Morbus Hers

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 11. November 2021
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Morbus Hers wird der Gruppe der Glykogenspeicherkrankheiten zugeordnet und stellt eine Erkrankung dar, die in den meisten Fällen durch einen Mangel an einem speziellen Enzym gekennzeichnet ist. Bei diesem Enzym handelt es sich um das sogenannte Alpha-Glucan-Phosphorylase-Enzym, das insbesondere in der Leber vorkommt.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Morbus Hers?

Morbus Hers kann nur durch fachärztliche Untersuchungen und Laboranalysen mit Sicherheit diagnostiziert werden.
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Bei der Erkrankung Morbus Hers handelt es sich um eine Stoffwechselkrankheit, bei der die Speicherung von Glykogen beeinträchtigt ist. Die Krankheit wird autosomal-rezessiv beziehungsweise X-chromosomal vererbt. In der deutschen Bezeichnung wird sie oft als Hers-Krankheit mit Vorliegen des sogenannten Glykogenose Typ VI benannt.

Ein krankhafter Mangel an Phosphorylase in der Leber führt dazu, dass kein ausreichender Abbau des Stoffs Glykogen erfolgen kann. In der Folge verbleibt das Glykogen in der Leber und kann dem Körper nicht als Energiestoff zur Verfügung stehen. Außer der Leber sind bei Morbus Hers in den allermeisten Fällen keine anderen Organe von dem Mangel an Phosphorylase betroffen.

Ursachen

Für Morbus Hers existieren verschiedene potenzielle Ursachen. Generell handelt es sich um Enzymdefekte im Phosphorylase-Kinase-System in der Leber sowie in der Muskulatur, die angeboren sind. Als Ursachen sind ein X-chromosomaler Defekt der sogenannten Phosphorylase-b-Kinase der Leber, darüber hinaus ein Defekt in der Leberphosphorylase sowie die Kombination des Ausfalls der Phosphorylase-b-Kinase in der Muskulatur und der Leber bekannt.

In Bezug auf die Leberphosphorylase wurde ein Zusammenhang zur Mutationen eines bestimmten Gens, dem PYGL-Gen, festgestellt. Im Hinblick auf den kombinierten Defekt von Muskel- und Leber-Phosphorylase ist das PHKB-Gen identifiziert worden.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome von Morbus Hers zeigen sich in den meisten Fällen bereits im Kindesalter und in der Phase der Pubertät. Die Erkrankung ist dabei üblicherweise durch einen relativ milden Verlauf charakterisiert. Die typischen Leitsymptome der Erkrankung Morbus Hers bestehen in der krankhaften Vergrößerung der Leber (medizinische Bezeichnung Hepatomegalie) sowie darüber hinaus in einer Wachstumsretardierung.

Zudem können leichte bis mäßige Hypoglykämien auftreten, die sich jedoch mit steigendem Alter zurückbilden. Auch die Hepatomegalie lässt in vielen Fällen mit zunehmendem Alter der betroffenen Person nach und kann sich auch wieder vollkommen zurückbilden. Bei einigen de-Novo-Mutationen sind Enzymrestaktivitäten nachgewiesen worden, die sowohl von einer milden Ketose als auch von leicht erhöhten Werten von Cholesterol, Triglyzeriden und Transaminasen begleitet werden.

In Bezug auf den X-chromosomalen Defekt in der Phosphorylase-Kinase der Leber sind seltener auch Zusammenhänge zu physischen Erkrankungen wie etwa Osteoporose, Leberzirrhose, neurologischen Erkrankungen, Stammadipositas oder erhöhten Laktat-Werten berichtet worden.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Morbus Hers kann nur durch fachärztliche Untersuchungen und Laboranalysen mit Sicherheit diagnostiziert werden. Es bestehen diverse Möglichkeiten zur Stellung einer sicheren Diagnose von Morbus Hers, deren Einsatz im Hinblick auf den individuellen Fall abgewogen werden. Vielfach dient dabei eine verminderte Enzymaktivität der Leber (medizinische Bezeichnung Phosphorylase) als Nachweis.

