Immunsuppressiva

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 19. Juni 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Bei Autoimmunerkrankungen und Überreaktionen des Immunsystems werden meist vom Arzt Immunsuppressiva verschrieben. Aber auch bei allergischem Asthma und bei Abstoßung nach einer Organtransplantation werden diese Arzneimittel zur Therapie verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Was sind Immunsuppressiva?

Als Immunsuppressiva werden Medikamente bezeichnet, die die Reaktionen des Immunsystems abschwächen oder gänzlich unterdrücken.

Das Immunsystem des menschlichen Körpers ist ständig in Alarmbereitschaft und bekämpft Eindringlinge wie Bakterien, Viren oder andere fremde Stoffe. Damit wehrt der Körper Krankheiten ab und schützt den Organismus vor Schaden.

Als Immunsuppressiva werden Medikamente bezeichnet, die die Reaktionen des Immunsystems abschwächen oder gänzlich unterdrücken. Die Immunsuppression wird als unphysiologische Unterdrückung einer Immunreaktion durch einen Eingriff von außen definiert. Die Gabe solcher Arzneimittel wird von Medizinern nach bestimmten Eingriffen und bei besonderen Krankheiten verordnet.

Geschichte & Entwicklung

Die Entdeckung und Entwicklung von Immunsuppressiva begann in der Mitte des 20. Jahrhunderts und revolutionierte die Transplantationsmedizin und die Behandlung von Autoimmunerkrankungen. Die ersten bedeutenden Fortschritte wurden in den 1950er Jahren erzielt, als Cortison und andere Steroide als entzündungshemmende Mittel entdeckt wurden. Diese frühen Immunsuppressiva waren jedoch mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden.

Ein bedeutender Durchbruch kam 1960 mit der Entdeckung von Azathioprin durch George Hitchings und Gertrude Elion. Azathioprin war das erste Medikament, das spezifisch zur Unterdrückung des Immunsystems bei Transplantationspatienten eingesetzt wurde, um Abstoßungsreaktionen zu verhindern. Die Verwendung von Azathioprin in Kombination mit Steroiden verbesserte die Überlebensraten nach Transplantationen erheblich.

Die nächste große Entwicklung erfolgte in den 1980er Jahren mit der Einführung von Cyclosporin, einem Wirkstoff, der aus einem Bodenpilz isoliert wurde. Cyclosporin zeigte eine selektive Immunsuppression, die die Abstoßung von Organtransplantaten effektiv verhindern konnte, ohne das gesamte Immunsystem stark zu unterdrücken. Dies führte zu einem dramatischen Anstieg der Transplantationserfolge und setzte neue Maßstäbe in der Transplantationsmedizin.

In den folgenden Jahrzehnten wurden weitere Immunsuppressiva entwickelt, darunter Tacrolimus und Mycophenolatmofetil, die ebenfalls zur Reduzierung von Transplantatabstoßungen und zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen verwendet werden. Diese Medikamente bieten eine größere Wirksamkeit und bessere Verträglichkeit, was die Lebensqualität der Patienten deutlich verbessert hat.

Die kontinuierliche Forschung in diesem Bereich zielt darauf ab, noch spezifischere und weniger toxische Immunsuppressiva zu entwickeln, um die Langzeitergebnisse für Transplantationspatienten und Menschen mit Autoimmunerkrankungen weiter zu verbessern.

Anwendung, Wirkung & Gebrauch

Vor allem wird der Arzt dem Patienten nach einer Organtransplantation ein Immunsuppressivum verabreichen. Das Immunsystem sieht ein eingepflanztes Organ als einen gefährlichen Fremdkörper an, den es zu entfernen gilt. Was im Normalfall eine Krankheit verhüten soll und kann, führt nach einer Organverpflanzung zum Abstoßen des neuen Organs. Deshalb werden Immunsuppressiva eingesetzt, die solche Abstoßungsreaktionen verhindern sollen. Ein Transplantationspatient muss sein Leben lang diese Medikamente einnehmen, um die unerwünschten Reaktionen des Immunsystems zu verhindern.

