Dyslexie
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 9. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bei einer Dyslexie handelt es sich um eine Erkrankung, in deren Rahmen die betroffenen Patienten Schwierigkeiten beim Lesen und dem Verständnis von gelesenen Informationen haben. Demzufolge stellt die Dyslexie in erster Linie einer Lesestörung dar. Andererseits weisen die erkrankten Personen keine Störungen des Seh- oder Gehörsinns auf. In einigen Fällen kommt die Dyslexie gemeinsam mit einer Legasthenie vor.
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Was ist eine Dyslexie?
Grundsätzlich ist im Rahmen einer Dyslexie die Fähigkeit zum Lesen beeinträchtigt. Schätzungen zufolge tritt die Dyslexie bei circa 5 bis 15 Prozent der Menschen auf. In Ihrer Ausprägung und ihrem Schweregrad unterscheidet sich die Dyslexie jedoch im Einzelfall mitunter erheblich. In zahlreichen Fällen zeigt sich die Dyslexie zum ersten Mal innerhalb der ersten Schuljahre. Die Ursache der Dyslexie findet sich oftmals in genetischen Komponenten.
Bei einigen Patienten entwickelt sich die Erkrankung allerdings in der Folge eines Schlaganfalls oder Schädel-Hirn-Traumas. Die Dyslexie ist von der Alexie abzugrenzen, in deren Rahmen die Patienten überhaupt nicht zum Lesen in der Lage sind. Bedingt durch die Dyslexie lesen die betroffenen Personen relativ langsam oder verwechseln die Buchstaben von Wörtern in ihrer Reihenfolge.
Ursachen
Eine Dyslexie entsteht durch verschiedene Ursachen, sodass die Erkrankung im Einzelfall zwar ähnliche Symptome zeigt, jedoch auf unterschiedliche Faktoren zurückzuführen ist. Beobachtungen weisen darauf hin, dass die Dyslexie familiär gehäuft auftritt. Aus diesem Grund bestehen Vermutungen darüber, dass die Krankheit erblich an die Nachkommen weitergegeben wird.
Bei Forschungsuntersuchungen wurden Mutationen auf dem sechsten Chromosom identifiziert, die offensichtlich an der Krankheitsgenese beteiligt sind. Prinzipiell ist hinsichtlich der Ursachen der Erkrankung in eine angeborene und erworbene Dyslexie zu differenzieren. Personen mit einer angeborenen Dyslexie weisen in einigen Hirnarealen eine geringere Aktivität auf als gesunde Menschen.
Es bereitet den Patienten Schwierigkeiten, Buchstaben in der richtigen Reihenfolge zu einem Wort zusammenzufassen. Im überwiegenden Teil der Fälle wird diese Form der Dyslexie im Grundschulalter diagnostiziert, da das beeinträchtigte Lesevermögen hier zum ersten Mal deutlich auffällt. Anders verhält es sich bei der erworbenen Dyslexie, die mit weitaus größerer Häufigkeit vorkommt als die angeborene Form.
In diesem Fall haben sich infolge eines Schlaganfalls oder sonstiger Faktoren Schädigungen in bestimmten Bereichen des Gehirns ergeben. Dabei sind auch jene Areale lädiert, die eine bedeutende Rolle für das Lesevermögen spielen. Oftmals tritt die erworbene Dyslexie gemeinsam mit einer Sprachstörung und anderen Beeinträchtigungen auf. Denn in den meisten Fällen sind infolge der schädigenden Einwirkungen nicht nur die für das Lesen verantwortlichen Gehirnabschnitte verletzt.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Die Beschwerden und Krankheitsanzeichen der Dyslexie sind relativ eindeutig und in zahlreichen Fällen vergleichsweise leicht zu diagnostizieren. Die betroffenen Patienten leiden an Schwierigkeiten beim Lesen, die sich zum Beispiel im Vertauschen der Buchstabenreihenfolge äußern. Zudem fällt es den an der Dyslexie erkrankten Personen schwer, die gelesenen Wörter zu verstehen und die Aussage von Texten zu erfassen.
