Epiphysiolyse

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 8. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei einer Epiphysiolyse handelt es sich um ein teilweises oder vollständiges Abrutschen eines Knochens in der Epiphysenfuge. Als Folge dieser Sonderform eines Knochenbruchs kommt es zu Schmerzen sowohl in der Hüfte als auch im Oberschenkel sowie Knie.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Epiphysiolyse?

Die Beschwerden entstehen, weil es durch die Verschiebung von Hüftkopf gegenüber Schenkelhals zu einer Funktionseinschränkung des Hüftgelenkes kommt. Das Ausmaß der Einschränkung richtet sich dabei nach dem Abrutschwinkel.
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Die Erkrankung Epiphysiolyse wird auch als Epiphysenlösung bezeichnet. Sie kann als eine Form von Wachstumsstörung verstanden werden. Hierbei kommt es hauptsächlich infolge einer anlagebedingten Prädisposition zu einem Defekt in der Epiphysenfuge von nicht vollständig ausgebildeten Knochen.

Ebenfalls kann eine traumatische Ursache verantwortlich gemacht werden. Bei der Epiphysiolyse resultiert eine teilweise oder komplette Ablösung der Epiphyse. Aus diesem Grund tritt das Krankheitsbild ausschließlich in der Pubertät auf. Vorrangig sind Jungen etwa ab dem 9. Lebensjahr betroffen.

Das Verhältnis von erkrankten Jungen zu Mädchen liegt etwa bei 3:1. Die Epiphysiolyse entwickelt sich fast immer über Wochen oder Monate hinweg. Eher selten kommt es zu einer akuten Ablösung. Vorrangig sind Jugendliche mit Übergewicht betroffen. Ebenfalls neigen die Betroffenen zu Hochwuchs.

Ursachen

Die exakten Gründe für das Entstehen einer Epiphysiolyse sind nicht vollständig bekannt. Als Ursache wird einerseits ein Knochentrauma angenommen. Andererseits wird vor allem eine genetisch bedingte Veranlagung verantwortlich gemacht. Solch eine spezielle Fraktur tritt nur am heranwachsenden Knochen auf, weil hier die Epiphysenfugen noch nicht vollständig verknöchert sind.

Aus diesem Grund handelt es sich um ein Krankheitsbild speziell des Adoleszentenalters. Die Epiphysiolyse entsteht demzufolge im Laufe der Jugend zwischen dem 9. Lebensjahr und dem Abschluss des Wachstums.Bei einer Epiphysiolyse können insgesamt zwei verschiedene Krankheitsverläufe unterschieden werden: Epiphysiolyse acuta, imminens und lenta.

Erstgenannte Form tritt ganz plötzlich auf und es kommt zu einer vollständigen Ablösung der Wachstumsfuge. Hiervon sind eher weniger Menschen betroffen. Wesentlich häufiger kommt es bei Jugendlichen zu der Epiphysiolyse lenta, die durch einen chronischen Verlauf bestimmt ist. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die Auflockerung der Epiphysenfuge schleichend zunimmt. Die Epiphysiolyse imminens beschreibt lediglich den Beginn der Epiphysenablösung.


Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Beschwerden entstehen, weil es durch die Verschiebung von Hüftkopf gegenüber Schenkelhals zu einer Funktionseinschränkung des Hüftgelenkes kommt. Das Ausmaß der Einschränkung richtet sich dabei nach dem Abrutschwinkel. Zu den typischen Symptomen zählen jedoch immer Schmerzen.

Diese treten vornehmlich im Kniegelenksbereich oder an der Vorderseite des Oberschenkels auf. Häufig kommt es diagnostisch zu einer Verwechslung mit normalen Knieschmerzen, weshalb es oft einige Zeit dauert, bis die Epipysiolyse festgestellt wird. Erst im späteren Verlauf leiden die Betroffenen unter Ermüdungserscheinungen sowie erheblichen Bewegungseinschränkungen.

