Bettnässen (Enuresis)

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 7. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Bettnässen (Enuresis)
Hilfreiche Videos: MedLexi.de auf YouTube

Bettnässen, Einnässen oder Enuresis sind Begriffe für eine Kinderkrankheit, bei der Kinder und Jugendliche den natürlichen Harndrang noch nicht unter Kontrolle haben. Meist nässen sie dabei des Nachts ein, ohne es zu merken. Bettnässen kann sowohl psychische als auch körperliche (Hormonhaushalt) Ursachen haben und sollte von einem Kinderarzt untersucht und behandelt werden. Auf keinen Fall sollten Kinder für das Bettnässen bestraft werden, da sich der Zustand dann meist nur noch verschlechtert. Eltern, Kind und Arzt sollten gemeinsam gegen das Bettnässen zusammenarbeiten.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Bettnässen?

Das Erlernen der Bettsauberkeit geschieht mittels eines bedingten Reflexes, d.h. das Kind wird zu ganz regelmäßigen Zeiten (und das ist sehr wesentlich) auf das Töpfchen oder die Toilette gesetzt.

Von einem krankhaften Bettnässen, Einnässen oder Enuresis wird gesprochen, wenn ein Kind mit einem Alter von fünf Jahren oder älter regelmäßig am Tag oder in der Nacht einnässt. Die Dauer des Einnässens ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Bei etwa einem Prozent der Betroffenen besteht das Problem bis ins Erwachsenenalter.

Bei dieser Erkrankung unterscheidet man zwischen primärem Bettnässen und sekundärem Bettnässen. Von primärem Bettnässen spricht man, wenn ein Kind seit der Geburt noch nie über längere Zeit trocken war. Wenn es schon trockene Phasen von mindestens sechs Monaten gab und das Kind danach erneut einnässt, so spricht man von sekundärem Bettnässen. Wesentlich häufiger ist jedoch das primäre Bettnässen.

Ursachen

Die konkreten Ursachen für das primäre Bettnässen sind nicht eindeutig geklärt. Vermutlich spielen mehrere Faktoren eine Rolle, wobei psychische Probleme bei dieser Form kaum von Bedeutung sind. Experten sind sich einig, dass es sich bei dem primären Bettnässen um eine Entwicklungsverzögerung des Kindes handelt.

Die betroffenen Kinder spüren nicht, wann ihre Blase voll ist. Die Kontrollmechanismen, welche die Blasenentleerung steuern, müssen noch vollständig ausgebildet werden. Möglicherweise wird diese Form des Bettnässens auch vererbt, denn es gibt Familien, in denen dieses Problem häufig in Erscheinung tritt.

Einige Forschungsergebnisse zeigen, dass bei vielen Enuresis-Patienten das Hormon Vasopressin unzureichend gebildet wird. Dieses Hormon kontrolliert den Wasserhaushalt im Körper. Ist es ausreichend vorhanden, wird in der Nacht weniger Harn gebildet, sodass man nachts kaum oder gar nicht zur Toilette gehen muss.

Die Hauptursachen von sekundärem Bettnässen sind meist seelische Probleme oder plötzliche Veränderungen im Umfeld des Kindes. Besonders häufig tritt das Bettnässen zum Beispiel bei dem Verlust eines Familienmitglieds, der elterlichen Trennung oder einer bevorstehenden räumlichen Veränderung auf.

Hilfreiche Videos für Ihre Gesundheit: MedLexi.de auf YouTube
Hier klicken

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Bettnässen äußert sich vor allem durch den ungewollten Abgang von Harn (meist im Schlaf im Bett). Einen Krankheitswert hat dieses Symptom nur bedingt. So ist es etwa für Kinder bis zum etwa dritten oder vierten Jahr normal, ins Bett zu machen. Auch später kann dies gelegentlich noch vorkommen.

Von einer primären Enuresis wird gesprochen, wenn das länger anhaltende Bettnässen als Entwicklungsstörung betrachtet wird. Die Symptome sind hier das Einnässen, ein tiefer Schlaf und Polyurie. Diagnostisch lassen sich zudem auch Auffälligkeiten bezüglich des Hormons ADH und eventuell psychische Begleitsymptome ausmachen.

