Muschelvergiftung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 15. Juni 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Unter dem Mytilismus versteht die Medizin eine Muschelvergiftung. Symptome können sich neben dem Magen-Darm-Trakt auch im Nervensystem und auf der Haut zeigen. Die Behandlung bei einer Muschelvergiftung erfolgt symptomatisch, da keine Gegengifte existieren.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Muschelvergiftung?

Muschelvergiftungen stellen sich vor allem nach dem Verzehr von Miesmuscheln und Pfahlmuscheln ein. Seltener werden Vergiftungssymptome auch nach dem Konsum von Austern beobachtet.
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Der Mytilismus ist eine Vergiftung, die durch das Verzehr von Muscheln ausgelöst wird. Diese Muschelvergiftung kann in vier verschiedene Formen unterschieden werden:

  • zentralnervösen Form
  • neurotoxische Form
  • diarrhöische Form
  • paralytische Form.

Die Unterformen sind durch verschiedene Leitsymptome gekennzeichnet und können unter Umständen ineinander übergehen. Im Einzelfall kann die jeweilige Form der Vergiftung nur mit diffusen Grenzen zu den drei anderen Formen auftreten.

Manchmal werden statt den genannten vier auch nur drei Formen der Muschelvergiftung unterschieden. Diese Klassifikation bezieht sich vor allem auf das anatomische System beziehen, in dem die Vergiftungserscheinungen auftreten. Von der neurotoxischen Form werden nach diesem Schema die allergische und die gastro-intestinale Form unterschieden. In der Regel gelangen die auslösenden Giftstoffe über das Wasser und die Nahrungskette in die Muscheln. In Austern entstehen während der Laichzeit allerdings körpereigene Giftstoffe. Auch Fäulnisstoffe in Muscheln können Vergiftungen auslösen.

Ursachen

Muschelvergiftungen stellen sich vor allem nach dem Verzehr von Miesmuscheln und Pfahlmuscheln ein. Seltener werden Vergiftungssymptome auch nach dem Konsum von Austern beobachtet. Bei neurotoxischen Vergiftungen werden die Vergiftungserscheinungen von Neurotoxinen verursacht. Dinoflagellaten bilden zum Beispiel Saxitoxin im Plankton. Die Muscheln reichern diesen Stoff bei der Planktionfiltration im Fleisch an. Rot- und Kieselalgen stellen dagegen Dominosäuren her und gehören ebenfalls zur Nahrungskette verschiedener Muscheln.

Die diarrhöische Form wird durch Okadasäuren verursacht. Auch Brevetoxine kommen als Giftstoffe in Muscheln vor und können so ebenfalls die Ursache für eine Muschelvergiftung sein. Manche Muschelvergiftungen werden durch die Fäulnisprodukte verursacht, sie sich in nicht mehr frischen Muscheln bilden. Diese Fäulnisprodukte rufen beim Menschen vor allem Magen-Darm-Beschwerden hervor. Dass sich Toxine wie die genannten auskochen oder abwaschen lassen, ist übrigens ein weit verbreiteter Irrglaube.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Die Symptome einer Muschelvergiftung unterscheiden sich mit dem ursächlichen Giftstoff und dessen Dosierung. Bei der gastro-intestinalen Form lösen die Fäulnisprodukte der Muscheln Magen-Darm-Beschwerden aus, deren Heftigkeit von der Dosis und dem Alter der Muscheln abhängt. Durchfall und Erbrechen sind die Leitsymptome. Schüttelfrost kann sich begleitend dazu einstellen. Allergische Muschelvergiftungen rufen in der Regel harmlose Hautausschläge hervor.

Die paralytische Form durch Neurotoxine zeichnet sich durch Globusgefühle im Hals, Missempfindungen und Lähmungen aus. Auch Bewegungsstörungen und Sprachstörungen kommen vor. Die Körpertemperatur der Patienten steigt zuweilen lebensbedrohlich an und Angstzustände stellen sich ein und Bewusstseinsstörungen treten auf. Bei der zentralnervösen Form liegen Atembeschwerden vor. Die paralytische Form ist die schwerste Form der Muschelvergiftung und kann Atem- oder Herzstillstand auslösen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Der Arzt stellt die Diagnose auf Mytilismus vor allem durch die Anamnese. Das örtliche Vorkommen lässt den Arzt die Wahrscheinlichkeit für die einzelnen Formen der Muschelvergiftung einschätzen. Das klinische Bild ist bei Fisch- und Muschelvergiftungen relativ typisch. Die Differenzialdiagnose zwischen den einzelnen Formen der Vergiftung ist im Einzelfall allerdings oft mit Problemen verbunden.

