Diphallie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 10. November 2021Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Unter der Diphallie wird eine seltene Doppelfehlbildung des Penis verstanden. Als Ursache vermutet die Medizin den Konsum von fruchtschädigenden Stoffen in der frühen Schwangerschaft. Beim heutigen Stand der Medizin kann eine Diphallie zusammen mit allen Begleitanomalien in der Regel chirurgisch korrigiert werden.
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Was ist Diphallie?
Die Diphallie ist eine äußerst seltene Fehlbildung des Penis. Die Bezeichnung stammt aus dem Griechischen und lässt sich wörtlich als „Zweifachpenis“ übersetzen. Die Inzidenz dieses Phänomens wird mit einem Verhältnis von etwa einem Fall auf fünf bis sechs Millionen beschrieben. Erstmals wurde der doppelte Penis im 17. Jahrhundert in Bologna dokumentiert. Seitdem sind insgesamt rund 100 Fälle beschrieben worden. Oft sind bei der Diphallie beide Penisse zumindest eingeschränkt funktionsfähig.
Von dem Phänomen zu unterscheiden ist die Bifurkation. Auch bei dieser Erscheinung liegt eine Zweiteilung des Penis vor. Anders als bei der Diphallie ist die Zweiteilung bei der Bifurkation aber nicht angeboren, sondern einem chirurgischen Eingriff im Rahmen einer rituellen Handlung zuzuschreiben. Die Diphallie wird zu den Embryopathien gerechnet und gehört damit zu den Entwicklungsstörungen der frühen Embryonalphase. Wie den Penis beim Mann kann eine Doppelfehlbildung auch die Klitoris der Frau betreffen. Auch dieses Phänomen ist allerdings äußerst selten.
Ursachen
Im Anbetracht der äußerst geringen Inzidenz ist das Phänomen der Diphallie noch nicht abschließend erforscht. Über die Ursachen lässt sich bislang nur spekulieren. Gegenwärtig geht die Medizin ursächlich von dem Konsum fruchtschädigender Substanzen in der Frühschwangerschaft aus. Durchschnittlich trennen sich am 24. Tag einer Schwangerschaft im hinteren Mesoderm des Embryos der Sinus urogenitalis, der Mastdarm und der Geschlechtshöcker voneinander.
Der Sinus urogenitalis ist die fetale Vorläuferstufe der Harnwege und Geschlechtsteile. Nach seiner Trennung vom Mastdarm und den Geschlechtshöckern wird beim männlichen Embryo der Penis ausgeformt. Die Medizin geht davon aus, dass schädigende Einflüsse in dieser Frühphase die Funktion der Homeobox-Gene beeinträchtigen. Diese Gene codieren für die Homöodomäne. Eine Mutation der Gene kann daher überzählige Gliedmaßen hervorbringen. Für den paarigen Penis soll speziell die Verschmelzung dieser Gene bei der chromosomalen Translation behindert sein.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Bei der Diphallie ist der Penis doppelt angelegt. Die einzelnen Anlagen liegen manchmal übereinander. Sie können aber auch unmittelbar nebeneinander oder in einem gewissen Abstand zueinander vorliegen. Meist funktionieren beide Anlagen, sodass zumindest Urin sowohl über den einen, als auch den anderen abgegeben werden kann. Die Doppelfehlbildung muss sich nicht über die gesamte Länge des Penis ziehen. Oft ist zum Beispiel nur die Eichel betroffen.
In der Regel ist eine der beiden Anlagen stärker ausgebildet als die andere. In den meisten Fällen wird die Diphallie von weiteren Fehlbildungen der Genitalien oder des Mastdarms begleitet. Mit am häufigsten liegt zusätzlich eine Spaltung des Hodensacks vor. Auch Entwicklungsstörungen der Harnröhre sind eine häufige Begleiterscheinung. In den meisten Fällen ist die Fruchtbarkeit der Betroffenen zumindest eingeschränkt oder es liegt gänzliche Unfruchtbarkeit vor.
Diagnose & Verlauf
Die Diagnose einer Diphallie lässt sich unmittelbar nach der Geburt des Patienten stellen. Auch eine Diagnose vor der Geburt ist unter Umständen denkbar. Die Doppelanlage des Penis kann vor allem auf der psychischen Ebene einen mehr oder weniger ernsten Verlauf nehmen.
Wie hoch der Leidensdruck für einen Patienten mit Diphallie ist, hängt stark von dem Zeitpunkt der Diagnose, der Therapiemöglichkeit, den begleitenden Fehlbildungen und zusätzlich der Persönlichkeit des Betroffenen ab. In der Regel lassen sich die Fehlbildungen des Genitaltrakts heute beheben. Die Unfruchtbarkeit kann allerdings bestehen bleiben.
Komplikationen
Bei der Diphallie kommt es zur Ausbildung von zwei Penissen, welche mit unterschiedlichen Komplikationen einhergehen kann. In der Regel ist nur die Eichel von der Doppelbildung betroffen. In erster Linie leiden die Patienten an psychischen Beschwerden, die aufgrund der Optik auftreten. Dabei kann es zu Depressionen oder zu Minderwertigkeitskomplexen kommen.
