Potter-Syndrom

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 5. März 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Das Potter-Syndrom ist eine Kombination aus einer Agnesie beider Nieren und einem so entstehenden Mangel an Fruchtwasser in der Schwangerschaft. Ohne das Fruchtwasser ist der Fetus in der Entwicklung gestört und bildet zum Beispiel unterentwickelte Lungen aus, die nicht mit dem Leben vereinbar sind. Der Verlauf des Syndroms ist zwingend letal.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das Potter-Syndrom?

Das Potter-Syndrom ist eine Multiorgan-Erkrankung. Der Symptomkomplex besteht aus verschiedenen Konsequenzen, die eine fehlende Urinproduktion des Fetus und die so erschwerte Fruchtwassererneuerung nach sich ziehen.
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Im Laufe der Embryogenese entwickeln sich die zunächst omnipotenten Zellen zu immer differenzierteren Zellansammlung. So entsteht aus einem omnipotenten Zellhaufen Stück für Stück eine menschliche Morphologie mit allen zugehörigen Organen und Geweben. Fehler bei der Embryogenese können schwerwiegende Folgen wie beispielsweise die fehlende Anlage bestimmter Organe zur Folge haben. Auch das Potter-Syndrom ist eine Erkrankung, die sich während der Embryogenese manifestiert.

Der Symptomkomplex wird zu den Nierenagenesien und sonstigen Reduktionsdefekten der Niere gezählt und auch als Oligohydramnion-Sequenz bezeichnet. Die US-amerikanische Pathologin Edith Louise Potter beschrieb den Symptomkomplex im 20. Jahrhundert erstmals im Rahmen von 5.000 Autopsien an 17 männlichen und drei weiblichen Neugeborenen und bezeichnete ihn damals als renofaziale Dysplasie.

Später hat das Syndrom seiner Erstbeschreiberin zu Ehren den Namen Potter-Syndrom erhalten. Als wichtigstes Symptom hielt Potter in der Erstbeschreibung die bilaterale Fehlanlage der Nieren fest, die nicht mit dem menschlichen Leben vereinbar ist.

Ursachen

Die Ursache für das Potter-Syndrom und seine Symptome ist eine fehlerhafte oder ausbleibende Differenzierung der Nieren. Ob eine genetische Disposition die Fehlanlage begünstigt, ist zum derzeitigen Stand der Forschung nicht abschließend geklärt. Die primären Entstehungsfaktoren der Fehlanlage entsprechen offenbar vor allem einer ungenügenden Produktion von Fruchtwasser, die zur Ausbildung eines sogenannten Oligohydramnions führt.

Die Menge des mütterlichen Fruchtwassers unterschreitet bei diesem Phänomen während der Schwangerschaft eine Menge von 200 bis 500 Millilitern. Der Fetus trinkt ab einer gewissen Phase der Schwangerschaft etwa 400 Milliliter Fruchtwasser am Tag. In Form von fetalem Urin wandert ein Großteil davon zurück in die Fruchtblase. Die Menge des wieder abgegebenen Urins ist von großer Bedeutung, da sie später den größten Anteil des wieder produzierten Fruchtwassers ausmacht.

Wenn im fetalen Urogenitaltrakt zu wenig Harn gebildet wird oder durch einen anderen Zusammenhang zu wenig Fruchtwasser wieder abgegeben wird, unterschreitet die Fruchtwassermenge gegen Ende der Schwangerschaft den durchschnittlich erforderlichen Wert und leitet die Oligohydramnion-Sequenz ein.

Symptome, Beschwerden & Anzeichen

Das Potter-Syndrom ist eine Multiorgan-Erkrankung. Der Symptomkomplex besteht aus verschiedenen Konsequenzen, die eine fehlende Urinproduktion des Fetus und die so erschwerte Fruchtwassererneuerung nach sich ziehen. Fehlbildungen im Urogenitaltrakt gelten als Leitsymptom des Syndroms und treten insbesondere in Form von Agenesien in Erscheinung. In den meisten Fällen liegt eine Agnesie beider Nieren vor.

Diese Ausgangssituation führt zur ausbleibenden Urinproduktion des Embryos. Alle weiteren Symptome basieren auf der leitsymptomatischen Nierenagnesie. Das Fruchtwasser kann ab einer bestimmten Menge keine Schutzfunktionen mehr erfüllen. Ohne die schützende Hülle erfährt das Kind Fehlbildungen, die durch Kompressionen bedingt sind. Die Kompressionen betreffen besonders dem Bereich des Schädels und führen zu einer kraniofazialen Dysmorphie, die auf den ersten Blick der eines Down-Syndroms ähnelt.