Auch bei den sogenannten Autoimmunerkrankungen werden Immunsuppressiva eingesetzt. Diese Krankheiten entstehen durch heftige Aktivitäten des Immunsystems, die sich aber gegen die eigenen Zellen und Organe richten. Die genauen Gründe für solche Erkrankungen sind bisher noch nicht genau bekannt. Vermutlich aber werden sie durch genetische Dispositionen in Kombination mit äußeren Einflüssen ausgelöst.

Beispiele für ein krankmachendes Immunsystem sind entzündliche Darmerkrankungen, die Schuppenflechte, rheumatische Erkrankungen oder Multiple Sklerose. Bei all diesen Krankheiten kommen oft Immunsuppressiva zum Einsatz. Sie dämpfen oder verhindern die überschießenden Reaktionen des Immunsystems und können so dazu beitragen, die Symptome der Krankheiten abzuschwächen und zu lindern.

Pflanzliche, natürliche & pharmazeutische Immunsuppressiva

Bei den Immunsuppressiva gibt es verschiedenen Gruppen, die sich in ihrer Wirkung unterscheiden. Die Calcineurinhemmer verhindern, dass Signale von speziellen Zellen der Immunabwehr weitergeleitet werden.

Ohne diese Signale wird das Immunsystem erst gar nicht zum Handeln angeregt. Somit werden die sogenannten T-Zellen nicht aktiviert und greifen zum Beispiel neu eingepflanzte Organe gar nicht erst an. Die Zellteilungshemmer dagegen bewirken, dass das Wachstum der Immunzellen gehemmt und beschnitten wird.

Auch werden Botenstoffe unterdrückt, die das System verstärkt zur Bildung neuer Immunzellen anregen. Die Angriffspunkte der Arzneimittel sind also durchaus unterschiedlich. Es ist aber beiden Arten von Medikamenten eigen, dass sie sehr genau, nach einem detaillierten Plan und nach ärztlicher Anweisung eingenommen werden müssen.

Kortison wird meistens nach einer Transplantation verabreicht. Es hat nur allgemeine und keine speziellen Wirkungen auf das Immunsystem. Das Kortison hemmt die Entwicklung von Fresszellen, die im Normalfall Bakterien und Fremdkörper vernichten. Auch wenn es akute Abstoßungen eines neuen Organs gibt, wird verstärkt Kortison eingesetzt, um die Abstoßung zu verhindern.


Risiken & Nebenwirkungen

Wie alle Medikamente haben auch die Immunsuppressiva nicht nur die beabsichtigte Wirkung, sondern es gibt auch zahlreiche unerwünschte Nebenwirkungen. Allgemein ist der Körper durch die Einnahme der Arzneimittel sehr viel anfälliger für Infektionen. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Wenn das Immunsystem dazu gebracht wird, fremde Organe und und Substanzen zu ignorieren oder nur mit halber Kraft zu arbeiten, dann übersieht es auch Bakterien und Viren. Wenn das gesamte System gedämpft wird, können sich Krankheitserreger ungehindert ausbreiten.

Das Risiko zur Entwicklung von Tumoren ist erhöht. Im Körper verändern sich ständig Zellen, die vom Immunsystem aufgespürt und vernichtet werden. Die Immunsuppressiva hemmen diese gesunde Reaktion der Körperpolizei. Auch kann der gesamte Stoffwechsel und der Kreislauf beeinflusst werden. Es können sich Bluthochdruck, Diabetes und hohe Cholesterinwerte ausbilden.

Der gesamte Verdauungstrakt kann durch die Immunsuppressiva in Mitleidenschaft gezogen werden. Es kann zu Durchfall, Erbrechen und Übelkeit kommen. Doch bei allen Problemen muss sich der Patient genau an die Anweisungen des Arztes halten. Bei auftretenden Nebenwirkungen ist die Rücksprache mit dem Arzt unbedingt notwendig. Auf keinen Fall darf das Medikament einfach abgesetzt werden. Es ist in den meisten Fällen möglich, ein anderes Medikament zu wählen oder mit weiteren Arzneimitteln die Nebenwirkungen abzufangen oder zu mildern.