Diagnose
Eine Dyslexie, egal ob erworben oder angeboren, ist grundsätzlich von einem geeigneten Arzt zu diagnostizieren. Von Selbstdiagnosen ist abzuraten, jedoch stellt ein Verdacht auf das Vorliegen der Krankheit einen triftigen Grund dar, umgehend einen Arzt aufzusuchen. Insbesondere bei Kindern empfiehlt sich eine rasche Diagnose der Dyslexie.
Denn die Krankheit führt unter Umständen zu Angstzuständen oder psychischen Störungen, wenn das Kind den Anforderungen in der Schule zu lange Zeit nicht gerecht wird. Oftmals ist der Kinderarzt der erste Ansprechpartner für Eltern beziehungsweise Sorgeberechtigte, wenn eine Dyslexie vermutet wird. Dabei führt der Arzt zu Beginn der Diagnosestellung eine Anamnese durch, wobei er vor allem das Kind, aber auch die erwachsenen Begleitpersonen befragt.
Während dieses Patientengesprächs stehen die individuellen Anzeichen der Dyslexie, die Entwicklung des Kindes und sein Lernverhalten im Mittelpunkt. Zudem ist eine Familienanamnese notwendig, da die Dyslexie familiär gehäuft auftritt. Leiden bereits andere Familienmitglieder an der Krankheit, erhärtet sich der Verdacht auf die Dyslexie.
Schließlich werden mehrere Untersuchungen eingesetzt, um die Diagnose der Dyslexie zu sichern. So wird beispielsweise ein Elektroenzephalogramm angefertigt, bei dem Elektroden auf der Haut des Patienten angebracht werden. Auf diese Weise ist eine Messung der Hirnströme möglich. Zudem sind mittels dieses Untersuchungsverfahrens Änderungen der Struktur des Gehirns oder Störungen seiner Funktion nachweisbar.
Zusätzlich unterziehen sich die Patienten einem Intelligenztest, um einen geringen IQ auszuschließen. Zur Überprüfung des Lesevermögens kommt ein Dyslexie-Test zum Einsatz. Der Patient liest einen Text vor und gibt anschließend seinen Inhalt in eigenen Worten wieder. Gemeinsam mit den anderen Untersuchungsergebnissen ist somit eine Diagnose möglich.
Komplikationen
Unter Dyslexie wird die mangelnde Fähigkeit von Menschen verstanden, Wörter oder zusammenhängende Sätze und Texte zu lesen, zu verstehen oder niederzuschreiben. Das lässt sich auf mangelndes Schreib- und Lesetraining oder sogar Beeinträchtigungen und Verletzungen des Gehirns zurückführen. Forscher vermuten sogar eine genetische Disposition für Dyslexie.
Hierzulande ist Dyslexie per Definition gravierender als das, was unter Legasthenie beziehungsweise Lese- und Rechtschreibschwäche zusammengefasst wird. Es gibt jedoch einen fließenden Übergang zwischen diesen Phänomenen. Im englischsprachigen Raum werden Dyslexie und Legasthenie hingegen unter ein und demselben Oberbegriff Dyslexie zusammengefasst.
Lesen und Schreiben stehen kognitiv und gehirnphysiologisch stets in einem Abhängigkeitsverhältnis. Deshalb kann ein Neurologe oder Logopäde nicht genau entscheiden, dass entweder nur das Lesen oder nur das Schreiben beeinträchtigt ist. Für eine genauere Diagnose ist ein Neurologe oder eine neurologische Klinik zuständig.
Aber auch Deutschlehrer könnten vorab aufschlussreiche Hinweise geben. Ist Dyslexie eine Folge von Hirnerkrankungen oder Kopfverletzungen, sollte vom Facharzt ein neurologischer Befund erstellt werden. Dieser ist Grundlage für eine weitere Behandlung. Ziel soll sein, die bestmögliche Lese- und Schreibkompetenz herzustellen.