Auch die sexuelle Lust ist stark eingeschränkt. Die Diphallie wird von vielen Menschen als bizarr angesehen und kann dadurch zu Problemen mit dem Partner führen. Meistens kommt es aufgrund der Erkrankung auch zu Beschwerden an der Harnröhre, sodass das Wasserlassen mit Schmerzen verbunden ist. Oft sind die Betroffenen unfruchtbar oder die Fruchtbarkeit ist sehr eingeschränkt.
Die Behandlung der Diphallie ist in der Regel mittels eines operativen Eingriffs möglich. Dieser ist allerdings sehr komplex und wird nur dann durchgeführt, wenn er vom Patienten gewünscht wird. Nicht in jedem Fall muss eine Diphallie korrigiert werden. Meistens wird die Behandlung allerdings durchgeführt, da die Patienten sich für die Krankheit schämen. Diese wird vor allem vor dem Erreichen der Volljährigkeit durchgeführt, damit es zu keinen psychischen Beschwerden im Erwachsenenalter kommt. Nach dem Eingriff treten keine weiteren Komplikationen ein.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Sollte die Diphallie im Erwachsenenalter noch vorliegen und von dem Betroffenen als Problem empfunden werden, empfiehlt sich ein Arztbesuch. Im Gespräch mit dem Mediziner können die möglichen Behandlungsschritte ausgearbeitet werden. Meist ist es möglich, die Fehlbildung operativ zu behandeln. Ein entsprechender Eingriff bietet sich insbesondere Menschen an, die unter der Diphallie leiden – sei es in Form von Problemen beim Wasserlassen oder durch psychische Beschwerden.
Eine therapeutische Beratung kann dazu beitragen, den Leidensdruck des Betroffenen zu reduzieren. Zur Diagnose einer Diphallie ist kein Arztbesuch vonnöten. Die Fehlbildung wird vom dem Arzt oder den Eltern in der Regel direkt nach der Geburt oder bereits davor festgestellt. Eine weitere medizinische Abklärung ist dennoch nötig, um mögliche Schäden der inneren Organe auszuschließen. Üblicherweise werden diese Maßnahmen noch vor Ort im Krankenhaus ergriffen. Den Eltern wird im Zuge dessen meist ein Beratungsgespräch mit dem Mediziner angeboten, in welchem diese über die Risiken der Diphallie informiert werden.
Behandlung & Therapie
Die meisten Fehlbildungen lassen sich heute chirurgisch korrigieren. Das gilt auch für die Doppelfehlbildung des Penis. Im Hinblick auf die Diphallie ist die Operation sogar die einzige Therapieoption. Der Eingriff am doppelt angelegten Penis ist allerdings relativ aufwändig und komplex, da die Harnwege unter Umständen neu arrangiert werden müssen, damit eine der doppelten Strukturen abgenommen werden kann.
Dem Eingriff geht eine ausgiebige Begutachtung des Patienten voraus. Bei dieser Untersuchung soll vor allem die Frage nach zusätzlichen Anomalien aufgeklärt werden. Eine chirurgische Eingriffsmöglichkeit gibt es für so gut wie alle Anomalien, die mit der Diphallie in Verbindung gebracht werden. Eine Diphallie muss allerdings nicht zwingend chirurgisch korrigiert werden, wenn es der Patient nicht wünscht. Aus der gegenwärtigen Zeit sind Fälle bekannt, bei denen sich der Betroffene bewusst gegen eine Therapie entschieden und sein Leben mit dem doppelten Genital gemeistert hat.
Nichtsdestotrotz kann ein unbehandelter Doppelpenis Betroffene ab dem Teenageralter starke Unsicherheit, Selbstzweifel und Scham empfinden lassen. Die meisten Eltern wollen ihren Nachwuchs Spott und Kränkungen ersparen und entscheiden sich daher schon weit vor der Volljährigkeit des Nachwuchses für eine korrigierende Operation.
Aussicht & Prognose
Mit den modernen medizinischen Möglichkeiten gelingt es in der Vielzahl der Fälle, die Doppelfehlbildung zu korrigieren. Ohne einen chirurgischen Eingriff muss der Patient sein Leben mit der Diphallie bestreiten, da es keine alternative Möglichkeit einer Veränderung gibt. Grundsätzlich ist aufgrund der medizinischen Kompetenzen die Prognose für die Diphallie gut.
In einem Korrektureingriff wird die Doppelbildung des Penis behoben. Dennoch kann es durch die individuelle Ausgangssituation des Patienten zu verschiedenen Folgeerscheinungen und Problemen kommen. Zu den meisten Beschwerden gehören eine Unfruchtbarkeit oder eine mangelnde Steifheit des Penis. Bei einem Schrumpfhoden liegt eine nicht korrigierbare und damit lebenslange Unfruchtbarkeit des Mannes vor. Bei einer erektilen Dysfunktion ist das Sexualverhalten nachhaltig gestört. Durch den operativen Eingriff bilden sich Narben im Intimbereich. Diese können zu Beschwerden und im ungünstigen Fall zu langfristigen Schmerzen führen.
