Cannabis-Hyperemesis-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 13. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom ist eine Folge von jahrelang hohem Cannabis-Konsum und manifestiert sich in monatelangem Erbrechen mit Übelkeit und abdominalen Schmerzen. Für das Syndrom scheint der Wirkstoff THC verantwortlich zu sein, aber der genaue Pathomechanismus bleibt unklar. Bei der Therapie steht die notfallmäßige Gabe von Infusionen im Vordergrund.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom?

Dem Cannabis-Hyperemesis-Syndrom geht das Konsum von Cannabis voraus. In den meisten Fällen stellt sich das Syndrom ausschließlich bei wirklich hohem Konsum ein, das über mehrere Jahre lang betrieben wurde.
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Das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom ist eine Erkrankung, die einer paradoxen Reaktion nach jahrelang hohem Cannabiskonsum entspricht. Cannabis ist eine Gattung innerhalb der Familie Hanfgewächse und zählt zu den ältesten Nutzpflanzen überhaupt. Im Gebrauch ist Hanf als Faser- und Ölspender.

In Form von Haschisch und Marihuana findet Cannabis außerdem als Rausch- und Arzneimittel Verwendung. Marihuana wird aus den getrockneten, zerkleinerten Harz-Blütentrauben und den blütennah kleinen Blättern weiblicher Cannabis-Pflanzen gewonnen. Haschisch entspricht dagegen dem extrahierten Harz der Pflanze.

Innerhalb Deutschlands gilt Cannabis als die meisten konsumierte illegale Droge. Die Rauschwirkung geht auf das psychoaktive Cannabinoid THC zurück. Diese Substanz zeigt Einfluss THC auf das Zentralnervensystem, wirkt zentralnervös dämpfend und hat somit einen entspannenden und leicht sedierenden Effekt auf den Konsumenten.

Obwohl Cannabis auch in Deutschland unter bestimmten Umständen bereits als Heilmittel Anwendung findet, kann die Pflanze mit ihren psychoaktiven Wirkstoffen unter bestimmten Bedingungen auch hochpathologische Wirkungen zeigen. Wie viele Menschen in Deutschland bereits ein Cannabis-Hyperemesis-Syndrom entwickelt haben, ist relativ unklar. Vermutlich besteht eine hohe Dunkelziffer.

Ursachen

Dem Cannabis-Hyperemesis-Syndrom geht das Konsum von Cannabis voraus. In den meisten Fällen stellt sich das Syndrom ausschließlich bei wirklich hohem Konsum ein, das über mehrere Jahre lang betrieben wurde. Oft berichten die Patienten davon, regelmäßig zwischen drei und bis zu fünf Joints am Tag geraucht zu haben. Einige Erkrankte berichten sogar von noch höherem Konsum.

Der genaue Pathomechanismus des Cannabis-Hyperemesis-Syndrom ist bisher unbekannt. Vermutlich sind gewohnheitsmäßig hohe Dosen von THC die Ursache für die Symptome der Patienten. Der Wirkmechanismus des THC ist noch nicht geklärt. Zumindest ist sich die Biochemie mittlerweile über die Wirkung an zwei verschiedenen Rezeptor-Arten einig.

Die Rezeptoren CB1 und CB2 liegen im Zentralnervensystem und in den Immunzellen. C1 moduliert im Nervensystem die Ausschüttung der Neurotransmittern. CB2-Rezeptoren regulieren dagegen die Zytokin-Ausschüttung. THC bindet vermutlich an die CB1-Rezeptoren, wo es die Signalübertragung beeinflusst. Über die Rolle des CB2-Rezeptors ist nur wenig bekannt. Das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom könnte so zum Beispiel mit der langfristigen Wirkung des THC auf die C2-Rezeptoren in Zusammenhang stehen.

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Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Patienten mit Cannabis-Hyperemesis-Syndrom machen zyklische Phasen durch, die jeweils durch andere Zustände gekennzeichnet sind. In der ersten Phase leiden die Patienten an Übelkeit und Erbrechen. Darüber hinaus liegt begleitsymptomatisch in dieser Phase oft abdominaler Schmerz vor. Auf die erste Phase folgen charakteristischerweise zwei weitere Phasen.