Anwendung & Sicherheit

Die genaue Anwendung von Immunsuppressiva erfordert eine sorgfältige ärztliche Überwachung, um die Balance zwischen ausreichender Unterdrückung des Immunsystems zur Verhinderung von Transplantatabstoßung oder Kontrolle von Autoimmunerkrankungen und dem Minimieren von Nebenwirkungen zu gewährleisten. Immunsuppressiva wie Cyclosporin, Tacrolimus, Azathioprin und Mycophenolatmofetil werden häufig in spezifischen Dosierungen verschrieben, die je nach Patient und Krankheitsverlauf angepasst werden müssen.

Patienten müssen diese Medikamente regelmäßig einnehmen, oft lebenslang nach einer Transplantation, und dürfen keine Dosen auslassen, um die Wirksamkeit zu gewährleisten. Die genaue Dosierung und das Behandlungsschema werden auf Basis von Blutspiegeln und klinischen Parametern bestimmt. Regelmäßige Blutuntersuchungen sind notwendig, um die Medikamentenspiegel zu überwachen und potenzielle Nebenwirkungen frühzeitig zu erkennen.

Die Sicherheit der Anwendung von Immunsuppressiva ist von großer Bedeutung, da sie das Risiko für Infektionen und Krebs aufgrund der geschwächten Immunabwehr erhöhen können. Nebenwirkungen wie Nierenschäden, Bluthochdruck, Diabetes und erhöhte Infektionsanfälligkeit sind häufig und erfordern eine ständige ärztliche Überwachung und gegebenenfalls Anpassung der Therapie.

Die Qualitätskontrolle bei der Herstellung von Immunsuppressiva ist streng reguliert, um die Reinheit, Wirksamkeit und Sicherheit der Medikamente zu gewährleisten. Herstellungsprozesse unterliegen den Good Manufacturing Practices (GMP), und jede Charge durchläuft umfassende Tests, einschließlich Prüfungen auf Identität, Reinheit, Gehalt und Freisetzung. Diese strengen Kontrollen helfen sicherzustellen, dass die Medikamente den höchsten Qualitätsstandards entsprechen und für die Patienten sicher sind.

Alternativen

Zu den Alternativen zu klassischen Immunsuppressiva gehören biologische Therapien, spezifische Immunmodulatoren und andere pharmakologische Ansätze, die das Immunsystem auf unterschiedliche Weise beeinflussen. Diese Alternativen können in bestimmten klinischen Situationen eingesetzt werden, insbesondere wenn traditionelle Immunsuppressiva nicht wirksam sind oder erhebliche Nebenwirkungen verursachen.

Biologische Therapien:

Biologische Therapien, wie Monoklonale Antikörper (z.B. Rituximab, Infliximab), greifen spezifische Komponenten des Immunsystems an. Rituximab zielt beispielsweise auf CD20-positive B-Zellen ab und wird zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis und bestimmten Krebsarten eingesetzt. Diese Therapien sind oft sehr gezielt und können weniger Nebenwirkungen haben als herkömmliche Immunsuppressiva, allerdings sind sie häufig teurer und erfordern eine spezielle Überwachung.

Januskinase (JAK)-Inhibitoren:

JAK-Inhibitoren wie Tofacitinib blockieren Signalwege, die bei der Entzündungsreaktion eine Rolle spielen. Sie werden zur Behandlung von Erkrankungen wie rheumatoider Arthritis und Colitis ulcerosa verwendet. Diese Medikamente bieten eine orale Alternative zu biologischen Therapien und können bei Patienten wirksam sein, die auf andere Behandlungen nicht ansprechen.