Ebenso können herabgesetzte Enzymakivitäten sowohl in den Leukozyten als auch in den Erythrozyten als möglichen Nachweis für Morbus Hers dienen. Darüber hinaus weisen auch erniedrigte Werte an Glykose und Laktat in Verbindung mit erhöhten Werten an Transaminasen auf das Vorliegen von Morbus Hers hin. Generell kann der Enzymdefekt sowohl in der Leber als auch in den Lymphozyten nachgewiesen werden.

Darüber hinaus stellt ein molekulargenetischer Nachweis einer Mutation spezieller Gene in Kombination mit klinischen Befunden eine weitere Diagnosemöglichkeit von Morbus Hers dar. Als apparative Möglichkeit zur Diagnose von Morbus Hers kann zudem eine Leberbiopsie in Betracht gezogen werden.

Komplikationen

Aufgrund des Morbus Hers leiden vor allem schon Kinder an verschiedenen Symptomen und Beschwerden. In den meisten Fällen treten dabei Störungen des Wachstums und der kindlichen Entwicklung auf. Nicht selten sind die Betroffenen daher in ihrem Alltag eingeschränkt und auch auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen. Die Lebensqualität des Patienten wird durch den Morbus Hers deutlich verringert.

Weiterhin kann es auch zu einer geistigen Retardierung kommen, die zu Lernschwierigkeiten führen kann. Kinder können dadurch Opfer von Hänseleien oder von Mobbing werden und daraus psychische Beschwerden oder Depressionen entwickeln. Ebenso wirkt sich die Krankheit sehr negativ auf die Leber aus. Eine kausale Behandlung des Morbus Hers ist nicht möglich.

Die Betroffenen sind daher auf verschiedene Therapien angewiesen, die die Beschwerden einschränken sollen. Nicht selten bilden sich die Störungen allerdings im höheren Alter wieder von alleine zurück. In der Regel wird die Behandlung mit Hilfe von Stammzellen durchgeführt. Auch Immunsuppressiva können den Morbus Hers einschränken. Ob es dabei zu einer Verringerung der Lebenserwartung kommt, kann im Allgemeinen nicht vorausgesagt werden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Die ersten Symptome von Morbus Hers treten im Kindesalter bis zur Pubertät auf. Besonders auffällig sind Wachstumsstörungen oder Schwellungen am Körper. Kann im direkten Vergleich zu gleichaltrigen Kindern eine deutlich verminderte Körpergröße innerhalb des Wachstumsprozesses wahrgenommen werden, sollten die Hinweise mit einem Arzt besprochen werden. Bei einer Schwellung im Oberkörper auf der Höhe der Leber ist ebenfalls ein Arzt aufzusuchen. Es muss untersucht und abgeklärt werden, ob eine Vergrößerung des Organs vorliegt. Stellen sich allgemeine Funktionsstörungen ein, kommt es zu Auffälligkeiten oder Veränderungen des Hautbildes oder ist der Antrieb vermindert, wird ein Arzt benötigt.

Bei einer Hautblässe oder einer gelblichen Verfärbung der Haut sollte ein Arztbesuch stattfinden. Eine innere Unruhe, erhöhte Reizbarkeit sowie Störungen der Konzentration weisen auf gesundheitliche Beeinträchtigungen hin, die untersucht und therapiert werden müssen. Attacken mit Heißhunger und eine starke Müdigkeit oder Abgeschlagenheit sind weitere Anzeichen einer vorliegenden Unregelmäßigkeit. Halten die Beschwerden über mehrere Tage oder Wochen an, muss ein Arzt konsultiert werden. Treten Verhaltensauffälligkeiten auf, kommt es zu emotionalen sowie seelischen Problemen oder wird ein starkes Rückzugsverhalten beobachtet, besteht Anlass zur Besorgnis. Ein Arztbesuch ist notwendig, damit eine Klärung der Ursache erfolgen kann. Eine Abnahme der gewohnten Leistungsfähigkeit ist ebenfalls einem Arzt vozustellen.