Die erste Phase wird auch prodromale Phase genannt und kann extrem lange andauern. Bei einigen Patienten nimmt die prodromale Phase nach einigen Monaten ihr Ende. Andere Betroffene leiden jahrelang an den leichten Schmerzen und dem morgendlichen Erbrechen. Die zweite Phase des Syndroms verläuft schubartig und wird auch als hyperemetische Phase bezeichnet. Diese Phase dauert bei Weitem weniger lang als die erste Phase.

24 bis 48 Stunden lang leiden die Patienten an noch gesteigerter Übelkeit und erbrechen sich bis zu fünf Mal in der Stunde. Aufgrund der hohen Flüssigkeits- und Nährstoffverluste stellt sich oftmals Dehydratation oder Gewichtsverlust ein. Vergesellschaftet sind diese Symptome mit milden Schmerzen im abdominalen Bereich. In der letzten Phase klingen die Symptome ab.

Diagnose & Verlauf

Die Diagnose des Cannabis-Hyperemesis-Syndrom kann ausschließlich anhand der Anamnese gestellt werden. Das kann zu Problemen führen, da viele Patienten das Konsum nicht zugeben wollen. Da differentialdiagnostisch an viele weitere Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts gedacht werden muss, wird der Arzt so zuweilen auf eine falsche Fährte gelockt.

Die Prognose für Patienten mit Cannabis-Hyperemesis-Syndrom ist relativ günstig. Zwar kann sich die Besserung in die Länge ziehen, aber die Symptome werden zumindest irgendwann wieder abklingen.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Beim Cannabis-Hyperemesis-Syndrom handelt es sich um eine gewöhnliche Entzugserscheinung, die allerdings zu verschiedenen Komplikationen und Beschwerden führen kann. Aus diesem Grund sollte auf jeden Fall ein Arzt aufgesucht werden, wenn Cannabis nach einem langen Konsum abgesetzt wird und der Betroffene einen Entzug durchführt.

Vor allem bei einem Entzug ohne medizinische Beobachtung sollte dabei immer ein Arzt konsultiert werden. Der Arzt ist dann aufzusuchen, wenn es durch das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom zu Erbrechen und zu einer dauerhaften Übelkeit beim Patienten kommt.

Auch starke Schmerzen im Unterleib können auf das Syndrom hindeuten und sollten untersucht werden. Weiterhin sind auch Gewichtsverluste und Nährstoffmangel möglich. Auch diese Beschwerden müssen von einem Arzt untersucht werden. Weiterhin ist ein Doktor aufzusuchen, wenn es zu starken psychischen Beschwerden oder Depressionen kommt. Hierbei ist der Besuch eines Psychologen ratsam. Das Syndrom selbst kann in der Regel durch einen Allgemeinarzt diagnostiziert und behandelt werden. Allerdings ist es ratsam, einen Drogenentzug in einer Klinik durchzuführen.

Komplikationen

Aufgrund des Cannabis-Hyperemesis-Syndroms kann es zu unterschiedlichen Beschwerden kommen, die in erster Linie von der Höhe des Cannabis-Konsums des Patienten und der Dauer des Konsums abhängen. Meistens kommt es allerdings zu starkem Erbrechen und einer damit verbundenen Übelkeit. Die Symptome treten dabei dauerhaft auf und können den Alltag des Betroffenen stark belasten und die Lebensqualität verringern.

An unterschiedlichen Bereichen des Körpers kann es auch zu plötzlichen Schmerzen kommen. Aufgrund des ständigen Erbrechens leiden die Patienten an einem Verlust von Flüssigkeiten und Nährstoffen, was sich negativ auf das Gewicht auswirkt. Untergewicht stellt für einen Patienten einen sehr ungesunden Zustand dar und sollte auf jeden Fall vermieden werden. In der Regel erfolgt nur die Behandlung der Symptome, da eine kausale Behandlung des Cannabis-Hyperemesis-Syndroms nicht möglich ist.

