Antiemetika
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. Juni 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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In vielen Fällen kann es sinnvoll sein, Übelkeit und Erbrechen mit wirksamen Mitteln zu stoppen und so eine sofortige Verbesserung des Befindens herbeizuführen. Doch nicht immer ist die Behandlung mit Antiemetika angezeigt, weshalb zuerst die Ursache der Störung abgeklärt werden sollte.
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Was sind Antiemetika?
Unter Antiemetika versteht man eine Arzneimittelgruppe, die direkt auf das Brechzentrum einwirkt und so im Fall von Übelkeit zu einer schnellen Besserung des Befindens führt.
Ihre wichtigsten Anwendungsgebiete sind chronischer Schwindel, Migräne, Reisekrankheit oder auch die Eindämmung unerwünschter Nebenwirkungen von Chemotherapien. Je nach Art und Schwere der Grunderkrankung kommt die Verwendung pflanzlicher oder chemischer Antiemetika in Betracht. Letztere sind sowohl als leichte Mittel zur Selbstmedikation im freien Verkauf erhältlich, während für hartnäckige Fälle auch verschreibungspflichtige Medikamente mit hohem Wirkstoffgehalt verfügbar sind.
Aufgrund ihrer spezifischen Wirkungsweise sind Antiemetika nur hilfreich, wenn die Übelkeit nicht durch mechanische Behinderungen des Magen-Darm-Trakts verursacht wurde. Kontraindiziert ist die antiemetische Behandlung von Übelkeit aufgrund von Vergiftungen, da das Erbrechen in diesen Fällen oft eine Schutzfunktion darstellt, die nicht unterbunden werden sollte.
Geschichte & Entwicklung
Die Geschichte der Antiemetika, Medikamente gegen Übelkeit und Erbrechen, reicht weit zurück. Schon in der Antike nutzten Kulturen wie die Ägypter und Griechen pflanzliche Mittel wie Ingwer und Pfefferminze zur Linderung von Übelkeit. Im 19. Jahrhundert begann die moderne Medizin, systematischer nach Lösungen zu suchen.
Ein bedeutender Fortschritt kam in den 1940er Jahren mit der Entdeckung von Promethazin, einem Antihistaminikum, das auch antiemetische Eigenschaften zeigte. In den 1950er Jahren wurden dann Phenothiazine wie Chlorpromazin und Prochlorperazin entwickelt, die vor allem in der Behandlung von Übelkeit bei Chemotherapie-Patienten Anwendung fanden.
Die 1980er Jahre markierten einen weiteren Meilenstein mit der Einführung der Serotonin-Antagonisten, insbesondere Ondansetron. Diese Medikamente boten eine effektive Kontrolle von Übelkeit und Erbrechen, insbesondere bei postoperativen Patienten und Krebspatienten unter Chemotherapie. In den letzten Jahrzehnten wurden weitere Klassen von Antiemetika entwickelt, darunter Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonisten wie Aprepitant.
Die kontinuierliche Forschung und Entwicklung haben dazu beigetragen, die Lebensqualität von Patienten erheblich zu verbessern, indem sie wirksame Mittel gegen Übelkeit und Erbrechen bereitstellten, die oft mit verschiedenen medizinischen Behandlungen einhergehen.
Medizinische Anwendung, Wirkung & Gebrauch
Eine der häufigsten Ursachen für Übelkeit und Erbrechen ist die Bewegungskrankheit (Kinetose), wie sie als Reise- oder Seekrankheit bekannt ist.
Sie entsteht durch widersprüchliche Informationen, welche von den Sinnesorganen an das Gehirn weitergegeben und dort nicht adäquat verarbeitet werden. Antiemetika mit dem Wirkstoff Dimenhydrinat gehören zur Gruppe der Antihistaminika, wirken besänftigend auf das zentrale Nervensystem ein und sind für Kinder auch in Form von Kaugummis und Zäpfchen erhältlich. Sie sollten bereits etwa eine Stunde vor Reiseantritt eingenommen werden, um Übelkeit und Erbrechen gar nicht erst entstehen zu lassen.
Stecken schwerere Erkrankungen wie Migräne oder Morbus Menière hinter der Übelkeit, wird der Arzt gegebenenfalls stärkere Antiemetika mit Wirkstoffen wie Betahistin verschreiben, die gefäßerweiternd im Innenohr wirken und so einen positiven Effekt auf das Gleichgewichtsorgan ausüben.
Eine Behandlung mit Neuroleptika kommt in Betracht, wenn die Übelkeit auf psychische Ursachen zurückzuführen ist. Hierbei ist jedoch Augenmaß angesagt, da der antipsychotischen und antiemetischen Wirkung schwere Nebenwirkungen gegenüberstehen. Deshalb sollte vor der Einnahme von antiemetischen Neuroleptika unbedingt eine zweite ärztliche Meinung eingeholt werden.