Behandlung & Therapie

Die Therapie von Morbus Hers mit Glykogenose Typ VI kann bei der überwiegenden Mehrheit der betroffenen Patienten rein symptomatisch erfolgen, wobei Symptome vermieden werden sollen. In diesem Zusammenhang besteht das wichtigste Ziel der Behandlung lediglich in einer Prävention von hypoglykämischen Phasen. Um diese präventive Therapie durchführen zu können, muss insgesamt eine gute Prognose von Morbus Hers für den individuellen Fall vorliegen.

Andererseits müssen in komplizierteren Fällen ein Ausgleich vorliegender Stoffwechselstörungen erfolgen und Dysfunktionen von Organen kompensiert werden. Darüber hinaus ist auch eine begleitende Ernährungstherapie in Betracht zu ziehen. Dabei sollte die Ernährung durch kohlenhydratreiche und kleine Mahlzeiten gekennzeichnet sein. Als medikamentöse Therapie kommt der Einsatz von Immunsuppressiva in Frage.

Morbus Hers kann auch operativ mittels Transplantation von Stammzellen behandelt werden. Jedoch ist in zahlreichen Fällen keinerlei Therapie von Morbus Hers erforderlich. Die Erkrankung muss jedoch in Form regelmäßiger Untersuchungen ärztlich überwacht werden.

Bei einer potenziellen Verschlechterung einzelner Symptome oder des Gesamtzustands des betroffenen Patienten umgehend entsprechende Maßnahmen zur Therapie einleiten zu können. Generell kann die Prognose für die Erkrankung Morbus Hers als überwiegend gut eingestuft werden.

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Aussicht & Prognose

Morbus Hers bietet in der Regel eine gute Prognose. Die Erkrankung bildet sich oft während der Pubertät oder im frühen Erwachsenenalter zurück. Bis dahin bietet die Erkrankung einen vergleichsweise milden Verlauf, der keine größeren Beschwerden hervorruft. Typischerweise treten Hypotonien, Hypoglykämien und Wachstumsprobleme auf. Durch die Behebung der Mangelerscheinungen können ernste Beschwerden vermieden werden.

Voraussetzung ist meist eine dauerhafte Einhaltung der strengen Diät. In Verbindung mit einem ungesunden Lebensstil oder einer Schwangerschaft kann sich Morbus Hers zu einer chronischen Erkrankung entwickeln, die schwere Komplikationen zur Folge haben kann. Eine Umstellung der Lebensgewohnheiten bzw. eine umfassende Behandlung der Schwangerschaft verbessert die Prognose und ermöglicht den Erkrankten ein relativ normales Leben ohne merkliche Einschränkungen.

Morbus Hers hat oftmals seelische Beschwerden zur Folge, die behandelt werden müssen. Typisch sind depressive Verstimmungen, die sich auch aufgrund des hormonellen Ungleichgewichts entwickeln. Problematisch sind vor allem die körperlichen Einschränkungen, welche auch eine eingeschränkte Lebensqualität bedingen. Komplikationen werden durch eine gezielte Diät und regelmäßige Kontrolluntersuchungen durch den Arzt vermieden. Die Prognose stellt der Facharzt unter Einbeziehung des Symptombilds und der gewählten Therapie.

Vorbeugung

Da es sich bei Morbus Hers um eine vererbte Erkrankung handelt, die beispielsweise durch Genmutationen oder bestimmte chromosomale Defekte entsteht, existieren bislang keine präventiven Maßnahmen für die Krankheit. Da Morbus Hers in erster Linie im Kindes- und Jugendalter auftritt, ist es essenziell, bei ersten Symptomen umgehend ärztliche Untersuchungen einzuleiten.