Eine Laserbestrahlung ist notwendig, damit eine Linderung der Beschwerden eintritt. Zudem kann der Korrektureingriff der Diphallie zu einem verkürzten Penis oder zu unerwünschten Verformungen führen. Häufig treten partnerschaftliche Konflikte oder ein ungewolltes Alleinsein auf. Scham, ein verringertes Selbstwertgefühl und Hänseleien treten auf. Dies löst psychische Probleme oder Erkrankungen aus, die zu einer starken Verminderung der Lebensqualität führen. In schweren Fällen kommt es zu einer Depression, Persönlichkeits-, Angst- oder sexuellen Störungen.
Vorbeugung
Falls die Medizin mit den aktuellen Spekulationen über die Ursache der Diphallie richtig liegt, so lässt sich dem Phänomen vorbeugen. Wenn fruchtschädigende Substanzen für die Anomalie verantwortlich sind, so kann der gänzliche Verzicht auf Alkohol, Drogen, Zigaretten, Kaffee und Schwarztee währen der frühen Schwangerschaft bereits als Vorbeugemaßnahme verstanden werden.
Nachsorge
In den meisten Fällen sind bei der Diphallie keine besonderen Maßnahmen einer Nachsorge notwendig oder erforderlich. Die Krankheit selbst muss dabei durch einen ärztlichen Eingriff behandelt werden, damit es nicht zu weiteren Komplikationen im Leben des Kindes kommt. Nach diesem Eingriff sind in der Regel keine weiteren Maßnahmen mehr notwendig, um die Beschwerden zu lindern.
Auch Komplikationen treten meist nicht mehr ein. Die Behandlung selbst erfolgt dabei durch einen operativen Eingriff. Sie sollte dabei schon sehr früh stattfinden, da nur durch eine frühzeitige Erkennung und Behandlung der Diphallie weitere Beschwerden vermieden werden können. Nach dem Eingriff muss sich der Betroffene immer ausruhen und Bettruhe bewahren.
Der Körper sollte geschont werden, wobei von Anstrengungen oder anderen stressigen oder sportlichen Betätigungen abgesehen werden sollte. In den meisten Fällen sind die Betroffenen auch auf eine psychologische Unterstützung angewiesen. Vor allem im späteren Alter sind dabei intensive Gespräche mit den Eltern oder mit Freunden sinnvoll, um psychische Verstimmungen oder sogar Depressionen zu verhindern. Auch der Kontakt zu anderen Patienten der Diphallie kann dabei sinnvoll sein. Die Lebenserwartung des Patienten bleibt von dieser Erkrankung unverändert.
Das können Sie selbst tun
Die Diphallie als selten vorkommende Erkrankung führt bei einem Teil der Betroffenen zu körperlichen Beschwerden, die sich zum Beispiel in Schwierigkeiten beim Urinieren äußern. Um vorhandene Leiden zu reduzieren, ist ein regelmäßiger Kontakt mit den zuständigen Fachärzten die wichtigste Maßnahme für den Patienten.
Mit Hilfe von Medikamenten sind bestimmte Schwierigkeiten, etwa beim Harnlassen, reduzierbar. Dies gilt auch für eventuell auftretende Schmerzen. In schwereren Fällen kommen operative Eingriffe in Betracht, die die Diphallie ganz oder teilweise beheben.
Schwerwiegender als die körperlichen Probleme sind bei der Diphallie jedoch häufig die psychischen Folgen für die Betroffenen. Denn die Erkrankung ist meist mit Scham verbunden, insbesondere bei Erwachsenen. Zwar ist die Diphallie für Außenstehende nicht erkennbar, sodass es möglich ist, die Krankheit vor anderen Menschen geheim zu halten.
Probleme ergeben sich für die Patienten daher meist erst, wenn sie eine Partnerschaft eingehen möchten und eine negative Reaktion des Partners befürchten. Um das Selbstbewusstsein zu stärken, helfen einigen Betroffenen Psychotherapien oder die Teilnahme an Selbsthilfegruppen.
Empfinden die Patienten die Beeinträchtigung durch ihr Schamgefühl als zu stark, kommen auch aus psychischen Gründen operative Eingriffe in Frage. Deshalb empfiehlt sich eine Operation der Erkrankung schon im Kindesalter.
Quellen
- Gasser, T.: Basiswissen Urologie. Springer, Berlin 2011
- Finke, F., Piechota, H., Schaefer, R.M., Sökeland, J., Stephan-Odenthal, M., Linden, P.: Die urologische Praxis. Uni-Med, Bremen 2007
- Stumpf, M., Kasperk, R., Schumpelick, V.: Operationsatlas Chirurgie. Thieme, Stuttgart 2013