Zusätzlich ist ihr Unterkiefer oft unterentwickelt. Ihre Augen liegen meist besonders weit auseinander. Auch die Extremitäten verformen sich. So wurde an den dokumentierten Fällen des Potter-Syndroms zum Beispiel vermehrt ein symptomatischer Klumpfuß festgestellt. Da die Lungenreifung des Embryos bis zu einem gewissen Grad vom Fruchtwasser abhängt, wird die allgemeine Entwicklung der Lungen gehemmt. Die Patienten besitzen aus diesem Grund meist unterentwickelte Lungen.

Diagnose & Krankheitsverlauf

Die Diagnose auf das Potter-Syndrom wird im Rahmen einer pränatalen Ultraschalluntersuchung gestellt. Während der ersten Monate der Schwangerschaft ist die klinische Symptomatik nur gering ausgeprägt und fällt daher nicht zwingend ins Auge. Erst ab etwa der 17. Schwangerschaftswoche stellen sich typische Veränderungen ein, die auf ein Potter-Syndrom hindeuten.

Als Leitsymptom fällt beim Ultraschall eine extreme Wachstumsverzögerung auf, die mit einer zunehmenden Zwangshaltung wegen der beengenden Verhältnisse und dem verminderten Fruchtwasser vergesellschaftet ist. Die Prognose für die Embryos ist extrem ungünstig. Die mangelnde Reife der Lungen und die Nichtanlage der Nieren sind auf längere Sicht nicht mit dem Leben vereinbar. Daher gilt das Potter-Syndrom in seinem Verlauf zwingend als letal. In den meisten Fällen sterben die betroffenen Feten noch im Mutterleib gegen Ende der Schwangerschaft.

Komplikationen

In der Regel führt das Potter-Syndrom zum Tod des Kindes. Dabei treten verschiedene Fehlbildungen und Missbildungen auf, sodass das Kind nach der Geburt direkt nicht überleben kann und daher verstirbt. Die Eltern und die Angehörigen leiden durch das Potter-Syndrom nicht selten an schweren Depressionen oder an anderen psychischen Verstimmungen und benötigen daher eine Behandlung.

Weiterhin leiden die betroffenen Kinder des Potter-Syndroms auch an Beschwerden, die dem Down-Syndrom ähneln. Auch die Augen sind unterentwickelt und es kommt zu heftigen Atembeschwerden und zu einem Klumpfuß. Da in der Regel fast alle Organe des Patienten von den Fehlbildungen und Missbildungen betroffen sind, kann keine direkte Behandlung mehr durchgeführt werden. Das Kind verstirbt dann nach der Geburt. Weiterhin sind dann die Eltern auf eine psychologische Behandlung angewiesen.

Dabei treten in der Regel keine besonderen Komplikationen auf. Die Mutter erhält nach der Geburt abstillende Medikamente. Weitere mögliche Schwangerschaften sind vom Potter-Syndrom nicht betroffen, sodass dem Kinderwunsch weiterhin nachgegangen werden kann. Auch für die Mutter führt das Potter-Syndrom nicht zu Komplikationen oder anderen lebensgefährlichen Beschwerden.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Beim Potter-Syndrom ist in jedem Falle ein Besuch bei einem Arzt notwendig. Es kommt bei dieser Erkrankung in der Regel nicht zu einer Selbstheilung und in den meisten Fällen auch zu einer deutlichen Verschlechterung der Beschwerden. Im schlimmsten Falle kann das Kind versterben oder ist geistig und körperlich behindert, sodass eine frühzeitige Diagnose und Behandlung unerlässlich sind. Eine vollständige Heilung ist meistens nicht möglich, sodass auch die Lebenserwartung des Kindes erheblich verringert sein kann. Der Arzt ist dann aufzusuchen, wenn das Kind an verschiedenen Fehlbildungen leidet.

In den meisten Fällen werden diese Fehlbildungen jedoch schon vor der Geburt oder auch direkt nach der Geburt erkannt, sodass ein zusätzlicher Besuch beim Arzt nicht notwendig ist. Bei der Diagnose des Potter-Syndroms ist das Kind auf eine stationäre Behandlung angewiesen. Sollte das Kind die ersten Monate überleben, so benötigen die Eltern häufig Hilfe bei der Entwicklung und der Förderung des Kindes, um die Beschwerden des Syndroms zu lindern.

Weiterhin ist auch ein Besuch bei einem Psychologen notwendig, da es durch das Potter-Syndrom bei den Eltern und den Angehörigen häufig zu psychischen Verstimmungen und zu Depressionen kommt. Hierbei kann sich auch der Kontakt zu anderen Betroffenen des Syndroms positiv auswirken.