↳ Weitere Informationen: Hausmittel gegen Übelkeit
Pflanzliche, natürliche & pharmazeutische Antiemetika
Wer regelmäßig unter Übelkeit und Erbrechen leidet, sollte die Behandlung mit den schonendsten Mitteln beginnen und zuerst auf pflanzliche Stoffe setzen. An erster Stelle ist hier der Ingwer zu nennen, der für seine antiemetische Wirkung schon seit Jahrhunderten bekannt ist.
Zur Behandlung wird die möglichst frische Ingwerwurzel verwendet, die als Gewürz oder frisch überbrüht als Tee genossen werden kann. Gegen den Brechreiz kommen auch Bitterstoffe zum Einsatz, wie sie in Wermut oder Artischocken enthalten sind. Sollte diese Behandlung im Einzelfall wirkungslos bleiben, sind auch homöopathische Mittel wie Nux vomica oder Cocculus gegen das Leiden verfügbar. Lohnenswert ist auch ein Versuch mit hoch dosiertem Vitamin B, das in der Apotheke erhältlich ist.
Ist eine Behandlung mit chemischen Mitteln nicht zu vermeiden, sollten zuerst die Wirkstoffe Dimenhydrinat und Diphenhydramin ausprobiert werden. In schweren Fällen, wenn hartnäckige Übelkeit die Lebensqualität massiv beeinträchtigt, sollte unbedingt ein Arzt konsultiert werden. Er klärt nicht nur die Ursache zweifelsfrei ab, sondern verschreibt bei Bedarf auch Antiemetika mit Wirkstoffen wie Scopolamin oder Metoclopramid.
Risiken & Nebenwirkungen
Grundsätzlich sollten die Risiken und Nebenwirkungen von Arzneimitteln nicht unterschätzt werden. Dies gilt auch für die Gruppe der Antiemetika.
Je nach Art des verwendeten Wirkstoffs können die unerwünschten Effekte sehr unterschiedlich sein: Sie reichen von trockener Mundschleimhaut, Müdigkeit und beschleunigtem Herzschlag bei der Anwendung von Reisekaugummis bis hin zu psychotischen Zuständen im Falle der Überdosierung von Scopolaminpräparaten oder Neuroleptika.
Auch Angstzustände, Schweißausbrüche und körperliche Unruhe können durch Antiemetika ausgelöst werden. In jedem Fall gilt: Je stärker der Wirkstoff, desto sorgfältiger sollten Nutzen und Risiken gegeneinander abgewogen werden. In jedem Fall sollten unklare Beschwerden unter der Einnahme stärkerer Antiemetika medizinisch abgeklärt werden.
Anwendung & Sicherheit
Antiemetika werden zur Vorbeugung und Behandlung von Übelkeit und Erbrechen eingesetzt, die durch verschiedene Ursachen wie Chemotherapie, postoperative Zustände, Reisekrankheit oder Gastroenteritis hervorgerufen werden können. Die genaue Anwendung hängt von der Art des Antiemetikums und der zugrunde liegenden Ursache ab. Sie können oral, intravenös, intramuskulär oder als Zäpfchen verabreicht werden. Beispielsweise wird Ondansetron häufig zur Prävention von Übelkeit bei Chemotherapie-Patienten intravenös verabreicht, während Dimenhydrinat bei Reisekrankheit oral eingenommen wird.
Die Sicherheit von Antiemetika ist in der Regel gut, jedoch können Nebenwirkungen auftreten. Diese variieren je nach Medikament und können Schläfrigkeit, Mundtrockenheit, Schwindel oder Kopfschmerzen umfassen. Bei Serotonin-Antagonisten wie Ondansetron sind Herzrhythmusstörungen eine seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkung. Daher ist eine sorgfältige Überwachung und Dosisanpassung erforderlich, insbesondere bei Patienten mit bestehenden Herzproblemen.
Die Qualitätskontrolle bei der Herstellung von Antiemetika unterliegt strengen regulatorischen Standards, um die Sicherheit und Wirksamkeit zu gewährleisten. Dies umfasst die Überwachung der Rohstoffqualität, die Einhaltung guter Herstellungspraxis (GMP) und umfassende Tests der Endprodukte auf Reinheit, Potenz und Stabilität. Hersteller müssen kontinuierlich Qualitätsprüfungen durchführen und Berichte an Aufsichtsbehörden wie der EMA vorlegen. Dies stellt sicher, dass die Medikamente den höchsten Standards entsprechen und sicher für den Gebrauch sind.