Der Nachweis von bestimmten Toxinen im Muschelfleisch gilt als diagnosesichernd, kann aber nur selten erbracht werden. Der Verlauf der Vergiftung hängt stark vom jeweiligen Toxin und der Schwere ab. Lebensbedrohliche Verläufe können vor allem bei der paralytischen Form vorkommen. Für die anderen Formen ist die Prognose in der Regel günstiger.

Komplikationen

In Folge einer Muschelvergiftung kann es zu ernsten körperlichen Beschwerden kommen. Üblicherweise treten Begleiterscheinungen wie Durchfall und Erbrechen oder Schüttelfrost auf, die unbehandelt etwa zur Dehydration und Kreislaufbeschwerden führen können. In schweren Fällen kann eine Muschelvergiftung Sprachstörungen und Bewegungsstörungen hervorrufen. Bisweilen steigt die Körpertemperatur lebensbedrohlich an und es kommt zu Angstzuständen und Bewusstseinsstörungen.

Bei der zentralnervösen Form kann es zu Atembeschwerden, bei der paralytischen Form zu einem Atem- und Herzstillstand kommen. Selten kann eine Toxi-Infektion auftreten, in deren Verlauf es zur Blutvergiftung kommen kann. Gefährdet für entsprechende Komplikationen sind vor allem Menschen, die bereits körperlich geschwächt oder stark beansprucht sind. So etwa Schwangere, ältere Menschen, Kleinkinder, Patienten mit einer geschwächten Immunabwehr und andere Risikogruppen.

Bei der Behandlung einer Muschelvergiftung können die verordneten Arzneimittel Unverträglichkeiten und allergische Reaktionen hervorrufen. So verursachen viele Antibiotika Magen-Darm-Beschwerden, Hautausschläge und körperliches Unwohlsein. Im Rahmend der häufig verordneten Ergotherapie kann es etwa zu einer körperlichen Überlastung kommen oder das bereits geschwächte Immunsystem wird überlastet. In aller Regel kann eine Muschelvergiftung jedoch ohne größere Komplikationen auskuriert werden, insofern sie frühzeitig erkannt und behandelt wird.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Erleidet der Betroffene unmittelbar nach oder noch während des Verzehrs von Muscheln ein starkes Unwohlsein, Übelkeit oder Erbrechen, ist ein Arzt aufzusuchen. Bei Schweißausbrüchen, einem blassen Hautbild sowie einem starken Abfall des Blutdrucks, wird ein Arzt benötigt. In akuten Fällen ist ein Rettungsdienst zu alarmieren, da der Betroffene unverzüglich intensivmedizinisch behandelt werden muss. Andernfalls droht bei einer Muschelvergiftung das vorzeitige Ableben.

Starker Durchfall, Magenschmerzen und Krämpfe sind weitere Anzeichen einer Unregelmäßigkeit. Kommt es zu einem Anstieg der Körpertemperatur, einem Gefühl der inneren Hitze oder Schwindel, ist ein Arzt aufzusuchen. Plötzliche Veränderungen des Hautbildes, Juckreiz oder Missempfindungen auf der Haut sind untersuchen und behandeln zu lassen. Bei Lähmungen oder Beschwerden der Atmung besteht ebenfalls Handlungsbedarf. Kommt es einem Ausfall der Atemtätigkeit oder einem plötzlichen Bewusstseinsverlust, ist ebenfalls ein Notarzt zu alarmieren. Damit bis zu dessen Eintreffen das Überleben des Betroffenen gesichert ist, müssen gleichzeitig Erste-Hilfe-Maßnahmen von Anwesenden ergriffen werden.