Calcineurin-Inhibitoren:

Während Calcineurin-Inhibitoren wie Cyclosporin und Tacrolimus zu den klassischen Immunsuppressiva zählen, stellen sie eine spezifische Untergruppe dar, die in der Transplantationsmedizin und bei bestimmten Autoimmunerkrankungen verwendet wird. Sie wirken durch Hemmung der T-Zell-Aktivierung und bieten eine gezielte Immunsuppression.

Plasmapherese:

Plasmapherese ist ein physikalisches Verfahren, bei dem schädliche Antikörper aus dem Blut entfernt werden. Es wird bei schweren Autoimmunerkrankungen und Transplantatabstoßungen eingesetzt und kann in Kombination mit pharmakologischen Therapien verwendet werden.

Autologe Stammzelltransplantation:

Bei schweren und therapieresistenten Autoimmunerkrankungen kann eine autologe Stammzelltransplantation in Erwägung gezogen werden. Dieses Verfahren beinhaltet die Zerstörung des bestehenden Immunsystems und dessen Wiederaufbau durch Stammzellen des Patienten.

Im Vergleich zu herkömmlichen Immunsuppressiva bieten diese alternativen Therapien gezieltere Behandlungsansätze, die potenziell weniger Nebenwirkungen und eine bessere Wirksamkeit bei bestimmten Patientengruppen haben. Allerdings können sie auch komplexer und teurer sein, was eine sorgfältige Abwägung der individuellen Patientenbedürfnisse und -bedingungen erfordert.

Forschung & Zukunft

Aktuelle Trends in der Forschung zu Immunsuppressiva konzentrieren sich auf die Entwicklung gezielterer und weniger toxischer Behandlungsansätze, die das Risiko von Infektionen und anderen Nebenwirkungen reduzieren. Ein bedeutender Trend ist die Erforschung von selektiven Immunmodulatoren, die spezifische Signalwege oder Zelltypen im Immunsystem anvisieren, um die Immunantwort präziser zu steuern.

Biologische Therapien bleiben ein zentraler Fokus, insbesondere die Entwicklung neuer monoklonaler Antikörper und Fusionsproteine. Diese biologischen Agenzien zielen auf spezifische Moleküle wie Zytokine oder Zelloberflächenmarker ab, um die Immunantwort bei Transplantationspatienten und Patienten mit Autoimmunerkrankungen zu regulieren. Beispielsweise werden neue Antikörper gegen IL-17 und IL-23 erforscht, die bei Erkrankungen wie Psoriasis und entzündlichen Darmerkrankungen vielversprechend sind.

CAR-T-Zell-Therapien (Chimeric Antigen Receptor T-Cell) sind eine weitere innovative Richtung. Ursprünglich für die Krebsbehandlung entwickelt, wird untersucht, wie diese Technologie zur Modulation des Immunsystems bei Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden kann. Diese Ansätze bieten das Potenzial für hochpersonalisierte Behandlungen.

Die Forschung zu JAK-Inhibitoren wird ebenfalls intensiv vorangetrieben, mit neuen Inhibitoren, die spezifischere und sicherere Profile bieten. Diese oralen Medikamente hemmen die Januskinasen, die wichtige Rollen in der Signalübertragung von Zytokinen spielen, und haben sich als wirksam bei der Behandlung von rheumatoider Arthritis und anderen Autoimmunerkrankungen erwiesen.

Ein weiterer vielversprechender Ansatz ist die Gentherapie, die darauf abzielt, genetische Defekte zu korrigieren, die zu Autoimmunerkrankungen führen. Forschungen konzentrieren sich darauf, wie Gene gezielt modifiziert oder reguliert werden können, um das Immunsystem zu normalisieren.

Insgesamt strebt die Forschung danach, Immunsuppressiva zu entwickeln, die spezifischer, effektiver und sicherer sind, um die Lebensqualität der Patienten zu verbessern und die Risiken langfristiger Immunsuppression zu minimieren.

Quellen

  • "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
  • "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
  • "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor

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