Betroffene bemerken ihr Bettnässen spätestens am nächsten Morgen. Es kann allerdings auch vorkommen, dass Betroffene dadurch erwachen. Zur Abgrenzung von leichten Kontinenzstörungen dient die Definition der Enuresis: Sie ist durch den kompletten Abgang des Blaseninhalts gekennzeichnet, während Inkontinenz auch das Verlieren keiner Urinmengen bedeuten kann.

Die sekundäre Enuresis bedeutet hingegen, dass das ungewollte Urinieren frühestens nach einer sechs Monate anhaltenden Trockenphase auftritt. Dies geht zudem oftmals mit psychiatrischen Symptomen, dem häufigen Verhindernwollen des Urinierens (Beine zusammendrücken und ähnliches Verhalten) und einem gestörten Blasenentleerungsmuster einher. Zudem kommt es in diesem Zusammenhang zu situationsabhängiger Inkontinenz - beispielsweise beim Lachen oder Husten.

Verlauf & Vorbeugung

Die Ursachen von Bettnässen machen deutlich, dass ein Kind nicht absichtlich einnässt. Meist sind die Betroffenen sogar hoch motiviert, das Bettnässen schnell und dauerhaft loszuwerden. Deshalb dürfen Eltern sich selbst oder dem Kind auf keinen Fall Vorwürfe machen. Auch Strafen sollten vermieden werden, da sie das Kind zusätzlich unter Druck setzen. Vielmehr hilft eine Belohnung bei jeder trockenen Nacht.

Es hat sich bewährt, dass das Kind über mindestens zwei Wochen in einem Kalender festhält, ob es trocken (Sonne) oder nass (Wolke) war. Schon allein diese Maßnahme führt oft zum Erfolg, da die Kinder dadurch Selbstvertrauen gewinnen und so mit dem Bettnässen aufhören.

Außerdem sollte darauf geachtet werden, dass das Kind vor dem Einschlafen keine großen Flüssigkeitsmengen mehr zu sich nimmt. Vor allem koffeinhaltige Getränke regen die Harnproduktion an und begünstigen das Bettnässen.

Wenn das Kind trotz viel Geduld und gutem Zuspruch immer noch einnässt, sollte ein erfahrener Facharzt aufgesucht werden. Er weiß am besten, welche individuelle Behandlung für ein Kind am besten geeignet ist. Nässt ein Kind aufgrund psychischer Probleme (sekundäres Bettnässen) ein, sollten diese schnellstmöglich bewältigt werden.

Komplikationen

Bettnässen führt häufig zu sozialen Komplikationen. Kinder, die unter Enuresis nocturna leiden, können oft nicht bei anderen Kindern übernachten. Auch auf Klassenfahrten sind sie oft benachteiligt. Zum Teil meiden die Kinder oder Eltern solche Gelegenheiten, was sich auf den sozialen Status des Kindes innerhalb der Gruppe auswirken kann.

Auch wenn sich das Kind an solchen Übernachtungen beteiligt, ist das Bettnässen häufig mit Scham und Schuldgefühlen verbunden. Oft kommen Angst und Niedergeschlagenheit bis hin zur Depression hinzu. Depression kann sich bereits im Kindesalter voll entwickeln. Das Krankheitsbild zeichnet sich durch eine depressive Verstimmung und den Verlust von Freude und Interesse aus.

Auch andere psychische Probleme wie Hyperaktivität sind möglich. Dabei hängt vom Einzelfall ab, ob das Bettnässen die Ursache, Folge oder Begleiterscheinung einer anderen psychischen Erkrankung ist. Bei der Enuresis diurna sind die sozialen Komplikationen oft am größten. Dementsprechend steigt auch die psychische Belastung des Kindes, wenn es sich auch tagsüber einnässt.

Darüber hinaus tritt psychisch bedingtes Bettnässen gehäuft bei Kindern auf, die unter Missbrauch oder Vernachlässigung leiden. Daraus können weitere Komplikationen entstehen, zum Beispiel die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), Verhaltensauffälligkeiten sowie Angst-, Zwangs- und Essstörungen.

