Orofaziale Störung
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 23. März 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Eine Funktionsstörung des Mundes wird auch als orofaziale Störung bezeichnet. Die orofaziale Störung beeinträchtigt die Atmung, die Kommunikation sowie die Nahrungsaufnahme des Betroffenen. Aus diesen Gründen ist es wichtig, so schnell wie möglich eine Therapie zu beginnen, damit etwaige Komplikationen und Beeinträchtigungen behandelt werden können.
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Was ist eine Orofaziale Störung?
Der Mediziner bezeichnet als orofaziale Störung etwaige Störungen, die im Rahmen der Mundmuskulatur sowie der Gesichtsmuskulatur auftreten (orale sowie faziale Störungen).
Vor allem Kinder, die unter Bewegungsstörungen leiden, sind häufig von orofazialen Störung betroffen.
Dabei handelt es sich oftmals um Schädigungen oder auch Funktionsstörungen des kindlichen Gehirns; klassisch ist etwa das Auftreten der orofazialen Störung bei Kinderlähmung.
Ursachen
Auch Allergien, ein verkürztes Zungenbändchen oder genetisch bedingte Skelettanomalien können eine orofaziale Störung begünstigen oder auslösen. Mitunter sind aber auch psychische Belastungen und Stressfaktoren jeglicher Art mögliche Ursachen, die eine orofazialen Störung hervorrufen können. Auch sehr langes Daumenlutschen, Lippenlecken sowie die lange Verwendung eines Schnullers begünstigen eine orofazialen Störung.
Mitunter können auch ein erworbenes Fehlverhalten - etwa durch „falsche Flaschensauger“ oder Haltungsprobleme und eine fehlerhafte Körperspannung dafür sorgen, dass eine orofaziale Störung hervorgerufen wird. Mitunter kann die orofaziale Störung auch durch taktik-kinästhetische Störungen ausgelöst werden; ein Auftreten im Rahmen allgemeiner Entwicklungsbehinderungen (etwa auf Grund des Down-Syndroms) ist ebenfalls möglich.
Symptome, Beschwerden & Anzeichen
Im Regelfall äußert sich die orofaziale Störung dadurch, dass die betroffenen Kinder nicht durch ihre Nase atmen können. Dies deshalb, da der Mundschluss fehlt. Mitunter können auch Schluckbeschwerden auftreten. Weitere Symptome sind auch Kommunikationsbeeinträchtigungen oder auch Probleme, die Nahrung richtig aufzunehmen. Die Symptome sind relativ leicht zu erkennen; sollte der Verdacht einer orofazialen Störung gegeben sein, sollte ein Mediziner kontaktiert werden.
Diagnose & Krankheitsverlauf
Treten erste Symptome auf, die mitunter auf eine orofaziale Störung schließen lassen, sollte so schnell wie möglich ein Mediziner aufgesucht werden. Dies deshalb, da - je früher die Behandlung beginnt - der Verlauf der Störung positiv beeinflusst werden kann. Im Rahmen der Behandlung ist zuerst ein Anamnesegespräch vorgesehen; auch möchte der behandelnde Arzt Informationen über den Entwicklungsverlauf erfahren.
Selbst mögliche Ursachen spielen für die Diagnose eine Rolle, sodass die Eltern nicht nur über etwaige begünstigende Faktoren (Daumenlutschen), in Kenntnis sein sollten, sondern auch die Essgewohnheiten sowie die Ernährung des Kindes wissen müssen. Danach erfolgt die routinemäßige Lautüberprüfung und Überprüfung der Mundhöhle sowie des Zahnstatus.
In weiterer Folge überprüft der Mediziner die Wahrnehmung und Beweglichkeit jener Muskeln, die für den Schluckvorgang benötigt werden. Der Schluckvorgang wird im Rahmen der „Payne-Technik“ untersucht. Dabei klassifiziert der Mediziner auch den Einsatz von sogenannten „Lippenhaltern“.
Komplikationen
Weiterhin ist auch die Einnahme von Nahrung und Flüssigkeit für den Betroffenen nicht mehr ohne Weiteres möglich, sodass es zu Untergewicht oder zu verschiedenen Mangelerscheinungen kommen kann. Die Lebensqualität des Betroffenen wird durch diese Erkrankung erheblich verringert. Auch Schluckbeschwerden treten dabei oft auf und erschweren den Alltag des Patienten.
Weiterhin sind oft auch die Eltern und die Angehörigen des Patienten von dieser Krankheit betroffen und leiden damit an Depressionen oder an weiteren psychischen Beschwerden. Die Behandlung dieser Störung ist in den meisten Fällen nicht mit Komplikationen verbunden. In der Regel erfolgt diese mit Hilfe verschiedener Therapien. Ein Erfolg kann allerdings nicht garantiert werden. Möglicherweise wird der Betroffene damit sein gesamtes Leben lang auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen sein.
Wann sollte man zum Arzt gehen?
