Intrauterine Wachstumsretardierung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 28. Februar 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

Sie sind hier: Startseite Krankheiten Intrauterine Wachstumsretardierung

Als intrauterine Wachstumsretardierung wird eine vorgeburtliche Störung der Entwicklung bezeichnet. Synonyme für die intrauterine Wachstumsretardierung sind pränatale Dystrophie und fetale Hypertrophie.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine intrauterine Wachstumsretardierung?

Die intrauterine Wachstumsretardierung wird in der Regel im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge im zweiten oder dritten Trimester bei der Ultraschalluntersuchung erkannt. Ultraschallgestützt wird eine sogenannte Fetometrie durchgeführt.
© serhiibobyk – stock.adobe.com

Bei der intrauterinen Wachstumsretardierung kommt es zu einer pathologischen Verzögerung des Wachstums eines ungeborenen Kindes in der Gebärmutter (Uterus). Die betroffenen Kinder werden als SGA-Kinder bezeichnet. SGA steht für "small for gestational age". Eine intrauterine Wachstumsretardierung, kurz auch IUGR genannt, liegt dann vor, wenn Gewicht und Größe des Ungeborenen unter der 10. Perzentile liegen.

Die Ursachen für eine IUGR können genetische bedingt sein oder durch Umweltfaktoren beeinflusst werden. Die Ursache kann sowohl aufseiten des Kindes liegen als auch von der Mutter ausgehen. Die intrauterine Wachstumsretardierung wird meist im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge im ersten oder zweiten Trimenon entdeckt. Rund ein Viertel aller Totgeburten gehen auf eine intrauterine Wachstumsretardierung zurück. Die Wachstumsretardierung kann zu Stoffwechselveränderungen bei den Feten führen, sodass die betroffenen Kinder ein höheres Letalitätsrisiko haben.

Ursachen

Eine fetale Ursache für eine IUGR ist eine Chromosomenaberration. Eine Chromosomenaberration ist eine Chromosomenanomalie, die ein Genom betrifft. Die bekannteste Aberration ist die Trisomie 21, die auch als Down-Syndrom bekannt ist. Auch Fehlbildungen wie Agenesien oder Aplasien können eine Wachstumsverzögerung zur Folge haben. Wenn Viren von der Mutter auf das Kind übertragen werden, können diese die Entwicklung und das Wachstum des Fetus beeinträchtigen.

Die Übertragung erfolgt über die Plazenta. Infektionen der Mutter mit Röteln, Toxoplasmen oder mit Herpes genitalis bergen ein besonders großes Erkrankungsrisiko für das Kind. Die intrauterine Wachstumsretardierung kann ihren Ursprung aber auch in der Plazenta haben. Eine häufige Ursache für ein verzögertes Wachstum ist eine Mehrlingsschwangerschaft.

Platzbedingt kann es zu Wachstumsdefiziten bei einem oder mehreren Kindern kommen. Auch eine Plazentainsuffizienz beeinträchtigt das Wachstum des Kindes. Eine akute Plazentainsuffizienz entsteht durch akute Durchblutungsstörungen. Die chronische Plazentainsuffizienz wird durch chronische Erkrankungen der werdenden Mutter ausgelöst.

Kommt es während der Schwangerschaft zu Bluthochdruck und Proteinurie, so liegt meistens eine Präeklampsie vor. Eine fetale Komplikation der Präeklampsie ist die intrauterine Wachstumsretardierung. Maternale Ursachen der Wachstumsretardierung sind Autoimmunerkrankungen und Nierenerkrankungen. Auch ein Schwangerschaftsdiabetes der Mutter kann sich negativ auf das Wachstum des Ungeborenen auswirken.

Der Fetus wächst zudem verzögert, wenn er zu wenig Sauerstoff erhält. Eine solche Hypoxie kann durch eine Anämie, durch kardiovaskuläre Erkrankungen oder durch Lungenerkrankungen hervorgerufen werden. Auch Bluthochdruck, Alkoholmissbrauch und Rauchen in der Schwangerschaft schädigen das Ungeborene und führen zu einem verzögerten Wachstum. Aufgrund der Gefahr einer intrauterinen Wachstumsretardierung sind einige Medikamente in der Schwangerschaft kontraindiziert.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Bei der IUGR kann zwischen zwei Formen unterschieden werden. Die asymmetrische Form tritt in 70 Prozent der Fälle auf. Hier ist zunächst nur das Körpergewicht von der Entwicklungsstörung betroffen. Die Körpergröße ist zwar normal, der Bauchumfang ist jedoch reduziert. Die Kinder haben zu wenig subkutanes Fettgewebe und entwickeln dadurch einen sehr kleinen und dünnen Körper, der von seiner Proportion nicht zum Kopf passt.

