Essstörungen

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Essen spielt im täglichen Leben eine lebenswichtige Rolle. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn in diesem Zusammenhang immer mehr Menschen an Essstörungen bzw. Ernährungsstörungen leiden. In der heutigen Zeit haben vor allem Medien und Wirtschaft ein Idealbild geschaffen, welchem viele Menschen nacheifern. So kommt es dann in der Folge dazu, dass es im Bereich der Ernährung immer wieder zu Verhaltensstörungen kommt.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Essstörungen?

Typisches Symptom einer Essstörung ist eine starke mentale Beschäftigung mit dem Thema Nahrung und Nahrungsaufnahme. Frauen sind sehr viel häufiger von Essstörungen betroffen als Männer, jedoch kommt das Krankheitsbild auch bei Männern vor.
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Als Essstörung oder Ernährungsstörung wird jedes abnormale Essverhalten bezeichnet. Allerdings gibt es unterschiedliche Formen von Essstörungen.

Eine der Häufigsten ist die Anorexia nervosa, auch Magersucht genannt. Die Betroffenen haben eine stark ausgeprägte Angst vor einer Gewichtszunahme und versuchen diese Angst durch Nahrungsverweigerung zu bewältigen. Patienten mit einer Magersucht sind entweder stark untergewichtig oder nehmen innerhalb kurzer Zeit drastisch ab.

Eine weitere Essstörung ist die Bulimia nervosa, auch Bulimie oder Ess-Brech-Sucht genannt. Dabei kommt es regelmäßig zu Heißhungerattacken, bei denen Betroffene Unmengen an Nahrungsmitteln in kurzer Zeit zu sich nehmen. Anschließend erbrechen sie sich, um eine Gewichtszunahme zu verhindern. Manche Betroffene erbrechen jedoch beinahe jede Mahlzeit, unabhängig von Fressanfällen. Diese Form der Bulimie tritt oft gemeinsam mit einer Magersucht auf.

Die Binge-Eating-Störung nimmt einen weiteren Bereich der Essstörungen ein. Betroffene dieser Störung nehmen unverhältnismäßig viele Lebensmittel zu sich. Zudem leiden sie unter Fressanfällen. Infolge der starken Gewichtszunahme treten weitere Erkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck auf.

Ursachen

Die Ursachen für Essstörung sind sehr verschieden. Oberflächlich steht bei fast jeder Essstörung eine Gewichtsreduktion im Vordergrund. Die Ursachen liegen jedoch tiefer.

In vielen Fällen spielen Kindesmisshandlung und sexueller Missbrauch eine Rolle. Auch die eigene Persönlichkeitsstruktur spielt bei der Entstehung von Essstörungen eine wesentliche Rolle. Ein niedriges Selbstbewusstsein, Perfektionismus und ein zwanghaftes Kontrollverhalten begünstigen die Entwicklung eines gestörten Essverhaltens. Familiäre Schwierigkeiten, wie etwa gestörte Bindungen, Vernachlässigung oder Überversorgung begünstigen ebenfalls Essstörungen.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Ebenso vielfältig wie die Formen der Essstörungen sind auch die Symptome, an denen man sie erkennen kann. Wichtig ist es zu wissen, dass es sich bei der Definition "Essstörungen" um ein psychisch indiziertes Syndrom handelt. Krankheiten mit rein physischer Ursache, die eine erschwerte Nahrungsaufnahme oder -verarbeitung zur Folge haben, werden mit anderen Begriffen bezeichnet.

Typisches Symptom einer Essstörung ist eine starke mentale Beschäftigung mit dem Thema Nahrung und Nahrungsaufnahme. Frauen sind sehr viel häufiger von Essstörungen betroffen als Männer, jedoch kommt das Krankheitsbild auch bei Männern vor. Das Verhältnis zur normalen Nahrungsaufnahme wird zunehmend verkompliziert, die Gedanken der oder des Betroffenen kreisen ständig ums Essen. Sehr häufig geht es dabei auch darum, wie Essen möglichst zu vermeiden ist.

Das Umfeld der Betroffenen bemerkt meist lange Zeit nichts von der Essstörung, da Erkrankte ihr Verhalten sehr gut vertuschen und meist nicht darüber reden. In vielen Fällen ist die Esstörung irgendwann sichtbar, wenn sie mit einem dramatischen Gewichtsverlust einhergeht.