Wird eine Dyslexie nicht oder nicht rechtzeitig behandelt, kann es zu einer sozialen Ausgrenzung oder beruflichen Nachteilen kommen. Für eine Behandlung und Therapie von Dyslexie sind neben Logopäden auch klinische Linguisten zuständig, die die Lese- und Schreibfähigkeiten prüfen, trainieren und verbessern.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Die Konsultation eines Arztes sollte erfolgen, sobald auffallende Schwierigkeiten beim Lesen oder Erkennen der Buchstaben vorhanden sind. Gibt es Probleme beim Textverständnis oder der Entschlüsselung der Bedeutung einzelner gelesener Worte, ist es ratsam, diese Anzeichen ärztlich abklärten zu lassen. Können Buchstaben beim Lesen nicht in die richtige Reihenfolge gebracht werden, empfiehlt es sich, einen Arzt aufzusuchen und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Kinder, die sich deutlich in ihrer Lernentwicklung des Lesens hinter den Gleichaltrigen befinden, sollten von einem Arzt näher untersucht werden.
Je eher eine Abklärung der Symptome erfolgt, desto frühzeitiger können individuelle und gezielte Therapien erarbeitet sowie angewendet werden. Personen, die bereits Ängste aufgebaut haben oder Veränderungen der Persönlichkeit zeigen, sind gut beraten, wenn sie schnellstmöglich einen Kontakt zu einem Arzt oder Therapeuten herstellen. Sind bereits emotionale und seelische Probleme vorhanden, besteht Handlungsbedarf. Bei einem sozialen Rückzug, Reizbarkeit oder aggressiven Verhalten, wird ärztliche Unterstützung benötigt.
Innere Unruhe, Konzentrationsprobleme oder Aufmerksamkeitsstörungen sind ebenfalls untersuchen und medizinisch abklären zu lassen. Verlieren Menschen die Fähigkeit des Lesens im Verlauf ihres Lebens, besteht Grund zur Besorgnis. Medizinisch gilt das Phänomen als ungewöhnlich und ist häufig mit einer Erkrankung verbunden, die behandelt werden sollte.
Behandlung & Therapie
Eine zeitige Diagnose und Behandlung der Dyslexie sind von großem Vorteil für den jeweiligen Patienten, insbesondere bei Kindern. Das Ziel besteht darin, Lehrer und Mitschüler über die Erkrankung aufzuklären, sodass der kindliche Patient mit weniger sozialem Druck konfrontiert ist. Wichtig ist dabei stets, der erkrankten Person Verständnis entgegenzubringen und ihre Lernmotivation zu fördern. Auf diese Weise lassen sich weiterführende psychische Erkrankungen oder eine soziale Ausgrenzung des Kindes in vielen Fälle erfolgreich vermeiden.
Aussicht & Prognose
Die Prognose der Dyslexie hängt sehr stark von ihrer Ursache ab. Während der englische Begriff "dyslexia" für die Lese-/Rechtschreibstörung im Kindesalter verwendet werden kann, bezieht sich der deutsche Begriff Dyslexie meist auf die Erscheinungsform in Folge von irreversiblen Schädigungen des Gehirns und anderer neurologischer Gewebe.
Da diese Verletzungen und Schädigungen in der Regel nicht mehr zum vorherigen gesunden Zustand zurückkehren können, wenn sie einmal Schäden erfahren haben, löst sich auch eine erworbene Dyslexie nicht mehr auf. Schreitet die auslösende Grunderkrankung weiter voran, wie es etwa bei einem Gehirntumor der Fall sein kann, dann kann sich eine Dyslexie ebenfalls verschlimmern oder zum dauerhaften Zustand werden, wenn sie bisher nur phasenweise und vorübergehend aufgetreten ist.
Bei Unfällen oder Verletzungen des Gehirns, die bereits länger zurückliegen, sollte jedoch das Lesen trotz erworbener Dyslexie regelmäßig geübt werden. Konsequente Übung kann bestimmte ehemals vorhandene Fähigkeiten zum Teil wieder besser werden lassen, sodass Betroffene zumindest teilweise wieder lesen lernen könnten. Die Wahrscheinlichkeit lesen zu lernen, hängt von der Ursache sowie der Schwere der Hirnschädigungen ab, die initial zur Dyslexie geführt haben. Eine akkurate Prognose kann der betreuende Neurologe aussprechen, denn sie hängt von der individuellen Patientengeschichte und der bisherigen körperlichen Entwicklung nach der Schädigung des Gehirns ab.
