Kabuki-Syndrom
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Das Kabuki-Syndrom, auch als Kabuki-Make-up-Syndrom oder Niikawa-Kuroki-Syndrom bekannt, ist eine sehr seltene Erbkrankheit. Die Ursache ist bislang unbekannt; die Therapie befasst sich mit der Linderung der Symptome. Bislang gibt es weder reichhaltige Informationen über die Symptome, noch über den Krankheitsverlauf; das Syndrom kann nicht vorgebeugt werden.
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Was ist das Kabuki-Syndrom?
Dr. Kuroki und Dr. Niikawa beschrieben - unabhängig - das Syndrom zum ersten Mal im Jahr 1980. Das Kabuki-Syndrom ist eine relativ „neue“ Krankheit; aus diesem Grund gibt es bislang nur sehr wenige Erkenntnisse über das Syndrom. Die Bezeichnung Kabuki-Make-Up-Syndrom beschreibt die Charakteristik der Krankheit. Schlussendlich erinnern die Betroffenen an die Kabuki-Darsteller in den japanischen Theatern.
Auf Grund der Tatsache, dass der Begriff „Make-Up“ jedoch eine negative Assoziation mit sich brachte, verwenden Mediziner vorwiegend die Bezeichnung Kabuki-Syndrom. Auf Grund der Tatsache, dass nur sehr wenige Mediziner tatsächliche Profis auf dem Gebiet der Erkrankung sind, wurde bislang nur sehr selten das Syndrom diagnostiziert. Man muss jedoch davon ausgehen, dass - höchstens - mehrere hundert Personen (weltweit) vom Kabuki-Syndrom betroffen sind. Wie hoch die Dunkelziffer ist, kann nicht gesagt werden.
Ursachen
In wenigen Fällen waren bereits Kinder betroffen, deren Eltern (beziehungsweise ein Elternteil) ebenfalls dieselbe Mutation trug und somit Betroffener des Kabuki-Syndroms war. Bislang gab es jedoch nur sehr wenige Betroffene, deren Eltern (oder zumindest ein Elternteil) ebenfalls vom Kabuki-Syndrom betroffen waren. Auch deshalb, weil der Krankheitsverlauf unterschiedlich ausgeprägt ist und in vielen Fällen die Betroffenen kein geregeltes Leben – im Sinne von Familiengründung – führen können.
Jedoch muss aus den dokumentierten Fällen der Schluss gezogen werden, dass das Kabuki-Syndrom eine autosomal-dominant vererbbare Krankheit ist. Das Risiko, dass der Genfehler weitervererbt wird, beträgt daher 50/50.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Das Syndrom weist ein sehr unterschiedliches und breites Spektrum auf. Die Betroffenen leiden unter bogenförmige und breite Augenbrauen, verlängerte Lidspalten sowie auch einer flachen Nasenspitze sowie großen, abstehenden und becherförmigen Ohren. Viele Betroffene weisen einen hohen Gaumen, eine Lippen-Gaumen-Spalte oder auch Zahnanomalien auf. Während die Kinder bei der Geburt noch eine normale Größe aufweisen, verzögert sich jedoch das Wachstum mit der Zeit.
Während zu Beginn der Forschung noch davon ausgegangen werden konnte, dass eine Mikrozephalie zu den charakteristischen Symptomen zählte, wurden immer mehr Fälle bekannt, welche davon nicht betroffen waren. Häufig entstehen Anomalien des Skelettsystems (Brachymesophalangie, Brachydaktylie V sowie auch eine Klinodaktylie der fünften Finger, dislozierte beziehungsweise überstreckbare Gelenke sowie Anomalien der Wirbelsäule) sowie auch dermatoglyphische Anomalien der fetalen Fingerspitzenpolster.