Viele Erkrankte möchten nicht nur schlank, sondern extrem dünn sein, was sie am Ende in die Magersucht treiben kann. Auffällig ist hier eine stark subjektive Betrachtung und Beurteilung des eigenen Körpers. Bereits auffallen schlanke Menschen sprechen gehäuft davon, unbedingt abnehmen zu müssen oder zu dick zu sein.

Diagnose & Verlauf

Die Diagnose von Essstörungen ist nicht immer einfach, zumal die Betroffenen nur selten eine Krankheitseinsicht haben. Betroffene fallen meist durch eine starke Gewichtsab- oder zunahme oder durch Untergewicht auf. Auch die ständige Beschäftigung rund um das Thema Essen kann auffällig sein und sollte aufmerksam machen.

Ein Facharzt kann den Verdacht bestätigen. Dies geschieht durch eine gründliche Untersuchung, die einen Bluttest einschließt. Je nach Typ der Essstörungen geben bestimmte Faktoren Aufschluss darüber, ob eine Essstörung vorliegt oder nicht, da nicht immer das Gewicht ausschlaggebend ist. Liegt jedoch deutliches Unter- oder Übergewicht vor und sind Stoffwechselerkrankungen als Ursache ausgeschlossen, liegt der Verdacht einer Essstörung nahe. Eine eingehende Diagnostik durch einen Psychologen kann den Verdacht bestätigen.

Der Verlauf dieser Erkrankung hängt stark von der Einsicht des Patienten ab sowie vom Schweregrad und den möglicherweise bereits vorhandenen Folgeerkrankungen. Gerade Magersucht nimmt nicht selten einen tödlichen Verlauf, da hier das Herz durch die Mangelernährung irreparabel geschädigt werden kann.

Zeigt der Patient Einsicht und arbeitet mit, kann die Behandlung erfolgreich verlaufen. Es ist jedoch in vielen Fällen eine langwierige und multidisziplinäre Therapie nötig, um eine Essstörung zu heilen.

Komplikationen

Personen die unter Essstörungen leiden, haben natürlich auch mit unterschiedlichen Problemen und Komplikationen zu kämpfen. Die größte und schwerwiegendste Komplikation ist natürlich der Gewichtsverlust, der logischerweise aufgrund von Nährstoffmangel auftritt. Der Körper wird nicht mit ausreichend Energie versorgt, sodass sämtliche Fettreserven aufgebraucht werden.

Bei dauerhaften Essstörungen verlieren betroffene Personen innerhalb kurzer Zeit sehr viel Gewicht. Im schlimmsten Fall kann diese Komplikation sogar bis zum Tod führen, falls der Körper mit zu wenig Nährstoffen versorgt wird. Essstörungen sind in den meisten Fällen mit wiederholtem Erbrechen verbunden. Dies geschieht in vielen Fällen unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme.

Durch das häufige Erbrechen kann es zu einer starken Reizung der Schleimhäute und des Rachens kommen. In besonders schlimmen Fällen kann sogar die Lunge dauerhaft geschädigt werden. Bei betroffenen Personen die unter einer Essstörung leiden, ist natürlich das gesamte Immunsystem immens geschwächt Dadurch ist der menschliche Körper anfälliger für eine Reihe von Krankheiten.

Da dem Körper wichtige Vitamine fehlen, entstehen Infekte häufiger und auch die Genesung gestaltet sich um ein Vielfaches kompliziert. Ein normaler Infekt kann bei einem Menschen mit Essstörungen gefährliche Komplikationen verursachen. Selbst mit entsprechenden Medikamenten wird sich eine Behandlung äußerst kompliziert und langwierig gestalten.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Wird festgestellt, dass eine Essstörung vorliegt, ist es nicht immer gleich erforderlich, den Arzt zu konsultieren. In vielen Fällen kann der Betroffene bei Erkennen einer Störung des Essverhaltens selbst etwas tun. Dabei sollte er nach Möglichkeit die Hilfe von Angehörigen mit in Anspruch nehmen. Handelt es sich um eine extreme Fettleibigkeit, also um die Adipositas, könnte auch eine noch nicht bemerkte Krankheit der Grund für das schnelle und übermäßige Zunehmen sein. Das sollte unbedingt von einem medizinischen Fachmann abgeklärt werden. Der Arzt kann ebenso über eine Diät aufklären und weitere Maßnahmen wie eine Magenverkleinerung vorstellen.