Im fortgeschrittenen Stadium zählt daher eine Schonhaltung mit verändertem Gangbild zu den typischen Symptomen. Als Anzeichen gilt daher das durch Schmerzen verursachte Hinken. Ist die Erkrankung sehr weit fortgeschritten und kommt es im Verlauf der Erkrankung zu größeren Verschiebungen des Hüftkopfes, kann es weiterhin zu Außenrotationsfehlstellungen und Beinverkürzungen kommen.

Als weiteres klinisches Anzeichen gilt das sogenannte positive Drehmann- Zeichen. Bei diesem kommt es durch das Abrutschen bei der Hüftbeugung zu einer erheblichen Außendrehung im Hüftgelenk.

Diagnose

Das Krankheitsbild wird anfangs häufig verkannt, sodass es Wochen oder Monate dauern kann, bis die Diagnose gestellt wird. Zur Bestimmung wird in der Regel eine Röntgenbildaufnahme erstellt. Bei den Betroffenen wird dabei die sogenannte Lauensteinsche Hüftaufnahme vorgenommen, wobei das Hüftgelenk in einer bestimmten Position gehalten wird.

Durch dieses Röntgenverfahren können Rückschlüsse auf den Abrutschstatus gezogen werden. Bei einer derartigen Aufnahme wird die Hüfte um 50 Grad abgespreizt sowie um 70 Grad gebeugt. Oftmals tritt die Epipysiolyse beidseits auf, weshalb stets die andere Hüftseite ebenfalls geröntgt werden sollte. Abgesehen von der Röntgendiagnostik kann eine Magnetresonanztomographie hinzugezogen werden.

Komplikationen

In der Regel kommt es bei einer Epiphysiolyse zu starken Schmerzen und Bewegungseinschränkungen. Diese treten vor allem im Bereich der Knie und der Oberschenkel auf und können den Alltag des Patienten stark beeinträchtigen. In den meisten Fällen wird die Funktion des Hüftgelenkes stark eingeschränkt.

Bei der Bewegung leidet der Betroffene an Schmerzen, sodass auch die Mobilität eingeschränkt wird. Auch die Diagnose kann mitunter verzögert erfolgen, da der Betroffene die Epiphysiolyse oft mit gewöhnlichen Knieschmerzen verwechseln kann. Ebenso ist es nicht mehr möglich, sportliche Tätigkeiten und belastende körperliche Arbeiten auszuführen, da diese Bewegungen mit Schmerzen verbunden sind.

Beim Gehen ohne Gehhilfe kommt es zum typisches Hinken. Durch die Einschränkungen in der Bewegung kann der Betroffene auch an Depressionen und anderen psychischen Beschwerden erkranken. In den meisten Fällen kann die Epiphysiolyse mit Hilfe von operativen Eingriffen behandelt werden, sodass die Bewegungseinschränkungen gelöst werden.

In schwerwiegenden Fällen wird eine sogenannte Immobilisation ausgeführt. Die Lebenserwartung wird von der Epiphysiolyse zwar nicht eingeschränkt, allerdings kommt es zu erheblichen Einschränkungen im Alltag für den Patienten, sodass dieser gegebenenfalls auf die Hilfe von anderen Menschen angewiesen ist.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Schmerzen im Bereich der Hüfte, des Oberschenkels oder der Beine, sind von einem Arzt untersuchen und behandeln zu lassen. Kommt es zu Einschränkungen der Bewegungsmöglichkeiten, einer Ausbreitung der Beschwerden oder zu Gangunsicherheiten, sollte ein Arztbesuch erfolgen. Bei Humpeln oder einer Schiefhaltung des Körpers ist ein Arzt zu konsultieren. Eine Fehlhaltung hat ohne eine medizinische Versorgung dauerhafte Skelettschäden zur Folge, so dass ein Arzt aufgesucht werden sollte, wenn die Körperhaltung über mehrere Wochen auffällig ist.

Bei Muskelbeschwerden, Verspannungen oder Kopfschmerzen ist es ratsam, die Symptome von einem Arzt abklären zu lassen. Vor der Einnahme eines Schmerzmedikaments ist grundsätzlich die Rücksprache mit einem Mediziner anzuraten. Mit ihm können mögliche Risiken und Nebenwirkungen besprochen werden, die mit der Einnahme eines Präparates verbunden sind. Probleme oder Knochenveränderungen der Gelenke an den Knien sind ärztlich untersuchen und behandeln zu lassen.

