Analatresie

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Als Analatresie wird eine Fehlbildung des menschlichen Enddarms bezeichnet. Dabei fehlt die Öffnung des Anus oder ist nicht korrekt angelegt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Analatresie?

Als Analatresie wird eine Fehlbildung des menschlichen Enddarms bezeichnet. Dabei fehlt die Öffnung des Anus oder ist nicht korrekt angelegt.

Mediziner nennen eine Analatresi auch eine Anorektale Fehlbildung. Gemeint ist damit eine Fehlbildung des Enddarms, die bereits seit der Geburt besteht. Es fehlt der Durchbruch der Aftergrube innerhalb des Enddarms. Dieser findet bei einem Embryo normalerweise in einer Länge von 3,5 Zentimetern statt.

Betroffen von einer Analatresie sind etwa 0,2 bis 0,33 Prozent aller Neugeborenen. In Deutschland zeigt sich die anorektale Fehlbildung jedes Jahr bei 130 bis 150 Babys. Das Feststellen der Analatresie erfolgt in den meisten Fällen kurz nach der Geburt. Bei männlichen Kindern tritt die Enddarmfehlbildung häufiger auf als bei Mädchen.

Ursachen

Der Enddarm bildet sich im Falle einer Analatresie nicht an der Körperstelle, die dafür vorgesehen ist. So kann es zu einem blinden Ende des Darms oder zu einem Übergang in eine Fistel kommen. Letztere mündet in die Harnblase, Harnröhre oder die weibliche Scheide. Ebenso ist eine Vorverlagerung am Beckenboden möglich.

Wodurch die Analatresie verursacht wird, konnte bisher noch nicht herausgefunden werden. Als Auslöser werden in erster Linie genetische Faktoren vermutet. So liegt die Gefahr einer Analatresie bei Geschwistern von Kindern, die bereits unter der Fehlbildung leiden, bei 1:100, was die leichteren Formen betrifft. Für die anderen Formen wird die Wahrscheinlichkeit auf 1:3000 bis 1:5000 beziffert.

Studien zufolge zeigen sich bei zwei Dritteln aller Kinder, die von einer Analatresie betroffen sind, zusätzliche Anomalien. 15 Prozent aller Erkrankten leiden zudem unter genetischen Defekten. Dazu gehören insbesondere das Down-Syndrom, das Pätau-Syndrom sowie das Edwards-Syndrom.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Analatresie lässt sich in mehrere Formen einteilen. So kommt es bei den meisten Betroffenen zu unterschiedlichen Fistelbildungen. Jungen leiden oftmals unter einer Analatresie mit einer rektorurethralen Fistel. Dagegen zeigt sich bei Mädchen zumeist eine rektovestibuläre Fistel, die zwischen dem Vorhof der Vagina und dem Rektum entsteht. Weitere Fistelformen bei Jungen sind die anouktane, anopenile, anoskrotale, rektovesikale, rektoprostatische und die rektoperineale Fistel.

Beim weiblichen Geschlecht kommen noch anokutane Fisteln sowie die ektoperineale und die rektovaginale Fistel vor. Mitunter findet die Klassifikation einer Analatresie auch nach der Höhe der Fehlbildung statt. Dabei wird nach hohen, tiefen und intermediären Formen unterschieden. Je höher eine Analatresie ausfällt, desto größer ist das Risiko von zusätzlichen Fehlbildungen an anderen Stellen des Körpers.

Ein markantes Merkmal der Analatresie ist das Fehlen der analen Öffnung am Anus. Mitunter fallen nach der Geburt auch Fisteln auf. In manchen Fällen kommt es zur Entleerung von Stuhl oder Luft über die weibliche Vagina oder die Harnröhre. Ein auffälliges Symptom kann auch ein aufgeblähter Bauch sein. Bei 50 bis 60 Prozent aller erkrankten Kinder sind weitere Fehlbildungen zu verzeichnen. Besonders betroffen davon ist die Harnregion. Darüber hinaus treten häufig Fehlbildungen am Magen-Darm-Trakt, an der Wirbelsäule oder am Herzen auf.

Diagnose & Verlauf

Eine Analatresie bereits vor der Geburt im Rahmen der Pränataldiagnostik zuverlässig festzustellen, ist nicht möglich. Es besteht lediglich die Option, begleitende Fehlbildungen zu diagnostizieren. Sogar mithilfe einer Ultraschalluntersuchung lässt sich die Analatresie nur schwer erkennen. Bemerkt wird die anorektale Fehlbildung in den meisten Fällen durch das Fehlen des Anus oder weil der Stuhl an einer Stelle austritt, die nicht dafür vorgesehen ist.