Bei der Essstörung, die mit einer radikalen Gewichtsabnahme im Zusammenhang steht, gestaltet es sich für einige Patienten sehr schwierig, von selbst wieder zuzunehmen. Zunächst muss die Einsicht darüber vorhanden sein, dass es sich um eine Krankheit handelt. Auch in diesem Fall ist am besten, den Arzt hinzuzuziehen. Drohen dem Kranken starke Mangelerscheinungen, was so weit führen kann, dass er verhungern könnte, ist die ärztliche Betreuung unbedingt erforderlich. Es liegt in der Regel eine psychische Störung vor, deren Ursache von einem Spezialisten geklärt werden sollte. Um wieder zunehmen zu können, ist viel Geduld notwendig, was ohne ärztliche Unterstützung kaum möglich ist.

Behandlung & Therapie

Die Behandlung einer Essstörung ist abhängig von Schweregrad und Folgeerkrankungen. Meist ist eine stationäre Therapie in entsprechenden Fachkliniken notwendig. In schweren Fällen muss erst eine körperliche Stabilisation erfolgen, bevor die eigentliche Grunderkrankung behandelt werden kann.

Die Therapie einer Essstörung erfolgt in den meisten Fällen multidisziplinär und schließt in erster Linie eine psychologisch ausgerichtete Therapie ein. In jedem Falle erfolgt eine engmaschige medizinische Betreuung, die eventuelle Folgeschäden, wie Herzerkrankungen, Mangelerscheinungen oder Diabetes überwacht und behandelt.

Des Weiteren können, abhängig vom Patienten, weitere Therapiemöglichkeiten wie Ergotherapie, Esstraining, Körpertherapie, Kunsttherapie, Rehamaßnahmen, Physiotherapie, Sportangebote oder betreutes Wohnen unterstützend wirken.

Wichtig ist es, herauszufinden, wo die Ursache für die Essstörung liegt und diese zu beseitigen oder zu behandeln. Hier kann auch eine systemische Therapie oder eine Familientherapie helfen. In schweren Fällen muss ein erkranktes Kind oder Jugendlicher durch das Jugendamt aus der Familie herausgenommen werden.

Aussicht & Prognose

Die Prognose einer Essstörung richtet sich nach verschiedenen Einflussfaktoren. Zu ihnen gehören die Form der Essstörung, der Beginn der Erstmanifestation sowie die Ausprägung der Erkrankung. Bestehen weitere psychische Erkrankungen, verschlechtert sich die Prognose. Die ungünstigste Prognose besteht bei einer Magersucht. Diese wird selten vollständig geheilt. 1/3 der Patienten bleiben statistisch gesehen ein Leben lang essgestört, 1/3 erleiden weitere Erkrankungen und nur 1/3 der Betroffenen schaffen eine Verbesserung ihres Gesundheitszustandes.

Eine vollständige Genesung wird nur sehr selten erreicht. Die Patienten nehmen an Gewicht zu, bleiben meist jedoch zeitlebens stark untergewichtig. Ungefähr 10% der Magersüchtigen sterben an den Folgen der Unterernährung. Je jünger ein Patient bei Ausbruch der Erkrankung ist und je eher eine Therapie erfolgt, desto besser sind die Heilungschancen.

Ein niedriges Ausgangsgewicht bei Therapiebeginn schmälert die Aussichten auf eine Verbesserung. Bei einer Bulimie haben ungefähr die Hälfte der Patienten eine gute Prognose. 30% erleben einen chronischen Krankheitsverlauf und 20% der Bulimieerkrankten weisen im weiteren Verlauf nur eine geringe Verbesserung der Symptome auf. Die Patienten einer Essstörung erkranken oftmals an Angststörungen, Suchterkrankungen oder Störungen der Impulskontrolle. Je häufiger das Erbrechen selbst herbei geführt wurde, desto stärker ist eine Bulimie verfestigt. Patienten einer Magersucht erkranken im weiteren Verlauf oftmals an einer Bulimie.


Vorbeugung

Eine Essstörung kann im herkömmlichen Sinne nicht vorgebeugt werden. Jedoch kann die Gefahr reduziert werden, dass ein Kind oder Jugendlicher daran erkrankt, indem wesentliche Faktoren zur Begünstigung entsprechend reduziert werden.