Komplikationen, die durch eine Behandlung entstehen, sind sehr selten. Einfühlsame Ärzte und Therapeuten können den Kindern oft helfen, die Schamgefühle zu überwinden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wenn ein Kind gelegentlich ins Bett nässt, kann dies völlig harmlose Auslöser, wie zum Beispiel sehr tiefen Schlaf, haben. Ein Arztbesuch ist dann entbehrlich. Zeigt sich dieses Verhalten aber öfters, sollten die Ursachen ärztlich abgeklärt werden. In jedem Fall sollte ein Arzt aufgesucht werden, wenn das Bettnässen gemeinsam mit anderen Symptomen auftritt.

Insbesondere wenn das Kind über Schmerzen beim Wasserlassen oder häufigen Harndrang klagt, besteht der Verdacht auf eine Harnwegsinfektion. Wenn Kinder sich tagsüber einnässen ist häufig eine Blasenfunktionsstörung, die ärztlich behandelt werden muss, der Grund hierfür. Anzeichen für eine Harninkontinenz sind ständiges Zusammenpressen der Beine, Urinverlust beim Lachen oder Husten sowie sehr häufiges Wasserlassen bei normalem Trinkverhalten.

Zeigt sich Blut im Urin oder klagt das Kind über schwere Schmerzen, sollte unverzüglich das nächste Krankenhaus aufgesucht werden. In diesen Fällen kann es sich um die Symptome einer schweren Blasen- oder Niereninfektion handeln.

Ein Arztbesuch ist auch dann ratsam, wenn das Kind bereits trocken war und nach längerer Zeit erneut anfängt ins Bett zunässen. Sofern keine körperlichen Ursachen für das Bettnässen identifiziert werden können, sollte neben einem Arzt auch ein Kinderpsychologe konsultiert werden.

Behandlung & Therapie

Für die Behandlung von primärem Bettnässen gibt es grundsätzlich 3 Ansätze mit dem Ziel, das Bettnässen vollständig und dauerhaft zu beseitigen. Vor allem Kinderpsychologen empfehlen eine Verhaltenstherapie. Hierbei soll unter anderem das Trinkverhalten der Kinder protokolliert und reflektiert werden. Da das Bettnässen meist an einer Entwicklungsverzögerung liegt, soll der Patient außerdem durch ein gezieltes Blasentraining lernen, die Kontrolle über die eigene Blase zu übernehmen.

Alternativ wird eine apparative Konditionierungsbehandlung empfohlen, zum Beispiel mithilfe einer Klingelhose. Diese Maßnahme zielt darauf ab, dass das Kind durch einen lauten Ton aufgeweckt wird, sobald es einnässt. Es soll lernen, auch im Schlaf auf die Signale der Blase zu achten und so das Bettnässen zu vermeiden.

Eine weitere Möglichkeit, das Bettnässen zu behandeln, ist eine medikamentöse Therapie. Hierbei wird dem Kind ein synthetisch hergestelltes Medikament verabreicht, welches dem körpereigenen Hormon Vasopressin nachempfunden ist. So wird die Harnbildung in der Nacht für ca. 8 Stunden verringert.

Die Maßnahmen zur Behandlung von Bettnässen sollten auf jeden Fall gemeinsam mit einem Kinderarzt festgelegt werden, damit sie auch erfolgreich sind.

Aussicht & Prognose

Die Aussichten auf eine vollständig Heilung sind bei dem Bettnässen im Normalfall sehr gut. Das kindliche Bettnässen ist in den meisten Fällen eine vorübergehende Erscheinung. Kinder erleiden das Einnässen im Laufe des Tages oder in der Nacht. Meist hält der Zustand über mehrere Monate an. Stress, Unruhe, Angst oder eine Veränderung der Lebensumstände führen zu einer Zunahme der Beschwerden.

Können die psychischen Faktoren geklärt werden, tritt eine Linderung ein. Die Kinder lernen überdies mit ausreichender Ruhe und Geduld ihren Schließmuskel richtig einzusetzen. Das führt meist zu einer Spontanheilung, die dauerhaft anhält. Kommt es dennoch in Ausnahmesituationen zu einem Rückfall, ist dieser selten von längerer Dauer.

Bei einigen Patienten tritt das Einnässen im Erwachsenenalter auf. Es können physische Probleme oder Erkrankungen vorliegen, die von einem Arzt gut behandelbar sind. Handelt es sich ursächlich um psychische Störungen, kann eine Heilung einige Zeit in Anspruch nehmen. Dennoch bestehen auch hier sehr gute Heilungsaussichten.