Bei der symmetrischen Form der intrauterinen Wachstumsretardierung sind Körpergewicht und Körperlänge des Ungeborenen vermindert. Der Kopfumfang steht zwar im richtigen Verhältnis zum restlichen Körper, das Körperwachstum entspricht aber insgesamt nicht den Normwerten. Durch die intrauterine Wachstumsretardierung kann es zu drastischen Veränderungen im Stoffwechsel des Kindes kommen.

Diese Stoffwechselstörungen können sich nach der Geburt ausweiten und verschlimmern und das Risiko für bestimmte chronische Erkrankungen im späteren Leben erhöhen. Zu diesen Erkrankungen gehört beispielsweise die koronare Herzkrankheit (KHK). Dieses Phänomen wird auch als fetal programming bezeichnet.

Suboptimale Bedingungen während der Schwangerschaft führen zu einer irreversiblen Krankheitsanfälligkeit des ungeborenen Kindes. Aus der intrauterinen Wachstumsretardierung resultieren strukturelle Veränderungen in Organen, eine geänderte Zellanzahl, eine veränderte Blutzufuhr und eine veränderte Anzahl von Zellrezeptoren. Die Kinder können diese Veränderungen zunächst gut kompensieren, im Laufe des Lebens entwickeln sie jedoch häufiger Krankheiten als Kinder, die nicht von einer IUGR betroffen waren.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die intrauterine Wachstumsretardierung wird in der Regel im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge im zweiten oder dritten Trimester bei der Ultraschalluntersuchung erkannt. Ultraschallgestützt wird eine sogenannte Fetometrie durchgeführt. Dabei wird das Ungeborene im Mutterleib vermessen. Zu den Routineparametern gehören der Kopfumfang, der biparietale Durchmesser, der Umfang des fetalen Abdomens und die Länge des Oberschenkelknochens.

Bei Auffälligkeiten werden weitere Untersuchungen durchgeführt. Zu diesen Untersuchungen gehören die Dopplersonografie und die fetale Blutgasanalyse. Bei der fetalen Blutgasanalyse wird der Sauerstoffgehalt in den Blutgefäßen des Kindes überprüft. Mithilfe der Kardiototografie wird die fetale Herztätigkeit aufgezeichnet und überwacht. Eventuell wird eine Amniozentese durchgeführt. Hier wird durch eine Punktion der Fruchtblase Fruchtwasser aus der embryonalen Blastozyste entnommen.

Durch spezielle Untersuchungen des Fruchtwassers können genetische Erkrankungen des Embryos abgeklärt werden. Bei Verdacht auf eine Infektion der Mutter wird eine TORCH-Serologie durchgeführt. Der TORCH-Komplex bezeichnet verschiedene Infektionskrankheiten, die während der Schwangerschaft auf das Ungeborene übergehen können. Im Labor wird das Blut der Mutter auf Toxoplasmen, Coxsackie-Viren, Syphilis, HIV, Parvovirus B19, Listeriose, Röteln, Cytomegalie und Herpes-simplex-Viren untersucht.

Komplikationen

Bei dieser Krankheit kommt es schon im Mutterleib zu einer Wachstumsretardierung. In der Regel führt diese Krankheit zu extremen Folgeschäden nach der Geburt und damit zu einer erheblichen Verringerung der Lebenserwartung. In erster Linie leiden die Patienten dabei an einem stark verringerten Körpergewicht. Ebenso können verschiedene Längen am Körper deformiert sein und es kommt zu Schäden an den inneren Organen.

Auch Stoffwechselstörungen können durch die Wachstumsretardierung auftreten und damit im Erwachsenenalter zu verschiedenen Komplikationen führen. In den meisten Fällen können die Beschwerden dieser Krankheit nicht vollständig bekämpft werden, sodass es zu einer verringerten Lebenserwartung und zu einer höheren Infektanfälligkeit nach der Geburt des Patienten kommt.