Dazu gehört ein stabiler und fürsorglicher Familienverband, in dem gesunde und stärkende Beziehungen vorhanden sind. Kinder, welche selbstbewusst und selbstsicher sind und genügend tragfähige Bindungen haben, können mit Rückschlägen und eigenen Schwächen besser umgehen und sind so weniger anfällig für Verhaltensstörungen, insbesondere Essstörungen.

Nachsorge

Nach einer abgeschlossenen Therapie ist es sinnvoll, weiterhin die persönlichen Ressourcen zu stärken. Das Selbstwertgefühl nimmt dabei oft eine Schlüsselrolle ein. Essstörungen führen häufig zu sozialer Isolation. Spätestens in der Nachsorge ist es dann an der Zeit, alte Bekanntschaften neu zu entdecken und den Kontakt zu Freunden und Familienmitgliedern zu stärken.

In diesem Zusammenhang müssen sich Menschen, die bis vor Kurzem unter einer Essstörung litten, auch mit der Frage auseinandersetzen, wie offen sie mit ihrer Krankheitsgeschichte umgehen möchten. Da sich Essstörungen oft im Jugendalter entwickeln, müssen viele Betroffene in der Nachsorge erst wieder lernen, sich in der Schule oder im Berufsleben zurechtzufinden. Auch bei Erwachsenen können Bewerbungen oder die Rückkehr in den alten Beruf eine Herausforderung darstellen.

Die Nachsorge bezieht das Verhalten im Alltag ein. Dazu gehört auch das Einkaufen, Kochen und die alltägliche Hausarbeit. Feste Strukturen können dabei helfen, erarbeitete gesunde Verhaltensmuster beizubehalten. Die psychologische Nachsorge besteht zu einem großen Teil aus der Rückfallvorbeugung.

Möglicherweise bestehen neben der Essstörung weitere psychische Probleme, die ebenfalls behandelt werden müssen. Da Essstörungen medizinische Komplikationen nach sich ziehen können, ist unter Umständen auch eine medizinische Nachsorge erforderlich, beispielsweise bei Organversagen und -schwäche.

Die Nachsorge verteilt sich oft auf das Ende der Psychotherapie und ergänzende Maßnahmen wie Selbsthilfegruppen oder Gruppensitzungen in Beratungsstellen mit psychologischer Leitung.

Das können Sie selbst tun

Was Patientinnen und Patienten zur Behandlung ihrer Essstörung selbst beitragen können, hängt von der Art der Störung sowie von dem Ausmaß ab, das die Krankheit bereits erreicht hat.

Personen, die an einer Essstörung leiden, sollten aber stets einen Arzt konsultieren und gegebenenfalls eine Psychotherapie beginnen. Bei regelmäßigen, unkontrollierbaren Essattacken und anschließendem Erbrechen ist es wichtig, die Ursachen für die Anfälle ausfindig zu machen. Die Betroffenen können solche Situationen dann vermeiden oder lernen, mit diesen Herausforderungen besser umzugehen.

Wenn Stress der Auslöser für Essattacken ist, helfen häufig bereits Entspannungstechniken wie autogenes Training oder Yoga. Sofern die Essattacken vor allem nachts auftreten, kann das richtige Einkaufsverhalten dafür sorgen, dass die Anfälle nicht mehr ungehindert ausgelebt werden können. Wer an Bulimie leidet sollte stets nur die Lebensmittel für den aktuellen Tag im Haus haben. Allenfalls gesunde, kalorienarme Lebensmittel dürfen auch in größeren Mengen eingekauft werden.

Personen, die an Magersucht leiden, hilft oft ein Ernährungsplan, der von einem ausgebildeten Ökotrophologen erstellt werden sollte. Sofern es bereits zu Mangelerscheinungen gekommen ist, kann der Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln sinnvoll sein. Oft fällt es Magersüchtigen leichter, Kalorien in flüssiger Form zu sich zu nehmen. Gemüseshakes und Milchmixgetränke können durch die Zugabe von gemahlenen Nüssen oder Samen in eine gesunde, energiereiche Mahlzeit umgewandelt werden. 100 Gramm Pinienkerne liefern zum Beispiel fast 700 Kalorien und tragen gleichzeitig zur Versorgung mit wichtigen Mikronährstoffen bei.

Quellen

  • Biesalski, H.-K., et al.: Ernährungsmedizin. Thieme, Stuttgart 2010
  • Hahn, J.-M.: Checkliste Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2013
  • Lieb, K., Frauenknecht, S., Brunnhuber, S.: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer, München 2015

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