Im Anschluss an den ersten Befund findet eine perinaeale Ultraschalluntersuchung statt. Auf diese Weise lässt sich der Abstand zwischen der Sollstelle des Anus und dem Rektumblindsack ermitteln. Wird die Analatresie frühzeitig festgestellt, lässt sie sich in den meisten Fällen gut behandeln. Auch eine soziale Kontinenz kann im Rahmen einer sorgfältigen Nachsorge erreicht werden. Im jugendlichen Alter sind die Betroffenen meist in der Lage, die soziale Kontinenz erheblich besser zu steuern.

Komplikationen

Eine eher selten auftretende embryonale Fehlbildung ist Analatresie. Bei diesem Symptom können entweder Rektum und Anus fehlangelegt oder nicht herangebildet sein. Bislang liegen keine exakten Ursachen bezüglich der Entstehung von Analatresie innerhalb der Embryonal-Entwicklung vor. Die Fehlbildung betrifft eher Jungs als Mädchen und weist zusätzliche variable Fistelbildungen auf.

Die betroffenen Säuglinge zeigen zum Teil weitere genetisch bedingte Anomalien, wie zum Beispiel das Down-Syndrom. Breitgefächerte Komplikationsfolgen werden das Kind ein Leben lang begleiten. Säuglinge mit Analatresie werden sofort nach der Geburt eingehend untersucht. Dabei werden die Schwere des Symptoms sowie eventuelle weitere Begleitfehlbildungen diagnostiziert.

Erst nach Befundaufnahme wird die medizinische Maßnahme eingeleitet. Die operative Korrektur der Analatresie erfolgt in den ersten neun Lebensmonaten. Bei einer schweren Form der Fehlbildung wird zunächst ein künstlicher Darmausgang sowie der eigentliche Anus gelegt und etwas später zusammengeführt. Im einfachsten Fall lässt sich umgehend die komplette Korrektur durchführen.

Der operative Eingriff ermöglicht eine relative Kontinenz. Die betroffenen Kinder können oft erst im Rahmen ihrer Adoleszenz diese besser steuern lernen. Inwiefern die Kontinenz vollständig oder nur teilweise hergestellt werden kann, hängt vom Grad der Fehlbildung ab. Teilweise leiden die Patienten an psychischen und physischen Sekundärschäden. Sie benötigen einen lebenslangen Therapieplan und regelmäßige Kontrolluntersuchungen.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung einer Analatresie muss stets operativ durchgeführt werden. Unterschiede in der Therapie gibt es bei dem Vorliegen einer Fistel. Besteht eine Fistel, spielen die Höhe der Fehlbildung sowie deren Position eine entscheidende Rolle. Darüber hinaus gilt es abzuklären, ob vor dem korrigierenden Eingriff das Anlegen eines künstlichen Darmausgangs erforderlich ist. Mit einem Metallstab kann eine Fistel in Richtung Damm erst einmal ohne Probleme erweitert werden.

Liegt keine Erweiterung des Darms vor, bedarf es keines künstlichen Darmausgangs. Dessen Anlage ist nötig, wenn der Stuhl über den Urin oder aus der Scheide austritt.

Ist keine Fistel vorhanden und beträgt der Abstand zwischen Haut und Enddarm unter einem Zentimeter, findet die operative Korrektur der Analatresie ohne ein Kolostoma statt. Bei einem längeren Abstand erfolgt zunächst das Anlegen eines künstlichen Darmausgangs. Bei der Operation, die als posteriore saggitale ano-rekto-Plastik (PSARP) bezeichnet wird, löst der Operateur den Stumpf des Enddarms, der nicht in die äußere Richtung mündet, und verschließt falls erforderlich, eine bestehende Fistel.

Danach findet die Eröffnung des Darmstumpfes statt. Durch eine Annaht legt der Chirurg zudem nach außen hin einen After an. Ein künstlicher Darmausgang wird später wieder verschlossen, sodass sich die Kontinuität des Darms wiederherstellen lässt. Im Rahmen der Nachsorge müssen die Eltern des Kindes ein Jahr lang den neu geschaffenen After mithilfe eines Metallstabs regelmäßig aufdehnen.

Aussicht & Prognose

Dank moderner chirurgischer Methoden ist eine Analatresie in der Regel gut korrigierbar, insofern sie rechtzeitig durchgeführt werden. Hierbei hinterlässt die benötigte Operation meist kaum Schäden, wobei das Ausmaß eventueller Folgekomplikationen von der Form der Analatresie bestimmt wird. So sind häufig vorhandene Fisteln zwischen Darmtrakt und inneren Organen oder der Außenseite des Körpers mitentscheidend für den Verlauf der Operationen.