Behandlung & Therapie

Weder eine kausale, noch eine symptomatische Therapie des Potter-Syndroms sind denkbar. Die Multiorgan-Symptome sind zu schwerwiegend, um sich symptomatisch behandeln zu lassen. Eine kausale Therapie steht wegen der Strittigkeit von genetischen Dispositionen nicht einmal ansatzweise in Aussicht. Eine supportive Therapie der Mutter und gegebenenfalls des Vaters ist meist die einzige Behandlungsoption.

Eine psychotherapeutische Betreuung bildet das Zentrum dieser Therapie. Die betroffenen Eltern werden idealerweise vor dem Tod des Fetus ans Abschied nehmen herangeführt. Nach dem Tod setzt sich die Therapie aufarbeitend fort. Wenn der Fetus im Mutterleib stirbt, wird die Geburt in den meisten Fällen künstlich eingeleitet. Die Periduralanästhesie wird zur Schmerzausschaltung genutzt. Nach der künstlich eingeleiteten Geburt erhält die Mutter Medikamente zur Abstillung. Die Eltern erhalten das Angebot, das Kind obduzieren zu lassen.


Vorbeugung

Bislang stehen für das Potter-Syndrom keinerlei vorbeugende Maßnahmen zur Verfügung. Welche Faktoren die ursächliche Agnesie der Nieren begünstigen, ist nicht abschließend geklärt. Erst mit der Abklärung dieser Faktoren kann es Vorbeugemaßnahmen geben.

Nachsorge

Da es für das Potter-Syndrom keine heilende Therapie gibt, konzentriert sich die Nachsorge für die Eltern vorwiegend auf die psychologische Ebene. Kausale Zusammenhänge sind bisher nicht bekannt, trotzdem sollten die Frauen im Anschluss an die Geburt des Kindes mit der tödlichen Erkrankung auf besondere Symptome achten. Diese könnten auf eine Vorerkrankung der Mutter hindeuten.

Der für das Kind letale Verlauf macht eine psychotherapeutische Behandlung der Eltern erforderlich. Diese sollten die fachkundige Unterstützung in Anspruch nehmen, um Depressionen zu verhindern. Einfühlsame, mentale Unterstützung durch die Familie hilft dabei, die schwere Zeit direkt nach der Geburt zu überstehen. Einige Mediziner raten dazu, nicht zu lange mit der nächsten Schwangerschaft zu warten, damit der Verlust leichter zu überwinden ist.

Abhängig von der Situation und von der unmittelbaren Reaktion der Eltern ist auch eine Auszeit ratsam. In der Zeit nach der Geburt sollten die Eltern das Thema nicht verdrängen, sondern miteinander und auch mit nahestehenden Personen offen sprechen. So lassen sich unnütze Schuldzuweisungen oder Komplexe vermeiden. Für die Mutter ist es außerdem empfehlenswert, auf ärztlichen Hinweis Mittel zur Abstillung einzunehmen. Einige Eltern möchten ihr Kind auch obduzieren lassen, um sich bewusst zu verabschieden.

Das können Sie selbst tun

Das Potter-Syndrom verläuft in der Regel tödlich. Wurde das Baby ohne Nieren geboren, verstirbt es innerhalb weniger Tage nach der Geburt. Bei einem solch schweren Verlauf benötigen die Eltern des Kindes zunächst therapeutische Unterstützung. Einige Ärzte empfehlen, nach dem Tod eines Kindes schnell wieder schwanger zu werden. Dadurch kann der Verlust oftmals leichter überwunden werden. In anderen Fällen hilft es den Eltern, wenn sie eine Auszeit nehmen und in der Folgezeit viel über das Ereignis sprechen.

Frauen sollten nach der Geburt eines Kindes mit Potter-Syndrom auf ungewöhnliche Symptome achten. Oft wurde das Leiden durch eine körperliche Vorerkrankung begünstigt oder es kommt infolge der komplizierten Geburt zu Problemen.

Bei einem positiven Verlauf ist das Baby auf eine Dialyse angewiesen. Die Eltern müssen das Kind rund um die Uhr beobachten und sicherstellen, dass bei einem Notfall umgehend ärztliche Hilfe eintrifft. Ebenso wichtig ist ein Ausgleich zu dem stressigen Alltag mit einem erkrankten Kind. Hierfür sollten die Ärzte mit dem Arzt oder einem Therapeuten sprechen, der Tipps für begleitende Maßnahmen und Therapien geben kann.

Quellen

  • Beckermann, M.J.: Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Schwabe, Basel 2004
  • Feige, A., Rempen, A., Würfel, W., Jawny, J., Rohde, A. (Hrsg.): Frauenheilkunde – Fortpflanzungsmedizin, Geburtsmedizin, Onkologie, Psychosomatik. Urban & Fischer, München 2005
  • Stauber, M., Weyerstrahl, T.: Gynäkologie und Geburtshilfe. Thieme, Stuttgart 2013

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