Leiden Kinder unter einer Störung der Kaubewegungen, benötigen sie ärztliche Hilfe. Bei einer Verweigerung der Nahrungs- oder Flüssigkeitszufuhr droht eine Unterversorgung des Organismus. Ein Arzt muss aufgesucht werden, damit es zu keinem akuten gesundheitsbedrolichen Zustand kommt. Lähmungen, Beschwerden des Schluckaktes, eine Abnahme des Körpergewichts oder Beeinträchtigungen bei der Lautgebung müssen untersucht und behandelt werden. Ein Rückzugsverhalten, Stress oder belastende Lebenssituationen sind mit einem Arzt zu besprechen. Halten die Beschwerden über mehrere Tage oder Wochen unvermindert an, ist ein Arztbesuch vonnöten. Eine Zunahme der gesundheitlichen Unregelmäßigkeiten muss ebenfalls einem Arzt vorgestellt werden.
Ein vermindertes Wohlbefinden, Unwohlsein oder Verhaltensauffälligkeiten sind Anzeichen einer Störung. Wird eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder familiären Aktivitäten abgelehnt, ist dies meist ein Warnsignal. Eine depressive Stimmung, Schwankungen der Stimmung oder ein aggressives Auftreten erfordern einen Arztbesuch. Es besteht ebenfalls Handlungsbedarf, wenn es zu einem Krankheitsgefühl kommt oder sich Mangelerscheinungen einstellen. Veränderungen des Hautbildes, Schlafstörungen, Aufmerksamkeitsdefizite oder ein blasses Erscheinungsbild können Folgen einer orofazialen Störung sein. Ein Arztbesuch ist anzuraten, da die Lebensqualität bereits stark beeinträchtigt ist und der Betroffene medizinische Hilfe benötigt. Treten Schmerzen oder Unstimmigkeiten mit einem vorhandenen Zahnersatz auf, ist ebenfalls eine Abklärung der Beschwerden angezeigt.
Behandlung & Therapie
Im Rahmen der orofazialen Störung wird eine ganzheitliche Therapie angewandt. Der Mediziner versucht im Rahmen der Behandlung, dass er ein muskuläres Gleichgewicht schafft, das natürlich vorwiegend im orofazialen Bereich vorhanden ist. Jenes Gleichgewicht basiert auf der sogenannten gesamtkörperlichen Balance; dazu zählen die Erdung, die Symmetrie, der Tonus, die Atmung und auch die Aufrichtung sowie Haltung des Patienten.
Zuerst erfolgt die KOST - dabei handelt es sich um die „körperorientierte Sprechtherapie“ nach Codoni. Der Mediziner erarbeitet dabei eine manuelle Sprech- und Stimmtherapie, versucht Elemente aus der sensorischen Integration zu fördern und achtet vorwiegend darauf, dass eine craniosakrale Therapie erfolgt.
Nach Durchführung und Erstellung der KOST, wird versucht, dass verschiedene begünstigende Faktoren abgewöhnt werden. Dazu zählen etwa Daumenlutschen oder die ständige Verwendung eines Schnullers. In weiterer Folge wird das Hauptaugenmerk auf das Muskeltraining gelegt. Dabei trainiert der Betroffene die Muskulatur der Zunge, der Lippe sowie der Kiefer- und auch Kaumuskeln.
Nur so ist es möglich, dass ein orofaziales Gleichgewicht erreicht wird. Danach erfolgt das Training der physiologischen Zungenruhelage, die Nasenatmung sowie auch das physiologische Schluckmuster. Wichtig ist, dass die Therapie der orofazialen Störung nach der Reihe erfolgt; der Mediziner muss die Schritte - gemeinsam mit dem Patienten - von Anfang an durchgehen, sodass ein maximaler Erfolg erzielt werden kann.
Auf Grund der Tatsache, dass jeder Patient individuelle Probleme hat beziehungsweise die orofazialen Störung auch stärker oder schwächer ausgeprägt sein kann, ist es wichtig, dass auch ein Face-Former sowie Ballovents angewandt werden. Jene können bei individueller Problematik ebenfalls hilfreich sein.
Weitere Methoden, die im Rahmen der Therapie einfließen können, sind etwa die ganzheitlichen Therapien nach S. Codoni, etwaige myofunktionelle Therapien nach A. Kittel sowie auch die orofaziale Regulationstherapie sowie PNF und die manuelle Therapie der Stimme. Des Weiteren werden auch Elemente aus der sogenannten sensorischen Integrationstherapie angewandt; abschließend erfolgt eine neurolinguistische Programmierung.
Aussicht & Prognose
Eine orofaziale Störung ist eine Dysfunktion der muskulären Funktionen im Gesichtsbereich rund um den Mund. Die orofaziale Störung verursacht Schluck- und Sprechstörungen. Sämtliche Bewegungen in diesem Bereich werden behindert, beispielsweise das Schlucken oder Sprechen. Betroffen sind die Wangen-, die Lippen- und die Zungenmuskulatur.
Die Prognose hat sich durch neuere Behandlungsansätze leicht verbessert. Der bisherige Therapienansatz wurde durch einen spielerischen Therapieansatz verbessert. Die Behandlung damit betrifft vor allem erkrankte Kinder ab vier Jahren. Von den behandelnden Therapeuten und Logopäden kann die orofaziale Dysfunktion der Betroffenen nun mit ganzkörperlich ausgerichteten Koordinations-, Stimulations und spielerischen Wahrnehmungsübungen behoben bzw. ausgeglichen werden.
