Nasalitätsstörung

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 24. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Nasalitätsstörungen sind Hyper- oder Hyponasalität und manifestieren sich dementsprechend in offenem oder geschlossenem Näseln. Neben organischen Ursachen wie Entzündungen, Spaltbildungen oder Tumoren im Mund-Rachen-Raum können funktionelle Ursachen für eine Nasalitätsstörung verantwortlich sein. Die Therapie besteht aus ursächlicher Behandlung und übenden Therapieschritten zur Lenkung das Artikulationsluftstroms.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Nasalitätsstörung?

Patienten mit einer Störung der Nasalität leiden an einer wahrnehmbar abnormen Lautbildung bei der Artikulation von nasalen Lauten. Die natürliche Physiologie ihrer Nasalität ist gestört.
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Bei sogenannten Nasalen handelt es sich um Laute mit spezieller Artikulationsart. Bei oralen Lauten wandert der hintere und weiche Gaumen mehr oder weniger eng an die Rachenrückwand, wo er den Nasenraum verschließt. Bei nasalen Lauten ist das Gegenteil der Fall. Die Artikulation von Nasalen erfordert einen oralen Verschluss, bei dem sich das Velum absenkt.

Damit strömt die Luft zu einem Großteil aus der Nase aus. Der Resonanzraum zur Artikulation sind der Nasenraum und die Mundhöhle bis zur Stelle des oralen Verschlusses. Im Deutschen existieren nur wenige Nasale, so zum Beispiel das M und N. Eine akustisch vernehmbare Abweichung von der physiologischen Nasalität bei der Artikulation eines Nasalen wird als Nasalitätsstörung bezeichnet.

Die Begriffe Rhinolalie, Rhinophonolalie, Rhinophonie, Palatophonolalie und Dysglossia palatalis sind synonyme Begriffe, die die Störungsursachen, die Auswirkungen oder Störungsorte andeuten. Zu den Nasalitätsstörungen zählen das offenen Näseln im Sinne einer Hypernasalität und das geschlossene Näseln im Sinne einer Hyponasalität. Gemischtes Näseln ist relativ selten.

Ursachen

Bei Hypernasalität erfahren die nasalen Resonanzräume vermehrte Beteiligung, so typischerweise wegen organischen Ursachen wie der Gaumenspalte. Bei Hyponasalität erfahren dieselben Resonanzräume verminderte Beteiligung, wie es organisch charakteristischerweise beim Schnupfen der Fall ist.

Beim gemischten Näseln liegt eine Kombination aus Insuffizienzen des weichen Gaumens und einer Verlegung des Nasenraums vor. Bei allen Sprachstörungen wird im Bezug auf die Ursachen zwischen organische Ursachen und funktionellen Ursachen unterschieden. Organische Ursachen hängen mit einer körperlich manifesten Beeinträchtigung des Gaumensegels zusammen und liegen meist an Fehlbildungen wie Spaltbildung.

Andererseits können auch Lähmungen der beteiligten Muskulatur, Verletzungen oder Tumoren und andersartige Veränderungen im Bereich des Nasenraums den primären Ursachen von Nasalitätsstörungen entsprechen. Zu den funktionellen Ursachen für Nasalitätsstörungen zählen vor allem psychische Ursachen wie unbewusste oder bewusste Schonhaltung nach Operationen im Gebiet der beteiligten Strukturen. Die organischen Funktionen und die Anatomie des artikulationsrelevanten Gebiets sind bei funktionellen Ursachen unversehrt.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Patienten mit einer Störung der Nasalität leiden an einer wahrnehmbar abnormen Lautbildung bei der Artikulation von nasalen Lauten. Die natürliche Physiologie ihrer Nasalität ist gestört. Bei einer Hyponasalität wirken die nasalen Laute zu wenig nasalisiert. Bei einer Hypernasalität liegt eine zu starke Nasalisierung vor.

Besonders die Artikulation von Nasalen und daran anschließende Plosiven lässt die Störung in Erscheinung treten. Die Störung kann sich generell aber auch auf die Verbindung von Nasalen und bestimmten Vokalen oder Konsonanten beziehen. In einigen Fällen sind alle Lautkombinationen mit einem Nasalen von der veränderten Aussprache betroffen.