Treten die genannten Beschwerden nach oder während eines Besuchs in einem Restaurant auf, ist ebenso ein Arztbesuch notwendig. In einigen Fällen nutzen Köche Muscheln zur Verfeinerung oder Würzung einer zubereiteten Mahlzeit, sodass Reste oder Kleinstteile des Muschelfleisches in einem Menü ohne das Wissen des Betroffenen verarbeitet werden.

Behandlung & Therapie

Der Mytilismus kann nicht ursächlich, sondern lediglich symptomatisch behandelt werden. Wenn zum Beispiel Atemnot besteht, kann eine Versorgung des Patienten mit Sauerstoff angezeigt sein. Bei Symptomen des Magen-Darm-Trakts kann es zu einer Dehydrierung kommen. Diese Dehydrierung wird notfalls durch die intravenöse Verabreichung von Flüssigkeit wieder ausgeglichen.

Um die Toxine schnellstmöglich aus dem Körper auszuleiten, sollte der Wasserhaushalt relativ hoch gehalten werden. Die Ausscheidung der Gifte mit dem Urin wird auf diese Weise stimuliert. Falls dermatologische Symptome vorkommen, wird durch Salben und Umschläge der Juckreiz gelindert. Angstzustände können über die gezielte Gabe von Beruhigungsmitteln gelindert werden.

Allerdings spielt der Zustand des Herz-Kreislauf-Systems dabei eine entscheidende Rolle, da es bei fehlender Berücksichtigung unter Umständen zu Herzversagen kommen kann. Das Auspumpen des Magens ist bei Eintreten der ersten Symptome in der Regel nicht mehr effektiv, da die Toxine innerhalb von zwei bis fünf Stunden bereits ins Blut aufgenommen werden. Falls sich Lähmungen eingestellt haben, die sich innerhalb der nächsten Tage nicht von selbst zurückbilden, so kann eine physiotherapeutische Behandlung zur Wiedererlangung der Bewegungsfähigkeit angezeigt sein.

Auch eine Ergotherapie kann in diesem Rahmen Sinn machen. Wenn anhaltende Sprachstörungen vorliegen, dann wird in der Regel ein Logopäde bei gezogen.


Aussicht & Prognose

Die Prognose bei einer Muschelvergiftung ist abhängig vom genauen Toxin, vom Wirkungsort und von der Dosis. Viele Muschelvergiftungen gelten als harmlos. So werden Vergiftungen, die ausschließlich den Verdauungstrakt betreffen, in der Regel gut überstanden. Gefährlich ist hier allenfalls die Dehydrierung infolge des Durchfalls. Bleibende Schäden sind nicht bei dieser Form des Mytilismus zu befürchten. Diese Form der Vergiftung wird zumeist durch Okadasäure verursacht.

Bei anderen Formen der Muschelvergiftung ist die Prognose sehr viel schlechter. Domoinsäure, Ciguatoxin und Saxitoxin sind sehr viel gefährlicher und können zu Atem- beziehungsweise Kreislaufbeschwerden führen. Es besteht sowohl die Möglichkeit für Betroffene, die Vergiftung trotz gravierender Symptome zu überstehen. In anderen Fällen kann der Zustand lebensgefährlich werden, was insbesondere bei hohen Dosen aufgenommenen Giftes der Fall ist. In diesen Fällen müssen vergiftete Personen schnellstmöglich behandelt werden. Mit steigender Dauer der Vergiftung ohne Hilfe und Behandlung erhöht sich die Sterberate.

Eine behandelte und überlebte Muschelvergiftung hinterlässt keine Folgeschäden. Eine vollständige Erholung bei vorübergehender körperlicher Schwächung ist in der Regel die Folge. Zu bedenken ist, dass Muschelvergiftungen nichts mit dem Immunsystem haben und immer wieder mal auftreten können.

Vorbeugung

Der Muschelvergiftung lässt sich vorbeugen. Muscheln aus unreinen Gewässern sollten zum Beispiel nicht verzehrt werden. Grundsätzlich sollten Muscheln vor dem Konsum immer in reinem Wasser eingelegt werden, damit sie ihre Toxine entgiften. In den Sommermonaten ist ein genereller Verzicht auf Muscheln anzuraten, da sich in der warmen Jahreszeit viele Algen bilden und Muscheln so im Sommer vermehrt mit deren Toxinen in Kontakt geraten.