Alternativen
Neben klassischen Antiemetika gibt es verschiedene alternative Medikamente und Therapieformen zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen. Zu den alternativen Medikamenten gehören:
Cannabinoide: Medikamente wie Dronabinol und Nabilon, die synthetische Formen von THC sind, werden bei Chemotherapie-induzierter Übelkeit eingesetzt. Sie wirken auf das Endocannabinoid-System und können Übelkeit und Erbrechen lindern, haben jedoch Nebenwirkungen wie Schwindel und psychotrope Effekte.
Corticosteroide: Dexamethason wird häufig in Kombination mit anderen Antiemetika zur Prävention von Chemotherapie-induzierter Übelkeit eingesetzt. Es ist besonders wirksam, kann aber langfristig Nebenwirkungen wie Bluthochdruck und Immunsuppression verursachen.
Anticholinergika: Medikamente wie Scopolamin werden bei Reisekrankheit verwendet. Sie blockieren die Wirkung von Acetylcholin im Nervensystem, was Übelkeit reduziert. Nebenwirkungen können Mundtrockenheit und verschwommenes Sehen sein.
Vergleich mit anderen Therapieformen:
Akupunktur und Akupressur: Diese traditionellen chinesischen Techniken können Übelkeit lindern, insbesondere bei postoperativer und schwangerschaftsbedingter Übelkeit. Studien zeigen eine moderate Wirksamkeit, aber die Ergebnisse sind oft subjektiv und variieren je nach Patient.
Ernährungsumstellungen: Kleine, häufige Mahlzeiten und das Vermeiden von fetthaltigen oder stark gewürzten Lebensmitteln können helfen, Übelkeit zu minimieren. Ingwer und Pfefferminze sind natürliche Mittel, die nachweislich Übelkeit lindern können.
Verhaltenstherapie: Techniken wie progressive Muskelentspannung und Atemübungen können helfen, Übelkeit zu kontrollieren, insbesondere wenn sie durch Angst oder Stress ausgelöst wird. Diese Methoden haben keine Nebenwirkungen, erfordern jedoch Geduld und regelmäßige Praxis.
Jede Therapieform hat ihre eigenen Vor- und Nachteile, und die Wahl der Behandlung hängt oft von der Ursache der Übelkeit, den individuellen Patientenpräferenzen und den möglichen Nebenwirkungen ab.
Forschung & Zukunft
Die Forschung zu Antiemetika entwickelt sich stetig weiter, um effektivere und sicherere Behandlungsansätze zu finden. Aktuelle Trends und neue Behandlungsansätze umfassen:
1. Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonisten
Diese Klasse von Antiemetika, zu der Aprepitant gehört, wird weiter erforscht und optimiert. Neue Wirkstoffe dieser Klasse zielen darauf ab, die Wirksamkeit zu erhöhen und Nebenwirkungen zu reduzieren. Sie werden häufig in Kombination mit Serotonin-Antagonisten und Corticosteroiden verwendet, um Chemotherapie-induzierte Übelkeit besser zu kontrollieren.
2. Individualisierte Therapie
Ein bedeutender Trend ist die personalisierte Medizin, die darauf abzielt, Antiemetika-Behandlungen an die genetischen Profile der Patienten anzupassen. Durch genetische Tests können Ärzte vorhersagen, wie Patienten auf bestimmte Antiemetika reagieren, und so die effektivste und sicherste Therapie auswählen.
3. Neue Wirkstoffkombinationen
Forschungen konzentrieren sich auch auf die Entwicklung neuer Kombinationstherapien, die verschiedene Mechanismen der Übelkeit und des Erbrechens ansprechen. Kombinationen von traditionellen Antiemetika mit neuen Wirkstoffen oder ergänzenden Medikamenten können synergistische Effekte erzielen und die Behandlungsergebnisse verbessern.
4. Nicht-Pharmakologische Ansätze
Es gibt auch zunehmendes Interesse an nicht-pharmakologischen Ansätzen wie Akupunktur, Akupressur und transkutaner elektrischer Nervenstimulation (TENS). Diese Methoden bieten zusätzliche Möglichkeiten zur Kontrolle von Übelkeit, insbesondere für Patienten, die empfindlich auf Medikamente reagieren oder Nebenwirkungen vermeiden möchten.
5. Gut-Mikrobiom-Forschung
Ein aufkommender Forschungsbereich untersucht die Rolle des Darmmikrobioms bei der Regulation von Übelkeit und Erbrechen. Frühere Studien deuten darauf hin, dass eine gesunde Darmflora die Wirksamkeit von Antiemetika verbessern und das Auftreten von Übelkeit reduzieren kann.
Diese Trends und neuen Ansätze zeigen, dass die Forschung im Bereich der Antiemetika dynamisch ist und weiterhin innovative Lösungen für die Behandlung von Übelkeit und Erbrechen entwickelt werden.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor