Erythema exsudativum multiforme
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 4. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bei Erythema exsudativum multiforme (EEM) handelt es sich um einen entzündlichen Ausschlag auf Haut oder Schleimhaut. Aufgrund der optischen Ähnlichkeit der rosettenförmigen Hautherde mit militärischen Kokarden wird Erythema exsudativum multifome auch als Kokardenerythem und die Herde als Schießscheibenläsionen bezeichnet.
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Was ist Erythema exsudativum multiforme?
Bei der Ertyhema exsudativum multiforme entstehen auf der Haut der Patienten ringförmige Hautläsionen, oftmals mit violettem Zentrum umgeben von einem bläulichen Halo. Dazwischen ist ein blasser Ring sichtbar, wie bei einer Kokarde oder Schießscheibe. Oft wirken die Herde wie nebeneinanderliegende Münzen, einzeln oder in Gruppen.
Es gibt zwei in Schweregrad und Verlauf unterschiedliche Formen. Bei der leichten Form , der EEM Minor, fühlen sich die Patienten meist nicht krank. Die kokardenförmigen Herde sind hauptsächlich auf der Haut des Handrückens und der Streckseite des Unterarms zu finden. Es gibt keine oder nur schwache Blasenbildung, die Schleimhäute sind nicht befallen.
Bei der schweren Ausprägung (EEM Major) ist der Allgemeinzustand des Patienten verschlechtert. Der gesamte Körper einschließlich Füße, Handinnenflächen und Mundschleimhaut kann von Hautausschlag betroffen sein, in der Mitte der Herde haben sich Blasen gebildet.
Der Übergang zum Stevens-Johnson-Syndrom ist fließend, einer Variante des EEM Major mit schwerem Hautbefall des gesamten Körpers. Hier sind die Schleimhäute an Mund, Augen oder Genitalien mit befallen. Die Gefahr von Sekundärinfektion ist groß, und oft bleiben nach der Abheilung des Erythems Narben zurück.
Ursachen
Viele Erythema exsudativum multiforme Erkrankungen folgen auf eine Infektion mit Herpes-simplex-Viren. Es wird angenommen, dass Fragmente der Herpes-Simplex-DNA eine zellschädigende Reaktion in Zellen der Oberhaut verursachen. Gemessen an der Gesamtzahl der Herpes-Simplex-Infektionen ist dies aber selten. Daher wird zusätzlich von einer genetischen Prädisposition ausgegangen.
Auch andere virale oder bakterielle Infektionen, Mykosen, Impfstoffe, Konservierungsmittel oder bestimmte Medikamenten werden unter den Ursachen gelistet. Dabei stehen Antibiotika, sogenannte Hydantoine (zum Teil in Antiepileptika enthalten) oder Pyrazolone (zum Teil in Schmerzmitteln enthalten) unter anderem in Verdacht, Erythema exsudativum multiforme hervorrufen zu können.
Bei der EEM Minor-Form lässt sich in 60 Prozent der Fälle der Auslöser nicht feststellen. Ist das Herpes-Simplex-Virus die Ursache, kann sich eine chronische Form mit rezidivierenden Schüben entwickeln. EEM Major tritt hingegen als einmalige Erkrankung auf - fast immer medikamenteninduziert, aufgrund zellgiftiger Nebenwirkungen (zytotoxische Reaktion).
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Erythema exsudativum multiforme tritt für den Patienten oft überraschend auf. Plötzlich bildet sich auf der Haut ein Ausschlag aus Flecken, Papeln, Quaddeln oder Blasen, auf Hautniveau, etwas erhabenen oder tiefer in die Haut eingefressen. Die Läsionen erinnern an Kokarden oder Schießscheiben mit einem violetten Mittelpunkt und bläulichem Außenring.
Bei der Major-Form breitet sich der Ausschlag häufig von den Extremitäten zum Rumpf hin aus. Auch im Mundbereich machen sich Bläschen an Gaumen und Zahnfleisch oder Schießscheibenläsionen an den Lippen bemerkbar. Mit dem Ausschlag kann ein Juckreiz auftreten.
Wer eine Infektion mit Herpes-Simplex-Virus hinter sich hat, erst eine Fiberblase an den Lippen beobachtet und dann einen stark juckenden Ausschlag an Armen und Beinen feststellt, sollte den Arzt aufsuchen. Beim Stevens-Johnson-Syndrom kommen Fieber, vergrößerte Lymphknoten, Leber und Milz hinzu.
Die Schleimhäute sind stets befallen, vorangegangen sind oft Katarrh-ähnliche Symptome. Die Varianten bei den Hauterscheinungen reichen von wenigen Schießscheibenläsionen bis zum großflächigen, scharlachartigen Exanthem.
Diagnose & Verlauf
Die Diagnosestellung erfolgt normalerweise nach dem klinischen Bild. In der Anamnese werden überwundene Infektionen oder Mykosen berücksichtigt, aber auch Medikamenteneinnahme und deren zeitlicher Zusammenhang.
Ohne wesentliche Vorboten bildet sich ein Ausschlag an den Extremitäten oder dem ganzen Körper. Die rötlichen Papeln messen anfangs 0,1 bis 0,3 Zentimeter. Innerhalb von 24 Stunden dehnen sie sich zu schießscheibenförmigen Kokarden aus, bei der Major-Form mit mittigen Blasen.
Das Exanthem kann Handrücken, Handflächen und Fußsohlen befallen, im Nacken, Gesicht, Hals oder auf den Streckseiten der Arme auftreten und sich im Bereich von Ellenbogen oder Knien gruppiert manifestieren. Bei etwa 50 Prozent der Fälle liegt milder (meist oraler) Schleimhautbefall vor, auf Lippen, Wangenschleimhaut und Zunge. Gelenkschwellungen und -schmerzen können auftreten.
Bei der Major-Form ist der Allgemeinzustand deutlich eingeschränkt. Histologische Untersuchungen sind nicht beweisend, das Labor meist unauffällig, gelegentlich treten erhöhte Entzündungswerte auf, auch Eosinophilie.
Komplikationen
Erythema exsudativum multiforme entsteht oftmals nach einer Infektions-Erkrankung und äußert sich als entzündlicher Hautausschlag, der die Schleimhäute befallen kann. Als Ursache des Symptoms wird eine Arzneimittel-Reaktion, ein Tumorbefall, der Ausbruch eines Herpes-Simplex-Virus sowie eine Ansteckung durch vermehrungsfähige Bakterien oder Streptokokken in Betracht gezogen.
Der Betroffene neigt völlig überraschend zu blasenähnlichen Quaddeln, die eine ringförmige bläuliche Hautreaktion bilden, deren Zentrum sich stark violett hervorhebt. Die sichtbare Erscheinung wird unter anderem als Schießscheibe bezeichnet. Mit Verlauf der Krankheit entwickeln sich unterschiedlich große, stark juckende Herde.
Erythema exsudativum multiforme wird in Major- und Minor-Form unterteilt. Bei den ersten Anzeichen sollten Betroffene daher umgehend ärztlichen Beistand beanspruchen, insbesondere wenn zuvor ein Herpes-Simplex-Virus zum Ausbruch kam. Bei nicht frühzeitig eingeleiteter medizinischer Therapie häufen sich die Komplikationen und nehmen chronische Ausmaße an.
Das Symptom befällt den gesamten Körper und manifestiert sich an den Schleimhäuten. Im weiteren Verlauf bilden sich durch das Aufkratzen der Haut Narben. Fieberschübe sowie Vergrößerungen an Leber, Milz und den Lymphknoten kommen hinzu und es erfolgt ein fließender Übergang in das sogenannte Stevens-Johnson-Syndrom.
Je nach Verursacher von Erythema exsudativum multiforme werden in der medizinischen Therapie verschiedene Gegenmaßnahmen in Form von entzündungshemmenden Glukokortikoiden sowie Hautlotionen und Mundspülungen zur Beschwerdelinderung verordnet.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Hautausschlag sollte grundsätzlich medizinisch untersucht und behandelt werden. Breiten sich die betroffenen Regionen aus oder nehmen sie an Intensität zu, ist ein Arztbesuch empfehlenswert. Kann durch die Hautveränderungen die allgemeine Fortbewegung nicht mehr wie gewohnt stattfinden, sollte ein Arzt aufgesucht werden.
