wie zum Beispiel der Kleinwuchs oder das typische Puppengesicht können operativ behandelt werden. Nach einem chirurgischen Eingriff müssen die ärztlich verordneten Hygienemaßnahmen eingehalten werden. Abdomen sollten umgehend ärztlich abgeklärt werden, um innere Blutungen und andere Komplikationen zu vermeiden. Durch eine umfassende Selbsthilfe kann den Betroffenen zumindest ein beschwerdefreier Alltag ermöglicht werden. Voraussetzung ist immer auch eine ärztliche Behandlung durch den Internisten.

Quellen

  • Arasteh, K., et. al.: Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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