Die behandelnden Ärzte können dann dem individuellen Krankheitsbild entsprechende Maßnahmen der Prävention und Therapie anordnen. Dadurch kann auf die Prognose für Morbus Hers ein überaus positiver Einfluss genommen werden.

Nachsorge

Eine Nachsorge im eigentlichen Sinne ist bei der genetisch bedingten Stoffwechselkrankheit Morbus Hers nicht vorhanden. Die Krankheit ist nicht ursächlich heilbar. Grundlage einer guten Gesundheit trotz des Leidens ist eine angepasste Ernährung sowie Kontrolluntersuchungen. Entsprechend ergeben sich Nachsorgeuntersuchungen lediglich aus Untersuchungen zur Kontrolle des Therapieerfolges.

Dies ist bei allen milderen Verläufen der Glykogenose Typ VI ausreichend. Zu medizinischen Komplikationen, die weitere Behandlungen und Nachsorgemaßnahmen nach sich ziehen, kommt es in der Regel nicht. Entsprechend entfällt die medizinischen Nachsorge im engeren Sinne. Anders sieht dies aus, wenn die Organfunktionen in schwereren Fällen eingeschränkt werden.

Gerade die Leber kann unter der Stoffwechselkrankheit leiden und es kommt mitunter zu krankhaften Veränderungen des Gewebes und zu Zirrhosen. Entsprechend sind teilweise operative Maßnahmen bis hin zur Transplantation notwendig. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit einer medizinischen Nachsorge, die den Patienten stabilisieren und die Annahme von Spendermaterial durch den Körper des Betroffenen garantieren soll. Nachsorgeuntersuchungen sind vorgesehen.

Insgesamt sind alle Betroffenen gut darin beraten, ihren Stoffwechsel in regelmäßigen Abständen kontrollieren zu lassen. Veränderte Lebensumstände und körperliche Veränderungen machen mitunter eine Anpassung der Therapie notwendig, deren Erfolg ebenfalls durch Nachsorgeuntersuchungen kontrolliert werden sollte.

Das können Sie selbst tun

Patienten, die an Morbus Hers leiden, müssen in erster Linie die täglichen Gewohnheiten und inbesondere die Ernährung anpassen. Die Diät muss langfristig Energie liefern und den Blutzuckerspiegel stabilisieren, um die hypoglykämischen Phasen zu unterbinden.

Längere Fastenperioden gilt es zu vermeiden. Patienten sollten häufige kleinere Mahlzeiten einnehmen und dabei auf eine ausgewogene Ernährung achten. Schlechte Kohlenhydrate und Einfachzucker dürfen nur in begrenzten Mengen verzehrt werden. Stattdessen bieten sich ungekochte Maisstärke und andere langsam verdauliche Lebensmittel an, um den Blutzuckerspiegel zu stabilisieren.

Eine strukturierte Therapie verbessert das Wohlbefinden und die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Patienten sollten mit dem zuständigen Arzt und einem Ernährungsberater eine geeignete Diät erstellen, die auf die individuellen Symptome abgestimmt ist.

Begleitend dazu bieten sich sportliche Maßnahmen an. Während einer hypoglykämischen Phase hilft ein kurzer Spaziergang. Bei starken Beschwerden ist jedoch der Arzt zu informieren, da unter Umständen schwere Komplikationen auftreten können. In Verbindung mit der medikamentösen Behandlung kann Morbus Hers durch die genannten Selbsthilfemaßnahmen gut behandelt werden. In schweren Fällen ist eine stationäre Behandlung in einer Fachklinik vonnöten.

Quellen

  • Greten, H., Rinninger, F., Greten, T. (Hrsg.): Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2010
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Piper, W.: Innere Medizin. Springer, Berlin 2013

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