Nekrotisierende Enterokolitis

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 24. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Die nekrotisierende Enterokolitis ist eine Erkrankung des Darms, die vornehmlich bei Frühgeborenen auftritt. Die genauen Ursachen wurden noch nicht eindeutig geklärt. Auch wenn die Behandlung der Krankheit immer größere Erfolge erreicht, kommt sie unverändert häufig vor und führt in nicht wenigen Fällen zum Tode.

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine nekrotisierende Enterokolitis?

Eine nekrotisierende Enterokolitis kann noch in der Klinik von den behandelnden Ärzten diagnostiziert werden.
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Unter einer nekrotisierenden Enterokolitis verstehen Mediziner eine schwere Darmerkrankung, die hauptsächlich bei frühgeborenen Säuglingen auftritt.

Dabei handelt es sich um eine Infektion in Verbindung mit einer gestörten Durchblutung der Darmwand. Das Gewebe wird nekrotisch und verändert sich. Fäulnisgase lagern sich ein, und schlimmstenfalls kommt es zu einem Eindringen des Darminhalts in die Bauchhöhle. Die betroffenen Neugeborenen weisen einen aufgeblähten Bauch auf, vertragen keine Nahrung mehr und erbrechen unter Umständen blutigen Gallensaft.

Statistiken besagen, dass noch immer jedes 10. Frühgeborene von der nekrotisierenden Enterokolitis betroffen ist. Obwohl die Medizin immer größere Fortschritte macht, liegt die Sterblichkeitsrate bei Frühgeborenen immer noch bei 5 - 10 %, abhängig von Geburtsgewicht und allgemeiner Verfassung des Säuglings sowie dem Stadium, in dem die Krankheit erkannt wird.

Ursachen

Die genauen Ursachen für die Entstehung der nekrotisierenden Enterokolitis sind noch nicht geklärt. Mediziner konnten zwar zahlreiche Risikofaktoren bzw. Umstände, welche die Erkrankung zu begünstigen scheinen, ausfindig machen.

Allerdings konnte nicht festgestellt werden, ob einigen Faktoren größeren Einfluss auf die Krankheitsentstehung haben oder nicht. Zu den möglichen Auslösern der nekrotisierenden Enterokolitis zählen Vorerkrankungen wie bestimmte Herzfehler (beispielsweise eine Aortenisthmusstenose, eine Verengung der Aorta).

Aber auch Zustände wie etwa ein Volumenmangelschock, bei dem es durch einen starken Flüssigkeitsverlust zu einer Abnahme der Blutmenge in den Gefäßen kommt, oder ein Atemnotsyndrom, einer Lungenfunktionsstörung bei Neugeborenen, sollen die Entstehung einer nekrotisierenden Enterokolitis begünstigen. Dies gilt auch für Unterzuckerung, Unterkühlung, einen zu niedrigen Blutdruck oder auch das Einbringen eines Katheters über die Nabelschnurgefäße.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

In der Regel beginnt die Krankheit schleichend. Ihr Fortschreiten wird anhand verschiedener Stadien eingestuft. In Stadium I zeigen sich die ersten Anzeichen in Form von instabiler Körpertemperatur, einem berührungsempfindlichen Blähbauch und der Verweigerung von Nahrung. Zusätzlich treten immer wieder Atemstillstände auf. Das Kind sieht blass aus, seine Gesichtsfarbe wird gräulich und es ist schläfrig.

Es kann blutiger Stuhl vorkommen. In Stadium II verschlechtert sich der Allgemeinzustand noch mehr. Das Kind reagiert kaum noch auf Schmerzreize und der Körper kühlt ab, besonders Arme und Beine fühlen sich kalt an. Die Atemstillstände häufen sich und der Herzschlag wird langsamer. Es kommt zum Erbrechen von galligem Magensaft und die Menge des Blutes im Stuhl erhöht sich.