Dabei werden dem Patienten Infusionen verabreicht, um dem Verlust an Flüssigkeit und Nährstoffen entgegenzuwirken. Ebenso muss der Betroffene einen Entzug von der Droge vornehmen oder diese über einen langen Zeitraum nicht mehr einnehmen. Dabei kommt es in den meisten Fällen zu einem positiven Krankheitsverlauf und es treten keine weiteren Komplikationen auf.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung des Cannabis-Hyperemesis-Syndroms gestaltet sich eher schwierig, da der Pathomechanismus bislang unbekannt ist. Damit kann die Therapie nicht an der eigentlichen Ursache ansetzen, sondern erfolgt rein symptomatisch. Im Fokus steht die Vermeidung von Dehydration und hohen Gewichtsverlusten.

Notfalls werden den Patienten bei akuten Zuständen intravenöse Fusionen gegeben, die den Magen-Darm-Trakt umgehen. Interessanterweise berichten viele Patienten mit Cannabis-Hyperemesis-Syndrom von der lindernden Wirkung, die ein heißes Bad oder eine warme Dusche auf ihre Symptome haben. Daher wird den Betroffenen dieses Vorgehen in der Akutphase ärztlich empfohlen.

Allerdings sollte das Wasser nicht zu heiß sein, um Verbrühungen auszuschließen. In der hyperemetischen Phase erhalten die Patienten Antiemetika. Diese konservativ medikamentöse Therapie richtet sich gegen die Übelkeit und soll den Brechreiz unterdrücken. Andere Therapie-Schritte stehen nicht zur Verfügung.

Den Patienten wird grundsätzlich eine absolute Abstinenz empfohlen, um die Entgiftungsorgane nicht weiter zu belasten und ein wiederholtes Auftreten der Erkrankung auszuschließen. In der Regel erlangen die Betroffenen in der Erholungsphase ihr subjektives Wohlbefinden wieder.

Aussicht & Prognose

Da über das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom in der Medizin bisher nur sehr wenig bekannt ist, kann in der Regel nur eine symptomatische Behandlung stattfinden, die die Beschwerden lindern soll. Eine ursächliche Behandlung ist dabei nicht möglich. Allerdings können die Beschwerden vollständig gelindert werden, wenn der Betroffene einen Entzug durchführt oder anderweitig mit der Einnahme von Cannabis aufhört.

Die Behandlung selbst erfolgt dabei mit Hilfe von Medikamenten und Infusionen, um den Körper mit wichtigen Nährstoffen zu versorgen. Bei einem erfolgreichen Entzug treten die Beschwerden des Cannabis-Hyperemesis-Syndroms in den meisten Fällen nicht mehr auf. Allerdings kann keine Voraussage über die Dauer des Entzuges gemacht werden, da diese stark vom Zustand des Patienten abhängt.

Die Symptome des Syndroms können unterschiedlich stark ausgeprägt sein, wobei die Ausprägung auch von der Dauer des Konsums abhängig ist. Je länger der Konsum andauert, desto schwieriger gestaltet sich häufig der Entzug. Sollte das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom erst nach einem sehr langwierigen Konsum von Cannabis auftreten, so können die Beschwerden möglicherweise auch durch die Reduktion der konsumierten Menge gelindert werden.

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Vorbeugung

Dem Cannabis-Hyperemesis-Syndrom lässt sich durch die Abstinenz von Cannabis vorbeugen. Da das Syndrom erst bei extrem hohem Konsum und jahrelangem Konsumverhalten zu erwarten ist, muss zur Vermeidung keine absolute Abstinenz erforderlich sein. Auch ein maßvoller Umgang mit Cannabis kann dem Syndrom vorbeugen.

Nachsorge

Die Nachsorge-Situation beim noch relativ unerforschten Cannabis-Hyperemesis-Syndrom ist nicht besonders gut. Ein Entzug alleine hilft oft nur mittelfristig, da die Symptome eines langjährigen Cannabis-Konsums erst drei Monate später vollständig ausgestanden sein können. Viele Betroffene sehen heiße Bäder in der akuten Phase des Erbrechens, der Magenschmerzen und der Unfähigkeit zur Nahrungsaufnahme als Linderungsmittel an.

