Glasknochenkrankheit (Osteogenesis imperfecta)
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 2. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Die Glasknochenkrankheit bzw. Osteogenesis imperfecta ist eine genetisch bedingte Erkrankung, bei welcher der Kollagenhaushalt gestört ist und in Folge davon die Knochen leicht brechen und sich verformen. Der Verlauf der Glasknochenkrankheit hängt von der Art der Genschädigung ab.
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Was ist die Glasknochenkrankheit?
Die Glasknochenkrankheit ist eine vererbbare Erkrankung, bei der die Kollagenbildung im Körper gestört ist. Kollagen ist wichtig für die Ausbildung der Knochen. Es befindet sich aber auch in Bändern und Sehnen, in der Bindehaut des Auges und in den Zähnen.
Osteogenesis imperfecta heißt so viel wie »unvollständige Knochenbildung«. Normalerweise bestehen die Knochen des menschlichen Skeletts aus Kollagenstäben, die wiederum aus Kollagenfasern gebildet werden, und aus Mineralstoffen. Beides zusammen sorgt sowohl für Stabilität als auch für Elastizität der Knochen.
Bei der Glasknochenkrankheit ist entweder nicht genug Kollagen vorhanden oder die Kollagenfasern bilden abnorm geformte Kollagenstäbe. Dadurch verändert sich die Struktur der Knochen; sie sind nicht mehr stabil genug und brechen wie Glas, was zu der umgangssprachlichen Bezeichnung Glasknochenkrankheit geführt hat. Ursprünglich ging man von vier verschiedenen Typen der Erkrankung aus, inzwischen wurden aber weitere drei entdeckt, sodass man heute 7 Typen von Glasknochenkrankheit unterscheidet.
Ursachen
Die Ursache der Glasknochenkrankheit ist eine Mutation (Veränderung) des Gens, das für die Produktion von Kollagen verantwortlich ist. Durch diesen Gendefekt wird ein fehlerhafter Botenstoff an die Körperzellen übermittelt, die daraufhin unvollständige oder veränderte Kollagenfasern produzieren.
Dadurch entstehen verformte oder gebrochene Kollagenstäbe, die nicht in der Lage sind, dem Knochen die erforderliche Stabilität zu geben. Der Schweregrad der Krankheit ist abhängig von dem Ausmaß der Defekte an den Kollagenstäben.
Es gibt aber auch Typen der Glasknochenkrankheit, bei welchen zwar völlig normal geformte Kollagenstäbe produziert werden, ihre Anzahl aber viel zu gering ist, als dass sie die Knochen stabilisieren könnten. Bei dieser Art von Glasknochenkrankheit bilden sich nur schwache Symptome aus.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Bei den Symptomen der Osteogenesis imperfecta hängt es stark davon ab, welcher Typ der Erkrankung vorliegt. Am schwersten betroffen sind die Patienten vom Typ 2, hier verläuft die Erkrankung meist schon in jungen Jahren tödlich. Der im Volksmund gebräuchliche Begriff der Glasknochenkrankheit umschreibt ansonsten die charakteristischen Merkmale der Betroffenen bereits bildlich recht treffend. Durch die ungenügende Knochenbildung kommt es übermäßig häufig zu Knochenbrüchen.
Bereits leichte Stöße oder stärkere Belastung der Knochen können unter Umständen schon einen Bruch nach sich ziehen. Diese Brüche werden dann Spontan- oder Ermüdungsbrüche genannt. In der Folge kommt es zu Deformierungen des Schädels, Kleinwuchs und Verformungen der Wirbelsäule (zum Beispiel Skoliose). Auch im Röntgenbild lässt sich diese ungenügende Knochenbildung darstellen.
Die Knochen lassen mehr Röntgenstrahlung durch und der Knochen stellt sich im Röntgenbild dunkler dar. Mediziner bezeichnen dieses Phänomen als vermehrte Strahlentransparenz der Knochen. Auch die Zähne können von der vermehrten Brüchigkeit betroffen sein. Die weiteren Symptome der Erbkrankheit sind sehr vielschichtig.