Ein künstlicher Darmausgang oder eine Korrektur des Darmausganges mittels vorhandenem Gewebes, führt in der Regel zu einem funktionalem Darm. Werden Ernährungs- und Darmpflegemaßnahmen eingehalten, lassen sich auftretende Komplikationen - vor allem Inkontinenz und Verstopfungen - in ihrem Auftreten reduzieren oder verhindern. Bei ausgeübtem Beckenbodenmuskulatur- und Darmtraining ist die Prognose für Stuhlinkontinenz insgesamt gut.

Die Ausprägung der Agenesie (das Fehlen) weiterer Körperteile im unteren Rumpfbereich entscheidet oftmals über die langfristige Prognose. Fehlende oder falsch gebildete Teile der Wirbelsäule kommen bei ungefähr der Hälfte aller von Analatresie betroffenen Menschen vor. Die langfristige Prognose ergibt sich aus den daraus resultierenden Leiden und körperlichen Einschränkungen. Da diese Form der Missbildung fast immer als Symptom einer Krankheit - meist eines Syndroms - auftritt, sind für die Prognose auch die Symptome der jeweiligen Krankheit zu berücksichtigen.


Vorbeugung

Da die Ursachen der Analatresie nicht bekannt sind und es sich um eine angeborene Fehlbildung handelt, gibt es keine wirksamen Vorbeugemaßnahmen.

Nachsorge

Die Analresie wird meist operativ behandelt. Dadurch treten die typischen Beschwerden in der Regel nicht wieder auf. Nur unmittelbar nach einem Eingriff müssen sich Patienten mehrmals einem Arzt vorstellen. Dieser überwacht den Heilungsprozess. Auch eine medikamentöse Begleitung findet statt.

Die langfristige Nachsorge entfällt bei einem positiven chirurgischen Eingriff. Eine Analresie lässt sich nicht im Vornherein verhindern. Sie ist angeboren und wird meist bei Kleinkindern diagnostiziert. Zur Feststellung reicht eine körperliche Untersuchung aus. Eine Röntgenaufnahme und ein MRT werden regelmäßig veranlasst.

Eine Nachsorge kann vor allem in der Pubertät hinsichtlich der psychischen Verfassung Betroffener nötig sein, um einen psychologischen Leidensdruck abzubauen. Denn trotz einer weitgehenden Kontinenz schildern Patienten kleine Verschmierungen in der Unterwäsche. Eine Psychotherapie kann helfen, den Umgang im Alltag zu erlernen. Ergibt sich kein zufriedenstellendes operatives Ergebnis, kann ein erneuter chirurgischer Eingriff eventuell Erfolg versprechen.

Diese Therapie ist aber immer von der konkreten Situation abhängig. Betroffene können darüber hinaus selbst einige Aspekte realisieren, die die Komplikationen Verstopfung und Inkontinenz reduzieren. Die Wahl geeigneter Lebensmittel kann erlernt werden. Auch Darmspülungen auf der Toilette führen zu einer Linderung von Beschwerden.

Das können Sie selbst tun

Bei einer Analathresie ist immer eine operative Behandlung erforderlich. Die wichtigste Selbsthilfe-Maßnahme besteht darin, die Beschwerden rasch abzuklären und zeitnah einen Termin für einen chirurgischen Eingriff zu vereinbaren. Vor dem Eingriff müssen die Vorgaben des Arztes eingehalten werden. Der Mediziner wird dem Patienten eine individuelle Diät empfehlen, die den Verzicht auf Genussmittel und bestimmte Lebensmittel umfasst. Patienten, die regelmäßig Medikamente einnehmen oder Allergien haben, die bislang nicht in der Krankenakte vermerkt wurden, sollten den Arzt darüber informieren.

Da der Krankenhausaufenthalt meist mehrere Tage dauert, ist meist auch eine Krankschreibung vonnöten. Nach dem Eingriff gelten Schonung und Bettruhe. Da das Liegen in den ersten Tagen unangenehm sein kann, muss ein spezielles Hämorrhoiden-Kissen verwendet werden. Um sicherzustellen, dass die Heilung positiv verläuft, muss die Wunde gut gepflegt werden. Vor allem beim Stuhlgang sind Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Welche Maßnahmen im Detail notwendig und sinnvoll sind, kann am besten der zuständige Arzt beantworten.

Im Allgemeinen muss nach einem Eingriff mindestens zwei- bis dreimal ein Arzt aufgesucht werden, der den Heilungsverlauf überwacht und gegebenenfalls die Medikation anpasst. Sollten sich Beschwerden oder Komplikationen einstellen, ist ärztlicher Rat gefragt.

Quellen

  • Braun, J., Dormann A. J.: Klinikleitfaden Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2013
  • Renz-Polster, H. Krautzig: Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer, München 2012
  • Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch. 266. Auflage, de Gruyter, Berlin 2014

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