In fast allen Fällen liegt ein intellektuelles Defizit der Betroffenen vor; mitunter klagen Patienten auch über neurologische Symptome und leiden mitunter an Krampfanfällen oder einer Muskelhypotonie. Die Entwicklung des Betroffenen ist im Regelfall verzögert. Mitunter wurden auch autistoide Merkmale, Schwerhörigkeit sowie Hyperaktivität dokumentiert.
In wenigen Fällen sind die Skleren der Betroffenen bläulich, was unter anderem an die Erbkrankheit Osteogenesis imperfecta (Glasknochenkrankheit) erinnert. Angeborene Herzfehler, Septumdefekte oder linksseitig obstruktive Läsionen sind ebenfalls möglich. Auch etwaige Fehlbildungen der Harnwege und Nieren können auftreten, wobei nur 25 Prozent der Betroffenen unter jenen Symptomen und Anzeichen leiden.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Bislang stehen keine Tests zur Verfügung, damit das Kabuki-Syndrom problemlos und sicher diagnostiziert werden kann. Die Genetiker müssen sich daher vorwiegend auf die bestimmten Merkmale konzentrieren. Die Diagnose kann daher erst bestätigt werden, wenn das betroffene Kind vier der fünf charakteristische Hauptmerkmale aufweist: Anomalien des Skeletts, charakteristische Fazien, geistige Retardierung, dermatoglyphische Anomalien oder den postnatalen Minderwuchs.
Des Weiteren muss der Mediziner auch die Charakteristik des Gesichts genau untersuchen. Die Krankheitsverläufe des Kabuki-Syndroms sind unterschiedlich. Bislang liegen nur wenige Dokumentationen vor, sodass nicht präzise genau erläutert werden kann, wie sich das Kabuki-Syndrom verhält. Des Weiteren bestehen verschiedene Ausprägungen des Syndroms.
Während manche Kinder einem halbwegs normalen Leben nachgehen können, gibt es derart schwere Formen, sodass Betroffene mit enormen Einschränkungen (Probleme beim Gehen, Stehen, (Sprechen) leben müssen. Ob das Kabuki-Syndrom Auswirkungen auf die Lebenserwartung der Betroffenen haben, ist nicht bekannt, kann aber nicht zur Gänze ausgeschlossen werden.
Komplikationen
Mit Zunahme der Lebensjahre treten vermehrt das Syndrom betreffende Komplikationen auf. Durch die starke Infektanfälligkeit sind Kinder mit Kabuki-Syndrom kränkelnd und leiden wiederholt schwer an Erkältungen und Mittelohrentzündungen. Die körperliche Entwicklung verläuft problematisch, da die Betroffenen zu Skoliose, Hüftdysplasien, Zahnanomalien und Überstreckung der Fingergelenke neigen. Bereits vor der Adoleszenz kommt es häufig zu Adipositas und massiven Herz-Kreislaufproblemen.
Erfahren Kabuki-Kinder bereits frühzeitig Therapiemaßnahmen in Form von Logopädie, Physio- und Ergotherapie sowie einer psychologisch betreuten Entwicklungsförderung, können diese weitestgehend am Schulunterricht teilnehmen. Durch eine intensive medizinische Betreuung lassen sich weitere Defizite zwar erkennen jedoch nur im geringen Maß spezifisch behandeln.
Die Komplexität der Erkrankung und die daraus resultierenden Komplikationen sind erheblich. Bei heranwachsenden Kabuki-Betroffenen entstehen spontane Krampfanfälle sowie neurologische Störungen und bei fast jedem Zweiten führt das Syndrom zum Hörverlust. Die Lebenserwartung Betroffener mit Kabuki-Syndrom ist reduziert.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Wenn das Neugeborene Fehlbildungen oder Anomalien aufweist, sollte ein Arzt informiert werden. Das Kabuki-Syndrom kann unmittelbar nach der Geburt des Kindes anhand seiner eindeutigen Symptome erkannt werden. Eltern, die bei ihrem Kind eine Lippen-Gaumen-Spalte, Probleme beim Hören oder Wachstumsstörungen bemerken, konsultieren am besten den Arzt. Auch Schwerhörigkeit, Hyperaktivität und Krampfanfälle sind deutliche Warnzeichen, die einer Abklärung durch einen Arzt bedürfen. Während der Behandlung ist eine engmaschige Überwachung durch den Arzt angezeigt.