Wenn das Kind nicht mehr reagiert, muss es beatmet werden. Dieser Zustand kann sich rasch verschlimmern und in Stadium III übergehen. Das Darmgewebe stirbt ab, wodurch sein Inhalt in die Bauchhöhle fließt und eine lebensbedrohliche Bauchfellentzündung verursacht. Es besteht die Gefahr der Sepsis. Der Bauch ist dann stark gespannt, auf den Flanken bilden sich rötliche Flecken und es entstehen Wassereinlagerungen. In den meisten Fällen treten diese Stadien nacheinander auf. Es kann aber auch vorkommen, dass sich die Erkrankung innerhalb weniger Stunden von Stadium I zu Stadium III dramatisch verschlechtert.

Diagnose & Verlauf

Eine nekrotisierende Enterokolitis kann noch in der Klinik von den behandelnden Ärzten diagnostiziert werden.

Zunächst findet eine allgemeine körperliche Untersuchung des Frühgeborenen statt, zusammen mit einer umfassenden Blutuntersuchung. Zusätzlich geben bildgebende Verfahren Auskunft über deutliche Symptome wie verdickte Darmwände und erweiterte Darmschlingen. Oftmals lassen sich auch Gasbläschen erkennen. Ist die Darmwand bereits perforiert, kann auch ausgetretene Luft in der Bauchhöhle erkannt werden.

Ein Ultraschall kann ähnlich eindeutige Beweise für das Bestehen einer nekrotisierenden Enterokolitis liefern. Bleibt eine nekrotisierende Enterokolitis unbehandelt oder wird sie zu spät erkannt, kommt es zu den soeben beschriebenen Perforationen in der Darmwand. Dadurch kann Darminhalt in die Bauchhöhle gelangen, was zu einer Sepsis führt und einen tödlichen Ausgang nehmen kann.

Komplikationen

Im schlimmsten Fall kann es bei dieser Krankheit zum Tod des Betroffenen kommen. Vor allem die Eltern und die Angehörigen können darauf mit psychischen Verstimmungen reagieren und benötigen mitunter eine psychologische Behandlung. In der Regel leiden die Betroffenen bei dieser Erkrankung an verschiedenen Beschwerden in der Region des Magens und des Darms. Es kommt dabei zu einem blutigen Stuhlgang und weiterhin öfter zu Erbrechen.

Auch ein Blähbauch und ein zu geringer Stuhlgang können dabei auftreten und die Lebensqualität des Patienten weiterhin verringern. In vielen Fällen leiden die Patienten bei dieser Krankheit auch an einer sehr blassen Hautfarbe und an Kreislaufbeschwerden. Ebenso kann es dabei ohne Behandlung zu einer Bauchfellentzündung kommen, die im schlimmsten Falle tödlich verlaufen kann.

In der Regel kann diese Krankheit mit Hilfe von Antibiotika behandelt werden. Komplikationen treten dabei nicht auf. Allerdings sind die Betroffenen weiterhin auf operative Eingriffe oder auf die Entnahme des Darms angewiesen und erhalten somit einen künstlichen Darmausgang. Damit kommt es zu erheblichen Einschränkungen im Alltag des Patienten. Bei einer erfolgreichen Behandlung wird die Lebenserwartung des Betroffenen in der Regel nicht verringert.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Zeigen Frühgeborene anhaltende oder zunehmende Auffälligkeiten des Verhaltens, besteht meist Anlass zur Besorgnis. Apathie, Teilnahmslosigkeit oder eine starke Unruhe weisen auf gesundheitliche Beeinträchtigungen hin, die untersucht werden sollten. Bei einer Verweigerung von Nahrung oder Flüssigkeit, starker Weinerlichkeit oder Schlaflosigkeit wird ein Arzt benötigt. Besonderheiten des Hautbildes, Verfärbungen oder eine stumpfe Hautstruktur müssen einem Arzt vorgestellt werden. Bei Sensibilitätsstörungen, einer Überempfindlichkeit bei Berührungen oder einer erhöhten Körpertemperatur ist ein Arzt aufzusuchen. Kommt es zu starken Blähungen, Blut im Stuhl oder Urin sowie Schwellungen, ist eine Abklärung der Beschwerden notwendig.

Erbrechen, Unterbrechungen der Atmung sowie Störungen des Herzrhythmus müssen unverzüglich einem Arzt vorstellt werden. Werden Wasseransammlungen bemerkt, reagiert das Kind nicht angemessen auf soziale Interaktionen oder kommt es zu Durchblutungsstörungen, wird ärztliche Hilfe benötigt. Bei kalten Gliedmaßen, einer geringen Reflexreaktion sowie einer Fleckenbildung muss ein Arzt konsultiert werden. Da die Erkrankung unbehandelt mit dem vorzeitigen Ableben des Patienten enden kann, sollte frühstmöglich ein Arzt aufgesucht werden. Nehmen vorhandene Beschwerden innerhalb weniger Stunden an Umfang sowie Intensität zu, besteht Handlungsbedarf. Bei einem akuten Zustand ist ein Rettungsdienst zu alarmieren. Gleichzeitig sind ausreichende Maßnahmen der Ersten Hilfe einzuleiten, um das Überleben des Säuglings zu sichern.

Behandlung & Therapie

Wurde eindeutig eine nekrotisierende Enterokolitis diagnostiziert, muss zunächst die Ernährung über den Magen-Darm-Trakt eingestellt werden. Währenddessen werden dem Frühgeborenen alle notwendigen Nährstoffe über Infusionen zugeführt.

Meist muss diese Maßnahme über einen Zeitraum von bis zu zehn Tagen erfolgen. Die Erkrankung selbst wird mit Antibiotika behandelt. Auch die Durchblutung der Darmwand kann medikamentös unterstützt bzw. verbessert werden. Ist es bereits zu einer Perforation der Darmwand gekommen, müssen die betroffenen Teile des Darms operativ entfernt werden. Je früher dieser Eingriff erfolgt, umso kleiner fällt der zu entfernende Abschnitt aus.

Vorübergehend muss ein künstlicher Darmausgang gelegt werden, der nach ca. acht bis zehn Tagen langsam wieder durch eine normale Darmtätigkeit ersetzt werden kann. Wird die Krankheit früh genug erkannt und angemessen behandelt, ist die Prognose für Neugeborene bei einer nekrotisierenden Enterokolitis recht günstig.


Aussicht & Prognose

Die Prognose der Erkrankung hängt davon ab, wie schnell das Krankheitsbild der nekrotisierenden Enterokolitis und die daraus entstehende Sepsis erkannt werden konnten. Auch spielt es eine große Rolle wie rechtzeitig mit einer adäquaten Behandlung begonnen wurde. Die Heilungsaussichten der Betroffenen sind dabei auch immer abhängig von dem Schweregrad der Krankheit. Kann eine auftretende Sepsis durch korrekte Medikamente gut kontrolliert werden, sieht die Prognose der Patienten nicht schlecht aus. Behandelt sterben nur etwa rund 5 bis 10 Prozent der betroffenen Neugeborenen.

Bei unbehandeltem Krankheitsbild sterben etwa 10 bis 30 Prozent. Haben sich hierbei die Nekrosen auf größere Darmabschnitte ausgedehnt, entwickelt sich schnell beim Kind ein Kurzdarmsyndrom. Der Darm muss entfernt werden wenn er sich nicht mehr erholt. Je intensiver die Symptomatik der Patienten ist und je mehr die Krankheit fortgeschritten ist, desto öfter wird eine Operation nötig. Hierbei besteht aber immer die Gefahr, dass bei dem Patienten, durch die Entfernung einiger Darmabschnitte das sogenannte Kurzdarmsyndrom entsteht, wodurch es zu Mangelernährung und Durchfällen kommen kann. Im Schnitt erleiden ungefähr zehn Prozent der Betroffenen ein Kurzdarmsyndrom. Ungefähr zehn Prozent der Patienten erleiden zudem im weiteren Verlauf der Krankheit sogenannte Strikturen des Darms. Diese erfordern dann dringend notwendig einen erneuten operativen Eingriff am Patienten.

Vorbeugung

Ein Vorbeugen einer nekrotisierenden Enterokolitis ist noch nicht möglich. Wissenschaftler versuchen unter anderem, Frühgeborene mit der Gabe von Antikörpern oder prophylaktischen Antibiotika vor der Erkrankung zu bewahren. Eine erwiesene vorbeugende Wirkung ist bisher aber noch nicht bekannt.