In einigen Fällen ist auch die geistige Entwicklung des Patienten durch diese Krankheit eingeschränkt oder stark verlangsamt. Dabei kann es auch zu Fehlbildungen am Herzen kommen. Nach der Geburt kann die Wachstumsretardierung nicht mehr kausal behandelt werden. Sollten die Beschwerden schon vor der Geburt erkannt werden, sollte die werdende Mutter auf Drogen verzichten und einem gesunden Lebensstil folgen.

Damit können weitere Schäden eingeschränkt werden. Sollte die Wachstumsretardierung durch eine andere Krankheit aufgekommen sein, so muss unter Umständen eine Frühgeburt eingeleitet werden. Dabei kann es zu verschiedenen Komplikationen kommen.


Wann sollte man zum Arzt gehen?

Eine werdende Mutter sollte grundsätzlich an allen angebotenen Vorsorge- und Kontrolluntersuchungen während der Schwangerschaft teilnehmen. Mit diesen Untersuchungen können Verzögerungen der Entwicklung des Embryos bereits mehrere Monate vor dem errechneten Geburtstermin durch den Arzt in bildgebenden Verfahren erkannt und diagnostiziert werden.

Hat die werdende Mutter das diffuse Gefühl, dass etwas mit dem Fötus oder der allgemeinen Entwicklung in der Schwangerschaft nicht stimmen könnte, sollte sie einen Arzt aufsuchen. Wächst der Schwangerschaftsbauch ungewöhnlich wenig oder ist die Gewichtszunahme der Schwangeren sehr gering, sind diese Auffälligkeiten mit einem Arzt zu besprechen. Stellt die werdende Mutter eine Besonderheit des Stoffwechsels fest, ist die Konsultation eines Arztes notwendig. Bei Störungen des Herz-Rhythmus, Veränderungen des Blutdrucks oder Herzrasen sollte ein Arzt aufgesucht werden. Stellen sich Schlafstörungen ein, kommt es zu Ängsten oder Unsicherheiten, empfiehlt sich die Rücksprache mit einem Arzt. Liegen in der Familie genetische Erkrankungen vor, sind diese mit einem Arzt zu besprechen und gezielt abklären zu lassen.

Behandlung & Therapie

Die Therapie erfolgt abhängig von der Ursache. Alkohol- und Nikotinkonsum müssen sofort eingestellt werden. Ein Ziel der Therapie ist die Verbesserung der Plazentadurchblutung. Die Schwangeren müssen nach der Diagnose häufig Bettruhe halten. Eventuell ist eine stationäre Aufnahme erforderlich. In schweren Fällen wird die Geburt auch vor der 37. Schwangerschaftswoche eingeleitet.

Aussicht & Prognose

Die intrauterine Wachstumsretardierung bleibt für die Gesundheit der Mutter zwar folgenlos, hat aber schwere Auswirkungen auf die Gesundheit des ungeborenen Kindes. Zunächst treten im Stoffwechsel des Feten Veränderungen auf, die dafür sorgen, dass sich körperliche Funktionen nicht altersgemäß ausprägen können. Dadurch kann das Kind mit körperlichen und geistigen Entwicklungsstörungen auf die Welt kommen. Bestenfalls ist das Baby bei der Geburt untergewichtig und kann durch entsprechende Ernährung nach der Geburt in seiner Entwicklung gefördert werden, sodass es im späteren Leben nicht mehr unter der intrauterinen Wachstumsretardierung leidet.

Schlimmstenfalls ergibt sich aus den Folgen ein erhöhtes Risiko für bestimmte chronische Erkrankungen, die erst im Laufe des Lebens auftreten. Beispielsweise ist das Risiko betroffener Kinder, später an koronaren Herzleiden zu erkranken, durch eine intrauterine Wachstumsretardierung erhöht.

Ist das Problem durch eine Grunderkrankung des Feten entstanden, hängt die Prognose fürs weitere Leben des Babys stark von dieser Grunderkrankung ab. Dadurch, dass es wahrscheinlich untergewichtig und sehr klein zur Welt kommt, hat es kaum Energiereserven, um mit Belastungen durch seine Grunderkrankung gut zurechtzukommen. Betroffene Babys müssen schon früh nach der Geburt ärztlich betreut und untersucht werden, denn nur so können körperliche und psychische Schäden frühzeitig erkannt und in ihren Folgen für die Gesundheit rechtzeitig eingedämmt werden.