Vor allem während der Wachstumsphase ist eine ständige Anpassung der Therapie notwendig. Die Eltern sollten den Arzt über ungewöhnliche Symptome informieren. Bei Krämpfen oder Schmerzen sollte das Kind in ein Krankenhaus gebracht werden. Die Behandlung des Kabuki-Syndroms erfolgt durch den Hausarzt und verschiedene Fachärzte, die von den jeweiligen Symptomen und Beschwerden abhängen. Kinder sollten zunächst einem Kinderarzt vorgestellt werden. Betroffene, die an Adipositas leiden, müssen außerdem einen Ernährungsberater hinzuziehen. Zuvor ist zudem eine umfassende Untersuchung durch den Kardiologen vonnöten.
Behandlung & Therapie
Auf Grund der Tatsache, dass bislang keine Ursache bekannt ist, kann das Kabuki-Syndrom nur symptomatisch behandelt werden. Das bedeutet, dass die Mediziner vorwiegend die Schwere des Syndroms begutachten und in weiterer Folge dahingehend die Behandlung planen. Liegen etwaige Einschränkungen beim Gehen, Stehen oder Sprechen vor, werden vorwiegend physikalische sowie logopädische Einheiten empfohlen.
Wurden hingegen Fehlbildungen der Organe diagnostiziert, konzentrieren sich die Mediziner vorwiegend auf die Heilung beziehungsweise Behandlung der beeinträchtigten Organe. Für die Mediziner stehen die Lebenserhaltung sowie die Linder der Symptome und Schmerzen im Vordergrund. Etwaige körperliche Schmerzen, die im Rahmen des Krankheitsverlaufs auftreten können, werden medikamentös behandelt. Auch hier gilt, dass vorwiegend nur die Symptome, jedoch nicht die Ursachen behandelt werden können.
Aussicht & Prognose
Die wirksamste Selbsthilfe beim Kabuki-Syndrom besteht in ausreichender und regelmäßiger Bewegung. Damit ist nicht etwa ein täglicher Marathon oder Ausdauersport gemeint, bei dem man sich verausgabt. Wichtig ist, die eigenen Grenzen zu erkennen und sich von einem erfahrenen Fitnesstrainer in Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt einen individuellen Trainingsplan zusammenstellen zu lassen. Dieser Plan sollte anschließend regelmäßig den eigenen Fortschritten angepasst werden.
Bei täglicher Übung kann der Betroffene teilweise wieder deutlich mehr Kontrolle über seine Muskulatur erlangen und der meist auftretenden Muskelhypotonie entgegenwirken oder bei frühzeitigem Behandlungsbeginn entgegenwirken. Darüber hinaus wird durch die Bewegung der Kreislauf angekurbelt und die Durchblutung gefördert, wodurch der Therapieeffekt unterstützt wird.
Um die Verletzungsgefahr bei Krampfanfällen zu vermindern, muss bei der Einrichtung des Wohnumfeldes auf eine sturzsichere Gestaltung geachtet werden. Das Verlegen von Teppichboden statt Fliesenboden kann durch den abgefederten Aufprall bereits mögliche Folgeverletzungen eines Sturzes verringern.
Zu guter Letzt spielt auch die Ernährung eine ausschlaggebende Rolle auf dem Weg zu einer besseren Lebensqualität. Ein ausgeglichener Magnesiumhaushalt senkt die Intensität von Krämpfen und dieser kann nicht nur mittels Nahrungsergänzungsmitteln, sondern im Idealfall durch eine konsequente Ernährungsumstellung erreicht werden. Hilfe hierbei leisten ausgebildete Ernährungsberater, welche auf Erkrankungen und Allergien Rücksicht nehmen und die individuell beste Ernährung zusammenstellen.