Treten Ermüdungserscheinungen, allgemeine Schwäche oder ein Abfall der körperlichen Leistungsfähigkeiten auf, sollte ein Arzt konsultiert werden. Können gewohnte Freizeitaktivitäten oder berufliche Verpflichtungen aufgrund der Beschwerden nicht mehr wahrgenommen werden, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Kommt es zu Schlafstörungen, vermindertem Antrieb oder einer allgemeinen Unzufriedenheit, ist ein Arztbesuch nötig, sobald die Beschwerden über eine längere Zeit auftreten.

Behandlung & Therapie

Um Folgeschäden wie Achsenfehlstellungen oder eine Reduzierung des Längenwachstums zu vermeiden, sollte möglichst früh eine fachgerechte Therapie eingeleitet werden. Die Art der Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad der Erkrankung sowie der vorliegenden Form. Bei der akuten Epiphysiolyse sollte sofort eine Immobilisation eingeleitet werden.

Liegt lediglich eine geringfügige Verschiebung vor, reicht in einigen Fällen eine konservative Therapie aus. Bei dieser erfolgt eine indirekte Reposition, durch Zugeinwirkungen auf das Bein mit zunehmender Beugung, Innenrotation sowie Abduktion. Besteht eine stärkere Verschiebung, muss in der Regel eine operative Behandlung durchgeführt werden. Hierbei erfolgt eine Transfixation.

Liegt der Gleitwinkel unter 30 Grad, kann die Fixation mit Drahtstiften oder Schrauben durchgeführt werden. Bei größeren Abrutschwinkeln über 30° wird zusätzlich eine Osteotomie durchgeführt. Hierbei handelt es sich in der Regel um die sogenannte Schenkelhalskorrekturosteotomie.

Rein prophylaktisch kann es sinnvoll sein, während der Operation zugleich die zweite Hüftkopfseite zu fixieren. Hiermit kann ein mögliches Abrutschen verhindert werden. Es ist nicht selten, dass Personen, die auf der einen Seite eine Epiphysiolyse entwickeln, im Laufe der Zeit auch auf der anderen Seite erkranken. Das prozentuale Risiko liegt her bei etwa 16 bis 60 Prozent.

Aussicht & Prognose

Die Prognose der Epiphysiolyse richtet sich nach dem Schweregrad der vorhandenen Beeinträchtigungen. Bei geringen Verschiebungen des Knochens in die Epiphyse kann durch eine einmalige Korrektur der Unregelmäßigkeiten bereits eine dauerhafte Linderung der Beschwerden erzielt werden.

Die Aussicht auf eine Genesung ist bei Patienten eines Unfalls oder Traumas mit leichten Fehlstellungen günstig. Entwickeln sich die Beschwerden innerhalb des natürlichen Wachstums- und Entwicklungsprozesses, liegen häufig umfangreiche Unregelmäßigkeiten vor, die zu einer intensiven Behandlung führen.

Bei starken Beeinträchtigungen und Störungen wird ein operativer Eingriff vorgenommen. Dieser ist mit den üblichen Risiken und Nebenwirkungen verbunden. Zudem können Folgeerkrankungen auftreten, die zu einer Verschlechterung der Gesamtdiagnose beitragen. Eine Operation, die frei von Komplikationen verlaufen ist, trägt erheblich zur Verbesserung der Gesundheit bei. Meist kommt es zu einer künstlichen Fixierung der Knochen, so dass ein erneutes Verrutschen vermieden werden kann.

Durch gezielte Übungen wird der Bewegungsapparat trainiert. Damit werden Optimierungen der allgemeinen Fortbewegung vorgenommen, so dass die Ganghaltung sowie sonstige körperliche Aktivitäten möglichst beschwerdefrei ablaufen können.

Je stärker der Gleitwinkel ist, desto komplexer sind die notwendigen medizinischen Maßnahmen. In schweren Fällen bleiben lebenslang Unregelmäßigkeiten der Fortbewegung vorhanden. Zudem besteht das Risiko, dass die Erkrankung im Verlauf des Lebens sich auf der anderen Körperhälfte ebenfalls ausbildet.