Abhängig von der primären Ursache der Störung können unterschiedliche Begleitsymptome vorliegen. Bei primär organischen Nasalitätsstörungen sind Schmerzen zum Beispiel nicht ausgeschlossen. Bei primär funktionellen Nasalitätsstörungen liegen in der Regel keine begleitsymptomatischen Schmerzen vor.

Diagnose & Krankheitsverlauf

In der Diagnostik einer Nasalitätsstörung wird der subjektiv auditive Nasalitätseindruck als Basisbaustein angewandt. Der Arzt oder Logopäde verschafft sich durch die Spontansprache des Patienten einen ersten Eindruck von der Störung, wobei vor allem die Kombinationen von nasalen Lauten und Plosiven überprüft wird.

Für den anglo-amerikanischen Sprachraum existieren standardisierte Testsätze zur Diagnosesicherung, so zum Beispiel der Gutzmann-Test. Diese Testvariante hat den unterschiedlichen Velumabschluss bei den Vokalen /a/ und /i/ zur Basis. Bei ersterem Vokal besteht physiologischer Weise eine große Öffnung und bei letzterem ein Verschluss.

Die Erfassung von nasalen Atemdurchschlägen während der Artikulation erfolgt mittels Czermak-Platte. In Regionen von Deutschlands existieren Normwerte für Nasalanz, mit denen die gemessene Nasalanz verglichen wird. Um die primäre Ursache der Nasalitätsstörung zu bestimmten, findet eine organische Diagnostik statt. Diese Diagnostik umgreift eine Untersuchung des Mund-Rachenraums, bei der die Gaumensegelaktivität, der Nasenrachen und die Nase beurteilt werden. Die Verschlussaktivität des Velums kann fiberoptisch mittels transnasaler Endoskopie bestimmt werden.

Komplikationen

Durch die Nasalitätsstörung leiden die Betroffenen in erster Linie an einer Sprachstörung. Die nasalen Laute werden dabei falsch ausgesprochen und betont, sodass es zu Sprachbeschwerden oder zu anderen Verständigungsschwierigkeiten beim Patienten kommen kann. Weiterhin kann die Nasalitätsstörung auch zu Hänseleien oder zu Mobbing führen, wenn diese Beschwerde schon in der Schule oder im jugendlichen Alter beim Betroffenen eintritt.

Schmerzen treten dabei meistens nicht auf. Die Krankheit selbst wird kausal behandelt, sodass die weiteren Komplikationen und auch der weitere Verlauf der Krankheit stark von der Grunderkrankung abhängen. Allerdings können die Beschwerden in den meisten Fällen eingeschränkt werden. Nicht selten kann die Nasalitätsstörung auch zu Depressionen oder zu anderen psychischen Beschwerden führen, sodass die Patienten dabei auf eine psychologische Behandlung angewiesen sind.

Durch verschiedene Therapien kann die richtige Aussprache gelernt werden, sodass weitere Komplikationen vermieden werden. Die Einnahme von Medikamenten ist bei dieser Krankheit nicht notwendig. In einigen Fällen sind allerdings operative Eingriffe notwendig, um die Beschwerden der Nasalitätsstörung zu beheben. Die Lebenserwartung der Betroffenen wird bei dieser Krankheit ebenso nicht beeinflusst oder verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Die Konsultation eines Arztes ist notwendig, sobald sich Auffälligkeiten und Besonderheiten der Sprachgebung zeigen. Ändert sich die Aussprache, die Stimmfarbe oder die Deutlichkeit des Sprechens, besteht Anlass zur Besorgnis. Kommt es zu einer plötzlichen undeutlichen Lautgebung, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Da die Ursache der Beschwerden bei einigen Patienten eine schwerwiegende Erkrankung sein kann, sollte bereits bei den ersten Anzeichen einer Unregelmäßigkeit ein Arzt von den Beobachtungen unterrichtet werden. Gibt es Änderungen des Speichelflusses sowie Störungen des Schluckaktes, ist die Rücksprache mit einem Arzt notwendig. Eine Einschränkung der Atmung oder Veränderungen der Atemtechnik aufgrund bestehender Probleme müssen untersucht und behandelt werden.