Zu ihnen gehören Schwerhörigkeit, schwache Muskulatur und überstreckbare Gelenke, Tinnitus, Kurzsichtigkeit und vermehrtes Schwitzen. Äußerlich auffällig können vor allem beim Typ 1 der Osteogenesis imperfecta die blauen Skleren sein. Als Skleren wird das normal sichtbare Weiß des Auges bezeichnet.
Diagnose & Verlauf
Der Verlauf der Glasknochenkrankheit ist je nach zugrunde liegender Art des Gendefekts unterschiedlich. Die Diagnose wird in der Regel anhand der Symptome gestellt und mit einer Röntgenuntersuchung abgesichert.
Auf Röntgenaufnahmen sieht gesunder Knochen weiß aus, während weniger dichte Knochenmasse durchscheinender wirkt. Auch die durch die Glasknochenkrankheit entstehenden Verbiegungen und verheilte alte Brüche lassen sich auf einem Röntgenbild gut erkennen. Die Krankheit verläuft je nach Typ unterschiedlich.
Typ 1 kommt am häufigsten vor und verläuft am mildesten, während Typ 2 die schwerste Form ist. Betroffene von Typ 2 haben keine lange Lebenserwartung und überleben oft die Geburt nicht. Die typischen Symptome der Glasknochenkrankheit sind Brüche und Verformungen der Knochen. Die Skleren (die Lederhaut = das Weiß des Auges) können bläulich, rötlich oder grau schattiert sein.
Der Körperbau kann weitgehend normal sein wie beispielsweise bei Typ 1, aber es können auch schwere Wirbelsäulenverkrümmungen oder Kleinwüchsigkeit vorkommen (Typ 4). Die Zähne sind oft brüchig und das Gehör verschlechtert sich im Jugendalter. Unterentwickelte Lungen und damit verbundene Atemprobleme kommen ebenfalls bei der Glasknochenkrankheit vor.
Komplikationen
Bei der Osteogenesis imperfecta kommt es zu einer starken Einschränkung der Lebensqualität des Patienten. Auch der Alltag des Betroffenen ist in der Regel mit starken Schmerzen und Einschränkungen verbunden. Nicht selten treten dadurch auch Depressionen und andere psychische Verstimmungen auf, die durch einen Psychologen behandelt werden können. Die Knochen brechen leicht und lassen sich ebenfalls leicht verformen.
Die Patienten leiden dabei auch nicht selten an Minderwuchs und sehr häufig an blauen Flecken auf der Haut. Auch die Wirbelsäule kann von der Osteogenesis imperfecta betroffen sein. Weiterhin leiden die meisten Betroffenen auch an Beschwerden der Atmung, sodass zu einer verringerten Sauerstoffzufuhr kommen kann. Nicht selten können vor allem Kinder durch die Beschwerden Opfer von Mobbing oder von Hänseleien werden, wodurch es ebenso zu Depressionen oder Minderwertigkeitskomplexen kommen kann.
Auch die Angehörigen und Eltern der Kinder können von depressiven Verstimmungen betroffen sein. Eine kausale Behandlung der Osteogenesis imperfecta ist nicht möglich. Aus diesem Grund werden in der Regel nur die Symptome eingeschränkt. Der Betroffene muss allerdings auf Risiken und bestimmte Sportarten verzichten und leidet dadurch an starken Einschränkungen im Leben. Die Schmerzen können mit Hilfe von Therapien ebenfalls eingeschränkt werden. Dabei kommt es nicht zu weiteren Komplikationen.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Ein Arztbesuch ist notwendig, sobald sich Unregelmäßigkeiten des Körperbaus darstellen. Kommt es zu Verformungen, ungewöhnlichen Knochenständen oder einem Minderwuchs ist ein Arzt zu konsultieren. Kinder, die im unmittelbaren Vergleich zu Gleichaltrigen ein geringes Wachstum zeigen oder ihre Gelenke unnatürlich weit überstrecken können, sind einem Arzt zur Kontrolluntersuchung vorzustellen. Sind sichtbare Verformungen der Wirbelsäule erkennbar, ist diese Beobachtung mit einem Arzt zu besprechen.