Kommt es zu Fehlhaltungen des Körpers oder Schmerzen der Muskulatur durch eine Schiefhaltung, wird ein Arzt benötigt. Ohne eine Korrektur drohen dauerhafte Schäden des Skelettsystems. Können aufgrund der Beschwerden an den Händen Gegenstände nicht mehr wie gewohnt festgehalten werden oder sinkt die allgemeine Leistungsgrenze, ist es ratsam, einen Arzt zu konsultieren.
Bei Veränderungen der Schleimhäute im Mund oder offenen Wunden ist ein Arztbesuch notwendig. Es können Keime in den Organismus gelangen und zu neuen Erkrankungen führen. Setzen Fieber; Schwindel oder Übelkeit ein, wird ein Arzt benötigt. Treten Schwellungen oder Hautverfärbungen auf, sollte ein Arzt die betroffenen Stellen untersuchen und medizinisch versorgen.
Werden die Augen und auch die Genitalien in Mitleidenschaft gezogen, sollten die Beschwerden von einem Arzt abgeklärt werden. Setzen Veränderungen des Sehens ein oder kommt es zu psychischen Problemen, wird ein Arzt benötigt. Tritt die Bläschenbildung auf der Haut ohne einen ersichtlichen Grund auf, gilt dies als ungewöhnlich und sollte untersucht werden.
Behandlung & Therapie
Bei EEM handelt es sich um eine akute selbstlimitierte Erkrankung und die Hautläsionen heilen innerhalb von zwei Wochen von allein ab. Die Behandlung beschränkt sich auf eine symptomatische Therapie.
Gute Erfahrungen wurden mit der externen Behandlung der Hautläsionen mit Lotio alba gemacht, einer Schüttelmixtur aus wässrigem Zinkoxid. Gelenkschwellungen werden mit kühlen Umschläge oder Pads bekämpft oder einem lokalen Antihistaminikum.
Gegen lästigen Juckreiz helfen Glukokortikoid-haltige Cremes wie 0,1 Prozent Triamcinolon-Creme oder 0,05 bis 1 Prozent Betamethason-Emulsion. Bei Läsionen der Mundschleimhaut bringen Mundspülungen mit Kamillenextrakt Linderung.
Bei der schwereren Major-Form können zur Intensivbehandlung der befallenen Schleimhäute systemische Glukokortikoide wie Prednison verordnet werden. Auch Antibiotika-Gaben zur Vorbeugung von Sekundärinfektionen sind gegebenenfalls ratsam. Gegen stärkeren Juckreiz lassen sich orale Antihistaminika wie Desloratadin oder Cetirizin einsetzen.
Aussicht & Prognose
Die Erythema exsudativum multiforme hat eine günstige Prognose. Die Veränderungen des Hautbildes treten akut auf und lösen damit den Eindruck einer schwerwiegenden Störung aus. Letztlich bilden sich die Beschwerden jedoch innerhalb weniger Wochen vollständig zurück. Die meisten Patienten sind nach weniger als vierzehn Tage beschwerdefrei.
Darüber hinaus benötigen sie für die Linderung der Beschwerden keine ärztliche Unterstützung, da der Organismus sich selbständig regeneriert. Entwickeln sich keine Komplikationen aufgrund von Juckreiz oder durch den optischen Makel, ist der Heilungsverlauf von kurzer Dauer und ohne eine medizinische Versorgung zu bewältigen.
Ungünstiger ist die Gesamtprognose, sobald weitere Erkrankungen vorliegen. In vielen Fällen ist die Erythema exsudativum multiforme eine Begleiterscheinung einer anderen Krankheit. Wenngleich die Hautveränderungen sich ohne einen äußeren Einfluss oder die Gabe von Medikamenten zurückbilden, so liegen oftmals komplexe Krankheiten vor, die therapiert werden müssen.
Die Prognose dieser Erkrankungen sind oftmals ungünstig oder langwierig. Je geschwächter das Immunsystem des Patienten durch die vorliegende Grunderkrankung ist, desto wahrscheinlicher sind Verzögerungen im Heilungsverlauf der Erythema exsudativum multiforme.