Nachsorge

Die intrauterine Wachstumsretardierung erfordert während und nach der Schwangerschaft eine intensive ärztliche Betreuung. Durch eine unmittelbare Behandlung und die sich daran anschließende Nachsorge lassen sich die körperlichen Schäden des Säuglings eindämmen. Das ist sehr wichtig für den Gesundheitszustand des Kindes. Für die betroffenen Frauen gilt es, nach der Diagnose die ärztlichen Empfehlungen strikt zu befolgen.

Hierbei steht die konsequente Bettruhe im Vordergrund. Die werdenden Mutter benötigen viel Schlaf und Erholung. Diese Schonung wirkt sich positiv auf den Verlauf der Erkrankung aus und betrifft sowohl die Mutter als auch das ungeborene Kind. Der Stresspegel sollte so gut wie möglich gesenkt werden. Gleichzeitig sind körperliche Anstrengungen ein Tabu für die betroffenen Frauen.

Abhängig von der Situation sind lediglich kurze Spaziergänge erlaubt. Die frische Luft und die leichte Bewegung stabilisieren den körperlichen Zustand und verbessern zudem die Stimmung. Das wirkt sich positiv auf die Psyche und den gesamten Zustand aus. Die Ernährung spielt dabei ebenfalls eine Rolle.

Zusammen mit dem Arzt sollte die Patientin eine Anpassung des Speiseplans vornehmen, um dem Körper genügend Nährstoffe zuzuführen. Mit ausgewogenen Mahlzeiten, viel Gemüse und frischem Obst bekommt der Organismus die nötige Kraft. Zu wenig Kalorien können sich hingegen schädlich auf den weiteren Schwangerschaftsverlauf auswirken.

Das können Sie selbst tun

Im Alltag gibt es einige Methoden, die Betroffene zur Selbsthilfe anwenden können. Am wichtigsten zu beachten ist, dass die Bettruhe eingehalten werden sollte. Dies betrifft speziell Fälle, in denen sie vom Arzt verordnet wurde. Im Rahmen der Bettruhe sollte auf die Schlafqualität und -quantität geachtet werden. Ausreichend Schlaf ist auch ohne verordnete Bettruhe unabdingbar für die Schonung der Erkrankten und des Ungeborenen.

Auch der allgemeine Lebensstil spielt eine Rolle. Ist ein etwaiger Stress-Level vorhanden, sollte dieser je nach Möglichkeit auf ein Minimum reduziert werden. Damit kann eine möglichst große Schonung der Erkrankten erzielt werden. Betroffene sollten jegliche Anstrengung möglichst gering halten und starke körperliche Betätigung vermeiden. Dies gilt jedoch nicht für kurze Spaziergänge an der frischen Luft. Diese können sich durchaus positiv auf Psyche und Körper auswirken und damit einer Verbesserung des Zustandes beisteuern.

Weiters ist die Ernährung der Erkrankten zu kontrollieren. Falls diese zu einseitig ist, sollte die Ernährung umgestellt werden. Ein passender Speiseplan enthält möglichst ausgewogene Kost, viel frisches Obst und Gemüse. Auch eine zu geringe Kalorienaufnahme kann schädlich sein. Daher ist auf genügend Nährstoffzufuhr zu achten. Etwaiger Nikotin- oder Alkoholkonsum ist sofort nach der Diagnose einzustellen.

Quellen

  • Feige, A., Rempen, A., Würfel, W., Jawny, J., Rohde, A. (Hrsg.): Frauenheilkunde – Fortpflanzungsmedizin, Geburtsmedizin, Onkologie, Psychosomatik. Urban & Fischer, München 2005
  • Goerke, K., Steller, J., Valet, A.: Klinikleitfaden Gynäkologie. Urban & Fischer, München 2003
  • Rath, W., Gembruch, U., Schmidt, S. (Hrsg.): Geburtshilfe und Perinatologie: Pränataldiagnostik - Erkrankungen - Entbindung. Thieme, Stuttgart 2010

Das könnte Sie auch interessieren