Ein genaues Beobachten des Frühgeborenen in der Klinik ist daher bislang die beste und einzige Möglichkeit, mögliche auftretende Symptome rechtzeitig zu erkennen und eine Therapie einzuleiten. So können ein Fortschreiten der Erkrankung und ein potenziell tödlicher Verlauf verhindert werden.

Nachsorge

Die Nachsorge bei nekrotisierender Enterokolitis ist nur sehr eingeschränkt möglich. Sie hängt von der Art der Behandlung ab. Bei einer medikamentösen Behandlung ist die Rehabilitation konfliktarmer als nach einem chirurgischen Eingriff. Weiteren Einfluss haben das Alter des Kindes sowie die Dauer des Aufenthalts auf der neonatologischen Intensivstation.

Die Nachsorge erfolgt zunächst komplett stationär. Das Kind bleibt im Krankenhaus bis es wieder Nahrung zu sich nehmen kann und stetig an Gewicht zunimmt. Dafür werden in einigen Fällen Infusionen eingesetzt. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus sind regelmäßige Nachuntersuchungen notwendig. Diese finden zunächst in relativ kurzen Abständen statt. Bei einer positiven Entwicklung erfolgen diese dann monatlich, später jährlich.

Wichtig bei der Nachsorge im eigenen Heim sind Ruhe und Schonung des Körpers. Körperliche Anstrengungen sind zu vermeiden. Auch ist zu beobachten, ob es zu Erbrechen, Verstopfung, fehlendem Stuhlgang oder Anämie kommt. In diesen Fällen sollte unbedingt ein Arzt aufgesucht werden. In einigen Fällen ist eine weitere Einnahme von Antibiotika als Nachsorge notwendig. Hier ist auf die korrekte Einnahme zu achten. Die nekrotisierende Enterokolitis ist eine schwere Komplikation und kann zu langfristigen gesundheitlichen Problemen führen.

Das können Sie selbst tun

Die nekrotisierende Enterokolitis stellt ein bedrohliches Krankheitsbild dar und muss deshalb intensivmedizinisch behandelt werden. Eltern des Neugeborenen fühlen sich daher schnell in die Zuschauerrolle verbannt und mit ihren Ängsten allein gelassen. Für beide Partner ist wichtig, hier frühzeitig seelische Unterstützung einzufordern und angebotene Hilfe anzunehmen. Ängste sollten mit allen Beteiligten offen besprochen werden. Auch eventuelle Geschwisterkinder sollten dabei nicht außen vor gelassen werden.

Dem erkrankten Neugeborenen sollte so häufig wie möglich der Kontakt zu den Eltern ermöglicht werden und wenn möglich sollten diese auch pflegerische Tätigkeiten selbst übernehmen. Das professionelle Pflegeteam geht auf diesen Wunsch in der Regel gerne ein.

Kommt es im Verlauf der Behandlung zur Entfernung eines Darmabschnittes und Anlage eines künstlichen Darmausganges, so bieten die Kliniken in der Regel entsprechend geschultes Personal zu dessen Versorgung. Für gewöhnlich ist dieser sog. „Anus praeter“ aber nur eine kurzfristige Lösung. Droht ein Kurzdarmsyndrom, sollten die weitere Ernährung des Kindes und seine individuellen Bedürfnisse zuallererst mit dem behandelnden Arzt besprochen werden. Gegebenenfalls übernimmt dann ein erfahrener Ernährungstherapeut die weitere Beratung. Es ist schwierig in diesem Fall pauschale Empfehlungen abzugeben und die Individualität jedes Patienten muss hier besonders berücksichtigt werden.

Quellen

  • Gortner, L., Meyer, S., Sitzmann, F.C.: Duale Reihe Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2012
  • Kurz, R. et al.: Checkliste Pädiatrie. Thieme, Stuttgart 2015
  • Rodeck, B., Zimmer, K.-P.: Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung. Springer, Heidelberg 2013 - Gastro

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