Brechen die Knochen des Betroffenen sehr schnell, wird ein Arzt benötigt. Treten die Brüche bereits bei leichten Stürzen oder Prellungen auf, gilt dies als ungewöhnlich. Die Vorgänge sind gut zu beobachten und schnellstmöglich mit einem Arzt abzuklären, um weitere Komplikationen zu vermeiden.
Leidet der Betroffene unter der häufigen Bildung von Blutergüssen oder blauen Flecken, sollte ein Arzt konsultiert werden. Bei Beschwerden der Atmung, einer weißen Augenhaut sowie einer auffälligen Schwäche des Bindegewebes wird ein Arzt benötigt. Kommt es bei einer diagnostizierten Glasknochenkrankheit zu psychischen Problemen, ist ebenfalls ein Arztbesuch notwendig.
Der Patient benötigt emotionale Hilfe im Alltag, um mit der Erkrankung und den Folgen umgehen zu können. Daher sollte ein Arzt bei Verhaltensauffälligkeiten sowie Änderungen der Persönlichkeit besucht werden. Bei sozialem Rückzug, einer melancholischen oder depressiven Stimmung sowie bei aggressiven Tendenzen muss mit einem Arzt gesprochen werden.
Behandlung & Therapie
Die Glasknochenkrankheit ist eine Erkrankung, die lebenslang besteht. Da sie durch einen Gendefekt verursacht wird, ist sie nicht heilbar. Betroffenen wird empfohlen, ihr Leben so einzurichten, dass ihre Knochen nicht zusätzlich belastet oder geschädigt werden. Das heißt, sie sollten sich gesund ernähren, Nikotin und Alkohol nur in Maßen genießen und auf ihr Gewicht achten.
Auch wenn es keine heilende Therapie gibt, ist es für den weiteren Verlauf wichtig, die Krankheit frühzeitig zu erkennen. Wenn die Symptome in einem frühen Stadium behandelt werden, können Komplikationen verhindert und die Beschwerden zumindest etwas gelindert werden. Zurzeit sind drei Behandlungswege üblich. Ein Weg ist, Biphosphonate zu verabreichen. Dies ist eine Substanz, die sich im Knochen einlagert und den Abbau des Knochenmaterials hemmt.
Eine weitere Behandlungsmöglichkeit der Glasknochenkrankheit ist die Marknagelung. Dabei werden in einem operativen Eingriff Metallstäbe in das Innere der Längenknochen eingesetzt. Diese wirken wie Schienen, sie stabilisieren die Knochen und verhindern Brüche und Verformungen. Als weitere Behandlung wird Physiotherapie angewandt, mit dem Ziel die Muskeln zu stärken, damit sie die Knochen stützen können.
Meist wird das Training im Wasser durchgeführt, da hier keine Sturzgefahr besteht und Patienten sich gut selbst bewegen können. Der Erfolg der Behandlungen ist allerdings auch davon abhängig, welcher Typ von Glasknochenkrankheit vorliegt.
Aussicht & Prognose
Bei Betroffenen mit Osteogenesis imperfecta liegt ein Gendefekt vor. Aus diesem Grund gibt es keine Heilung. Durch medizinische Interventionen und moderne Therapiemöglichkeiten haben sich die Lebensbedingungen für Betroffene deutlich verbessert. Dennoch haben viele von ihnen ihr Leben lang körperliche Schmerzen sowie psychische Beschwerden.
Die Prognose und der Verlauf der Glasknochenkrankheit hängen vom Typ und der Aggressivität der Erkrankung ab. Bei schweren Fällen ist die Lebenserwartung deutlich verkürzt. Patienten mit Typ 1 der Glasknochenkrankheit haben in der Regel eine gute Prognose. Bei ihnen nehmen die Knochenbrüche nach der Pubertät deutlich ab, wobei sie bei weiblichen Betroffenen in den Wechseljahren wieder häufiger werden. Ihnen ist es zumeist möglich, einem geregelten Leben nachzugehen und einen Beruf in einer sitzenden Position auszuüben.
Liegen Typ 2 oder Typ 3 vor, ist die Prognose wesentlich schlechter. Betroffene mit Osteogenesis imperfecta Typ 3 sterben sehr früh. Einige von ihnen überleben die Geburt nicht und sterben bereits im Mutterleib. Viele betroffene Kinder sterben bedingt durch zahlreiche Knochenbrüche innerhalb der ersten Lebenstage an Hirnblutungen oder Atemschwierigkeiten. Die Prognose von Typ 3 ist ungünstig. Die Patienten sind zumeist auf den Rollstuhl angewiesen. Viele von ihnen bekommen Atemprobleme.
Vorbeugung
Gegen die Glasknochenkrankheit kann man zurzeit nicht vorbeugen, da sie genetisch bedingt ist. Um Komplikationen und einen schweren Verlauf zu vermeiden, ist der frühzeitige Beginn der Behandlung wichtig.
Nachsorge
Die Nachsorge einer Glasknochenkrankheit ist enorm wichtig. Der Betroffene sollte darauf achten, dass er nicht zu schwer hebt und anpruchsvolle Aktivitäten meidet. Die Knochen sind sehr empfindlich und gerade im Anfangsstadium der Nachsorge sollte gezielt acht auf den Körper gegeben werden. Es ist wichtig, dass die Anweisungen des behandelnden Arztes zwingend eingehalten werden.
Auch die Medikamenteneinnahme darf bei eintreffender Besserung nicht abgesetzt werden. Um weitere Knochenbrüche zu meiden, sollten diese Richtlinien in jedem Fall eingehalten werden. Leichte Gymnastik-Übungen tragen ebenfalls zur Stärkung der Knochen bei. Außerdem ist Schwimmen eine gute Aktivität, um den schwachen Körper auf gute Art und Weise zu stärken. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Einnahme von lebensnotwendigen Vitaminen und Mineralstoffen.
Die Einnahme von Vitaminen wie Vitamin B12, Vitamin C oder auch Zink können die Knochenstärkung unterstützen. Die Ernährung an sich sollte abwechslungsreich und gesund gestaltet werden. Viele Betroffene wissen nicht, wie wichtig eine ausgewogene Ernährung für die Knochen ist und vernachlässigen diese mit fatalen Folgen. Werden diese hilfreichen Nachsorge-Optionen von dem betroffenen eingehalten werden, tritt garantiert eine Linderung der Beschwerden ein.
Das können Sie selbst tun
Bei der Glasknochenkrankheit handelt es sich um eine Krankheit, welche durch einen Gendefekt erzeugt wird. Diese Erkrankung ist nicht heilbar und Selbsthilfemaßnahmen entsprechend eingeschränkt.
Aufgrund der sehr hohen Verletzungsgefahr bei Patienten, die an einer solchen Erkrankung leiden, muss auf eine Schonung des Körpers geachtet werden. Von körperlichen Anstrengungen ist dringend abzuraten. Auch im Alltag müssen die Betroffenen darauf achten, dass sie sich nicht verletzten. Das Anstoßen an einem Möbelstück kann bereits zu einem Knochenbruch führen.
Meist benötigen die Patienten Hilfe durch Familienmitglieder oder Pflegepersonal, welche ihnen beistehen, um den Alltag meistern zu können. Dies ist auch wichtig, da die Betroffenen oft auf einen Rollstuhl angewiesen sind.
Die Betroffenen sind stark in ihrem Leben eingeschränkt. Dies kann zu psychologischen Problemen und auch zu Depressionen führen. Eine psychologische Behandlung von Patienten, die an der Glasknochenkrankheit leiden, ist daher von großer Wichtigkeit, damit die Patienten erlernen mit ihrer Situation umgehen zu können.
Die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe zum Thema Glasknochenkrankheit kann zusätzlich als eine seelische Hilfestellung für die Betroffenen fungieren. Der Austausch mit anderen Betroffenen gibt ihnen das Gefühl nicht alleine mit dieser Situation zu sein und sie können mehr darüber erfahren wie andere ihren Alltag meistern.
Quellen
- Breusch, S., Clarius, M., Mau, H., Sabo, D. (Hrsg.): Klinikleitfaden Orthopädie, Unfallchirurgie. Urban & Fischer, München 2013
- Krämer, J., Grifka, J.: Orthopädie, Unfallchirurgie. Springer, Berlin 2013
- Wirth, C.J. et al.: Praxis der Orthopädie und Unfallchirurgie. Thieme, Stuttgart 2013