Vorbeugung
Eine Prävention der Dyslexie ist nach derzeitigem Wissensstand kaum praktikabel.
Nachsorge
Bei der Dyslexie sind die Möglichkeiten einer Nachsorge stark eingeschränkt. Dabei muss zuerst eine umfassende Diagnose mit einer anschließenden Behandlung durchgeführt werden, um die Beschwerden der Dyslexie einzuschränken und zu behandeln. Dabei ist jedoch schon eine sehr frühzeitige Diagnose im Kindesalter notwendig, damit es im Erwachsenenalter beim Betroffenen nicht zu Beschwerden oder zu anderen Komplikationen kommt.
Je früher die Behandlung dabei eingeleitet wird, desto besser ist meistens auch der weitere Verlauf der Erkrankung. Die Lebenserwartung des Patienten wird durch die Dyslexie nicht negativ beeinflusst. In erster Linie müssen sich auch die Eltern und die Angehörigen des betroffenen Kindes über die Erkrankung umfassend informieren, um dabei richtig zu agieren und sie auch im eigenen Zuhause richtig zu behandelt.
Die Eltern müssen dabei das Kind zum Lernen motivieren und Erfolge richtig belohnen. Nur durch eine umfassende und intensive Therapie können die Beschwerden der Dyslexie dauerhaft gelindert werden. Dabei sollten auch die Mitschüler über die Krankheit aufgeklärt werden, damit es nicht zu Mobbing oder zu Hänseleien kommt. Die liebevolle und intensive Unterstützung der eigenen Familie und der Freunde können die Beschwerden dabei ebenfalls lindern.
Das können Sie selbst tun
Dyslexie erfordert seitens Betroffener und ihres Umfeldes unterschiedliche Maßnahmen, die von der genauen Form der Leseschwäche abhängig sind. Zudem kann mit und bei Kindern besser auf eine positive Entwicklung hin gewirkt werden als bei Erwachsenen oder Menschen mit einer erworbenen Dyslexie.
Bei Menschen, die eine Dyslexie im Laufe der Zeit durch ungenügendes Schreib- und Lesetraining erworben haben, kann mittels Übungen (mit jemandem, der Fortschritte und Fehler aufklärt) daheim daran gearbeitet werden, ein annähernd durchschnittliches Leseverständnis zu erwerben. Dies ist ergänzend zu sprachtherapeutischen Maßnahmen zu sehen.
Kindern mit Problemen beim Lesen und Schreiben kann eine Hürde genommen werden, indem die Dyslexie ihren Einfluss auf Schulnoten verliert. Durch das Entfernen der Lese- und Schreibleistung als Faktor, kann Kindern Druck genommen werden. Allerdings sollte dennoch eine Therapie der Dyslexie erfolgen. Diese kann durch Spiele, die das Begriffsverständnis fördern, unterstützt werden. Hier kommt alles in Betracht, was Bilder, Begriffe und Spiel miteinander kombiniert.
Entstehende psychische Leiden, die aus dem Gefühl, vermeintlich dumm zu sein, bei Kindern entstehen können, können mit Entspannungstechniken (autogenes Training) oder dem Finden von Tätigkeiten, in denen das Kind gut ist, gelindert werden.
Erwachsene mit Dyslexie sollten sich stets dessen gewiss sein, dass es viele Menschen in ihrer Situation gibt. Lokale Selbsthilfegruppen finden sich in vielen Städten.
Quellen
- Berlit, P.: Basiswissen Neurologie. Springer, Berlin 2007
- Diener, H.-C., et al.: Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012
- Grehl, H., Reinhardt, F.: Checkliste Neurologie. Thieme, Stuttgart 2012