Vorbeugung
Da bislang keine Ursache bekannt ist, kann das Kabuki-Syndrom nicht vorgebeugt werden. Umwelteinflüsse, externe Ursachen oder begünstigende Faktoren können jedoch zur Gänze ausgeschlossen werden.
Nachsorge
Beim Kabuki-Syndrom sind die Maßnahmen einer Nachsorge in den meisten Fällen sehr stark eingeschränkt oder stehen dem Betroffenen gar nicht zur Verfügung. Dabei ist bei dieser Krankheit nicht immer eine Nachsorge notwendig, da die Krankheit auch nicht vollständig geheilt werden kann. Da es sich dabei um eine erblich bedingte Krankheit handelt, sollte bei einem Kinderwunsch immer zuerst eine genetische Untersuchung und Beratung erfolgen, damit das Kabuki-Syndrom nicht erneut bei den Nachfahren auftreten kann.
Eine frühzeitige Erkennung und Behandlung der Krankheit wirkt sich dabei in der Regel immer positiv auf den weiteren Verlauf aus. In den meisten Fällen ist der Betroffene bei dieser Krankheit auf intensive Maßnahmen einer Krankengymnastik und auch der Physiotherapie angewiesen. Dabei können auch einige Übungen aus solchen Therapien im eigenen Zuhause wiederholt werden, die Beschwerden weiterhin zu lindern.
Auch die intensive Pflege und Hilfe durch Freunde und durch die eigene Familie sind beim Kabuki-Syndrom sehr wichtig und können psychische Verstimmungen oder Depressionen verhindern und lindern. Eventuell ist durch diese Krankheit die Lebenserwartung der Betroffenen verringert, sodass sich häufig auch die Eltern oder die Angehörigen des Patienten einer psychologischen Behandlung unterziehen sollten.
Das können Sie selbst tun
Das Kabuki-Syndrom als angeborene Erbkrankheit kann nicht behandelt werden. Auch die einhergehende geistige Behinderung ist irreversibel. Eine effektive Alltagshilfe muss daher auf die anderen Symptome zielen.
Hauptsächlich treten eine Muskelhypotonie und verschiedene Fehlbildungen als Begleiterscheinungen auf. Vor allem der Muskelhypotonie kann im Alltag entgegengewirkt werden. Tägliche Muskelübungen können den Betroffenen zumindest zu einer teilweisen Kontrolle über ihre Muskulatur helfen. Wichtig ist dabei, dass die Grenzen der persönlichen Fähigkeiten beachtet werden. Ein allgemeingültiges Trainingsprogramm gibt es daher nicht. Eine andere Möglichkeit der Alltagshilfe zielt auf die begleitenden Krampfanfälle. Zum einen ist eine sturzsichere Ausgestaltung der Wohnung sinnvoll, um möglichen Folgeverletzungen eines Sturzes entgegenzuwirken. Zum anderen kann die Ernährung in Hinblick auf einen gesunden Magnesiumhaushalt zusammengestellt werden, um die Intensität der Krämpfe zu senken. Auch Nahrungsergänzungsmittel sind dazu eine denkbare Option.
Insgesamt ist aber regelmäßige Bewegung der wichtigste Baustein der alltäglichen Selbsthilfe. Wie geschildert wirkt sie der muskulären Hypotonie entgegen, hilft aber auch bei den Symptomen, die den Blutfluss betreffen. Bewegung kurbelt den Kreislauf an und reguliert damit den Blutfluss, so dass eine ausreichende Versorgung gewährleistet wird.
Quellen
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- Murken, J., Grimm, T., Holinski-Feder, E., Zerres, K. (Hrsg.): Taschenlehrbuch Humangenetik. Thieme, Stuttgart 2011
- Witkowski R., Prokop O., Ullrich E.: Lexikon der Syndrome und Fehlbildungen. Springer, Berlin 2003