Nach einem erfolgreichen Cannabis-Entzug hängt es sehr von Menge und Qualität des über Jahre konsumierten Cannabis ab, ob der Patient dauerhaft beschwerdefrei sein wird oder nicht. Problematisch ist auch die Abgrenzung der vorliegenden Symptome von anderen Erkrankungen oder dem zyklischen Erbrechen. Daher kann es im Einzelfall mehrere Jahre dauern, bis die geschilderten Probleme überhaupt als Cannabis-Hyperemesis-Syndrom erkannt werden.

Die Unkenntnis bei den Schulmedizinern ist noch groß. Ohne Wissen um den chronischen Cannabis-Konsum seines Patienten hat der behandelnde Arzt kaum eine Chance die richtige Diagnose, eine geeignete Therapieform oder Nachsorgemaßnahmen zu finden. Eine Nachsorge macht bei dem regelmäßig auftretenden Cannabis-Hyperemesis-Syndrom erst dann Sinn, wenn der Konsument zukünftig auf Cannabis-Konsum verzichtet.

Schwierig ist auch, dass Mediziner bisher nicht wissen, was das Cannabis-Hyperemesis-Syndrom auslöst. Falls es sich um Vergiftungserscheinungen durch Neemöl handelt, das häufig als organisches Pestizid von Cannabis-Anbauern verwendet wird, müsste die Nachsorge anders aussehen als bei anderen Ursachen.

Das können Sie selbst tun

Dem Cannabis-Hyperemesis-Syndrom geht ein jahrelanger, regelmäßiger und sehr hoher Cannabiskonsum voraus. Personen, die die Droge regelmäßig konsumieren, sollten also auch in Hinblick auf mögliche Spätfolgen den rechtzeitigen Beginn einer Therapie in Erwägung ziehen.

Spätestens dann, wenn sich erste Suchterscheinungen einstellen, ist professionelle Hilfe erforderlich. Kostenlos arbeitende staatliche Drogenberatungsstellen gibt es in jeder Staat. Daneben gibt es Hilfsangebote der Kirchen und weltlicher karitativer Vereinigungen. Hilfe und Informationen finden Betroffene außerdem im Internet.

Sofern der Verdacht auf ein Cannabis-Hyperemesis-Syndrom besteht, muss der behandelnde Arzt unbedingt über den Konsum informiert werden. Ärzte unterliegen in Deutschland einer strengen Schweigepflicht. Selbst wenn es zu Straftaten in Zusammenhang mit dem Cannabiskonsum gekommen sein sollte, ist der Arzt zum Schweigen verpflichtet und darf weder Polizei noch Staatsanwaltschaft informieren oder im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen einen Patienten aussagen. Auch die Patientenakten sind tabu. Es besteht also kein Grund, den Drogenmissbrauch vor dem behandelnden Arzt zu verheimlichen.

Die Therapie eines Cannabis-Hyperemesis-Syndroms unterstützt der Patient selbst am besten, indem er den weiteren Konsum der Droge vollständig einstellt. Hierzu ist meist eine Therapie erforderlich. Über entsprechende Angebote informiert der behandelnde Arzt, Drogenberatungsstellen oder die Krankenkasse. Sofern der Patient einem Milieu angehört, in dem der Cannabiskonsum als normal gilt, sollte er Maßnahmen ergreifen, um sich aus diesen Kreisen zu lösen. Hierzu kann die Hilfe von Therapeuten und Sozialarbeitern in Anspruch genommen werden.

Quellen

  • Baenkler, H.-W., et al.: Kurzlehrbuch Innere Medizin. Thieme Verlag, Stuttgart 2010
  • Gerok, W., Huber, C., Meinertz, T., Zeidler, H. (Hrsg.): Die innere Medizin – Referenzwerk für den Facharzt. Schattauer, Stuttgart 2007
  • Payk, T., Brüne, M.: Checkliste Psychiatrie und Psychotherapie. Thieme, Stuttgart 2013

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