Zudem ist das Risiko für Komplikationen erhöht. Bei offenen Wunden können Krankheitserreger in den Organismus gelangen und eine Sepsis auslösen. Damit besteht eine potentielle Lebensgefährdung. Fieberschübe sind ebenfalls möglich. Sie schwächen den Patienten vorübergehend zusätzlich.
Vorbeugung
Falls zweifelsfrei eine auslösende Substanz festgestellt werden konnte, genügt es, dass der Patient diese künftig meidet, um einem erneuten Auftreten von EEM vorzubeugen. Bei Patienten mit häufigen Rezidiven durch das Herpes-Simplex-Virus kann eine suppressive antivirale Therapie helfen - entweder kurzzeitig oder als Dauertherapie, zum Beispiel mit Aciclovir.
Nachsorge
Bei Erythema exsudativum multiforme stehen dem Betroffenen in den meisten Fällen keine besonderen oder direkten Maßnahmen und Möglichkeiten der Nachsorge zur Verfügung. Der Betroffene ist bei dieser Krankheit in erster Linie auf eine schnelle und frühzeitige Behandlung und Diagnose angewiesen, damit es nicht zu einer weiteren Verschlechterung der Beschwerden kommt. In der Regel kann es dabei auch nicht zu einer selbstständigen Heilung kommen, sodass ein Besuch bei einem Arzt immer notwendig ist.
Der Betroffene sollte sich bei Erythema exsudativum multiforme auf jeden Fall ausruhen und seinen Körper schonen. Hierbei ist von Anstrengungen oder von anderen stressigen und körperlichen Betätigungen abzusehen, damit es zu keinen weiteren Komplikationen kommt. Der Betroffene sollte auch die vom Arzt verschriebenen Medikamente regelmäßig und in der richtigen Dosierung einnehmen.
Dabei sollte der Arzt dann konsultiert werden, wenn es zu Fragen oder zu anderen Unklarheiten kommt. Auch regelmäßige Untersuchungen der Entzündung durch einen Arzt sind dabei wichtig, um den aktuellen Stand immer zu überwachen und zu kontrollieren. Bei einer erfolgreichen Behandlung von Erythema exsudativum multiforme kommt es dann in der Regel auch nicht zu einer Verringerung der Lebenserwartung. Dabei sind keine weiteren Maßnahmen der Nachsorge mehr notwendig.
Das können Sie selbst tun
EEM ist eine akute Erkrankung, die zunächst ärztlich abgeklärt werden muss. Die Behandlung kann von den Betroffenen durch verschiedene Maßnahmen unterstützt werden.
Liegt der Verdacht nahe, das ein Medikament für das Erythema exsudativum multiforme verantwortlich ist, muss das verantwortliche Präparat abgesetzt werden. Betroffene sollten hierfür mit dem zuständigen Arzt sprechen. Die Hautläsionen müssen immer mit medizinischen Arzneimitteln behandelt werden. Manchmal können die eingesetzten Antihistaminika um kühlende Umschläge ergänzt werden.
Vor allem bei Gelenkschwellungen hilft Kühlung, sei es in Form von Wickeln, Kühlsprays oder Umschlägen. Der Einsatz entsprechender Mittel ist aber zuvor mit einem Arzt abzusprechen, um unerwünschte Ereignisse zu vermeiden. Bei der schweren Major-Form ist auf jeden Fall eine ärztliche Behandlung erforderlich.
Die Betroffenen können die Therapie unterstützen, indem sie die Schleimhäute schonen. Hierfür bieten sich zum Beispiel diätetische Maßnahmen an: Eine Ernährung ohne scharfe, saure oder allzu heiße Lebensmittel und der Verzicht auf Genussmittel wie Kaffee oder Alkohol. Sollten die Beschwerden trotz aller Maßnahmen bestehen bleiben oder sogar noch an Intensität zunehmen, muss ein Arzt konsultiert werden. Womöglich liegt dem Erythem exsudativum multiforme ein ernstes Leiden zugrunde, dass diagnostiziert und behandelt werden muss.
Quellen
- Dirschka, T., Hartwig, R.: Klinikleitfaden Dermatologie. Urban & Fischer, München 2011
- Moll, I.: Dermatologie. Thieme, Stuttgart 2010
- Sterry, W., Worm, M., Burgdorf, W.: Checkliste Dermatologie. Thieme, Stuttgart 2014