Vorbeugung

Eindeutige prophylaktische Maßnahmen zur Vermeidung einer Epiphysiolyse sind eher selten. Unter einer Epiphysiolyse erkranken übermäßig häufig Kinder und Jugendliche, die unter deutlichem Übergewicht leiden. Daher wird empfohlen, in der Wachstumsphase auf ein Normalgewicht zu achten.

Auch körperliche Überbelastungen sollten vermieden werden. Ebenfalls sind vorrangig Personen betroffenen, die unter verzögerter Geschlechtsreifung oder in seltenen Fällen unter Hochwuchs leiden. Beides ist auf ein hormonelles Ungleichgewicht zurückzuführen, welchem nicht konkret vorgebeugt werden kann.

Nachsorge

In den meisten Fällen sind die Möglichkeiten zur Nachsorge bei einer Epiphysiolyse stark eingeschränkt. Der Patient ist dabei in erster Linie auf die direkte Behandlung durch einen Arzt angewiesen, um die Beschwerden vollständig zu lindern. Dabei kann es in der Regel nicht zu einer Selbstheilung kommen, sodass eine Behandlung durch einen Arzt unabdingbar ist.

Sollte die Behandlung nicht oder erst sehr spät durchgeführt werden, so kann es zu schwerwiegenden Komplikationen kommen, die den Alltag des Betroffenen erschweren können. In den meisten Fällen muss dabei ein operativer Eingriff erfolgen. Der Betroffene sollte sich nach diesem Eingriff ausruhen und den Körper schonen.

Dabei sollte vor allem die betroffene Region besonders geschont werden. Sie darf nicht belastet werden, wobei der Patient vor allem auf Bettruhe angewiesen ist. Stressige oder sportliche Aktivitäten sollten dabei vermieden werden. Da auch nach einer erfolgreichen Behandlung die Epiphysiolyse erneut auftreten kann, sollten regelmäßige Untersuchungen durchgeführt werden.

Weiterhin sind auch Maßnahmen der Physiotherapie sinnvoll, um die Bewegung des Körpers wiederherzustellen. Dabei können viele Übungen auch im eigenen Zuhause erfolgen. In der Regel verringert die Epiphysiolyse nicht die Lebenserwartung des Patienten.

Das können Sie selbst tun

Eine Epiphysiolyse bedarf auf jeden Fall einer ärztlichen Behandlung. Durch eine frühzeitige Therapie in einer Fachklinik können Folgeschäden wie zum Beispiel Achsenfehlstellungen oder ein frühzeitiger Gelenkverschleiß vermieden werden. Begleitend zur medizinischen Therapie bieten sich verschiedene Hausmittel und allgemeine Maßnahmen an.

Zunächst gelten Schonung und Bettruhe, denn körperliche Bewegung kann zu einer Zunahme der Beschwerden führen und begünstigt die Entstehung erwähnter Folgeschäden. Allerdings kann die Epiphysiolyse durch gezielte Bewegungsübungen behandelt werden. Betroffene sollten Rücksprache mit einem Physiotherapeuten halten und eine individuelle Therapie ausarbeiten.

Eine Operation ist nach einem Abrutschen des Hüftknochens dennoch notwendig. Die wichtigste Selbsthilfe-Maßnahme nach einem Eingriff ist Schonung. Allerdings darf bereits nach einigen Wochen wieder mit dem Sport begonnen werden, da körperliche Bewegung in dieser Phase den Heilungsverlauf fördern kann.

Personen, die unter Hochwuchs leiden, sollten die weiteren Schritte in jedem Fall mit einem Facharzt planen, um eine erneute Epiphysiolyse zu vermeiden. Generell ist nach einem Eingriff eine engmaschige Überwachung durch einen Arzt angezeigt. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen stellen sicher, dass der Hüftknochen ordnungsgemäß zusammenwächst und keine unerwünschten Komplikationen auftreten.

Quellen

  • Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
  • Niethard, F., Pfeil, J., Biberthaler, P.: Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2014
  • Wülker, N., Kluba, T., Roetman, B., Rudert, M.: Taschenlehrbuch Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2015

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