Die Therapie beginnt mit einer Intensivphase. Sie wird dann in eine weniger intensive Intervall-Phase überführt. In dieser wird das Erreichte immer wieder getestet - zum Beispiel mit Spaß-Schlucktests. Vorausgesetzt, die Eltern arbeiten konsequent mit, um die Folgen der orofazialen Störung zu verkleinern, sind die Behandlungserfolge recht gut. Die Artikulation und die restlichen Störungen durch die orofaziale Dysfunktion können oft erheblich verbessert werden.
Die Prognose ist gut, wenn die Therapie an die individuellen Gegebenheiten des Kindes angepasst werden kann. Voraussetzung ist ein Entwicklungsalter zwischen vier und acht Jahren, das eine aktve Mitarbeit des Kindes erlaubt. Die orofaziale Störung kann nicht behoben, aber gelindert werden.
Vorbeugung
Die orofaziale Störung kann nur bedingt vorgebeugt werden. So können Eltern darauf achten, dass ihre Kinder nicht oder nur wenig am Daumen lutschen oder mit dem Schnuller beschäftigt sind. Tritt die orofaziale Störung aber auf Grund einer Erkrankung auf (zum Beispiel Kinderlähmung), sind vorbeugende Maßnahmen im Regelfall nicht möglich.
Nachsorge
Orofaziale Störungen können unterschiedliche Ausprägungen annehmen und bedürfen einer individuellen Therapie und Nachsorge. Generell wird im Rahmen der Nachsorge geprüft, ob der Patient beschwerdefrei ist. Während der Anamnese klärt der Arzt zudem offene Fragen des Patienten ab. Bei der körperlichen Untersuchung werden etwaige Operationsnarben sowie die noch vorhandenen Fehlbildungen untersucht.
Hierzu verwendet der Arzt die notwendigen Verfahren und Messinstrumente, etwa bildgebende Verfahren oder die Abnahme von Blut. Gegebenenfalls kann der Kontakt zu einem Therapeuten hergestellt werden. Notwendig ist dies vor allem bei langwierigen Erkrankungen, da sich durch die Sprachstörungen oftmals auch seelische Probleme entwickeln. Diese müssen im Gespräch mit dem Therapeuten abgeklärt und behandelt werden.
Eine medikamentöse Behandlung etwaiger psychischer Beschwerden bedarf einer umfassenden Nachsorge, oft auch über die Behandlung der körperlichen Störungen hinaus. Die Nachsorge der orofazialen Störung erfolgt in der Regel durch den Hausarzt oder einen Logopäden. Meist ist lediglich eine einzige Nachsorgeuntersuchung angesetzt, da eine einmal auskurierte orofaziale Störung sich in der Regel weder verstärkt noch verschlimmert. Bei anhaltenden Beschwerden muss die Therapie wieder aufgenommen werden. Einzelne Symptome und Beschwerden wie die typische Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalte bedürfen einer eigenständigen Nachsorge.
Das können Sie selbst tun
Erkrankte der orofazialen Störung leiden unter Atemstörungen. Die Beeinträchtigungen lösen in vielen Fällen diffuse Ängste aus. Daher ist es im Alltag besonders wichtig, nach Möglichkeit Ruhe zu bewahren. Panik ist unter allen Umständen zu vermeiden, da sie zu einer Zunahme der Beschwerden und damit zu einer weiteren Atemnot führt.
Die Störungen der Kommunikation lösen bei Betroffenen und deren Angehörigen Verzweiflung und Hilflosigkeit aus. Die Einschränkungen sollten mit einer positiven Grundeinstellung begegnet werden. Langsam und mit viel Verständnis sind die Widrigkeiten im Alltag zu handhaben. Zeichensprache oder Körpersprache können den Mangel an der verbalen Kommunikation ausgleichen. Dadurch wird im Alltag ein ausreichender Austausch möglich.
Zudem ist auf eine positive Grundeinstellung zu achten. Die Lebensfreude sollte trotz der Erkrankung gefördert werden, damit der Umgang mit der Erkrankung besser gelingt. Bei depressiven Phasen, Stimmungsschwankungen und Apathie ist die Hilfe und Unterstützung eines Therapeuten in Anspruch zu nehmen. Im Alltag sind motivierende Worte für den Patienten wichtig. Der Kontakt zu anderen Erkrankten kann hilfreich sein, um gegenseitige Hilfestellungen zu geben In Selbsthilfegruppen und Internetforen werden offene Fragen geklärt, die Betroffene in ihrem Innern bewegen. Zwischen den Therapiesitzungen sollten eigenverantwortlich Übungen und Trainingseinheiten eingelegt werden. Diese fördern eine Linderung der Beschwerden.
Quellen
- Greten, H., Rinninger, F., Greten, T. (Hrsg.): Innere Medizin. Thieme, Stuttgart 2010
- Herold, G.: Innere Medizin. Selbstverlag, Köln 2016
- I care Krankheitslehre. Thieme, Stuttgart 2015