Nachsorge

Da eine Muschelvergiftung mit einem schwerwiegenden Infektionsverlauf des Magen-Darm-Traktes verbunden ist, erfolgt eine abschließende, vollständige Genesung des Patienten erst nach einigen Wochen. Während der Nachsorge sollte der Patient konsequent auf die richtige Auswahl von magen- und darmschonenden Nahrungsmittel achten. Auch die Zubereitung der Speisen sollte während dieser Zeit sehr schonend und magen-darm-entlastend erfolgen.

Auf Nahrungsmittel mit einem erhöhten Keimrisiko, wie zum Beispiel rohes Fleisch, Roheiprodukte oder Fisch, sollte verzichtet werden. Im Rahmen der Nachbehandlung ist eine Magen-Darm-Sanierung ratsam. Diese erfolgt zumeist mit Hilfe von Präparaten mit lebenden Milchsäurebakterien, die zur Stabilisierung und zum Aufbau einer gesunden Darmflora über einige Wochen eingenommen werden. Da das Immunsystem und der Magen-Darm-Trakt geschwächt und beeinträchtigt wurden, ist der Organismus für weitere Infektionen und Erkrankungen durch Bakterien und Keime sehr empfänglich.

Die Nachuntersuchungen beim behandelnden Arzt haben daher gegebenenfalls in Folge erneuter Magen-Darm-Beschwerden sehr zeitnah zu erfolgen. Sollte es erneut zu Durchfällen kommen, ist der Stuhl des Patienten labortechnisch zu untersuchen. Durch Nachsorgeuntersuchungen wird der Arzt diagnostizieren, ob sich gegebenenfalls aus der Muschelvergiftung eine Gastritis entwickelt hat. Diese wäre dann entsprechend medizinisch und medikamentös zu behandeln.

Das können Sie selbst tun

Gegen eine Muschelvergiftung gibt es kein Gegengift. Selbsthilfemaßnahmen müssen sich deshalb auf die Vorbeugung sowie auf die Therapie der einzelnen Symptome konzentrieren. Verursachen Muscheln Magen-Darm-Probleme, liegt das meist daran, dass die Lebensmittel beim Verzehr nicht mehr wirklich frisch waren und sich bereits Fäulnisstoffe gebildet haben. Wer selbst Muscheln zubereitet, sollte diese deshalb immer frisch kaufen und noch am gleichen Tag verwerten. Bestimmte Vergiftungserscheinungen resultieren allerdings aus Neurotoxinen, die die Muscheln in ihrem Fleisch ansammeln. Hier gibt es nur wenig Raum für vorbeugende Maßnahmen. Allerdings tritt dieses Phänomen bei Austern seltener auf, als bei anderen Muschelarten. Wer also nicht vollständig verzichten möchte, kann das Risiko einer neurotoxischen Vergiftung dadurch reduzieren, dass er ausschließlich Austern verzehrt und auf Mies- und Pfahlmuscheln verzichtet.

Übelkeit, Durchfall und Erbrechen stellen in der Regel eher harmlose Symptome einer Muschelvergiftung dar. In leichten Fällen können diese Begleiterscheinungen auch mit freiverkäuflichen Medikamenten aus der Apotheke behandelt werden. Darüber hinaus sollte der Betroffene sich Ruhe gönnen und darauf achten, dass er den Flüssigkeitsverlust, der mit Durchfällen oft verbunden ist, wieder ausgleicht. Neben Wasser sollte ungesüßter Tee oder Gemüsebrühe getrunken werden. Da oftmals auch der Elektrolythaushalt gestört ist, kann das Knabbern von Salzgebäck hilfreich sein.

Treten Lähmungen, Sprachstörungen, Angstzustände, Bewusstseinsstörungen oder Atembeschwerden vor, muss unbedingt sofort ein Arzt aufgesucht werden. In diesem Fall besteht für den Patienten Lebensgefahr, da schwere Formen einer Muschelvergiftung zu Atem- oder Herzstillstand führen können.

Video: Muschelvergiftung

Quellen

  • Hacke, W.: Neurologie. Springer, Heidelberg 2010
  • Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
  • Moll, I.: Dermatologie. Thieme, Stuttgart 2010

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