Weniger optimistisch ist eine Genesung bei Menschen im hohen Alter. Je älter ein Patient ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass sein Schließmuskel nicht mehr wie gewohnt funktioniert. Trotz einer Behandlung oder Therapie bleibt bei einer Vielzahl der Patienten das Bettnässen bis zum Ende des Lebens bestehen.

Hilfreiche Videos für Ihre Gesundheit: MedLexi.de auf YouTube
Hier klicken

Nachsorge

Bettnässen verschwindet meist von alleine. Statistisch gesehen entleeren gut 30 Prozent aller 5-Jährigen nachts noch ihre Blase. Mit zunehmendem Alter nimmt ihre Zahl deutlich ab. Gut ein Prozent der Erwachsenen ist betroffen. Die Erkrankung Enuresis ist anders als manche Menschen meinen nichts Schlimmes. Eine Nachsorge zielt darauf ab, den richtigen Umgang zu erlernen.

Die typischen Symptome können erneut auftreten, nachdem sie über längere Zeit verschwunden sind. Diese so genannte sekundäre Enuresis kommt allerdings vergleichbar selten auf. Ist das Bettnässen einmal abgeklungen, ist ein Wiedererstarken kaum anzunehmen. Ein Arzt verschreibt nach dem fünften Lebensjahr meist eine psychologische Therapie.

Eine Verhaltens- und Problemanalyse haben sich als geeignet erwiesen. Rückhaltetrainings können einen Erfolg begünstigen. Stress und Schlafstörungen gelten als wichtigste Auslöser. Auf dem Markt befinden sich auch Medikamente, die den Harndrang reduzieren sollen. Ihr Erfolg ist aber umstritten.

Tritt das Bettnässen von Zeit zu Zeit immer wieder auf, ohne dass es abschließend ausbleibt, können sich Betroffene entlasten. Waschbare Decken, Windeln, Unterlagen und anderes erleichtern das Leben deutlich. Die Enuresis führt dadurch zu keinen weiteren Komplikationen. Sie reduziert weder die Lebensdauer, noch stellt sie eine schwerwiegende Erkrankung dar.

Das können Sie selbst tun

Bettnässen kann verschiedenste Ursachen haben und dementsprechend unterschiedlich können die Behandlungsschritte sein. Bettnässen in Folge von Alkoholkonsum, einem Alptraum oder Stress etwa, lässt sich durch eine Umstellung der Lebensgewohnheiten und mitunter auch durch einen Wechsel des Umfelds entgegenwirken. Gespräche mit einem Therapeuten können dabei helfen, die zugrunde liegende Ursache zu ermitteln und rasch zu beheben.

Wird das Bettnässen durch eine Erkrankung oder durch Medikamente verursacht, sollte zunächst mit dem zuständigen Arzt gesprochen werden. Meist können die nächtlichen Missgeschicke durch eine Umstellung der Medikation oder durch entsprechende Vorbeugungsmaßnahmen (diätische Maßnahmen, elektronische Wecksysteme, Inkontinenz-Unterwäsche, u.a.) reduziert oder der Umgang damit erleichtert werden.

Bei Bettnässen im Kindesalter empfehlen sich vor allem Verständnis und vorbeugende Maßnahmen. Zum Beispiel kann ein Nachtlicht oder ein leicht zugänglicher Lichtschalter im Flur oder WC dem Kind helfen, die Toilette zu erreichen. Auch ein Nachttöpfchen in Bettnähe kann das Bettnässen reduzieren. Begleitend dazu helfen Schutzbezüge und das Bereithalten frischer Bettwäsche. Eltern sollten morgens außerdem genug Zeit einplanen, damit das Kind sich nach einem Missgeschick gründlich pflegen kann. Generell gilt: mit dem Kind sprechen und vermitteln, dass Bettnässen nicht ungewöhnlich ist und von selbst wieder verschwindet.

Quellen

  • Gesenhues, S., Zisché, R.H., Breetholt, A. (Hrsg.): Praxisleitfaden Allgemeinmedizin. Urban & Fischer, München 2013
  • Grüne, S., Schölmerich, J.: Anamnese, Untersuchung, Diagnose. Springer, Heidelberg 2007
  • Reuter, P.: Springer Lexikon Medizin. Springer, Berlin 2004

Das könnte Sie auch interessieren