Treten die Beschwerden innerhalb des natürlichen Wachstums- und Entwicklungsprozesses eines Kindes oder Jugendlichen auf, können Fehlstellungen die Ursache sein. Zur Abklärung der Hintergründe sollte ein Arzt konsultiert werden. Werden Sprachverzögerungen bemerkt oder wird das Sprechen vollständig vermieden, sind dies Anzeichen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung.

Verhaltensauffälligkeiten oder Änderungen der Persönlichkeit können ebenfalls auf eine Unstimmigkeit hindeuten. Bei einem Rückzug aus dem sozialen Leben, aggressiven oder depressiven Tendenzen ist daher ein Arzt um Hilfe zu bitten. Oftmals verändern die Betroffenen ihre Kommunikationswege, damit die Beschwerden von dem sozialen Umfeld möglichst unbemerkt bleiben.

Behandlung & Therapie

Bei Nasalitätsstörungen mit organischer Ursache steht eine ursächliche Therapie im Fokus der Behandlung. Soweit die Ursache aufgehoben werden kann, ist auch die Nasalitätsstörung heilbar. Die Ursachenbeseitigung kann beispielsweise der Exzision von Tumoren entsprechen oder der Korrektur einer Fehlbildung gleichkommen. Die Beseitigung des organischen Schadens erfolgt, wo erforderlich, mit einer Operation.

Hierzu stehen zum Beispiel Verschlussoperationen von Spaltbildungen zur Verfügung. Auch Septumplastiken und Muschelkaustik kommen in Frage. In einigen Fällen besteht mit einer operativen Anstandsverkleinerung zwischen dem Velum und der Rachenhinterwand eine erfolgsversprechende Operationsmöglichkeit.

Die entsprechende Operation ist auch als Velopharyngoplastik bekannt. Bei funktionellen Nasalitätsstörungen und begleitend zu organischen Therapien von organischen Nasalitätsstörungen kommen übende Therapieverfahren zum Einsatz. Die Patienten lernen in diesen übenden Verfahren eine pathologische Luftstromlenkung zu normalisieren und sich an die physiologisch vorgesehene Nasalität anzunähern.


Aussicht & Prognose

Eine Nasalitätsstörung kann operativ und therapeutisch behandelt werden. Im Rahmen der Therapie wird das Sprechvermögen durch gezieltes Training verbessert. Geschieht dies frühzeitig, ist die Prognose gut. Die Aktivierung der Gaumensegelmuskulatur sowie ein gezieltes Training der Sprechatmung genügen zumeist, um das Sprechvermögen ausreichend zu verbessern. Das Kind kann dann wieder problemlos sprechen und verstanden werden. Eine begleitende Operation verläuft in den meisten Fällen ebenfalls positiv.

Entscheidend für den Verlauf der Erkrankung ist die Ursache der Nasalitätsstörung. Tritt sie im Rahmen einer Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte oder ähnlicher Fehlbildungen auf, müssen diese zunächst behandelt werden. Lebensgefahr besteht für die betroffenen Kinder grundsätzlich nicht. Auch die Lebenserwartung wird nicht reduziert. Die Lebensqualität kann durch das schlechte Sprechvermögen reduziert sein. Allerdings sind genannte Therapiemaßnahmen wirksam und bringen stets eine Verbesserung des Zustandes.

Die genaue Prognose stellt der zuständige Logopäde oder Kinderarzt. Weitere Fachärzte können die ursächliche Erkrankung behandeln und hierfür eine Prognose stellen. Grundsätzlich ist die Prognose bei einer Nasalitätsstörung also positiv, insofern das Leiden frühzeitig erkannt und behandelt wird. Bei fehlender Behandlung bleibt die Störung bestehen und manifestiert sich im Laufe der Kindheit.

Vorbeugung

Nasalitätsstörungen mit habituell funktioneller Natur lassen sich beispielsweise vorbeugen, indem nach Operationen oder Traumata keine Schonhaltung eingenommen wird. Organisch bedingten Nasalitätsstörungen lässt sich nur insoweit vorbeugen, wie Vorbeugemaßnahmen für Tumore, Entzündungen und Fehlbildungen des Mund-Rachenraums zur Verfügung stehen.

Nachsorge

Bei einer Nasalitätsstörung stehen dem Betroffenen in den meisten Fällen nur sehr wenige und in der Regel auch nur sehr eingeschränkte Maßnahmen und Möglichkeiten einer Nachsorge zur Verfügung. Der Betroffene sollte aus diesem Grund schon möglichst früh einen Arzt aufsuchen, um das Auftreten von anderen Komplikationen oder Beschwerden zu verhindern. Je früher ein Arzt aufgesucht wird, desto besser ist in der Regel auch der weitere Verlauf der Erkrankung, sodass schon bei den ersten Symptomen und Anzeichen ein Arzt zu kontaktieren ist.

In der Regel ist bei einer Nasalitätsstörung ein operativer Eingriff notwendig, welcher die Beschwerden dauerhaft und vollständig einschränken kann. Betroffene sollten sich nach einem solchen Eingriff auf jeden Fall schonen und ausruhen. Dabei ist auch Bettruhe einzuhalten. Weiterhin sind viele der Patienten durch die Nasalitätsstörung auf die Hilfe und die Pflege durch die eigene Familie angewiesen.

Hierdurch können auch Depressionen und andere psychische Verstimmungen verhindert werden. Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen der Nasalitätsstörung kann dabei sinnvoll sein und zu einem Austausch an Informationen führen, welcher den Alltag des Betroffenen erleichtern kann. Die Krankheit selbst verringert dabei nicht die Lebenserwartung des Patienten.

Das können Sie selbst tun

Bei einer Nasalitätsstörung kann der Betroffene zusätzlich zu der medizinischen Behandlung durch gezielte Sprachübungen seine Lautgebung trainieren und verbessern. Gemeinsam mit einem Logopäden können Übungseinheiten erarbeitet und besprochen werden, die eigenverantwortlich und selbständig in regelmäßigen Abständen durch den Patienten durchgeführt werden. Das fördert die Selbstwahrnehmung, unterstützt die richtige Atmung bei der Lautgebung und führt zu einem optimierten Austausch mit anderen Menschen.

Unterstützend können technische Hilfsmittel für eine bessere Kommunikation im Alltag genutzt werden. Sprachcomputer, Apps, verschiedene Schreibtechniken oder eine Zeichensprache können im Kontakt mit Mitmenschen angewendet werden. Sie erleichtern häufig dem Umgang miteinander. Besonders wichtig ist der Aufbau des eigenen Selbstbewusstseins. Trotz der Widrigkeiten durch die Nasalitätsstörung sollte sich der Betroffene von Äußerungen anderer Menschen keinesfalls negativ beeinflussen lassen. Wichtig sind eine umfassende Aufklärung über die vorliegende Erkrankung und die Information an Menschen aus dem sozialen Umfeld. Dadurch können Missverständnisse vermieden werden und möglichen Unstimmigkeiten wird vorgebeugt.

Ein Austausch mit Menschen, die nicht oder nur teilweise sprechen können, führt bei vielen Betroffenen zu neuen Erkenntnissen und einen leichteren Umgang mit der Störung. Ein Dialog über Erfahrungen im Alltag wird im gemeinsamen Kontakt als hilfreich und unterstützend wahrgenommen. Tipps von Mitmenschen für Veränderungen des eigenen Verhaltens können ebenfalls von Nutzen sein.

Quellen

  • Böhme, G. (Hrsg.): Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen. Urban & Fischer, München 2006
  • Probst, R., Grevers, G., Iro, H.: Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. Thieme, Stuttgart 2008
  • Reia, M.: Facharztwissen HNO-Heilkunde. Springer, Heidelberg 2009

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